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Wed May 27 17:29:39 CEST 2009    |    taue2512    |    Kommentare (8)    |   Stichworte: 2010, Frankreich, Gesetz, Steuer, Vignette

Sind die französischen Staatskassen wirklich so leer? Christine Lagarde, Ministerin für Wirtschaft, hat nun die finale Zustimmung von Nicolas Sarkozy für Wiedereinführung der Autovignette im nächsten Jahr erhalten.

Diese Form der Besteuerung von Kraftfahrzeugen wurde im Jahr 2001 vom damaligen Wirtschaftsminister Laurent Fabius unter Lionel Jospin ersatzlos gestrichen. Ganze 8 Jahre lang waren Autos und Motorräder somit in Frankreich steuerfrei. Im letzten Jahr führte der Staat dann eine einmalige Abgabe in Form eines Bonus-/Malus-Systems, gekoppelt an den Kohlendioxydausstoß des Fahrzeugs bei der Anmeldung ein.

Doch jetzt geht das Ganze noch einen Schritt weiter: Als ob die Autofahrer noch nicht genug zur Kasse gebeten werden!

Eigentlich sollte dieses neue Vorhaben noch streng geheim bis nach der Europawahl in irgendeinem Aktenschrank schlummern, um nicht die Chancen der in Frankreich regierenden Partei UMP zu schmälern, aber leider hat die Gegenpartei der Sozialisten das Ruder in der Hand im Finanzsektor. Und so kam es nun das aus eben diesen Reihen der Gegenpartei viele delikate Details des Vorhabens der UMP nun an die breite Öffentlichkeit gestreut werden – Politik a la française sozusagen.

Seit dem Sommer 2007 trichtert der französische Premierminister François Fillon ständig seinem Volk ein, das die Kassen leer sind. Lohnerhöhungen für Leute im öffentlichen Dienst und auch die normalen Arbeitnehmer wurden seitdem ersteinmal aufge(sc)hoben.

Dazwischen kam alsdann die weltweite Finanzkrise und Sarkozy stimmte mit Fillon auf einmal dieselben Töne an, das sich der Staat immer tiefer und immer schneller verschuldet und das man das stoppen muss. Aber um das aufzuhalten benötigt man Kredite: Gerade diese Kredite wurden immer teurer und es drohten auf einmal Liquiditätsprobleme.

Seit einigen Monaten hat Christine Lagarde in ihrer Funktion als Wirtschaftsministerin genaue Insiderkenntnis dieser Problematik und bekommt für Ihre Pläne Zustimmung innerhalb der UMP. Angeblich haderte Sarkozy zuerst bei dieser Idee, die bereits tote Vignette wiedereinzuführen, aber jetzt reiht er sich ebenfalls nahtlos ein in die Reihe der prominenten Befürworter, neben Eric Woerth – dem Schatzmeister der UMP.

Ganz am Anfang gab es sogar einige kritische Stimmen von Sarkozy zu hören zum Thema Vignette: „Warum besteuern wir nicht bald auch Fenster und Türen? Es gibt ja genug davon!“ sagte er noch Ende 2008 in Anspielung auf ein altes Gesetz das wirklich einmal existierte, aber bereits ein paar Monate später während einer Sitzung am 8. März 2009 im Elyséepalast in Paris in Gegenwart der kompletten Ministerriege erhielt der Vorschlag seine volle Zustimmung. Sarkozy wechselt also schneller seine Meinung als Carla Bruni ihre Schlüpfer, so scheint es zumindest.

Unter zwei Bedingungen erhält das Vorhaben Sarkozy's OK, führte er selbst im März aus: Es ist erstens nach offiziellem Wortlaut offiziell keine „neue Steuer“, sondern lediglich die Wiedereinführung einer Steuer, die von der Opposition seinerzeit als „unwichtig eingestuft“ und gestrichen wurde. Und zweitens: Bei jeglicher Kommunikation in Richtung der Öffentlichkeit sollte stets hinzugefügt und unterstrichen werden, das diese Steuer nur „vorrübergehend für eine bestimmte Dauer“ eingeführt werde - bis die Wirtschaftskriese vorbei ist.

Was letzteres hingegen in der Politik bedeutet, wissen wir ja alle.

Während dieser Sitzung setzte sich denn auch der Minister für Ökologie - Jean-Louis Borloo – dafür ein, das bestimmte „saubere“ - vornehmlich französische - Autos von dieser Regelung ausgenommen sein oder guenstiger dabei wegkommen sollten und führte dabei aus das dies eigentlich eine Idee des Ministers für Industrie (Luc Chatel) sei, um die ohnehin bereits schwer angeschlagene lokale Automobilindustrie vor weiterem Schaden zu bewahren.

Richtig grosse Politik also, was da so abgeht. Zum Glück gelangen m.E. hier in Frankreich mehr delikate Details solcher „Geheimtreffen“ an die Öffentlichkeit als in Deutschland. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was in Berlin manchmal abgeht, wenn wieder einmal Politik und (Wirtschafts-)Interessen aufeinanderprallen.

