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Halbgott

Eindrücke niedergeschrieben

Thu Feb 03 18:35:06 CET 2011    |    Druckluftschrauber2011    |    Kommentare (4)    |   Stichworte: Gesellschaft

Ich glaube gestern oder vorgestern stieß ich zum ersten Mal auf die Meldung, dass eine Frau in Frankfurt, welche im öffentlichen Dienst arbeitet, nach Babypause die Arbeit wieder aufnehmen wollte. Dies nun gern mit der Burka anstatt wie bisher mit dem Kopftuch tun.

Dies rief, sicherlich verständlich, viele Leute auf den Plan, lockte die Presse an und wurde zum Politikum. Eines der wohl umstrittensten Kleidungsstücke, die mir so spontan einfallen und gleichzeitig ein Symbol sollte da das Gewand einer Bediensteten sein. Was eine Burka symbolisiert, ist wohl von der jeweiligen Person abhängig und stark subjektiv.

Für die meisten wird es wohl ein Zeichen der Unterdrückung der Frau sein, dafür, dass es in Teilen der muslimischen Welt nach wir vor sehr klare Rollenverteilungen gibt und wohl auch ein Zeichen für eine Religion, die in der breiten Wahrnehmung nur mit Unterdrückung, Krieg, Terror und unvereinbaren Vorstellungen gegenüber der westlichen, unserer Welt, liegt.

 

Mein erster Gedanke war, dass dies nicht geht. Die genaue Begründung für mich, warum es nicht geht war mir zwar nicht klar aber ich stieß bei mir sofort auf eine ablehnende Haltung bis mir auffiel, dass ich spontan nicht viele Schlagkräftige Argumente hatte.

Sicherlich ist ein Verschleiern im direkten Kontakt mit Bürgern einer Verwaltung unvorstellbar. Doch was ist, wenn die Frau in der Poststelle sitzen würde und somit keinen Bürger/Kundenkontakt hätte?

Wäre es medial ähnlich präsent und das Untersagen so logisch?

 

Und was ist mit den Rechten aller Menschen? Sei es nun begrenzt auf Deutschland oder der EU? Das Recht auf die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit?

Eckpfeiler eines demokratischen Landes und durch die Geschichte Deutschlands und Welt immer wieder schmerzlich gezeigt, wie wichtig solch elementaren Rechtsgüter sind. Mangelnde Akzeptanz und das gebashe gegen den Islam kann man, und da lehne ich mich jetzt bewusst sehr weit aus dem Fenster, mit Antisemitismus vergleichen. Zumindest sieht es das Zentrum für Anitsemitismusforschung (ZfA) der TU-Berlin auch so. Ich zitiere „Mit Stereotypen und Konstrukten, die als Instrumentarium des Antisemitismus geläufig sind, wird Stimmung gegen Muslime erzeugt."

 

Aber ich schweife vom eigentlichen Thema ab.

Wie „gefährlich“ ist nun also eine Burka im öffentlichen Dienst? Wird damit die Demokratie, die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Moral in Gefahr gebracht?

 

Eine elementare und wesentliche Frage bei diesem konkreten Fall besteht für mich eindeutig darin zu klären, ob die Frau einfach einmal aus persönlichen Willen und fundamentalistischen Gründen so handelt, oder ob es durch den Druck des Mannes geschieht.

Ja nach Beweggrund muss man das Tragen, in meinen Augen, nämlich sehr differenziert bewerten womit ein großes Problem einhergeht. Woher soll man es wissen, wenn man die Frau weder kennt noch die Wahrheit über ihre Motivation des Tragens kennt.

 

In meinen persönlichen Rechtsempfinden, ohne da tatsächlich firm zu sein, ist die Burka, falls dazu gezwungen, ein Verstoß gegen die Würde der jeweiligen tragenden Person und die Würde des Einzelnen steht sehr weit über den religiösen Traditionen und der damit verknüpften Freiheit.

 

Ob jedoch Kundenfreundlichkeit vor der Ausübung der Religion steht, wenn die Frau dies aus freien Stücken macht, wage ich, rein rechtlich, zu bezweifeln.

 

Zusammengefasst kann ich sagen, dass das Thema, zumindest für mich, verdammt kompliziert ist. In meiner westlichen und toleranten Weltanschauung kollidieren da die Gleichberechtigung der Frauen und das völlige Unverständnis, wie man so etwas tragen kann mit dem Wissen, dass es Religionen und daraus resultierendes Handeln gibt, welches ich nicht nachvollziehen kann. Jedoch steht mir allein daraus noch lange nicht zu, darüber zu urteilen oder mir anzumaßen, dass es verboten gehört.

