24.09.2023 19:07
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Dynamix
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Kommentare (8)
Auch so eine Reihe die ich schon sehr lange nicht mehr bedient habe. Da ich aber die Tage wieder über Chaparral gestolpert war, keimte in mir die Idee auf mal etwas über Jim Hall zu machen. Schließlich ist sein Werdegang für Petrolheads sehr spannend und dazu waren seine, teils verrückten Kreationen, Inspiration für bekannte Rennwagendesigner und legten nicht selten den Grundstein für viele Innovationen welche nach dem Rennsport auch Ihren Weg in die Serie gefunden haben.
Geschichte
Jim (eigentlich James Ellis) Hall kam am 23. Juli 1935 in Abilene, Texas zur Welt. Aufgewachsen ist er allerdings in Colorado und New Mexico. Als er 19 Jahre alt war, kamen seine Eltern sowie seine Schwester bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Hall's Familie leitete ein Ölimperium, die Geschäfte übernahmen Jim's Brüder, da Jim nicht mal einen Monat nach dem tragischen Unglück sein Geologiestudium an der CalTech Universität beginnen wollte. Jim ging aber nicht leer aus, erbte er die damals unfassbare Summe von 15 Millionen Dollar. Mehr als genug um im Studium über die Runden zu kommen
Jim's Bruder Dick hatte einen Austin Healy mit dem er regelmäßig Rennen fuhr, so kam Jim mit dem Rennsport in Kontakt. Mit dem Healy nahm auch Jim während seines Studiums an diversen Rennen teil. So begann Jim's Liebe zum Rennsport aufzukeimen. Dies alles sorgte dafür das Jim sein Geologiestudium schmiss und ins Ingenieursfach wechselte. Nach seinem Abschluss stand eine Position bei GM in Aussicht, genauer in der Entwicklungsabteilung der Corvette. Da das dazugehörige Projekt aber gecancelt wurde verpuffte die Aussicht auf den Traumjob so schnell wie Sie kam. Die Tatsache das der Familienbetrieb in Carroll Shelby's Autohaus investiert war, sorgte dafür das Jim dort seinen ersten Job bekam. So hatte er entsprechend viel Kontakt mit Shelby persönlich. Entsprechend hoch war der Einfluss von Shelby auf Hall als Fahrer, da er von Ihm das Rennfahren lernte. Entsprechend fuhr Hall weiter Rennen.
Hall schlug sich als Rennfahrer so gut das er 1960 die Möglichkeit hatte sich bei Lotus ins Cockpit für den US-Grand Prix in Riverside einzukaufen. Bei dem Rennen schlug er sich beachtlich und kam als Rookie immerhin auf den 7. Platz. Noch vor Größen wie Jim Clark, Graham Hill, Dan Gurney oder John Surtees!
Viel wichtiger für Jim's weiteren Werdegang war allerdings seine Begegnung mit den beiden Fahrzeugbauern Dick Troutman und Tom Barnes. Die beiden hatten den Scarab Sportwagen entwickelt und suchten einen finanzkräftigen Investor der die Produktion finanzieren sollte. Jim kaufte den Beiden einen Scarab ab. Auf dessen Basis bauten Harp und Hall den Chaparall 1. Der große Erfolg blieb dem Auto allerdings verwehrt.
In die Zeit der Entwicklung des Chaparall 1 fiel auch die Namensfindung. Bei einem Ausflug auf eine Pferdefarm fragte der Besitzer wie es denn um den Rennwagen stünde. Er nannte das Auto "Road Runner" woraufhin der mexikanische Angestellte sinngemäß sagte: "Ah, der Chaparral!" Chaparall ist das mexikanische Wort für den Road Runner (zu deutsch: Wegekuckuck). Hall und Harp hatten soeben den Namen für Ihre Firma gefunden.
Ein weiterer wichtiger Weggefährte von Jim Hall wurde zu der Zeit Hap Sharp, welcher ebenso Rennfahrer war. Hall ging eine Partnerschaft mit Hap ein und so wurden aus Konkurrenten Geschäftspartner. Dies war die wahre Geburtsstunde von Chaparall Cars. Die beiden ließen sich mit Ihrer Firma in Midland, Texas nieder um dort Ihre Rennwagen zu bauen.