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Fakt ist nun anscheinend das die neue Vignette spätestens ab dem 1. Januar 2010 so gut wie sicher für alle Franzosen verbindlich kommt und das sie nicht ganz billig werden wird. Ein offizielles Dekret und ein erster genauer Gesetzesentwurf werden für den 15. Juni erwartet.

Mit diesem Datum sind gleich mehrere Probleme auf einmal im Vorfeld ausgeräumt: Denn dann ist erstens die für die UMP recht ungünstige Europawahl geschafft und zweitens das Volk fast geschlossen in Urlaub gefahren und somit die in Frankreich ohnehin gefürchtete Streik- und Demonstrationsbereitschaft niedriger als sonst. Perfektes Timing also!

Ab dem 1. September 2009 werden dann wohl bereits die ersten Vignetten bei den Zigarettenläden in Frankreich käuflich zu erwerben sein. Ungewiss ist zur Zeit aber auch, ob es eine Art temporäre Vignette für Ausländer oder durchreisende Touristen geben wird oder nicht.

Andere sehr wichtige Details hingegen, wie z.B. immerhin die überaus wichtige Frage ob die Vignette in den verschiedenen Departements jeweils anders gestaltet sein könnte, ist jedoch bereits jetzt schon genauestens erörtert: Jedes Department darf „seine“ eigene Vignette designen! Im Zeitalter des neuen anonymen französischen Nummernschildes sicherlich ein erheblicher Zugewinn.

Die Departements führen dann die Einnahmen an den Staat ab und der Autofahrer ist und bleibt die Milchkuh der Nation - auch in Frankreich!

Die Vignette 2009 (hier Schweiz)Die Vignette 2009 (hier Schweiz)

Wed May 27 17:35:25 CEST 2009    |    notting

Damals gab's doch IIRC auch die Regel, dass die grenznahen rue national oder wie die heißen gebührenfrei sind. Kommt die auch wieder?

Und was meinst du mit anonymem Nummernschild?

Wed May 27 17:49:09 CEST 2009    |    taue2512

@notting: Die "anonymen" Nummernschilder, die hier seit dem 15.4. ausgeteilt werden, ohne das sonst übliche Departement als letzte zwei Stellen. Guckst Du hier. Nun sieht man nicht mehr von wo (Region) der Franzose kommt...

Wed May 27 17:58:51 CEST 2009    |    Hannes1971

Autofahrer als Milchkuh der Nation: Das ist anscheinend wohl nicht nur bei uns in Deutschland so...

Da ich regelmäßig im Elsass unterwegs bin und nicht davon ausgehe, dass Nichtfranzosen von der Pflicht befreit sind, wird sich zu meiner schweizer Vignette dann wohl auch noch die französische gesellen. Wenn wir dann im Sommer nach Kroatien fahren, kommen noch die österreichische, die slowenische und die kroatische Vignette dazu. Und wo gucke ich dann raus ???

Wed May 27 18:00:18 CEST 2009    |    notting

Ok, danke. Zum Thema mautfreie weil grenznahe Schnellstraßen/AB hast du nicht zufällig Infos?

Wed May 27 18:03:44 CEST 2009    |    Druckluftschrauber34704

Bei uns in Österreich kostet die Jahresvignette auch nicht grad wenig - nämlich 76€!!!

mfg Max

Wed May 27 19:23:34 CEST 2009    |    taue2512

Zitat:

 Zum Thema mautfreie weil grenznahe Schnellstraßen/AB hast du nicht zufällig Infos?

Nicht verwechseln: Das wird eine Art "Pflichtvignette" fuer ALLE. Also auch diejenigen, die NIE auf Autobahnen unterwegs sind.

Informationen zu Touristen und Auslaendern habe ich zu diesem Zeitpunkt leider noch keine.

Wed May 27 20:38:31 CEST 2009    |    Achsmanschette133810

Na wenn sich die Vignette wieder genauso gut ablösen und wieder aufkleben lässt wie die Schweizer Vignette ist die Welt doch wieder in Ordnung

Wed May 27 21:05:05 CEST 2009    |    Multimeter47054

Werden dann wenigstens diese nervigen Mautstellen abgebaut oder kommt diese Vignette dazu?
Bin mal gespannt ob sich die Vignettenpflicht für Auslänger durchsetzen lässt - sofern es kommt. Gerade in einem Land wie Frankreich, wo der Tourismus ein recht großer Wirtschaftsfaktor ist, könnte ich mir vorstellen, dass solch eine Maut ab einer bestimmten Höhe auch Auswirkungen auf die Buchungszahlen hat.

Eine weitere Frage stellt sich mir, wie die diesen Protektionismus ( von PSA und Renault) vor der EU vertreten wollen.

Gruß

Simon

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