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Halbgott

Eindrücke niedergeschrieben

Tue Jun 03 08:42:38 CEST 2008    |    Druckluftschrauber2011    |    Kommentare (32)    |   Stichworte: Geld, Gesellschaft, Medien, Wissen

Das Thema Mindestlohn ist immer wieder in den Medien. Es gibt Parteien, Verbände und Gewerkschaften die sich für die Einführung einsetzen und es gibt Parteien und Verbände, die sich dagegen aussprechen.

Doch was ist nun der bessere, der richtige Weg? Jede Seite kann zahlreiche Fakten aufzählen, die ihrer Denkweise Recht geben und die der Gegenseite widerlegen.

Leider können dies beide Seiten und so kommt man schnell in eine Situation, wo man selber nicht mehr so recht weiß, was richtig und was falsch bzw. besser ist.

 

Was nun die bessere Lösung für die Allgemeinheit ist, wage ich auch nicht zu entscheiden. Aber vielleicht hilft eine hoffentlich differenzierte Betrachtung der Argumente etwas in dem Wirrwarr für Klarheit zu sorgen.

 

Mit dem Armuts- und Reichtumsbericht ist ja eines ganz klar geworden. Der Mittelstand schrumpft und die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer. Das dies zu einer Politikverdrossenheit und zu einer Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung führt ist nachvollziehbar und bürgt diverse Risiken.

Also muss dagegen vorgegangen werden. Als Allheilmittel wird immer wieder gern der Mindestlohn propagiert. „Arbeit muss sich wieder lohnen“ ist eine gern genommene Aussage. Einfachster Weg hierfür ist kurz gedacht der Mindestlohn. Gerade, da man sich auf breiter Front (IGM, ver.di, TRANSNET, GdP etc.) auf 7,50 € geeinigt hat.

 

Folgen des Mindestlohns für Arbeitnehmer, -Geber und Verbraucher

 

Man muss ganz klar sagen, dass die erhöhten Personalausgaben mit Sicherheit auf das Produkt oder die Dienstleistung umgelagert werden. Das die Mehrkosten durch eine Verringerung der Unternehmensgewinne abgefedert werden, wird gern gesagt, ist wohl aber Wunschdenken. Immerhin haben alle Unternehmen mit der Einführung des Mindestlohnes eine sehr naheliegende Begründung, warum das Produkt jetzt mehr kosten wird. Sollte sich ein Unternehmen dazu entscheiden, dass das Produkt im Preis nicht angehoben wird, so wird wohl da gespart, wo immer gern gespart wird – an den Personalkosten.

Also entweder die Einnahmen den erhöhten Ausgaben anpassen oder Ausgaben senken.

 

Mit der Einführung würde zweifelsohne auch die Kaufkraft der Arbeitnehmer steigen, womit man die Mehrbelastung der höheren Preise ausgleichen könnte. Klar. Immerhin haben jetzt mehrere Millionen Menschen mehr Geld in der Tasche, womit sich die Preise ggf. egalisieren. Blöd nur für Rentner, Hartz IV Empfänger etc.

Das sich durch die gestärkte Kaufkraft und die Mehrverkäufe die Anhebung der Preise wieder ausgleichen darf man in einer kapitalistischen Welt wohl auch bezweifeln.

Alles in allem liegt die Vermutung nahe, dass es insgesamt teurer wird, da die Mehrausgaben durch eventuelle Mehrverkäufe (dank der gestärkte/gewachsenen Käuferschicht) nicht ausgeglichen werden.

 

7,50 € zu viel, zu wenig oder genau richtig?

Eine schwere Frage. Klar ist, dass zu niedrige Mindestlöhne keinen positiven Effekt haben und zu hohe Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten können/werden. Nun muss man sich trotz all der Jahre natürlich darüber im Klaren sein, dass Ost und West nicht das gleiche Lohngefüge haben. 7,50 € bedeuten in wirtschaftlich schwachen Regionen in zahlreichen Wirtschaftszweigen zum Teil eine Verdopplung des Gehaltes. Vor allem bei einfachen Tätigkeiten, die keine abgeschlossene Ausbildung voraussetzen. 7,50 € wird hier(Ost) zum Teil Leuten geboten, die eine erfolgreich abgeschlossene Lehre vorweisen können und bereits Berufspraxis haben. Gerade bei Zeitarbeitsfirmen ist eine solche Vergütung durchaus normal. Ob jetzt aber ein Regalauffüller eine Tätigkeit ausübt, die einen ähnlichen Wert hat und daher auch ähnliche Vergütung verdient, wage ich zu bezweifeln.

Sprich 7,50 € sind für wirtschaftlich schwache Regionen ggf. zu hoch und in Regionen, wo praktisch Vollbeschäftigung vorhanden ist, hätte sie keine positiven wie negativen Auswirkungen.

So besteht der begründete Verdachte, dass vor allem die Regionen, die eh eine hohe Arbeitslosigkeit haben, unter den Mindestlöhnen leiden könnten. Vor allem die gering qualifizierten, deren Tätigkeit dann im keinem Verhältnis mehr zur Vergütung steht.

 

Der internationale Vergleich.

Gerade die Vergleiche zu anderen Ländern bieten zahlreiche Argumente für und gegen den Mindestlohn. Befürworter des Mindestlohnes nehmen England gern als Referenzland, wo der Mindestlohn zu einer positiven Trendwende beigetragen haben soll.

Seit 1999 bis 2006 wurde der Mindestlohn von 3,60 £ (4,57 €) auf 5,35 £ (6,79 €) (Erhöhung 49 %) angehoben. Damit einher fiel die Arbeitslosigkeit von 6,2 % auf 4,9 % (Rückgang 21 %). Dies sieht auf den ersten Blick sehr vielversprechend aus. Nun ist es aber so, dass lediglich knapp 2 % überhaupt vom Mindestlohn betroffen sind. Anscheinend keine negativen Effekte des Mindestlohnes, wenn auch nur marginal positiv.

Der positive Trend auf dem englischen Arbeitsmarkt darf aber nicht allein auf die Einführung des Mindestlohnes beschränkt werden. Eine massive Reform des britischen Gegenstücks zur deutschen Bundesagentur für Arbeit ging damit einher. Diese Reform und auch die sehr erfolgreiche Neugestaltung der Arbeitsvermittlung in Dänemark sollten Grundlagen und Denkansätze für die Reform in Deutschland Namens Arbeitslosengeld II geben. Die konkrete Umsetzung und warum es zumindest augenscheinlich nicht so gut läuft wie in den Vorbildstaaten würde uns jetzt wohl ins OT führen. Also zurück zum internationalen Vergleich, wo Frankreich immer wieder gern als Gegenstück bzw. als am ehesten Vergleich mit Deutschland gewählt/genannt wird. Frankreich bietet den Gegnern des Mindestlohnes auch immer wieder ein sehr starkes Argument. Jugendarbeitslosigkeit!