Hall fuhr zwischendurch weiterhin Rennen und schaffte es sogar in die Formel 1 wo er 1963 für Lotus-BRM fuhr. Dort fuhr er ein paar Meisterschaftspunkte ein, entschloss sich dann aber seine Bemühungen stärker auf Chaparall zu konzentrieren und zog sich somit für immer aus dem europäischen Rennzirkus zurück. Im gleichen Jahr baute Chaparall sein erstes Auto, einen Rennwagen für die Indy-Serie. Hall hatte eine Partnerschaft mit Chevrolet, welche dazu führte das Chevrolet Chaparall als Vehikel nutzte um ungewöhnliche Technologien im Rennsport zu erproben. Zu der Zeit galt noch ein Gentlemans Agreement zwischen den US-Herstellern das kein Hersteller an Rennsportveranstaltungen teilnimmt oder gar ein werksunterstütztes Team an den Start bringt. So konnte GM dieses "Embargo" umgehen und Hall hatte einen zuverlässigen Partner an seiner Seite. Die Partnerschaft zwischen Hall und Chevrolet kam zustande, da sich Chevrolet auf Chaparall's Teststrecke eingemietet hatte um das Handling des Corvair näher zu untersuchen. Gleichzeitig hatte Jim gute Kontakte zum Reifenhersteller Firestone, was Ihm neben der Partnerschaft mit GM bei der Entwicklung seiner Rennwagen zugute kam.
1968 hatte Jim einen schweren Unfall bei dem er sich die Beine mehrfach brach. Die Spätfolgen sorgten dafür das er sich als Fahrer aus dem aktiven Rennsport zurückzog und sich auf die Testfahrten auf der hauseigenen Rennstrecke, dem Rattlesnake Raceway konzentrierte.
Fahrzeuge
Die Gründung von Chapparal als eigenständige Firma, war der Startschuss für die 2er Serie von Chaparall, welche in der United States Road Racing Championship teilnehmen sollte. Der erste Wagen kam 1963 und unterlief während der Zeit diverse Evolutionsstufen. Dies war auch die Ära in der Jim Hall viele innovative Ideen an seinen Autos verwirklichte welche heute besonders in der Formel 1 Standard sind. Auto Nummer 1 aus der 2er Serie war der simpel 2A getaufte Rennwagen. Der 2A war ein offener Mittelmotorsportwagen an dem Hall sich vor allem auf die Aerodynamik sowie auf die Torsionssteifigkeit des Chassis konzentrierte. Zu der Zeit baute Colin Chapman gerade den ersten Monocoque Sportwagen. Hall ging aber noch einen Schritt weiter! Er wollte das Monocoque-Chassis komplett aus Glasfaser bauen. Damals baute man maximal die Karosserie aus diesem Material und nutzte für das Chassis konventionellen Stahl, bestenfalls Aluminium. Hall und Harp suchte sich kompetente Unterstützung um Ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie fingen also an die führenden Luftfahrtunternehmen in den USA abzuklappern in der Hoffnung einen Experten zu finden der Sie bei der Entwicklung des Chassis unterstützen könnte. Fündig wurden Sie in Form von Andy Green, welcher bei General Dynamics Glasfaserverkleidungen für Strahltriebwerke entwickelte.
Das Vorhaben war so gewagt wie genial, zahlte sich aber aus! Zum einen war das innovative Chassis sehr Verwindungssteif, zum anderen aber dabei vergleichsweise leicht. Die Alu- und Stahlchassis der Konkurrenz waren allesamt schwerer. Der 2A war zum Teil 4-mal steifer als die Konkurrenz, womit Hall bewies wie wichtig die Torsionssteifigkeit im Rennsport war da diese maßgeblich zu einem guten Handling beiträgt. Die Gewichtsersparnis ist ein Vorteil den jeder Rennwagenkonstrukteur gerne mitnimmt
Mechanisch setzte Hall auf bewährtes, da die Autos ja auch ins Ziel kommen sollten. Motorseitig kam natürlich ein Chevrolet V8 zum Einsatz, welchen Hall mit 4 Weber-Doppelvergasern ausrüstete sowie angepasste Zylinderköpfe verbaute. Getriebeseitig kam ein Colotti 4-Gang Getriebe zum Einsatz welches sich bereits in anderen Rennwagen bewährt hatte.
Kurz nach seiner Präsentation konnte der 2A schon mit seiner ersten Pole Position glänzen. Im Rennen schied der Wagen dann leider wegen eines Kabelbrandes aus. In der Saison schaffte es der 2A immerhin auf einen 3. Platz als Spitzenplatzierung. In der Saisonpause intensivierte Hall seine Connections zu Chevrolet was dazu führte das Chevrolet unter der Hand Chaparall massiv unterstütze, im Gegenzug sollte Hall seine Erfahrungen als Fahrer und Ingenieur mit den GM Ingenieuren teilen. Man tauschte also massiv Ideen untereinander aus. GM's "Skunk Works" Abteilung war so sehr vom 2A beeindruckt, dass Sie den Wagen sehr genau untersuchten und eine eigene Version bauten, in diesem Falle mit einem Aluminium Chassis. Das Ergebnis war die Corvette GS II B, offiziell ein Concept Car weil man ja das Gentlements Agreement nicht brechen wollte
Im Gegenzug übernahm Hall das 2-Gang Automatikgetriebe von GM und passte es für seine Rennwagen an. So bastelte er aus dem Powerglide Getriebe ein sequentielles 2-Gang Automatikgetriebe welches später in seinen Rennwagen zum Einsatz kommen sollte.
