Sun Jun 12 12:36:54 CEST 2022
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Dynamix
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Kommentare (12)
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Memory
Wir stecken mitten in den 50er Jahren und der Markt für Automobile ist damals noch sehr einfach gestrickt. Das Credo war damals "eine Marke, ein Modell". Deshalb gab es damals auch nur "den Chevy" oder "den Olds". GM und andere amerikanische Hersteller machten sich zum Ende der 50er daran dies zu ändern. Man kam auf die Idee die Portfolios der Marken um ein kompaktes Modell nach unten zu erweitern um neue Kundengruppen anzusprechen. Die Ansprüche der Kunden wuchsen schließlich und nicht jeder wollte die gleichen Full-Size Limousinen wie Ihre Eltern oder Großeltern fahren. Sorge bereitete den Verantwortlichen auch das die Full-Size Modelle immer größer wurden und die Lücke nach unten durch europäische Importe besetzt worden ist. Dazu hatte Nash mit seinem Rambler einen Achtungserfolg erzielt. Da konnten die anderen Hersteller verständlicherweise nicht einfach nur zusehen, es musste gehandelt werden! Ford und Chrysler fingen also an als schnelle Lösung kleine Versionen Ihrer Full-Size Modelle auf den Markt zu werfen. GM allerdings ging einen anderen Weg! Geschichte
Wie bereits erwähnt, sollte nicht nur Chevrolet sein eigenes Kompaktmodell bekommen, sondern auch die Konzerngeschwister. Und so entwickelte Oldsmobile ab 1957 einen eigenen Kompakten. Zwar nicht auf Basis des Corvair, aber der Corvair gab die Initialzündung für die Entwicklung der Kompaktmodelle der Schwestermarken. So entwickelte man die Y-Plattform (eine Bezeichnung die ab 1984 die Corvette Plattform bekam), welche sich technisch grundlegend vom Corvair unterschied. Man ging die Sache deutlich konservativer an als Chevrolet und statt der Luftkühlung und des Heckantriebs bekamen die luxuriöseren Marken wassergekühlte Aggregate, Frontantrieb und auch die größere Plattform spendiert. Zumindest das Prinzip der selbsttragenden Karosserie blieb erhalten. Das Ergebnis bei Oldsmobile trug den etwas kryptisch wirkenden Namen "F-85". Der Name sollte an Oldsmobiles günstige F-Serie aus den 20er/30er Jahren erinnern. Damit stand auch schon fest welche Rolle dem F-85 im Modellportfolio zukam, nämlich die des günstigen Einstiegsmodells unterhalb des Dynamic 88.
1962 gab es von optischer Seite keine großen Änderungen. Ein neuer Grill, ein bisschen Chrom und Updates im Innenraum, nichts wirklich weltbewegendes. Für 1962 kam eine neue Karosserievariante, das Cabrio, neu dazu. Auch hier konnte man wieder zwischen dem Basismodell und dem sportlicheren und luxuriöseren Cutlass Modell wählen. Neu war die Einführung eines optionalen 4-Gang Handschaltgetriebes. Der richtige Kracher für das Modelljahr war die Einführung eines neuen Motors auf Basis des 3.5 Liter V8. Dieser bekam, parallel zum 6-Zylinder Boxer des Corvair, einen Turbolader. General Motors führte mit diesen Motoren die ersten in Masse produzierten Turbolader in die Automobilgeschichte ein! Zu den Besonderheiten des Motors kommen wir aber später Die Produktion dauerte lediglich drei Jahre an, da Ford 1962 mit dem (größeren!) Fairlane mehr Erfolg in dem Segment hatte und General Motors schließlich nachzog. Die richtige Besonderheit, welche auch der Grund für den Artikel ist, lag nicht in der kurzen Bauzeit, sondern in der Technik des F-85! Technik Wie bereits erwähnt hatte der F-85 eine selbsttragende Karosserie, was zu dieser Zeit immer noch einer Erwähnung wert war. Immerhin liefen zu der Zeit immer noch ein Großteil aller US-Fahrzeuge mit einem Leiterrahmen vom Band. Fahrwerksseitig bekam der F-85 eine Doppelquerlenkerachse an der Front und eine 4-Lenker Starrachse an der Hinterachse spendiert. Garniert war dies mit Schraubenfedern rundherum, zu der Zeit in der Preisklasse alles andere als Standard! In dem Preisbereich wurde noch vermehrt auf Blattfedern gesetzt um den Preis niedrig zu halten. Eingebremst wurde das Ganze durch 9,5 Zoll Trommeln rundherum. Richtig bemerkenswert wird es beim Motor. Nicht nur das der Motor, im Gegensatz zum Corvair, vorne saß, beim F-85 gab es ausschließlich V8 Motoren statt der V6 bzw. 6-Zylinder Boxer. V8-Motoren die es weder bei Chevrolet, noch bei Buick oder Pontiac für Geld und gute Worte in der Klasse gab. Oldsmobile nutzte eine eigene Version des Buick V8 mit 3.5 Litern. Ein Motor den man bei Buick später als "zu schlecht" einstufte und deshalb nach England verkaufte, wo er dann als Rover V8 sein ganz eigenes Kapitel im Buch der Automobilgeschichte schrieb. Das besondere an diesen Motoren war, das diese damals schon komplett aus Aluminium gefertigt waren. Das sorgte dafür das der komplette Motor lächerliche 144 kg wog, womit der Motor seinerzeit der leichteste Serien V8-Motor der Welt war. Der von Oldsmobile "Rockette" getaufte Motor war der Standardmotor für den F-85. Es gab für diesen Motor noch ein Power Pack, wodurch der Motor einen 4-fach Vergaser, einen Doppelauspuff und eine höhere Verdichtung spendiert bekam.