Wer erinnert sich nicht an die Bilder der brennenden Autos, der Straßenschlachten und dem regelrechten Chaos auf den Straßen französischer Großstädte vor gar nicht all zu langer Zeit. Dort waren es primär Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, die auf die Straßen gingen wegen der Perspektivlosigkeit. Jugendarbeitslosigkeit ist dort wie hier ein politisch sehr brisantes Thema.

Auch ist der Mindestlohn in Frankreich wesentlich gegenwärtiger als in Großbritannien. Immerhin sind 15,6 % aller Personen davon betroffen, da dieser Mindestlohn mit 8,44 € recht hoch ausfällt. Nur 2 Staaten haben einen höheren!

Ob der Mindestlohn, Schwächen im Schulsystem oder andere Dinge dafür verantwortlich sind, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich recht hoch ist, da streiten sich die Gelehrten. Fakt ist aber, dass der Mindestlohn vielleicht nicht die Wurzel des Übels darstellt – das Übel aber auch nicht bekämpft bzw. ihm entgegenwirkt.

Also bringt uns der Vergleich mit anderen Ländern nicht wirklich voran. In England, wo wenig Leute davon betroffen sind, ging die Arbeitslosigkeit zurück – in wieweit der Mindestlohn daran schuld hat, kann nicht genau gesagt werden.

Frankreich hat trotz Mindestlohn massive Probleme. Vor allem bei jungen Menschen.

 

Thema Schwarzarbeit.

Klare Sache. Wer sich seine Beschäftigten auf normalem Wege nicht mehr leisten kann, der stellt halt Leute an, die schwarzarbeiten. Klares Gegenargument. Niemand muss mehr schwarzarbeiten, da er bei seiner Hauptbeschäftigung ausreichend verdient.

Das Gegenargument der Mindestlohnbefürworter mag bei einer theoretischen Vollbeschäftigung durchaus korrekt sein. Bloß haben wir eben keine 3 % Arbeitslosigkeit in Deutschland, wo eigentlich alle arbeiten sind und niemand zu viel „Freizeit“ hat.

In Regionen, die deutlich über 15 % Arbeitslosigkeit haben stehen halt ausreichend qualifizierte Leute zur Verfügung, die vielleicht für 7,50 € arbeiten gehen – diese dann aber am Fiskus vorbei auf die Hand bekommen.

 

Tarifautonomie vs. Mindestlohn

An und für sich werde Löhne zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden festgelegt, da der Staat hier nicht eingreifen darf. Die Tarifautonomie wird in Deutschland durch das Grundgesetz geregelt. Nun besteht aber das große Problem, dass immer weniger Arbeitgeber in den Arbeitgeberverbänden sind und daher an keiner Tariflichen Regulierung unterliegen. Auch sind die Gewerkschaften auf Grund schwindender Mitglieder in einer kaum mehr verhandlungsfähigen Position. Diese Ohnmacht der Gewerkschaften soll nun durch den Staat entgegengewirkt werden, da diese eben keine Basis mehr haben.

Die Basis für die die Gewerkschaften kämpfen sollen, entzieht sich aber selbstständig. Die Arbeitnehmer schwächen sich durch Austritte bzw. Nichteintritte selbst. Also kann jeder Arbeitsnehmer anfangen seine Position zu verbessern indem er sich organisiert, was aber auch nicht gegen die wenigen Mitglieder in Arbeitgeberverbänden hilft.

 

Was ist nun der richtige Weg?

Wie zu erwarten war, gibt es wohl keine eindeutige Antwort. Klar ist, dass das Lohngefüge in Deutschland nicht stimmt. Zu viele Menschen bekommen aufstockend Arbeitslosengeld II, da sie von ihrem Einkommen nicht leben können. Der Mindestlohn, der hier als Allheilmittel deklariert wird, ist vielleicht nicht so kleingeistig zu betrachten und es lohnt sich Aussagen zu hinterfragen.

Ich denke es ist auf Grund der wirtschaftlich stark unterschiedlichen Regionen enorm kompliziert eine allgemeinverträgliche Antwort auf die Frage nach dem Mindestlohn zu finden. Was in Brandenburg hilft, hat in Bayern keine positiven Auswirkungen und was in Bayern hilft, würde für Brandenburg viel Schlechtes bedeuten (Bundesländer willkürlich als Beispiele für Ost und West genannt)

Somit kann man nur schwer zu Ja oder Nein tendieren.

 

Alternativen zum Mindestlohn?

Eine Alternative wäre Sicherlich eine gesetzliche Vorschrift, dass sich alle Arbeitgeber in (kommunalen)Verbänden organisieren müssen (ähnlich wie in Österreich) und diese dann mit Gewerkschaften in Verhandlungen treten. Somit könnten regionale Unterschiede ausgeglichen werden und die Tarifautonomie wäre nicht gefährdet. Der Arbeitnehmer und Geber säße sich durch Vertreter gegenüber und könnte auf Augenhöhe verhandeln, ohne dass sich ein Dritter (Staat) direkt einmischt.

Dass durch starke Gewerkschaften durchaus adäquate Ergebnisse erzielt werden können, zeigte uns die Gewerkschaft der Lokführer und der ver.di vor nicht all zu langer Zeit.

 

Fazit:

Egal was kommen wird. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Befürworter und Gegner. Allen Recht machen wird man es nie und so wird es noch Jahre dauern, bis ein Ergebnis erzielt wird.

 

Ich hoffe jetzt ist jeder verwirrter als vorher. Ich bin es.


Tue Jun 03 08:52:07 CEST 2008    |    rallediebuerste

Dann schmeiß ich noch schnell das bedingunslose Grundeinkommen in die Runde, und bin mal wieder weg :D 

Tue Jun 03 08:56:41 CEST 2008    |    Druckluftschrauber2011

bedingunslose Grundeinkommen?

Damit hat sich das nächste relevante Thema soeben gefunden :)

 

Aber davor kommt noch ein wenig Blödsinn :D

Tue Jun 03 12:57:50 CEST 2008    |    leovinius

Wenn Vater Staat nicht an allem so viel mitverdienen würde, dann gäb es die Diskussion um Mindestlohn nicht. Mein Beispiel:

ich bin Familienvater und bekomme 2000,- Brutto p.M. sind 1522,- netto. das heisst ich habe bei einer 45 Std-Woche 8,45€/Std.... (ohne die unbezahlten Überstunden, da unser Chef ein ganz schlauer ist und uns jeden tag eine Stunde länger da hält, was er laut gesetzgeber auch noch darf....)

das heißt, ich habe eine 50 Std. Woche und komme auf 7,61 €/Std -> quasi Mindestlohn.... :(

davon gehen ab

800,- € Fixkosten (Miete incl. Nebenkosten,Telefon & Internet, etc)

300,- € Auto (Tanken, Versicherung etc)

200,- € Lebensmittel (Tägliche Verpflegung eines 4 Personenhaushaltes)

75,- € Ganztagesschule incl Schulspeisung (damit mein Grosser wenigstens einmal am Tag was warmes Essen kann)

40,- € Kindergarten

dann sind noch 107,- € übrig und wie man davon lebt, weißt du, oder?

dazu kommen noch 308,- € Kindergeld, die jedoch in eine Lebensversicherung der Kinder eingezahlt wird, damit es denen mit 18 besser geht.

