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Mon Jul 20 14:29:42 CEST 2009    |    taue2512    |    Kommentare (3)    |   Stichworte: Frankreich, Geburt, Kinderbetreuung, Nounou

Endspurt. Nur noch wenige Tage bis zum Entbindungstermin, alles läuft bestens und bislang erfreulicherweise immer noch sehr komplikationslos - aber vor allem nach Plan. Wir haben nun mittlerweile das in meinem letzten Blogartikel zum Thema Geburt angekündigte „Nounou-Casting“ abgeschlossen und was soll man sagen, es tun sich Abgründe auf denn wieder einmal prallen zwei Welten, beziehungsweise Ansichtsweisen aufeinander. Obwohl man meinen sollte das Deutsche und Franzosen doch eigentlich recht kompatibel zueinander sein sollten?

 

Gut, dass es hier in Frankreich ganz andere ansichtsweisen bei einigen Aspekten gibt zum Thema Kinder kriegen und der beruflichen Karriere der Mutter, davon habe ich ja bereits zu genüge berichtet. Es ist nun mal hier so und der französische Staat hat sein möglichstes getan, um diesen Planungen nicht im Wege zu stehen. Was würde man auch anderes erwarten, von einer Nation die durch starke Frauen wie Jeanne d’Arc oder Marie Curie geprägt wurde?

 

 

 

Wir führten in den letzten Tagen Interviews mit insgesamt 15 Frauen, die offiziell als Nounou registriert sind und somit auch strengen Kontrollen der Ämter unterworfen sind. In erster Linie spielte die Entfernung zu uns eine wichtige Rolle, denn ich möchte wo es nur geht lange Touren mit dem Kind vermeiden. Der - übrigens vom französischen Staat teilweise vorformulierte - Fragenkatalog zielte unter anderem ab auf die Organisation des Alltags, Integration unseres Kindes, Betreuungszeiten und in meinen Augen einigen wichtigen zusätzlichen Rahmenbedingungen, wie etwa die familiäre Situation, eigene Kinder und nicht zuletzt die zugrundeliegende Berufserfahrung. So unterschiedlich die Menschen sein können, so gab es auch deutliche Unterschiede in der Qualität.

 

Eines muss man sich vor Augen führen: Bei diesem Casting tritt man in gewisser Weise als Arbeitgeber auf, denn nachdem ein Arbeitsvertrag angefertigt wurde ist rechtlich die Nounou eine abhängig Beschäftigte Person und muss am Jahresende auch entsprechend steuerlich von den Familien mit dem gezahlen Lohn deklariert werden. Obwohl diese Arbeitsverträge rechtlich schon etwas gedeckelt sind um wildwuchs zu vermeiden, erlebt man zum Teil haarsträubende Unterschiede: Da verlangt eine beispielsweise einen initialen Unkostenbeitrag von 50 EUR zu Beginn Ihrer Mission, während eine andere sogar im Falle einer ordentlichen Kündigung nach 3 Jahren ein Fünfundzwanzigstel des Jahresverdienstes als Übergangsgeld zur Entschädigung für sich reklamiert. Auch die Stundensätze schwanken selbstverständlich, besonders die Überstunden unterliegen Preisschwankungen wie Kabeljau auf dem Hamburger Fischmarkt. Dann sollte man genauestens prüfen, wie viel bezahlten Urlaub sich eine Nounou vorbehält und wie das mit dessen Absprache und Vorplanung läuft. Erklärt sich die Dame überhaupt bereit das Kind lediglich an 4 Tagen pro Woche zu betreuen oder zahlt man stumpf und in jedem Fall stets alle 5 Tage, während die Mutter eine gewisse Zeit lang ihre Arbeitsstunden übergangsweise reduziert? Wie arrangiert man sich bei den Überstunden, falls man mal eben unvorhergesehen noch ein wichtiges Meeting reingewürgt bekommt?

 

Nounous bei denen es während unseres Besuchs überhaupt nicht nach einer Zone mit spielenden Kindern aussah, sondern eher steril wie in einer Uniklinik ohne Spielsachen, fielen bei meiner Punktevergabe fast sofort automatisch unten durch. Ebenso Haushalte in denen merklicherweise stark geraucht wird. Sorry, ich weiß ich bin da als Nichtraucher vielleicht ein wenig zu streng – aber in Gegenwart eines Säuglings gehört sich sowas eben nicht. Dann folgten bei mir Äußerlichkeiten – ich trete ja schließlich als Arbeitgeber auf - wenn z.B. eine Person seine Fingernägel bis auf das Blut oder Nagelbett abkaut sollte derjenige erst mal m.E. bei einem Psychiater auf die Couch und gewiss keine Kinder - geschweige denn Säuglinge - betreuen, ja auch da bin ich vielleicht ein wenig zu streng – wer weiß?