So leistete der Turbo-Rocket Motor 218 PS und satte 407 NM. Ein Drehmoment welches für gewöhnlich nur von deutlich hubraumstärkeren Motoren erreicht wurde. Ein Problem hatte der Motor allerdings! Der Motor hatte, trotz der Aufladung, mit 10,25:1 immer noch eine sehr hohe Verdichtung. Wie man heute weiß vertragen sich Turboaufladung und solche hohe Verdichtungszahlen auf Dauer nicht ganz so gut, damals schon gar nicht. Damals gab es auch noch keine Klopfsensoren oder ähnliches. Nutzte man also die komplette Leistung des Motors aus fing der Motor heftig an zu klingeln was auf Dauer unweigerlich zu Motorschäden führt. Um das Problem zu entgehen nutzte man einen Trick den man früher schon aus Kampfflugzeugen kannte. Um das Klopfen zu verhindern fütterte man den Motor zusätzlich mit einer Mischung aus Wasser und Methanol welche man unter dem klangvollen Namen "Rocket-Fluid" vermarktete. Das Gemisch kühlte den Brennraum herunter und verhinderte so Motorschäden.
Dies alles führte dann schlussendlich dazu das der Motor unter Hitzeproblemen litt. Dazu war das Bypasssystem, welches verhindern sollte das der Motor den Tod durch Knockout stirbt, sehr komplex und entsprechend schwierig zu warten und zu reparieren. Den Kunden war das Ganze am Ende des Tages zu aufwändig und General Motors hatte auch keine Lust sich ewig mit den Kunden herumzuschlagen. Genau aus dem Grund hat General Motors auch 1965 allen Jetfire Kunden angeboten das Turbosystem kostenlos gegen die Ansaugung des Standardmodells zu tauschen. Das kam zwar der Zuverlässigkeit zu Gute, allerdings macht es dieser Umstand auch verdammt schwierig überhaupt noch einen Jetfire zu finden der noch mit dem Turbo ausgerüstet ist. Technisch war der Motor seiner Zeit sehr weit voraus! Erst in den frühen 70ern wagte sich BMW und Ende der 70er Porsche an das Thema Aufladung in Serie. Rockette Hubraum: 3523 cm³ Rockette (Power Pack) Hubraum: 3523 cm³ Rockette (63 Power Pack) Hubraum: 3523 cm³ Turbo-Rocket Getriebe Auch in Sachen Getriebe ging es eher konservativ zu. Es gab zwei Handschalter und ein Automatikgetriebe. Bei den Handschaltern hatte man die Wahl zwischen dem serienmäßigen 3-Gang Synchromesh Getriebes oder einer optionalen 4-Gang Version. Bei der Automatik musste man sich mit der 3-Gang Roto Hydramatic begnügen. Dafür ist dieses Getriebe technisch nicht ganz uninteressant!. Die Roto Hydramatic basierte auf einer 4-Gang Hydramatic, hier dann allerdings nur mit drei Gängen wodurch das Getriebe kompakter wurde und entsprechend in die kleineren Modelle passte. Durch seine kompakten Ausmaße und das Vollaluminium-Gehäuse bekam das Getriebe den Spitznamen "Slim Jim". Die leichteste Version wog gerade mal 66kg, die etwas schwerere lediglich 70kg. Dazu installierte man eine kleine Flüssigkupplung, von der Idee ähnlich wie ein Drehmomentwandler. In diesem Falle war die Kupplung allerdings fester Bestandteil des Getriebes und kein eigenständiges Bauteil. Bis zur Einführung der ersten Automaten mit vollwertiger Wandlerüberbrückungskupplung, war das Roto-Matic eins der effizientesten Automatikgetriebe der Welt. Ein Problem waren die, technisch bedingten, Schaltzeiten in Kombination mit den langen Gangspreizungen, sowie die, bedingt durch hohe Öldrücke, bedingten Undichtigkeiten. Das Getriebe hatte übrigens auch seinen großen Auftritt in Europa, nämlich im Opel Kapitän und diversen Vauxhall Modellen. 3-Gang Handschaltung "Synchromesh" 1. Gang: 3,5:1 4-Gang Handschaltung "Synchromesh" 1. Gang: 3,65:1 3-Gang Automatik Roto Hydramatic "Slim Jim" 1. Gang: 3.03:1 <iframe class="video youtube-player" width="425" height="355" type="text/html" src="https://www.youtube.com/embed/EpoRB-3wOu0" allowfullscreen="1" frameborder="0"></iframe> |
Sun Jun 12 12:48:12 CEST 2022 |
eddy_mx
Danke für den interessanten Artikel. Was mich brennend interessiert, das ist diese beschriebene Flüssigkeitskupplung im Roto Hydramatic-Getriebe. Du schreibst, dass die Konzeption ähnlich der eines klassischen Drehmomentwandlers ist, aber was genau sind die Unterschiede und warum ist die Flüssigkeitskupplung effizienter? Warum gibt es dieses Konzept heute nicht mehr?