 

Klar, auch ich habe unterstützendes ALG II und bekomme Wohngeld. Das sind monatlich 230,- € die zu den 107,- € dazu kommen. Früher bin ich auch mal an einem Sonntag mit den Kindern und meiner Frau zu einem Indoorspielplatz gefahren, aber das kann man sich auch nicht mehr leisten, wenn der Eintritt für 4 Personen mal eben 40,- € kostet. oder auch mal ins Kino. Oder mit meiner Frau mal schön essen....

alles nicht mehr drin, weil man das Geld zum Überleben braucht....

 

Sorry, aber das musste jetzt mal raus.... :)

Tue Jun 03 13:18:52 CEST 2008    |    XC70D5

Dänemarks Ansatz ist ja laut Aussage unserer "Volksvertreter" nicht auf Deutschland übertragbar, warum auch immer!? :mad:

 

Zur Tarifautonomie: wenn das Bundesarbeitsministerium mal aus den Puschen kommen würde und sich bei der Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit nicht immer so zieren würde, gäbe es auch keine Probleme mit nicht organisierten Arbeitgebern, denn dann müssten die auch Tarif zahlen! :mad:

 

 

Gruß

 

Martin

Tue Jun 03 13:36:14 CEST 2008    |    XC70D5

Hier einmal 10 Argumente FÜR den Mindestlohn:

 

 

 1. Der gesetzliche Mindestlohn ist politisch sinnvoll und dringend erforderlich.

Die Tarifvertragsparteien in Deutschland verlieren im Niedriglohnsektor -mit Ausnahme der im Entsendegesetz verankerten Branchen- dramatisch an Bedeutung. Weder im Einzelhandel noch im Hotel- und Gaststättengewerbe, erst recht nicht in vielen anderen Dienstleistungsbereichen und dem Handwerk wird die sog. 50-Prozent-Klausel zur Erklärung einer Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erfüllt. Tarifverträge haben in großen Teilen der Wirtschaft, insbesondere im Bereich der gering qualifizierten Tätigkeiten, heute nur noch Placebo- und allenfalls Imagecharakter. Auch die Gewerkschaften sind in diesen Bereichen schwach organisiert. Im Ergebnis bedeutet dies arbeitsrechtlich, dass Löhne ohne jede Grenze nach unten frei und zum Teil sehr einseitig festgelegt werden können. Als einzige Grenze wird die Sittenwidrigkeit genannt, die kaum justitiabel ist, erst recht nicht bei legalen Tarifverträgenzwischen 3 und 4 Euro Bruttostundenlöhnen.

 

Der Hinweis auf die Tarifautonomie ist oft zynisch, weil die Tarifpartner in vielen Branchen keinerlei Durchsetzungsfähigkeit mehr haben. Letztlich ist häufig mit dem Hinweis auf Tarifautonomie in erster Linie die Freiheit verbunden, überhaupt keinen Lohnrichtlinien mehr folgen zu müssen.

 

2. Der gesetzliche Mindestlohn stabilisiert die Sozialversicherungssysteme in Deutschland.

Bei frei vereinbarten bzw. sogar tariflichen Löhnen von 3 bis 5 Euro fallen keine ernsthaften Steuer- und Sozialabgaben an. De facto ist dies eine abgabenfreie legalisierte Schwarzarbeit. Zusätzlich müssen diese Lohn- und Arbeitsverhältnisse durch Hartz IV oder sonstige Zuschüsse (z.B. Aufstockungen, Kombilöhne) subventioniert werden. Die Beiträge dafür zahlen alle: Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Steuerzahler.

 

Ganze Branchen und Unternehmen lassen sich zwischenzeitlich ihre Löhne zu Lasten der Allgemeinheit ohne erkennbaren Grund subventionieren. Die Sozialversicherungssysteme können bei immer weniger Beitragszahlern mit immer geringeren Beitragshöhen mittelfristig nicht stabil gehalten werden. Es ist nicht einzusehen, warum beispielsweise die Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Gebäudereiniger-Handwerks, die sich zu einem vernünftigen Lohn entschieden haben, mit ihren Beiträgen Löhne aus anderen Bereichen subventionieren sollen. Deshalb sollte neben der Möglichkeit eines tariflichen Mindestlohns nach dem Entsendegesetz als absolute Untergrenze ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden.

 

3. Der gesetzliche Mindestlohn vernichtet keine Arbeitsplätze.

Mittlerweile existiert eine unüberschaubare Anzahl von Gutachten über die Auswirkung eines gesetzlichen Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt. Fakt ist, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis für die Behauptung der massenhaften Vernichtung von Arbeitsplätzen gibt. Dies räumen mittlerweile sogar Institute ein, die grundsätzlich einen gesetzlichen Mindestlohn ablehnen. Ein Blick auf unsere 20 (!) EU-Nachbarstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen zeigt, dass Arbeitsplätze durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes nicht in einem nennenswerten Umfang vernichtet wurden. Auch in den übrigen Ländern Europas gibt es Gaststätten, Friseure, Gebäudereiniger und andere Dienstleistungen. Die Arbeitslosenquote ist in den übrigen europäischen Nachbarländern gerade auch im gering qualifizierten Tätigkeitsbereich nicht dramatisch schlechter als in Deutschland. In vielen Ländern ist die  Arbeitslosenquote in diesen Bereichen deutlich geringer!

 

Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich, z.B. im Hotel- und Gaststättenbereich, im Einzelhandel, im Friseurhandwerk und im Gebäudereiniger-Handwerk können auch nicht im nennenswerten Umfang ins Ausland verlagert werden.

 

Das Gebäudereiniger-Handwerk verfügt seit über 30 Jahren über allgemeinverbindliche Tarifverträge. Seither hat das Gebäudereiniger-Handwerk eine äußerst positive Beschäftigungsentwicklung genommen: Die Zahl der Arbeitsplätze ist von 182.000 (1975) auf 820.000 (2008) gestiegen. Bereits damit dürfte widerlegt sein, dass  allgemeinverbindliche Tarifverträge/Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten.

 

4. Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes ist unproblematischer als zurzeit interessensbedingt diskutiert.