Im März 64 ging Hall mit dem verbesserten 2 (inoffiziell 2B, da es diesen Namen bei Chaparall offiziell nie gab) an den Start. Die augenscheinlichsten Änderungen waren die weiter verbesserte Karosserie sowie ein neu verlegtes Auspuffsystem welches nun seine Lebensäußerungen straight nach oben entließ. Bereits im ersten Rennen fuhr der "2B" einen 2. Platz ein, im Rennen danach schon den ersten Sieg für Chaparall. Das war der erste Meilenstein für Jim's erstaunliche Karriere als Rennwagenkonstrukteur. Im gleichen Jahr konnte Roger Penske (der damals mit Jim Hall fuhr) mit dem 2 wichtige Siege in Laguna Seca und bei der Nassau Speed Week einfahren. Die 65er Saison läutete Chaparall direkt mit einem Paukenschlag ein indem man das prestigeträchtige 12h Rennen von Sebring gewinnen konnte. Aber man gewann das Rennen nicht nur, sondern holte sich im Qualifying die Pole mit satten 9 Sekunden Vorsprung. Das ist im Rennsport eine menge Holz, gerade auf einer Rundstrecke.
Auch die zweite Saison verlief für den 2 sehr erfolgreich! Ende des Jahres 1965 entwickelte man das Auto dann zum 2C (das B hatte man weggelassen um Verwechslungen mit dem Corvette Concept zu vermeiden welches ebenfalls das B im Namen trug) weiter. Hier griff man dann doch auf ein Aluminiumchassis (welches auf dem des Corvette Concepts beruhte) zurück, was dem Erfolg aber keinen Abbruch tat.
Der wahre Clou des 2C war aber die variable Spoilerlippe! Diese konnte für Vollgasfahrten auf gerader Strecke quasi auf "Durchzug" gestellt werden und beim Abbremsen aufgestellt werden was nicht nur die Bremswirkung verbesserte sondern auch die Stabilität in Kurven. Hier gab dann auch das 2-Gang Automatikgetriebe sein Debüt. Hall modifizierte das Getriebe so das man es sequentiell schalten konnte. So hatte man weiterhin die volle Kontrolle über die Schaltvorgänge, sparte sich aber das kuppeln! Noch etwas das damals niemand hatte und heute im Rennsport weit verbreitet ist. Der Grund für das Automatikgetriebe war allerdings der Spoiler! Da der Spoiler mechanisch betätigt wurde, musste man diesen ja irgendwie während der Fahrt bedienen können um seine Vorteile nutzen zu können. Weil das Kupplungspedal weggefallen war, nutzte man den freigewordenen Platz für ein Pedal welches den Spoiler betätigt. Trat man das Pedal durch, stellte sich der Spoiler in die aufrechte Position. Eine geniale Idee die im Rennen ganz prima funktionierte! Ansonsten schrumpften Harp und Hall die Dimensionen des 2C im Vergleich zum Vorgänger.
Die Autos funktionierten im Grunde prächtig und so konnten der 2A sowie der 2C in den Saisons 64 und 65 erfolgreich vorne mitfahren. Alleine in der Saison 65 sammelte man in 22 Rennen 16 Siege und genauso viele Rundenrekorde.
1966 wurde die UssRC durch die neue Can-Am Serie ersetzt. Dies sorgte dafür das die Europäer noch mal einen genaueren Blick auf den amerikanischen Rennsport warfen und sich die Konkurrenz durch europäische Hersteller noch einmal verstärkte. Als Folge dessen entwickelte Chaparall den 2C zum 2E weiter. Der 2E war wieder ein offenes Design um die Regeln der Can-Am einzuhalten. Das war aber nicht alles! Der 2E stellt in Sachen Aerodynamik bis dato eins der radikalsten Designs von Jim Hall dar! Am auffälligsten war wohl der gigantische Spoiler der weit über der Karosserie auf 2 riesigen Haltern thronte. Auch dieser war wieder verstellbar. Soweit nichts neues, dieses Mal gingen Hall und Harp die Sache aber etwas anders an. Man merkte beim 2C schon das der Spoiler zwar wichtigen Abtrieb lieferte, allerdings nur an der Hinterachse wirkte und damit die Balance des Autos durcheinanderbrachte. Um diesen Umstand zu verbessern entwickelte man die Idee weiter.
