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Fri Apr 11 12:08:28 CEST 2008    |    rallediebuerste    |    Kommentare (44)    |   Stichworte: hintergrundwissen

So, wie versprochen hier der zweite Teil von

"Ey Alter, mein Cayenne hat 400 PS und dein Waschmittelauto nur 220. Na klar bin ich schneller!"

 

In den vergangenen Hintergrundwissen-Blogs haben wir gelernt, wie die Kraft des Motors über Kurbelwelle, Getriebe und Räder auf die Straße übertragen wird. Dummerweise hört die ganze Chose da noch nicht auf... ganz im Gengenteil: Ab hier wird es erst so richtig interessant. Und leider auch ein wenig komplizierter. Ich werde aber dennoch wie gewohnt versuchen, die Zusammenhänge so einfach wie möglich darzustellen.

 

Wir wissen also aus den vergangenen Betrachtungen, wie viel Kraft unser Wagen bei einer bestimmten Drehzahl in einem bestimmten Gang auf die Straße bringt. Leider kann ein Fahrzeug diese anliegende Kraft nicht zu 100% nutzen, um mehr Geschwindigkeit zuzulegen. Dann daran hindern uns die sogenannten Fahrwiderstände... ihres Zeichens Kräfte, die in genau die entgegengesetzte Richtung ziehen. 

 

Interessant für uns sind hierbei vor allem folgende:

 

Rollwiderstand

Wenn ein Körper auf einem anderen abrollt - beispielsweise ein Reifen auf einer Straße - dann entsteht Reibung. Diese ist eine Kraft, die entgegen der Bewegungsrichtung wirkt.

Sparen wir uns mal die Herleitung, und akzeptieren einfach die Formel:

Rollwiderstandskraft = Gewichtskraft * Rollreibungskoeffizient

 

Der Rollreibungskoeffizient klingt zwar als Wort imposant, ist aber nix anderes als eine Zahl zwischen 0 und 1 (?), die angibt, wie stark zwei Materialien sich beim aufeinander Abrollen abbremsen. Und je größer diese Zahl ist, desto mehr bremsende Kraft liegt an.

Typische Werte für den RRK sind z.B. 0,013-0,015 bei Reifen-auf-Straße oder etwa 0,2-0,4 für Reifen-auf-Sand. Neben dem Untergrund beeinflussen natürlich auch die Reifeneigenschaften wie Luftdruck, Breite etc. den Rollwiderstand.

Ein weiterer Faktor ist, wie wir der Formel entnehmen können, das Gewicht... oder wie der korrekte hornbrillenbewehrte Physiker sagt: Die Gewichtskraft.

 

... womit wir über ein paar Ecken auch schon beim nächsten Widerstand wären: der Steigung.

Wir kennen das alle: abhängig davon wie steil die Straße ist kommt einem sein Wagen mal vor wie ne Rakete und mal wie ein lahmer Ackergaul. Warum ist das so?

Nun, auf der geraden Ebene haben wir die volle Radzugkraft zur Verfügung, um sie in Bewegung umzusetzen. Sobald diese Ebene aber gekippt wird, kommt zur Radzugkraft noch die sogenannte Hangabtriebskraft. Diese ist abhängig vom Gewicht und vom Neigungswinkel. Betrachten wir wieder die genaue Formel:

Hangabtriebskraft = Gewichtskraft * sinus(Neigungswinkel)

Sprich: Je höher das Gewicht und je größer der Neigungswinkel, desto größer wird die Hangabtriebskraft.

Und je nachdem, ob wir nun hoch oder runter fahren, wird diese Kraft auf die Radzugkraft aufaddiert oder davon abgezogen.

 

Aber das alles sind nur Peanuts im Vergleich zum Luftwiderstand.

Dieser bezeichnet die Kraft, die uns die Luft entgegensetzt. Über kaum was liest man in Autoforen so viel Halbwissen wie über den Luftwiderstand. Betrachten wir aber zuerst die Formel (wie immer: keine Panik! ist alles halb so schwer):

Luftwiderstandskraft = Cw-Wert * Fläche * (Geschwindigkeit)² * 1/2 Luftdichte

Die Luftdichte ist ein relativ wenig schwankender Faktor, der vielleicht Meterologen interessiert. Uns als Vollblutracer aber eher nicht. Strafen wir sie mit Mißachtung!

Der Cw-Wert oder auch Luftwiderstandsbeiwert ist - ähnlich wieder Rollreibungskoeffizient - eine einfache Zahl, die für einen Körper x beschreibt, wie gut die Luft an ihm vorbeigleiten kann. Keilförmige Flächen gleiten besser, da sie die Luft "sanft teilen". Die berühmte Schrankwand schiebt vor sich ein Luftpolster zusammen, was die bremsende Kraft vergrößert. Siehe Bild. Es gilt: Je kleiner der Cw-Wert, desto besser.