In der Tat schwanken die Diskussionen zwischen 4 Euro und maximal 8 Euro. Die Festlegung des gesetzlichen Mindestlohnes ist eine politisch brisante und mutige Entscheidung. Je nach Lager wird die Höhe angegriffen. Andererseits ist eine interessante Bewegung in die Diskussion gekommen, nachdem der Deutsche Gewerkschaftsbund (!) einschließlich aller  Einzelgewerkschaften 2006 einen Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche von 6,10 Euro in Ostdeutschland und 7,00 Euro in Westdeutschland vereinbart hat. Die Zeitarbeit ist nicht branchenbezogen, sondern wird in allen Wirtschaftsbereichen und auf allen Ebenen eingesetzt. Allein die Tatsache, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund trotz seiner Forderung nach 7,50 Euro in einem konkreten, alle Branchen umfassenden, Tarifvertrag bereits diese niedrigeren Zahlen vereinbart hat, zeigt, dass eine realistische Diskussion sich in dieser Größenordnung abspielen könnte. Klar ist auch, dass der gesetzliche Mindestlohn nichts in Wahlkämpfen zu suchen hat. Eine neutrale Kommission aus BDA und DGB oder eine Anpassung an objektive Fakten, z.B. Rentenerhöhung, sind unter anderem denkbar.

 

Ein gesetzlicher Mindestlohn ist zudem im Lohnwettbewerb neutral. Der Wettbewerb muss sich über gutes Haare schneiden, sauberes Reinigen und einen vernünftigen Service abspielen, nicht jedoch über den Einsatz des billigsten und/oder subventionierten Arbeitnehmers.

 

5. Der gesetzliche Mindestlohn führt nicht zu mehr Schwarzarbeit.

Entscheidend ist, dass Schwarzarbeit tatsächlich verfolgt und bestraft wird. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls ist hier auf dem richtigen Weg. Andere staatliche Methoden, zum Beispiel bei den sog. Minijobs in Privathaushalten, Schwarzarbeit dadurch zu bekämpfen, dass keine nennenswerten Abgaben mehr gefordert werden, hat nichts mit ehrlicher Bekämpfung von Schwarzarbeit zu tun, sondern ist ein Zeichen der Ideen- und Hilflosigkeit des Staates.

 

Ebenso ist die Vereinbarung eines „legalen“ Stundenlohnes zwischen 3 und 4 Euro legalisierte Schwarzarbeit, da auch hier keine nennenswerten Abgaben anfallen. Der Arbeitgeber bekommt äußerst billig einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin; der Staat, d.h. alle Beitrags- und  Steuerzahler, müssen für diese Beschäftigten zusätzliche Ergänzungsleistungen erwirtschaften. Durch einen gesetzlichen Mindestlohn werden also nur diejenigen in die Schwarzarbeit abwandern, die bereits jetzt über subventionierte Billiglöhne oder über subventionierte Abgabenfreiheit „legalisierte Schwarzarbeit“ betreiben.

 

6. Der gesetzliche Mindestlohn verhindert dramatisches Lohndumping.

Das Unterlassen eines gesetzlichen Mindestlohnes ist eine Einladung an alle osteuropäischen Beschäftigten, in Deutschland in den Wettbewerb mit gering qualifizierten Beschäftigten zu treten. Der Wettbewerb bei einfachen, zum Teil austauschbaren Tätigkeiten wird in erster Linie über den Lohn geführt. Zu glauben, dass die hohen Lebenshaltungskosten in Deutschland solche Dumpinglöhne verhindern, ist fahrlässig und durch die Praxis längst widerlegt (Hamburger Zoll vom 29.04.2008: Bulgarische Bauarbeiter mit 2 Euro/Stunde bei 70 Wochenstunden). Ebenso ist es mehr als optimistisch zu glauben, dass sich bereits ab 2011 das Lohnniveau in den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten unserem Lohnniveau angepasst oder zumindest entscheidend angenähert haben wird.

 

Tatsache ist, dass spätestens durch die allgemeine Diskussion über Mindestlöhne in Deutschland jedem Arbeitgeber klar geworden ist, dass Tarifverträge in Deutschland in der Regel freiwillig und damit zunehmend unverbindlich sind.

Ausnahmen bilden nur Wirtschaftsbereiche mit äußerst starken gewerkschaftlichen Strukturen, also im Wesentlichen der Öffentliche Dienst oder Bereiche, die im Entsendegesetz geregelt sind. Tatsache ist, dass in Deutschland unabhängig von diesen Bereichen jeder Unternehmer zahlen kann, was er will. Diese wunderbare Freiheit muss allerdings von der Allgemeinheit zunehmend subventioniert werden.

 

Eher widersprüchlich ist die Position der Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft gegen einen gesetzlichen Mindestlohn. Einerseits wird die Senkung der Lohnzusatzkosten gefordert, andererseits staatliche Lohnsubventionen.

Blauäugig wird der freie Dienstleistungsverkehr im EU-Binnenmarkt gepriesen, gleichzeitig wird Schwarzmalerei bei den Auswirkungen eines Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt betrieben. Laut Gesamtmetall haben industrielle Unternehmen keine nennenswerten Arbeitsplätze im  Niedriglohnbereich, sind aber vehement gegen gesetzliche Mindestlöhne. Logik?

 

7. Hartz IV ist kein Mindestlohnmodell.

Oft wird argumentiert, dass subventionierte Arbeit besser sei als keine Arbeit. Dies ist eine Einladung an alle Unternehmer, die Löhne drastisch zu senken, da der Staat (wer ist das?) den Rest bezahlt. Es ist die Aufforderung, den berühmten Drehtüreffekt zu nutzen und im Niedriglohnbereich auf Kosten der Allgemeinheit Kasse zu machen. Indirekt wird jeder Unternehmer, der einen halbwegs vernünftigen Stundenlohn zahlt, für dumm erklärt.

 

8. Der gesetzliche Mindestlohn ist ohne große zusätzliche Bürokratie zu kontrollieren.

Der gesetzliche Mindestlohn ist äußert einfach zu kontrollieren, da er als Mindestlohn für jedes Arbeitsverhältnis gilt und die Höhe jedem bekannt ist. Anders als der Branchentarifvertrag, in dem eine Zuordnung bestimmter Tätigkeiten eher schwierig ist, sind keine weiteren Recherchen erforderlich. Je mehr Branchen im Entsendegesetz mit zahlreichen verschiedenen Mindestlöhnen vertreten sein werden, desto teurer, aufwändiger und problematischer wird die Kontrolle durch den Zoll werden. Der gesetzliche Mindestlohn ist individualrechtlich leicht durchsetzbar und wegen der Offensichtlichkeit von Verstößen ohne nennenswerte Recherchen ist auch eine Ausweitung der Bürokratie nicht nötig.

