Tue Nov 18 23:42:55 CET 2008
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bruno violento
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Ausbildung, Callcenter, Kunden, Reifenhotline, Winterreifen
Ich habe mich immer damit gebrüstet, dass unterm Strich noch nie einer meiner Kunden unzufrieden war mit meiner Leistung. Bis heute.[mehr] Dem aufmerksamen Blogverfolger wird aufgefallen sein, dass es seit einiger Zeit wenig Neues aus dem Premiumsegment zu berichten gab. Die meisten Kunden sind ausgesprochen Freundlich, und obwohl die Arbeit stressig und eher eintönig ist, bereitet es mir Freude, mit Kundinnen herumzuschäkern und die Herausforderung in der Lösung individueller Problemfälle zu suchen. Bislang habe ich es immer geschafft, mit den Kunden auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, doch heute ist es mir nicht gelungen. Der Kunde wollte einen Termin zum Radwechsel vereinbaren, am Freitag oder Samstag. Soweit kein Problem, es gibt beinahe immer noch die Möglichkeit, einen Radwechsel irgendwo dazwischenzuschieben. Einen Ölwechsel können wir jedoch nicht auf den eigens zum Räder wechseln aufgebauten mobilen Bühnen machen, die in eigenen Hallen aufgebaut sind, es gibt nicht die notwendige Infrastruktur, keinen Ölabscheider etc., ein Ölservice kommt also nur in der Werkstatt in Frage - Vorlauf zur Zeit: Mindestens fünf Tage. Ich habe also versucht, dem Kunden zu erklären, dass wir den Radwechsel plus Ölservice in dieser Woche nicht mehr hinbekommen, mangels Werkstattterminen. Nächste Woche wollte der Kunde jedoch in den Urlaub fahren und bis Weihnachten hätte er sowieso keine Zeit. Eine andere Filiale kam für ihn nicht in Frage, und bis nach Weihnachten konne der Ölwechsel selbstverständlich nicht warten, immerhin leuchte der Warnhinweis schon rot. Nach mehreren Minuten des Versuchens und Probierens musste ich der Schmach ins Auge sehen: Ich konnte dem Kunden nicht helfen. Es folgte eine wütende Schimpfkanonade, persönliche Beleidigungen und die übliche Drohung, den firmeneigenen Fuhrpark im nächsten Jahr mit Audis zu besetzen, (hier bekäme man schließlich den Hol- und Bringservice geschenkt, ein Fakt, über den wir ohnehin noch einmal verhandeln sollten...,) bis die Stimmung plötzlich umschlug und der Kunde in bitterliches Flehen verfiel, doch es nützte alles nichts - kein Ölwechsel diese Woche. Der Herr war nicht der erste Kunde, dem es nicht einleuchten wollte, dass nicht alles machbar ist wenn man nur lange genug quengelt, er war auch nicht der erste Kunde, dem ich erst erklären musste, dass in der Reifensaison eben nicht nur er auf die Idee kommt, "mal eben" seine Reifen zu wechseln. Es war jedoch das erste Mal, dass ein Kunde seine eigenen Fehler so maßlos und bar jeden Verständnisses auf mich abgewälzt hat - wenn die Service-Intervallanzeige rot leuchtet, hat sie zuvor schon mindestens ein paar hundert Kilometer gelb geleuchtet, und dass die Winterreifensaison naht weiß ich nicht erst seit dem gestrigen Wetterbericht. Ein positives Kundenerlebnis hatte ich jedoch gleich im Anschluss an dieses unerfreuliche Telefonat: Eine ältere Dame fragte besorgt, ob es denn bei dem Anfang Oktober vereinbarten heutigen Termin um 16.00 Uhr bliebe - Auf meine Nachfrage, warum es nicht dabei bleiben sollte, antwortete sie aufgebracht:
Pssst, kleiner Geheimtipp: Wenn's mal wieder etwas länger dauert mit Neuem aus dem Premiumsegment: |
Wed Nov 19 23:24:05 CET 2008 |
bruno violento
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blogprojekt, fortsetzungsstory
Der Hintergrund
Alexej war nervös, und darum tat er was er immer tat, wenn er nervös war: Er tippte ununterbrochen mit dem linken Zeigefinger auf den Tisch im Coffeeshop.