Zur Verbesserung der Traktion verband Hall die Spoilerhalter direkt mit der Hinterachsaufhängung, wodurch der Abtrieb direkt auf die Hinterachse einwirkte. Das hatte besonders in den Kurven Vorteile! Um den Effekt auch an der Vorderachse nutzen zu können bauten Hall & Harp in die Front Lufteinlässe ein, welche die Luft von der Stoßstange, durch die Haube direkt an den Spoiler strömen ließen. Dadurch kam auch die Vorderachse in den Genuss von aerodynamischer Stabilität. Aus dem Grund mussten allerdings die Kühler verlegt werden. Die Kühler wurden von der Front an die Seiten des Cockpits verlegt. Das war aber noch nicht alles! Der Spoiler war natürlich wieder einstellbar. Der Spoiler konnte über ein Fußpedal manuell abgesenkt oder aufgestellt werden. Da Chaparall auf eine 2-Gang Automatik setzt, konnte man den Platz des Kupplungspedals für die Bedienung des variablen Spoilers nutzen. An diesem System hing auch die Anströmung des Spoilers. Heißt wenn man auf das Pedal trat, flachte der Spoiler ab und auch die Klappen der Anströmung in der Front wurden geschlossen. Dies war besonders auf der Geraden von Vorteil wo der Abtrieb eher hinderlich für die Top Speed ist. So merkwürdig der Spoiler auch aussah, er funktionierte in der Praxis! Zugunsten eines niedrigen Gewichtes verzichtete Hall auf einen großvolumigen Graugussmotor und setzte stattdessen auf einen 5,3 Liter Vollalu Smallblock.
Mit diesen Designfeatures war Hall seiner Zeit um Jahre voraus. Mit dem 2E hat Hall eins der ersten Ground-Effect Fahrzeuge entwickelt und bewiesen das seine Theorien in der Praxis funktionierten. Einer der Fahrer des 2E, Phil Hill, sagte über den 2E einmal sinngemäß:
"Durch den Flügel konntest du jeden Gegner auf der Bremse kassieren, in den Kurven kassieren, du konntest Kreise um Sie fahren. Es fühlte sich wirklich so an als ob der Wagen eine völlig außergewöhnliche Straßenlage hatte.
Der 2E war schnell, sehr schnell! Faktisch das mit Abstand schnellste Auto der Can-Am Serie in der Saison. Trotz all seiner Innovationen und der überragenden Pace war er nicht sehr erfolgreich. Lediglich einen Sieg in Laguna Seca konnten Hall und Hill (Doppelsieg) mit dem Wagen 1966 einheimsen. Probleme bei der Zuverlässigkeit verhinderten größere Erfolge des 2E. Besonders der komplexe Flügel bereitete dem Team die Saison über Probleme. Das tat seiner Popularität beim Publikum allerdings keinen Abbruch. Die Leute liebten das verrückte Design und der 2E ist bis heute Hall's liebster Rennwagen.
Wer sich mittlerweile gefragt hat was mit dem 2D passiert ist:
Der 2D war die geschlossene Version des 2C womit Chaparall vor allem auf Langstreckenrennen abzielte. Dazu baute man ältere 2C Chassis zum 2D um. 1966 trat man damit bei diversen Langstreckenrennen an, unter anderem den 1000 km vom Nürburgring welche man auch gewann. Zu dem Zeitpunkt übrigens das erste US-Team seit Jahrzehnten das überhaupt auf europäischem Boden ein bedeutendes Rennen gewann.
Man trat auch bei den 24h von Le-Mans an, im gleichen Jahr in dem Ford mit dem GT40 antrat. Wer das Rennen gewonnen hat dürfte jedem Rennfan bekannt sein
Für die Saison 1967 beschloss Hall die gewonnenen Erkenntnisse der Modelle 2D und 2E für die Entwicklung des 2F zu verwenden. Der 2F kombinierte die geschlossene Karosserie sowie das Glasfaserchassis nach Vorbild des 2D mit dem Spoilersystem des 2E. Da Motorenlieferant Chevrolet mittlerweile einen Vollalu Big-Block mit 7 Litern Hubraum im Programm hatte, stand außer Frage welcher Motor im 2F landen sollte
Dies führte 1967 zur Entwicklung des 2G. Dieser griff das Prinzip des 2E wieder auf, kombinierte dieses aber mit den Verbesserungen des 2F. Heißt er bekam breitere Reifen und den 7 Liter Chevy Big Block. So konnte der 2G zwar mit der Konkurrenz mithalten, allerdings war das Glasfaserchassis in dieser Ausbaustufe am absoluten Limit angelangt. Für die Saison 68 montierte Hall noch breitere Reifen auf dem Auto, wodurch das Auto aber auch nicht erfolgreicher wurde.