Leichter kann Sozialdumping nicht kontrolliert und geahndet werden.

 

9. Der gesetzliche Mindestlohn ist europarechtskonform.

Ein massiver EU-weiter Lohnwettbewerb kann nur über einen gesetzlichen Mindestlohn  verhindert werden. Die aktuellen unwürdigen, politischen Querelen über eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf andere Branchen, die Diskussion über die Voraussetzungen und den Geltungsbereich der Allgemeinverbindlicherklärung per Rechtsverordnung nach dem Entsendegesetz (Gesetzentwurf zur Novellierung des Entsendegesetzes, Urteil des VerwG Berlin zum Postmindestlohn, Einspruchsmöglichkeiten von Bundesministerien gegen die Allgemeinverbindlichkeit, BDA und DGB) zeigen, dass das Entsendegesetz allein nur die zweitbeste Wahl ist. Es muss um einen gesetzlichen Mindestlohn ergänzt werden.

 

10. Der gesetzliche Mindestlohn verstößt nicht gegen die Tarifautonomie.

Die Tarifautonomie, die in Artikel 9 Grundgesetz (GG) geschützt ist, wird existenziell nicht durch einen gesetzlichen Mindestlohn gefährdet. Nach wie vor können die Tarifvertragsparteien außer einem absolut untersten Mindestlohn sämtliche übrigen Lohngruppen, Urlaubs- und alle sonstigen Arbeitsbedingungen gemeinsam und frei vereinbaren.

Dies ist im Übrigen auch in allen europäischen Mitgliedsländern selbstverständlich und daher auch europarechtlich unbedenklich. Selbst wenn ein gesetzlicher Mindestlohn den Schutzbereich von Artikel 9 GG verletzten würde, stände diesem Eingriff das in Artikel 20 GG verankerte Sozialstaatsprinzip gegenüber. Hier muss der Staat eine Interessensabwägung vornehmen dürfen.

Tue Jun 03 13:43:52 CEST 2008    |    leovinius

@ XC70D5

 

WOW!! RESPEKT!! Danke!! endlich mal Klartext.....

Tue Jun 03 13:59:08 CEST 2008    |    XC70D5

Und dabei bin ich von der "Gegenseite"... ;)

 

 

Gruß

 

Martin 

Tue Jun 03 14:04:13 CEST 2008    |    Druckluftschrauber2011

Die Ausführung von dir sind aber alle sehr einseitig und beleuchten rein gar keine Gegenargumente, die es zweifelsohne gibt.

Ich bin der ziemlich festen Überzeugung, dass man Pro und Contra aufzeigen muss, damit sich jeder selbst sein Urteil bilden kann. Eine einseitige Informationsweitegabe halte ich immer für etwas bedenklich.

 

Vor allem, da immer auf zahlreiche Tests und Auswertungen gepocht wird. Dies tun aber beide Seiten.

Tue Jun 03 14:08:11 CEST 2008    |    leovinius

ja, aber durch den Text kann man sich wenigstens schon mal vorstellen, warum das alles so ist wie es ist....

 

Außerdem gibt es immer 2 Seiten und das ist auch gut so.

Tue Jun 03 16:08:51 CEST 2008    |    Standspurpirat11942

Meiner Meinung nach wird ein Mindestlohn das Problem zu geringer Einkommen nicht wirklich lösen. Ich denke, der Dreh- und Angelpunkt ist die zu hohe Belastung niedriger Einkommen durch Steuern und Sozialabgaben. Ein - ja immer noch geringer - Stundenlohn von 7,50 € bedeutet im Jahr ca. 15500€. Das ist schon das Doppelte des Grundfreibetrages der Einkommenssteuer! Ebenso fallen bei diesem Betrag bereits die vollen 40 % Sozialversicherung an. (Anm: Ich schreibe ganz bewusst 40%, da der sog. „Arbeitgeberanteil“ nichts anderes bedeutet, als dass der Staat – ganz großzügig - auf ca. die Hälfte der Sozialabgaben keine Einkommenssteuer erhebt.). Da sind niedrige Einkommensklassen wirklich benachteiligt.

Und machen wir uns nichts vor: Es gibt Arbeiten vor allem im Dienstleistungsbereich, (z. B. Haushalts- und Gartenhilfen) da sind Mindestlöhne kontraproduktiv. Ich kann – bloß mal so als Beispiel - meinen Rasen zur Not auch selber mähen, obwohl ich am Wochenende weder Lust und eigentlich auch keine Zeit habe…

Oder ich kann es in der Woche jemanden machen lassen. Und nun passiert folgendes: Ich zahle Ihm mehr als er netto bekommt: Sollen es die berühmten 7,50 € netto sein, müsste ich schon über 12 € / Stunde zahlen. Von den 12 € kann ich seit 2006 einen Teil mit meiner Einkommensteuer verrechen. Der Gärtner kann dafür möglicherweise wieder Anspruch auf z.B. Wohngeld o. ä. haben, aber erst, nach dem er schön seine Abgaben bezahlt hat. ..

 

Leute, ist das nicht Irrsinn? Oder kommt das bloß mir so vor?

 

Ich kenne das Argument „Jeder Staat braucht seine Einnahmen“. Und das ist völlig in Ordnung. Aber eines ist auch klar, die Verwaltungsbürokratie wie im obigen Beispiel kostet viel mehr als hier als Einnahmen gegenüberstehen.

 

Fazit: Am Ende haben alle eingebüßt !

 

Gruß Papa00

Tue Jun 03 17:20:21 CEST 2008    |    XC70D5

 Ein - ja immer noch geringer - Stundenlohn von 7,50 € bedeutet im Jahr ca. 15500€. Das ist schon das Doppelte des Grundfreibetrages der Einkommenssteuer! Ebenso fallen bei diesem Betrag bereits die vollen 40 % Sozialversicherung an. (Anm: Ich schreibe ganz bewusst 40%, da der sog. „Arbeitgeberanteil“ nichts anderes bedeutet, als dass der Staat – ganz großzügig - auf ca. die Hälfte der Sozialabgaben keine Einkommenssteuer erhebt.). Da sind niedrige Einkommensklassen wirklich benachteiligt.

 

 

Der Staat erhebt überhaupt keine Steuern auf die Sozialabgaben. Steuern und Sozialabgaben werden vom Bruttolohn berechnet!

 

7,50€/h bedeutet ca. 1.300,-€ brutto im Monat. das macht in NRW bei Steuerklasse 1, KiSt. ev. und AOK: 70,50€ Lohnsteuer, 6,35€ KiSt., 269,75€ Sozialversicherung (kinderlos)

bleiben 953,40€ netto übrig.