Jedenfalls fast.

Denn es gibt durchaus Situationen, wo ein hoher Cw-Wert gewünscht oder wenigstens akzeptiert wird. Je nachdem, wie eine Fläche im Wind steht, kann sich der Luftwiderstand nämlich auch in andere Richtungen, zum Beispiel nach unten, auswirken. Dieser Effekt, der sogenannten Abtrieb, ist 'ne feine Sache. Wenn nämlich mehr Kraft den Wagen nach unten drückt, sind höhere Kurvengeschwindigkeiten möglich. Deshalb bringen (anständige) Spoiler zwar eine ganze Menge Grip bei höheren Geschwindigkeiten, verringern aber durch den erhöhten Cw-Wert die Kraft, die noch für Beschleunigung genutzt werden kann.

 

Unabhängig davon: Wie oft liest man in Autoforen, dass "mein BMW Cw-Wert von 0,26 hat und dein Porsche 0,29" und dass "deshalb meine Karre weniger Luftwiderstand hat als deine". Auch Unsinn. Genau so wichtig wie der Cw-Wert ist nämlich - wir betrachten wieder die Formel - die Fläche. Genauer gesagt die Stirnfläche, die im Fahrtwind steht. Schaut euch einfach das Bild links an, dann wisst ihr, was gemeint ist. Je größer die Fläche, desto größer die Kraft... klar: ein Modellauto erzeugt auch nicht so viel Windwiderstand wie ein echtes großes. Auch wenn der Cw-Wert bei beiden der gleiche ist.

 

Kommen wir zum letzten und entscheidenden Faktor, der Geschwindigkeit. Bisher waren alle Faktoren linear bzw. konstant. Die Geschwindigkeit fließt allerdings im Quadrat ein. Das bedeutet, dass bei z.B. doppeltem Cw-Wert der Luftwiderstand doppelt so groß wird. Wie wir der Formel entnehmen zählt die Geschwindigkeit aber im Quadrat. Das heißt: Bei doppelter Geschwindigkeit vervierfacht sich der Luftwiderstand. Und bei der vierfachen Geschwindigkeit ist der Luftwiderstand schon 16 Mal so hoch. Was heißt das konkret?

Nun ja, ganz einfach: je schneller wir werden, desto stärker wächst der Luftwiderstand an. Und weil der exponentiell wächst und die anderen Widerstände nur linear, werden die mit höheren Geschwindigkeiten immer unwichtiger. Will man also die vmax seines Autos verbessern, sollte man als erstes beim Luftwiderstand ansetzen. Alle Ritzen abkleben, Spiegel entfernen, Spoiler runter, Scheibenwischer ab, schmale Reifen, Felgendeckel bringt garantiert noch mal ein paar km/h Endgeschwindigkeit... aber mal unter uns Pastorentöchtern - so ne gute Idee ist das auch nicht. Und aufm Aralparkplatz erntet man damit auch keinen Respect :)

 

Natürlich waren das bei weitem nicht alle Fahrwiderstände. Es gibt noch tausend weitere wie zum Beispiel Motorreibung, Schlupf, etc. Die alle zu berechnen würde den Rahmen sprengen - zumal dann auch die Formeln nicht mehr ganz so einfache sind ;)

 

Was genau heißt das jetzt alles in der Praxis? Und wo bleibt der Cayennevergleich?

Kommt... ich arbeite dran... versprochen. Aber erst im nächsten Blog.


Wed Oct 26 20:46:36 CEST 2011    |    Trackback

Kommentiert auf: Mazda News:

 

Facelift: Mazda3 wird renoviert

 

[...] grundsätzlich nichts, aber auch gar nichts mit Auf- bzw. Abtrieb zu tun.

So hatte ich es verstanden.

 

http://www.motor-talk.de/.../...-geschwindigkeit-wird-ii-t1739107.html

[...]

 

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Fri Aug 19 15:12:04 CEST 2016    |    Trackback

Kommentiert auf: VW Passat B8:

 

BiTu eher schwach (?)

 

[...] Motorsteuerung, Drucksensor & Höhenlage...

Man kann das schön hier nachlesen:

http://www.motor-talk.de/.../...-wie-haengt-das-zusammen-t1622325.html

http://www.motor-talk.de/.../...-zu-geschwindigkeit-wird-t1732514.html

http://www.motor-talk.de/.../...-geschwindigkeit-wird-ii-t1739107.html [...]

 

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Deine Antwort auf "PS -> km/h - wie Leistung zu Geschwindigkeit wird II"

Angeberecke

Mein Blog hat am 06.08.2008 die Auszeichnung "Blogempfehlung" erhalten.

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