Aber nicht nur der 2G war am Limit angelangt, sondern auch Jim Hall. Während des Stardust Grand Prix in Las Vegas rammte Jim Hall einen McLaren der mit fatalen Fahrwerksproblemen zu kämpfen hatte. Hall's Chaparall flog über den verunfallten McLaren und landete ziemlich ramponiert in der Wüste. Hall brach sich mehrfach die Beine. Dieser Unfall beendete im Grunde seine Karriere als Fahrer. Es dauerte über ein halbes Jahr ehe er überhaupt wieder laufen konnte. Er fuhr danach zwar noch Rennen, erreichte aber durch die Langzeitfolgen des Unfalls nie wieder die körperlichen Fähigkeiten wie vor dem Unfall.
Das hielt Hall aber nicht davon ab seine Rennwagen weiterzuentwickeln. Noch im gleichen Jahr fing Hall mit der Entwicklung des 2H an. Während der Rennen mit dem 2G stellte Hall fest das der erhöhte Abtrieb auch für einen immer höheren Luftwiderstand sorgte. Dies war ein Punkt den er beim 2H angehen wollte. Also designte er die Karosserie mehr oder weniger komplett um. Der riesige Spoiler blieb, aber an der Front war Tabula Rasa angesagt. Die Frontpartie wurde deutlich flacher und die Höcker über den Radhäusern welche 2E und 2G noch zierten wurden zugunsten einer besseren Windschlüpfrigkeit deutlich abgeschwächt. Zusätzlich wurde die Karosserie verschmälert. Der 2H sah aus wie ein Raumschiff was die Chaparall typische weiße Lackierung nur noch unterstrich.
Die Modifikationen, welche eigentlich ein Vorteil sein sollten, gerieten Hall für die 69er Saison allerdings zum Nachteil. Der Chevrolet Motor pumpte mittlerweile noch mehr Leistung auf die Kurbelwelle, wodurch der Bedarf für die windschlüpfrigere Karosserie im Grunde wegfiel. In dem Falle wäre Abtrieb wieder wichtiger gewesen, da die gestiegene Motorleistung den Aerodynamiknachteil egalisierte. Um den Vorteil der Karosserie richtig ausnutzen zu können, hätte das Chassis signifikant verbreitert werden musste. Etwas das bei dem Chassis nicht einfach so zu machen war.
Zusätzlich hatte Hall beim 2H mit Problemen bei der Entwicklung zu kämpfen, wodurch der den Wagen nicht in der Can-Am einsetzen konnte. Hier musste es ein Update des 2G richten. Allerdings war er damit nicht mehr konkurrenzfähig. Dazu kam das Zeit seiner Karriere Hall im Grunde der einzige war der seine Autos richtig im Griff hatte. Kein Wunder, hatte er doch die Autos federführend entwickelt und auch die Testfahrten auf der hauseigenen Rennstrecke durchgeführt. Die Fahrer zu der Zeit hatten keine Erfahrung mit Ground Effect Autos, dazu waren die Autos mehr oder weniger auf Hall maßgeschneidert. Einer seiner Werksfahrer beschwerten sich das er nicht über die Armaturen schauen konnte und damit quasi blind unterwegs war. Die daraufhin durchgeführten Änderungen an der Karosserie führten dann allerdings dazu das die Aerodynamik endgültig dahin war. Zusätzlich nutzten nicht alle Fahrer die Vorteile des variablen Spoilers und fuhren zum Teil permanent mit aufgestelltem Spoiler wodurch die Vorteile der 2H Karosserie nicht zum Tragnen kamen. Es ist als würde man permanent mit einem offenen Bremsfallschirm am Heck fahren. Wer aber glaubte der 2H wäre schon das abgefahrenste Auto aus der Rennwagenschmiede, wird an dieser Stelle den Nachfolger kennenlernen
Der 2J wurde für die Saison 1970 entwickelt und machte im Grunde alles anders als seine Vorgänger. Keine Flügel mehr im Hochausformat und auch keine elegante oder besonders windschlüpfrige Form. Der 2J hatte auf den ersten Blick mehr Ähnlichkeit mit einem Klotz. Der Grund dafür war das die FIA kurz vorher aktive Aerodynamik am Auto verboten hatte, einen der Hauptvorteile der Chaparall's. Also mussten sich Hall und Harp etwas anderes ausdenken. Und eins muss man den beiden lassen, die Lösung war so unkonventionell wie innovativ und schlichtweg genial!