Sun Jun 12 12:55:01 CEST 2022 |
Dynamix
Ich hab nirgendwo geschrieben das die Roto Hydramatic effizienter war. Sie war es lediglich bis zur Einführung vollwertiger Wandler. Warum man davon wieder Abstand genommen hat steht auch im Artikel. Lange Schaltzeiten und oftmals Undichtigkeiten.
Sun Jun 12 14:05:39 CEST 2022 |
PIPD black
Interessenter Artikel.
Bei Rocket-Fluid denkt man an Dinge wie Kolbenrückholfeder oder Getriebesand.
Mon Jun 13 05:59:34 CEST 2022 |
ElHeineken
Sehr schön geschrieben und technisch nicht weniger interessant
Mon Jun 13 06:28:41 CEST 2022 |
Swissbob
Der V8 wurde später von Rover übernommen.
https://de.frwiki.wiki/wiki/Moteur_V8_Rover
Mon Jun 13 09:36:07 CEST 2022 |
Trottel2011
@Swissbob
Steht ja auch im Text so drin
@Dynamix
Schöner Artikel über einen zu selten erwähnten Wagen der doch einiges an Geschichte schrieb.
Die Grundmaschine war für die Amis ein Problem, weil sie es nicht zu Ende entwickelt hatte. Es fehlten ein paar Details um es standfest und haltbar zu gestalten. Damals war ja nur Wasser im Kühlwasserkreis = Korrosion. Zusätzlich hatte es Zylinderlaufbahnen aus Aluminium. Nicht sehr hilfreich. Rover konnte mit einer verbesserten Wasserpumpe, Zylinderlaufbuchsen aus Stahl, eine angepasste Schmierung und ein Frostschutz im Kühlwasser den Motor gut "Europaeisieren". Der V8 lebte noch bis ca. 2006 (wobei die Motorbaurechte damals von Rover weggenommen wurden, da BMW da auch Geld mit machen wollte) und wird heute noch ohne Lizenz meistens aus einem Block gefäst verkauft... Aufrüstbar bis zum Geht Nicht Mehr. Schade um den schönen Motor.
Vom Auto her fand ich die Buick Version (auch wenn es wahrscheinlich nur ein ähnliches Design hatte) besser. Oldsmobile ist ja was Design anging eigentlich immer recht "bieder" gewesen, damals genauso wie heute.
Mon Jun 13 09:49:26 CEST 2022 |
Dynamix
Ja, da gab es so einiges wo die Amerikaner ganz weit vorne mit dabei waren, für die aber die Zeit noch nicht reif war. ABS und Airbags zum Beispiel. Anfang der 70er gab es das schon bei Cadillac und Co, aber wegen der fehlenden elektronischen Steuerung eher unzuverlässig. Da kamen dann Anfang der 80er Bosch und Benz um die Ecke und haben das zu Ende entwickelt. Da war man aber mit der Elektronik auch deutlich weiter.
Glaube es war auch Oldsmobile die damals auch schon einen DOHC V8 hatten. Ein richtiges Monster, aber meines Wissens nie in Serie gegangen. Oldsmobile hatte eh immer den Ruf einer Marke für Ingenieure zu sein. Technisch oftmals vorne dabei, dafür dann optisch eher bieder. Also quasi Buick in bieder mit dem Duft von Mittelschicht. Buick war ja eher eine Marke für Aufsteiger die sich den Cadillac noch verdienen mussten.
Aber eine gute Seite hatte die Pleite mit dem 215er V8 ja doch! Dadurch das man danach auf ein konservativeres Design gewechselt ist, entwickelte man daraus unter anderem den Buick V6. Auch so ein Motor der legendär ist, auch weil er so unspektakulär war und ewig gebaut wurde.
Mon Jun 13 10:48:05 CEST 2022 |
Trottel2011
Ist das der Iron Duke? Oder war der Iron Duke ein R6?
Mon Jun 13 10:49:22 CEST 2022 |
Swissbob
https://en.wikipedia.org/wiki/Buick_V6_engine
Vermutlich ist’s der hier.
P.S. Die Zitat Funktion ist noch immer nicht aktiviert worden.
Mon Jun 13 11:01:27 CEST 2022 |
Dynamix
Iron Duke war ein 4 Ender. Ich meine den Buick V6.
Thu Jun 16 09:26:21 CEST 2022 |
tolanoqo
Nostalgie verursacht sogar Gänsehaut
Mon Jun 20 15:02:34 CEST 2022 |
pico24229
Wie immer ein Genuß zum lesen und was neues erfahren
Deine Antwort auf "Memory Lane: Oldsmobile Jetfire"