 

Bei 2.600,-€ brutto bleiben bei gleichen Konditionen 1.573,75€ übrig. 100% mehr Verdienst, aber nur 65% mehr in der Tasche. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

 

Bei 5.200,-€ bleiben 2.700,04€ netto. 400% Lohn, 283% netto.

 

Es kommt immer auf den Standpunkt an! ;)

 

 

Gruß

 

Martin

Tue Jun 03 21:16:09 CEST 2008    |    BlueWhite

Die Einführung eines Mindestlohnes muss zwingen mit einer Senkung der Lohnnebenkosten einhergehen. So würde die Einführung die Arbeitgeber entlasten und sowie alle Arbeitnehmer, dort sollte man dann als Ausgleich ab einem entsprechenden Jahresgehalt die Besserverdienenden zusätzlich besteuern ... wir wollen diese ja nicht noch reicher machen.

 

Zudem sollten Massenentlassungen like Deutsche Bank, Nokia, AEG, ... verboten und unter Strafe gestellt werden, jedenfalls wenn die Unternehmen ihre sehr guten schwarzen Zahlen durch Entlassungen steigern wollen.

 

Auch müsste deutlicher Bürokratieabbau betrieben werden, so lassen sich Millionen im Staatshaushalt sparen.

 

Purer Populismus argumentiert der eine, ich sage nein. In Deutschland gibt es viele viele Baustellen allen voran der Bürokratieabbau und Entlastung der Arbeitgeber/Arbeitnehmer.

Tue Jun 03 21:21:46 CEST 2008    |    Standspurpirat11942

Zitat:

Der Staat erhebt überhaupt keine Steuern auf die Sozialabgaben.

War möglicherweise mißverständlich. Gemeint war natürlich, dass die Hälfte der Sozialabgaben ( der "Arbeitnehmeranteil") aus bereits versteuertem Einkommen gezahlt wird.

 

Zitat:

Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

Das letzte Beispiel mal anders gerechnet: Jemand bezieht 5200,-€ im Monat aus einer Vermögensanlage (z.B. Zinsen), lässt also das Geld oder wen auch sonst immer arbeiten, bleiben ab 2009 nach Steuern noch 3640,-€ macht ein Plus von ca. 1000€ / Monat gegenüber selbsterarbeiteten Geld... Aber das ist im Grunde o.T.

 

Was ich aber meine, ist, dass der Abstand zwischen der sozialen Grundsicherung und einem selbsterwirtschafteten, wenn auch geringem Einkommen spürbar sein muss. Das ist mit Sicherheit besser über eine Entlastung kleiner Einkommen gelöst als über eine Verteuerung von Arbeit die dann niemand mehr bezahlen will oder kann. Und dass mir jetzt keiner "Gegenfinanzierung !??" oder sowas ruft, ich habe heute Abend keine große Lust mehr aufzurechnen, welche Summen allein in den letzten Wochen div. Landesbanken hinterhergeworfen werden mussten ;)

 

Also: ich bin gegen einen Mindestlohn, so wie er jetzt in der Diskussion ist (Gesetze gegen sittenwidrige Löhne, gemeint sind naürlich sittenwidrig niedrige Löhne ;) gibt es ja schon) ABER: Der Staat muss dann bei geringen Einkommen ein wenig mehr die Hände aus dem Klavier nehmen. (An solche Dinge wie eine negative Einkommenssteuer (USA) will noch gar nicht denken.) Die zwei-, dreihundert Euro machen Herrn Steinbrück nicht reich, sind aber für einen Bezieher eines kleinen Einkommens eine ganze Menge Geld.

 

 

/edit ooch.. jetzt hat sich einer dazwischen gemogelt....

Wed Jun 04 08:29:52 CEST 2008    |    Druckluftschrauber2011

Zitat:

Gesetze gegen sittenwidrige Löhne, gemeint sind natürlich sittenwidrig niedrige Löhne gibt es ja schon

Ja schon. Doch wie sehen diese aus?

Wenn X % der ortsüblichen Bezahlung/Vergütung in der gleichen Branche nicht gezahlt werden. Doch hilft das nicht bei Berufsgruppen, die generell nur 3,50 € bekommen :(

 

Zitat:

Zudem sollten Massenentlassungen like Deutsche Bank, Nokia, AEG, ... verboten und unter Strafe gestellt werden, jedenfalls wenn die Unternehmen ihre sehr guten schwarzen Zahlen durch Entlassungen steigern wollen.

Das ist sicher nicht das Dümmste, was man vorschlagen kann. Aber ich sehe da eine gewisse Augenwischerei. Das sind dann eben mal 1000 Leute auf einen Schlag die den Job verlieren und daher kann das Medienwirksam inszeniert werden.

Das täglich X Kleinbetriebe eingehen und dadurch auch zahlreiche neue Arbeitslose entstehen ist Fakt – aber davon nimmt niemand Kenntnis. Zumal man Gefahr läuft, dass Firmen sich aus Angst vor Strafen lieber woanders ansiedeln.

 

Zitat:

der Abstand zwischen der sozialen Grundsicherung und einem selbsterwirtschafteten, wenn auch geringem Einkommen spürbar sein muss.

Da sind wir bei dem wichtigsten Punkt.

So lang man durch Grundsicherung ein zum Teil besseres Leben führen kann als einer, der täglich arbeiten geht, so lang läuft etwas falsch.

Na mal schauen, was noch so kommen mag :)

Wed Jun 04 13:04:38 CEST 2008    |    BlueWhite

Das Grundproblem sind meist die großen Unternehmen. Die entlassen 1000, 2000, 3000, ... Arbeitnehmer auf einen Schlag und kümmern sich wenig um die Entlassenen. In mittelständischen Betrieben sind es meist um die 20, diese lassen sich besser integrieren (je nach Alter). Im nahezu gleichen Umfang wie mittelständische Firmen Konkurs anmelden, entstehen neue Firmen.

 

Die Großen entlassen mit einer Selbstverständlichkeit das es schon fast pervers ist ... Aber wir schweifen vom Thema ab.

 

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Die Osterweiterung hat viele Probleme mitgebracht, absolute Billiglohnländer sind nun i.d. EU. Eine Masse von billigen Arbeitskräften wird auf Deutschland zukommen und unsere Firmen werden diese gern aufnehmen. Das Inland wird geschwächt, die Firmen steigern abermals ihren Absatz. Wichtig ist es gerade für die Niedriglohnjobs wie Müllwerker, Straßenreinigung, Gebäudereiniger, Zeitarbeitnehmer, ... ein vernünftiges Einkommen zu sichern. Aus genanntem Grund fliegt ein Dolch auf unser wirtschaftliches Herz zu und die Politik steht in der Pflicht dieses unser aller Herz zu schützen.

Blockt man den Osten aufgrund höherer Löhne i.d. BRD ab, es wird einfach unrentabel sich Personen aus dem Ausland zu beschaffen wenn man im Inland genügend hat, erlebt man eine Stabilisierung.