Der 2J nutzte ein verstärktes Aluminium Monocoque über das eine Glasfaserkarosserie gestülpt wurde. Hall verzichtete, wie bereits erwähnt, auf den riesigen Spoiler um ein völlig anderes System zum Einsatz zu bringen um den gewünschten Abtrieb zu erzeugen. Flügelseitig kam nur ein kleiner Gurney Flap am Heck zum Einsatz. Damit wären wir auch schon am auffälligsten Teil des Autos angekommen. Wer sich das Heck anschaut wird feststellen das dort zwei riesige Ventilatoren verbaut sind. Das Heck hat Ähnlichkeit mit einer Klimaanlage oder Wärmepumpe
Hall und Harp hatten die wahnwitzige Idee den 2J mit einer Art Staubsauger auszurüsten! Statt den Wagen von der Luft an den Boden drücken zu lassen, wollte man das sich der 2J an den Boden ansaugt und so den gewünschten Abtrieb erzeugt. Aktive Spoiler hatte die FIA in der Vorsaison verboten, es war aber nie die Rede von einem Staubsauger!
Die Lüfter entlieh man sich von einer M-109 Haubitze, den Antrieb für die Ansaugung besorgte ein Rockwell JLO 2-Takt 2-Zylindermotor mit 250 cm³ aus einem Schneemobil. Bei Vollstoff pumpten die beiden Ventilatoren mit 6000 u/min über 270.000 Liter Luft pro Minute durch! Zeitgenössische Berichte sagten das die Kraft der Propeller durchaus dafür sorgte das der Wagen problemlos auf Landstraßentempo beschleunigte. Ohne Hilfe des Chevrolet V8 wohlgemerkt!
Das System erzeugte am Unterboden ein Vakuum welches für bis zu 1,5 G Abtrieb sorgte. Dadurch erreichte man einen überragenden Grip und eine erhöhte Agilität auch bei hohen Tempi! Ein weiterer Vorteil war das der Abtrieb unabhängig von der Geschwindigkeit war. Wo ein Spoiler mit sinkender Geschwindigkeit auch weniger aerodynamischen Grip erzeugt war es beim 2J ziemlich egal wie schnell oder langsam man fuhr. Das sorgte nicht nur für aberwitzige Kurvengeschwindigkeiten, sondern machte das Ganze vom Handling auch berechenbarer da sich das Auto dadurch insgesamt gleichmäßiger fährt. Man sagt nicht umsonst das man sich an das fahren mit Aeroautos gewöhnen muss da der Abtrieb erst bei Tempi zum Tragen kommt wo normale Fahrer längst vom Gas gehen würden.
Angetrieben wurde der 2J von der nächsten Ausbaustufe des Chevrolet Vollaluminium Big Blocks. Hier kamen mehrere Ausbaustufen mit Hubräumen zwischen 7 und 7,6 Liter zum Einsatz. Die Leistung betrug bis zu 680 PS bei einem Gewicht von lächerlichen 820 kg. Auch das Getriebe bekam ein Upgrade und so kam beim 2J eine 3-Gang Automatik zum Einsatz. Man kombiniere das Alles mit dem revolutionären Aerodynamiksystem und man hat ein echtes Monster. Der 2J schaffte so satte 360 km/h!
Der 2J war durchgehend mindestens 2 Sekunden pro Runde schneller als die stärksten Konkurrenten, allerdings hatte auch der 2J mit der Zuverlässigkeit zu kämpfen. Er fuhr nur in der 1970er Saison in welcher er auch auf Druck der Konkurrenz (allen voran McLaren) verboten wurde, unabhängig davon das der Wagen ursprünglich den Segen der SCCA hatte. McLaren argumentierte das der 2J die Can-Am Serie ruinieren würde da er die Konkurrenz über Jahre dominieren und die Rennen damit zu langweilig machen würde. Ironischerweise hat McLaren die Can-Am Serie zu dem Zeitpunkt schon über mehrere Jahre dominiert. Heutige Rennsportfans lachen über die Argumentation jetzt mal ganz kräftig
Ja, ich schaue in deine Richtung Formel1! Apropos Formel 1, 1978 hat Brabham das Prinzip bei seinem BT46B kopiert, ruderte aber nach dem Sieg in Schweden schnell wieder zurück aus Angst das gesamte Auto könnte von der FIA verboten werden. Auch hier gab es direkt Beschwerden der Konkurrenz. Ironischerweise wurde später entschieden das der Brabham selbst mit dem Ventilator noch innerhalb der Regularien für die 78er Formel 1 Saison gewesen.
Im Falle des 2J wird die Wahrheit wohl eher gewesen sein das die Konkurrenz wusste das Sie keine Chance mehr gehabt hätte, sobald Hall und Harp die Zuverlässigkeitsprobleme des 2J in den Griff bekommen hätten. Was hätte man so einem Auto auch ohne jahrelange Entwicklungsarbeit entgegensetzen wollen? Bevor die Konkurrenz mit dem 2J gleichgezogen hätte, hätte Chaparall mit dem System die Can-Am wohl locker 2-3 Jahre dominiert.