Er hasste diese sterilen Läden, die wie Pilze aus dem Boden schossen, hasste das durchgestylte, Heimeligkeit vorspielende Interieur, er hasste das falsche Grinsen auf den unverschämt attraktiven Gesichtern der uniformierten Mitarbeiter und das Coolness demonstrierende Publikum mit ihren überteuerten Apple-Spielzeugen.[mehr]
Alexej wusste nicht, warum Meyer sich immer in diesen Läden mit ihm treffen wollte, er schwankte zwischen den jungen dingern mit den ausladenden Brüsten hinterm Tresen und den erfolgreichen, hippen Yuppies auf der anderen Seite, in deren Glanz er sich sonnen wollte. Er konnte sich nicht dagegen wehren, der alte Mann fing zunehmend an, ihn anzuwidern.
"Alexej!" Viel zu laut hallte Meyers Stimme durch den Coffeeshop. Das geschäftige Treiben kam für den Bruchteil einer Sekunde zum Erliegen, und alle Blicke lasteten auf seiner skurillen Gestalt. Zwischen den unzähligen Alabasterleibern in ihren schicken Designerklamotten fiel der Mann auf wie zwei bunte Hunde. Alex biss sich auf die Zunge und verdrehte die Augen. Womit hatte er das verdient?
Sie verießen den Coffeshop und flanierten entlang dem Flussufer.
"Haben Sie das von Pat gehört?" fragte Alex.
"Selbstverständlich", entgegnete Meyer.
"Wir dürfen das nicht zulassen!"
"Herrgot, Alexej, was sollen wir denn tun?" entgegnete Meyer, "die Dinge nehmen nun einmal ihren Lauf."
"Wir haben ihn ins offene Messer laufen lassen. Ich hätte ihn niemals für den Job vorgeschlagen, wenn ich gewusst hätte, in welche Richtung sich das ganze entwickeln würde." Alex schluckte.
"Papperlapapp, wir tun, was getan werden muss. Wenn wir es nicht täten, fänden sich dafür Andere. Die Welt wäre keinen Deut besser, aber andere wären in dem, was wir tun, niemals so effizient wie wir."
Alex hasste diese Logik, konnte sich ihr jedoch nicht entziehen.
"Wie gehen wir also weiter vor?" fragte er.
"Genau nach Plan", entgegnete Meyer, "genau nach Plan!"
Pat öffnete seine Augen. Er wechselte vom lethargischen Zustand mit geschlossenen Augen, den er "Schlaf" nannte, zu dem mit offenen Augen, seiner Art, "wach" zu sein.
seine Gedanken umkreisten die letzten Tage.
"du musst dich erinnern", sagte etwas in seinem Kopf, "erinnere dich".
Doch die Gadanken in seinem Kopf ließen sich nicht ordnen. Unübersichtliche Fetzen, Fragmente seines bisherigen Lebens. Blätter, die auf einem Fluss schwammen - er sah sie im Augenwinkel, aber wenn er versuchte, sie zu fixieren, waren sie schon weitergetrieben.
Er dachte an sein erstes Auto. Ein fürchterlicher italienischer Kleinwagen ohne jeglichen Luxus. er spürte in seinen Fingern die Kälte, die sie beim Versuch, die Frontscheibe von eis zu befreien, befiel, doch bevor er sich an die Farbe des Wagens erinnern konnte, dachte er schon wieder an etwas anderes.
Und da erinnerte er sich an den Physikunterricht der 8ten Klasse. Er dachte an die zarte, kleine Hand, die er unter dem Tisch hielt, und die Hand gehörte...
Das Licht wurde angeschaltet. Brennend schmerzte es in seinen Augen. Pat wusste nicht, wie lange er hier schon lag, aber er zweifelte daran, dass er es noch lange aushalten würde.
Zur selben Zeit auf dem Balkan stieg eine bemerkenswert attraktive Frau aus einem heruntergekommenen Eisenbahnwaggon. Ein großer, kräftiger Mann, in eine schwarze Lederjacke gekleidet, trat auf sie zu.
"Schön, dass Sie es geschafft haben", sagte er in gebrochenem englisch, und nach einem skeptischen Blick auf ihre verwundete Schulter fragte er besorgt: "Wie geht es Ihnen?"
Das nächste Kapitel schreibt wieder der Initiator unserer kleinen Geschichte, Ralle .
Der allesentscheidende Satz lautet:
"Welch Leben, mein Guter! Wenn wir das leben könnten; wenn nicht Lust reich zu sein uns in ein Joch spannte, das Geisteskräfte niederdrückt."