Wed Jun 04 13:30:29 CEST 2008    |    XC70D5

Wichtig ist es gerade für die Niedriglohnjobs wie Müllwerker, Straßenreinigung, Gebäudereiniger, Zeitarbeitnehmer, ..

 

 

Das sind ja nicht  gerade die klassischen Niedriglohnjobs (bis auf Zeitarbeit evtl.). Die Gebäudereiniger sind ins Entsendegesetz aufgenommen und bekommen sozusagen einen Mindestlohn. Für ungelernte Kräfte ("Putzfrauen") liegt der bei 8,15€. Finde ich jetzt nicht sooo wenig.

 

Meine Ausführungen waren einseitig, weil sie von einem Unternehmerverband stammen, der FÜR den Mindestlohn ist.

 

Bürokratieabbau ist in aller Munde, aber in Wahrheit wird es von Jahr zu Jahr schlimmer :mad:

 

 

Gruß

 

Martin

Wed Jun 04 13:44:33 CEST 2008    |    Druckluftschrauber2011

8,15 € für Gebäudereiniger???

Also hier bei uns mit Sicherheit nicht. Selbst 5,18 € sind schon fast utopisch.

Wed Jun 04 13:52:48 CEST 2008    |    BlueWhite

Bürokratie hält anscheinend den Staat zusammen. Ich wundere mich jedes Mal zur Wahl wie viel Papierkram erledigt werden muss, irgendwann verpennt die Politik noch ihre eigene Wahl.

Lohnsteuerjahresausgleich, ALG I Antrag, Kfz-Zulassung, Beantragung Reisepass, ... die Bürokratie kennt keine Grenzen!

 

Aktiv wird der Abbau jedenfalls nicht vorgenommen, ich kann keine Verbesserung feststellen, lediglich Verschlimmbesserungen.

 

Eine Putzfrau bekommt bei uns keine 8,15€, würde mich wundern wenn unsere Reinigungsfirma ihren Angestellten diese Std. Lohn zahlt.

Niedriglohnjobs bezeichne ich solche, die aufgrund ihres Nettolohnes kaum zum leben ausreichen. Ein Müllwerker erhält z.T gerade einmal 1000€, Straßenreiniger liegen zwischen 1€ (die klammere ich aus) und gerade mal 6-7€ (es gibt auch welche die mehr bekommen), ...

 

Ein Mindestlohn von etwa 8€ bei einer 40Std. Woche sollte ausreichend sein.

Wed Jun 04 13:57:16 CEST 2008    |    XC70D5

8,15 € für Gebäudereiniger???

Also hier bei uns mit Sicherheit nicht. Selbst 5,18 € sind schon fast utopisch.

 

 

 

Eine Putzfrau bekommt bei uns keine 8,15€, würde mich wundern wenn unsere Reinigungsfirma ihren Angestellten diese Std. Lohn zahlt. 

 

 

 

8,15€ für "Putzfrauen". Gebäudereiniger bekommen 11,96€.

 

Bis auf Brandenburg, Meck-Pomm, Sachsen, Thüringenund Sachsen-Anhalt (6,58€) sind die 8,15€ allgemeinverbindlich und durch das Entsendegesetz abgesichert. Wird das nicht gezahlt, freut sich der Zoll über einen netten Hinweis :D

 

 

Gruß

 

Martin

Wed Jun 04 14:01:38 CEST 2008    |    leovinius

aber nicht um eine 4köpfige Familie zu ernähren, siehe meine Rechnung weiter oben im 3ten Post..... :(

Wed Jun 04 14:05:43 CEST 2008    |    XC70D5

Um eine 4-köpfige Familie zu ernähren sind auch die 11,96€/h für den Gebäudereiniger knapp.

 

Die 8,15€, wenn sie in einem Minijob als Nebenjob, quasi zum Dazuverdienen, brutto für netto ausgezahlt werden, finde ich dagegen schon angemessen. Als Vollzeitjob zum Überleben sollte man das nicht machen müssen.

 

 

Gruß

 

Martin

Wed Jun 04 14:45:12 CEST 2008    |    leovinius

ich bin kein Gebäudereiniger und komme aus NRW, bei uns sind die 2000 Brutto ganz normal, bin Informatikkaufmann (gelernt mit Kaufmannsbrief) Telekommunikationselektroniker(ebenfalls gelernt mit Abschluß) Bäcker(Gesellenbrief) und Konditor(Gesellenbrief).

 

Bekomme hier keine Jobs, weil ich mittlerweile 36 Jahre alt bin, und für viele IT Firmen zu alt, habe 19 Monate Arbeittslosigkeit und später ALG II hinter mir, und bin froh, jetzt endlich wieder arbeiten zu können.

 

Problem ist halt nur, dass das Geld nicht reicht, weil die Lebenshaltungskosten immer weiter steigen. Ich fahre jeden Tag 90 km zur Arbeit, 45 hin und 45 zurück, jede Strecke knapp eine Stunde, bin knapp 10 Stunden auf der Arbeit und mittlerweile ärgere ich mich so dermaßen über unsere Politiker, die es nciht einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.

 

Man hat mir damals mit Sperre gedroht, weil ich angeblich nicht flexibel genug bin :). Wie Flexibel muss ich denn sein??? Ich nehme kosten in Kauf, für die niemand aufkommt, nur um Vater Staat nicht auf der Tasche zu liegen, habe 4 Ausbildungen gemacht, weil ich nicht arbeitlos werden wollte, ich bin für meine Kinder ein Wochenendpapa, weil ich sie in der Woche nicht sehe, da sie noch nicht wach sind, wenn ich zu Arbeit fahre und erst wiederkomme, wenn sie im Bett sind. Und am WE gehe ich noch ab und zu kellnern, damit ich mit den Kindern was unternehmen kann.... :(

 

Und ich bin garantiert nicht der einzige, dem es so geht.

Wed Jun 04 15:02:00 CEST 2008    |    XC70D5

IT-Branche ist ja leider auch personell überlaufen. Angebot und Nachfrage bestimmen wohl auch dort den Preis (der Mitarbeiter). Mein Bruder ist auch in der Branche und je nachdem, wer die Firma gerade wieder gekauft hat, verlagert sich der Arbeitsplatz. Mal fährt er 90km, dann 120km... 

 

Die Kürzung der Pendlerpauschale ist schon ein starkes Stück, besonders in solchen Fällen wie Deinem!

 

 

gruß

 

Martin

Wed Jun 04 19:35:16 CEST 2008    |    BlueWhite

Hier mal zwei Videos zum Thema.