So war dem 2J zwar kein großer Erfolg beschieden, seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat er sich aber trotzdem verdient. "Fan-Cars" wurden später in den meisten Rennserien verboten. Gordon Murray, der Designer des Brabham BT46B, hat mit dem T50 ein Straßenauto entwickelt welches in Serie mit einem Lüfter am Heck kommen soll. Der T50 ist der geistige Nachfolger des McLaren F1, ebenfalls von Murray designed. Die Ähnlichkeit in Layout und Design kommen nicht von ungefähr
Nach dem 2J kam erst einmal lange Zeit nichts aus der Schmiede von Jim Hall. Nach der Nummer mit dem 2J und der Beschwerde von McLaren zog er sich angewidert vom Rennsport zurück. Er sagte dazu einmal:
Dies war darauf bezogen das Hall sich extra die Mühe gemacht hatte den Wagen VOR dem Einsatz in der Can-Am von den Regelwächtern begutachten zu lassen. Hall und Harp wussten nur zu gut das Sie hier Neuland betraten und das es hier Probleme geben könnten. Die Wettbewerbswächter hatten nach eingehender Begutachtung allerdings nichts zu beanstanden!
Denny Hulme, damaliger Fahrer für das McLaren Team welches den Bann der Fan-Cars bei der FIA durchgesetzt hatte:
Wie würde die Rennsportwelt wohl aussehen hätte man Fan-Cars erlaubt hätte und sich entsprechend viele Hersteller auf dieses System gestürzt hätten? Tja, dank McLaren werden haben wir das nie erfahren
Erst 4 Jahre später raffte sich Hall wieder auf und stieg zusammen mit Carl Haas (nicht verwandt oder verschwägert mit Gene Haas!) auf Formelwagen um. Haas schaffte Sponsoren und Autos ran (in dem Falle Lola Chassis) und Hall sollte das Team leiten. Die Idee gefiel Hall und so machten sich beide auf ein neues Kapitel aufzuschlagen. Leider bekamen die beiden nicht das nötige Kleingeld zusammen um in der Indycar Serie mitzuspielen. Man wechselte stattdessen in die SCCA Formel 5000. Ausnahmsweise war man hier mal richtig erfolgreich! In den Jahren 74 bis 80 sammelte man 3 Titel in Folge und holte zusätzlich noch 4 weitere Meistertitel. Gegen Ende des Jahrzehnts hatte man auch das Geld für die Teilnahme an der amerikanischen Königsklasse des Formelsports zusammen. So konzentrierte sich Hall 1978 auf die große Bühne und auch hier ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Das Team konnte im ersten Jahr einige Erfolge einfahren.
Die prestigeträchtigsten Erfolge war der Sieg des Triples in Form des Pocono 500, des California 500 sowie des legendären Indy 500 Rennens mit Johnny Rutherford am Steuer. Die Saison zeigte allerdings auch die Limits des eingesetzten Lola Chassis auf. Jim ließ sich daraufhin breitschlagen wieder ein eigenes Auto zu entwickeln. Das Ergebnis war der 2K, ein Formelrennwagen der bis auf die 2 im Namen nichts mit seinen Brüdern im Geiste gemeinsam hatte. Auch hier setzte Hall wieder voll auf das Thema Aerodynamik. Der Wagen veränderte den Indysport wie man Ihn bis dato kannte. Wie schon bei seinen Langstreckenautos, so dominierte auch der 2K in Sachen Performance die Konkurrenz, hatte aber wieder mit der Zuverlässigkeit zu kämpfen. Al Unser Jr. dominierte das 79er Indy 500 bis er wegen eines Getriebeschadens ausschied. Dafür kam das Team in der Saison 1980 zurück und zwar mit Anlauf! Man gewann dieses Mal nicht nur das Indy 500, man gewann auch den Meistertitel.
Der 2K war übrigens der einzige Chaparall der NICHT weiß war! Hall trieb sich, mit Unterbrechungen, bis in die 90er hinein mal mehr, mal weniger erfolgreich in der Indy-Serie bevor er sich 1997 endgültig vom Rennsport zurückzog.
Vermächtnis
Wer sich die Fahrzeuge einmal live ansehen möchte, kann sich eine große Sammlung von Chaparral Fahrzeugen im Permian Basin Petroleum Museum in Texas ansehen. Auch wenn Chaparall nie der große Erfolg im Langstreckensport vergönnt war, so waren die Fahrzeuge doch wegweisend und Ihrer Konkurrenz oftmals um Jahre voraus. Ground-Effect Autos sind heute im Rennsport der Standard, den Grundstein dafür hat Jim Hall mit seinen Ideen gelegt welche in seinen Prototypen ewig weiterleben werden!