 

Leicht wird einem eine solche Entscheidung schließlich nie gemacht.

 

Wo es ging wollte ich auch vermeiden, das unser Kind von einer Single-Mutti-Nounou erzogen wird, eine Familie mit Kindern wäre ideal gewesen.

Klar, wenn man sich so anstellt ist die (Aus-)Wahl am Ende recht übersichtlich und beschaulich, sollte man meinen. Und so kam es das – nachdem jeder von uns positives und negatives in einer Excel Liste zu jedem Nounou-Casting vermerkt hatte, die engere Wahl auf zwei von uns favorisierte Damen fiel. Um mal kurz zu skizzieren, wie die finale Entscheidung von uns gefällt wurde zunächst einmal eine Kurzvorstellung der beiden Kandidatinnen:

 

Nounou I:

 

- Ende 30, Single

- Nounou seit 12 Jahren mit aktuell 3 bewilligten Plätzen (sie nimmt aber maximal nur 2)

- Eigenes Haus im grünen mit vielen Farmtieren (Hühner, Ziegen, Schildkröten, Hund, …)

- Eine Tochter, 8 Jahre alt

 

Nounou II:

 

- Mitte 40, Verheiratet

- Nounou seit 15 Jahren mit ebenfalls 3 Plätzen (davon nur ein Säuglingsplatz)

- Haus in der Ortsmitte das Dorfes (ein Hund)

- 3 Kinder zwischen 8 und 18 Jahren, Mann arbeitet im Schichtdienst

 

Die genauen Fragen von unserer Seite waren nicht unwichtig, viele Nounous weigern sich z.B. komischerweise beim Thema mitgebrachtes, egal ob nun Brustmilch, Ökowaschwindeln oder Brei. Ist wiederum logisch, denn neben den Betreuungskosten pro Stunde gesellen sich Nebenkosten für das Essen, und Pauschalbeträge für anteiligen Strom-/Gas- und Wasserverbrauch. Ja, auch sowas muss am Ende miteinander verglichen werden.

 

Und so kommt es dann, das man für eine Kinderbetreuung an 4 Tagen die Woche für jeweils 8 Stunden inklusive aller Unkosten und dem Essen leicht die 600 EUR-Grenze am Monatsende knackt. Bei den beiden in der engeren Auswahl verbliebenen Nounous war das Thema Kosten allerdings noch viel extremer, denn durch die versteckten Gebühren und Entschädigungen am Ende des Arbeitsvertrages hätte uns die Nounou Nummer II satte 6.000 EUR mehr in den drei Jahren gekostet. Gut das man mal darüber geredet hat! Und so wird es also kommen, das unser Mädel nun bei der ersten Dame unterkommt! Der Arbeitsvertrag ist inzwischen unterschrieben und die Dame über uns bei der französischen Sozialversicherung angemeldet. Und ganz nebenbei haben wir erfahren das das Kind unserer Nachbarn seit 2 Jahren bei derselben Dame untergekommen ist und die Familie total zufrieden mit ihr ist, also war das ganze Casting nicht umsonst.

 

In drei Jahren wird das Kind dann ganz normal auf eine ganztägige „Ecole primaire“ gehen, eine Art Grundschule aber auch wie vieles andere hier in Frankreich: Ganztägig. Un dann spätestens wir eine neue Entscheidung fällig werden.


Mon Jul 20 20:02:08 CEST 2009    |    schipplock

Zitat:

Und so kommt es dann, das man für eine Kinderbetreuung an 4 Tagen die Woche für jeweils 8 Stunden inklusive aller Unkosten und dem Essen leicht die 600 EUR-Grenze am Monatsende knackt

viel? ich mein...8 Stunden am Tag...4 Tage lang...viel kann die Nanny doch dann nebenbei gar nicht mehr machen...ach, Menschen sind schon ein armes Stueck Wesen :D...

Mon Jul 20 21:23:16 CEST 2009    |    taue2512

Dazu kommen aber denn als Verdienst nochmal knapp 60% vom Staat und bei 3 Plaetzen nimmt man das ganze entsprechend mal drei...fuers Kinderhueten kein schlechtes Einkommen... :)

Mon Jul 20 22:25:34 CEST 2009    |    schipplock

oh :)...ich nehme alles zurueck.

Deine Antwort auf "Nounou-Casting: And the winner is..."

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