 

http://de.youtube.com/watch?v=8G8GG4eiD98

 

http://de.youtube.com/watch?v=l0bwZl92frE&feature=user

 

Diese Videos sollen, unabhängig von der Partei ,zeigen wie es hierzulande steht. Traurig aber leider wahr, wenn dies die Politik verinnerlichen würde, würde sich auch etwas ändern. Zum Teil, so denke ich, besteht von Seiten der Politik überhaupt kein Interesse.

Sat Jun 07 02:28:31 CEST 2008    |    bruno violento

Ach ja, noch zweieinhalb Jahre und dann sind Heidi und ich Teil ebendieser Mittelschicht - Double income, no kids! Dann sind wir Zielgruppe für Lifestyle-Autos, die Hafencity und hochwertige Unterhaltungselektronik und dann brauch ich keinen Mindestlohn...

 

Es ist eine Frechheit, dass Menschen, die Vollzeit arbeiten, unter ALGII-Niveau bezahlt werden dürfen und ihre Arbeitskraft nicht vom Unternehmen, das davon profitiert, bezahlt wird, sondern vom Steuerzahler.

Wenn Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung nicht freiwillig gerecht werden, und das tun sie selten, müssen sie dazu gezwungen werden oder sie müssen den deutschen Markt verlassen. Das lohnt sich aber für die meisten (entgegen häufigen Darstellungen in den Medien) nicht, also werden sie schon hierbleiben.

 

Die einzige Möglichkeit, die Problematik in den Griff zu bekommen, ist Bildung und Qualifikation, damit Deutschland in umfassenden Maße zur High-Tech-Nation wird, die besten Fachkräfte hat und solche Unternehmen ins Land zieht und hir wachen lässt, dann können auch keine unqualifizierten Billigarbeiter den Job für weniger machen.

Sat Jun 07 10:07:17 CEST 2008    |    XC70D5

Die einzige Möglichkeit, die Problematik in den Griff zu bekommen, ist Bildung und Qualifikation, damit Deutschland in umfassenden Maße zur High-Tech-Nation wird, die besten Fachkräfte hat und solche Unternehmen ins Land zieht und hir wachen lässt, dann können auch keine unqualifizierten Billigarbeiter den Job für weniger machen.

 

 

Grundsätzlich ein guter Ansatz. Dann stelle ich mal die Frage, die man eigentlich nicht Stellen darf (aber ganz vorsichtig, sozusagen für die Zielgruppe "verschlüsselt" ;-) ):

 

Und was ist mit denen, die ganz einfach qualifikationsresistent sind???

 

Ich hör´ sie schon wieder schreien: "Das ist sozial ungerecht".

 

Für die bleibt dann, so wie es immer schon war, nur die Verrichtung "niederer" Tätigkeiten, zu - natürlich - geringeren Einkommen. Diese Einkommen dürfen natürlich nicht subventioniert werden, womit wir dann wieder bei Pro-Mindestlohn wären.

 

Für alle anderen wird es m.M. schon in naher Zukunft besser aussehen. Der Fachkräftemangel kommt mit immer größeren Schritten. Meine Prognose (und Wunschgedanke :D ): da alle in kaufmännische Bereiche oder die IT-Branche drängen, bekommt das Handwerk wieder goldenen Boden. (Die Ingenieure und andere "Studierte" lasse ich mal bewusst außen vor!)

 

 

Gruß

 

Martin

Sat Jun 07 19:05:50 CEST 2008    |    bruno violento

Wer durch's "Bildungs-Raster" fällt, kann weiterhin Friseur werden oder Fahrzeugaufbereiter oder in irgend einer anderen Form Dienstleister, natürlich zu fairen Löhnen, aber wenn jeder, der die Skills zu einem qualifizierten Job hat diese nutzt und ihm finanziell ermöglicht wird, sich die Qualifikation anzueignen, sollte das eigentlich kein Problem darstellen...

Es gibt genug Jobs in Deutschland, aber nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte, um die Stellen zu besetzen.

Sat Jun 07 19:41:03 CEST 2008    |    BlueWhite

Man schaue sich doch das Bildungsgefälle an. Abiturienten können nicht studieren weil ihr Abi zu schlecht ist, sind für eine Lehre "überqualifiziert", hochqualifizierte Arbeiter mit 50Jahren und 30Jahren Berufserfahrung sind zu alt und müssen umschulen ...

Die Wirtschaft denkt heute viel zu kompliziert und zu wenig Mitarbeiterorientiert, letzteres denken kommt auch den Firmen zu gute. Gerade im Handwerk sind "ältere" Menschen Gold wert, die Erfahrung und das Können was diese Menschen mitbringen stärkt jede Firma.

 

Früher gab es eine klare Aufteilung. Hauptschüler werden Handwerker im einfachen Handwerk, Realschüler machen eine Lehre im bspw. Finanzwesen und Abiturienten studieren. Ausreißer nach oben und unten mal nicht beachtet. Heute ist die Hauptschule die damalige Sonderschule und viele Realschulen wirken wie Hauptschulen ...

Im Bildungssektor muss viel getan werden (gehe ich nicht weiter drauf ein) und um die heutigen Menschen zu berücksichtigen ist de Mindestlohn sehr sehr wichtig für uns.

Sat Jun 07 20:44:58 CEST 2008    |    bruno violento

Schon richtig, die meisten Unternehmen suchen einen Mitarbeiter Anfang 20 mit Abitur und Master, fünfzehn Jahren Berufserfahrung und der Bereitschaft, zehn Jahre als Praktikant angestellt zu sein...

Sun Jun 08 10:03:40 CEST 2008    |    XC70D5

Der Trend zu älteren Mitarbeitern kommt wohl langsam erst ins Rollen, aber mangels qualifizierten Nachwuchses und mangelnder Motivation junger Menschen, haben schon einige verstanden.

 

Habe mich vorgestern mit einem 62-jährigen unterhalten, den ich bei einem Kunden getroffen hatte. Über eine Zeitarbeitsfirma ist er an den Job gekommen. Der Zeitarbeitsfirma wurde gekündigt und ein junger Mann (23) eingestellt. Dieser war aber mehr auf die Probleme mit seinem Handy fixiert, weshalb die dann den 62er eingestellt haben (o.k. der ist topfit und sieht eher wie Anfang 50 aus).

 

 

Gruß

 

Martin 

Tue Jul 27 20:19:17 CEST 2010    |    Trackback

Kommentiert auf: Halbgott:

 

Arbeiten für unter 6€/h brutto – da ist doch was faul!

 

[...] der Gesellschaft!

 

Auch wenn ich persönlich lange Zeit kein Befürworter eines Mindestlohnes war und HIER bereits einmal auf das Thema intensiver eingegangen bin, so muss ich mich anhand der Entwicklung tatsächlich [...]

 

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Thu Jul 05 18:00:06 CEST 2012    |    Pingback

Kommentiert auf: Caritas-Studie belegt massives Bildungsgefälle in Deutschland

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