Jim Hall's größter Verdienst ist mit Sicherheit die Pionierarbeit die er in Sachen Aerodynamik geleistet hat. Jedes Rennteam das erfolgreich sein wollte hat seine Arbeit kopiert oder adaptiert. Heute sind Spoiler aus dem Rennsport nicht mehr wegzudenken. Keine bekannte Rennserie die noch ohne auskommt, egal ob Formel 1, Indycar, Nascar, WRC, Drag-Racing, Langstreckenrennen oder Tourenwagen, alle nutzen Sie die Erkenntnisse aus Hall's Arbeit. Ich denke damit hat er sich den Platz in dieser Blogreihe wahrlich verdient |
25.09.2023 09:15 |
Swissbob
Toller Bericht
Übrigens, Jim Hall ist mittlerweile 88 Jahre alt
26.09.2023 17:50 |
Lambo-Fan
Sehr interessante Marken-Geschichte. Bisher kannte ich den 2D und den 2J nur aus der "Gran Turismo" Reihe, die Anderen gar nicht.
26.09.2023 22:00 |
Dynamix
Ich finde es unheimlich spannend was die Jungs damals gemacht haben. Die sind nicht einfach nur Rennen gefahren, die waren verdammt innovativ und findig. Mich als Technikfan begeistert sowas und zeigt ja auch wo so manche lieb gewonnene Innovation Ihren Ursprung hatte.
Als ob die Tuning- und Racerfraktion weiß wer das Spoilerthema als erster im Automobilsektor aufgegriffen hat
Die Jungs hier sind mit dem Zeug schon Rennen gefahren, zum Teil Jahrzehnte bevor sich Hersteller getraut haben sowas in Serie zu bauen. Dodge kam erst Anfang der 70er mit dem Daytona, Porsche hat den RS auch erst Jahre später gebracht und so wirklich Einzug hielten Spoiler in der Serie auch erst in den 80ern und dann noch relativ zurückhaltend. Da hat Chapparal wirkliche Pionierarbeit geleistet.
Auch bei den Reifen haben die Jungs ganz viel geforscht und probiert, die Partnerschaft mit Firestone kam ja auch nicht von ganz ungefähr.
26.09.2023 22:09 |
Swissbob
Enzo Ferrari sagte anno dazumal, Aerodynamik ist was für Leute , die keine Motoren bauen können.
26.09.2023 22:52 |
Dynamix
Und heute kommst du nicht mehr drumherum wenn du wirklich schnell sein willst. Rennstrecken bestehen nun mal aus mehr als Geraden.
Und selbst da hilft dir die Aerodynamik. Schau dir die NASCAR an. Die Autos sind schnell, an Power mangelt es denen nicht. Die Autos haben so gut wie überhaupt keine Aero. Entsprechend instabil sind die Dinger selbst auf der Geraden. Da reicht schon der kleinste Stupser für den großen Abflug.
26.09.2023 22:55 |
Swissbob
Volle Zustimmung
Trotzdem war das Nascar Auto mein Highlight in Le Mans, schade dass ich aus zeitlichen Gründen nicht vor Ort sein konnte.
30.09.2023 14:57 |
volvowandales
Ich bin erstaunt wie du es schaffen kannst neben den ganzen Fahrzeugen noch soviel Zeit aufzubringen um die ganzen Informationen für diese tollen Bericht zu recherchieren....
Chapeau!!
30.09.2023 16:21 |
Dynamix
Danke für die Blumen! Im Grunde hatte ich jetzt die Zeit weil ich Urlaub hatte und ich auf Teile für die Motorräder gewartet habe. Die Autos haben dank der Motorräder dieses Jahr nicht sooo viel Zeit in Anspruch genommen bzw. bekommen, aber da will ich nächstes Jahr wieder stärker angreifen. Der Streifenwagen wird mir noch genug Arbeit für die nächsten Jahre bescheren.
Ansonsten hab ich in letzter Zeit gar nicht so viel gebloggt wie das vielleicht noch Anfang des Jahres der Fall war. Zum einen weil momentan an den Bikes oder Autos nicht viel gemacht wurde bzw. wird, da ergibt sich dann nicht viel bzw. nichts wo sich ein Artikel lohnen würde. Wobei sich die Artikel mehr oder weniger von selbst schreiben.
Das was richtig Zeit frisst sind Artikel wie diese hier wo man wirklich an diversen Ecken recherchieren muss. Da geht schon mal der ein oder andere Tag für das recherchieren und schreiben drauf.
Deine Antwort auf "American Legends: Jim Hall"