 

Wobei ich mir sicher bin, dass die Art der Anstellung, der Bürgerkontakt und sicher auch das Leitbild, dem Bürger gegenüber verpflichtet, dafür sorgt, dass dort eben niemand verhüllt sitzen sollte.

Ob man aber allgemein und endgültig entscheiden sollte, da bin ich mir nicht sicher, da es eben auch Leute in der Repro/Vervielfältigung, Post etc. gibt, wo dieses „Gesicht zeigen“ (arg zweideutig, oder?) eben nicht zutrifft.

 

Ziemlich sicher bin ich mir auch, dass das ganze ein PR Move war, da ja irgendwie zu lesen war, dass sie eine Abfindung haben will. Ggf. wollte sie sich mit dem Tragen der Burka lediglich in eine gute Verhandlungsposition bringen. Aber das ist Spekulation.


Fri Feb 04 13:41:56 CET 2011    |    XC70D5

Erledigt ;)

 

Zitat:

Frau schlug Auflösungsvertrag vor

"Die Mitarbeiterin wollte nicht mehr länger im Interesse der Öffentlichkeit stehen", teilte Planungsdezernent Markus Frank mit. Die Stadt freue sich, dass der Konflikt "durch die jetzt gezeigte Kooperationsbereitschaft" der langjährigen Mitarbeiterin schnell gelöst werden konnte. Die Frau habe die Auflösung ihres Arbeitsvertrags selbst vorgeschlagen.

 

"Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich zum 31. Januar 2011 ohne Zahlung einer Abfindung oder sonstigen finanziellen Leistung beendet", teilte die Stadt Frankfurt mit

Fri Feb 04 18:31:53 CET 2011    |    Schattenparker48352

Dein Blog trifft ja den Nagel auf den Kopf.

 

Prinzipiell denke ich auch, dass es völlig irrelevant ist, was Frau trägt. Aber im direkten Kontakt mit Mitmenschen halte ich es für durchaus unangemessen. Man stelle sich mal vor, dass man all seine Angelegenheiten, die man auf einem Amt so erledigt (in unserer Heimatstadt können da schonmal 7h Wartezeit vorausgegangen sein ;) ) mit einem "Brett vorm Kopf" klärt. Also ich meine statt der Burka könnte dort ein Schalter aufgebaut sein, an dem man seine Sachen erledigt. An dem Schalter sieht man nur die Augen und Hände des Bearbeiters (http://static.twoday.net/Tanzlehrer/images/Burka.jpg hier sieht man noch nicht mal die Augen).

Also für mich eine nicht vorstellbare Sache.

Fri Feb 11 19:01:50 CET 2011    |    Tecci6N

Nur mal am Rande, auch wenn das Thema ja eigentlich schon durch ist: die Burka ist KEIN religiöses Gebot im Islam bzw. aus dem Koran. Die Burka stammt noch aus den patriarchalischen Zeiten, in denen die Frau zum Besitztum eines Mannes gehörte. Zur eigentlichen und damaligen Ausgangslage auch noch zwei Zitate (Quelle: Main-Netz.de), die der Linie der Stadt Recht geben:

 

Zitat:

Die islamische Religionsgemeinschaft empfahl der Frau, die vollverschleiert arbeiten will, nicht zu übertreiben. Eine Burka sei kein islamisches Gebot, das Tragen eines Kopftuchs genüge den religiösen Kleidungsvorschriften, sagte der Gemeinschafts-Vorsitzende Ramazan Kuruyüz in Frankfurt. Der Rat der Religionen sieht mit der Burka »eine Grenze der Toleranz in einem öffentlichen Amt überschritten.

Zitat:

Frankfurts Kommunale Ausländervertretung begrüßte die Haltung der Stadt, das Tragen einer Burka beim Personal zu verbieten. "Jeder Bürger hat ein Recht darauf, das Antlitz derer sehen zu können, welche die Stadt repräsentieren", sagte der Vorsitzende Enis Gülegen. Außerdem stelle die Burka "eine grobe Verletzung der Menschenwürde" dar: "Sie negiert die Frau, die sie trägt. Das Tragen einer Burka sei in keiner Weise religiös zu begründen..."

Für mich persönlich ist es auch ein absolutes No-Go, denn sie repräsentiert in ihrer Eigenschaft als Angestellte einer Behörde immerhin die "staatliche" Seite (auch wenn es hier jetzt mal eine Kommune ist), die sich neutral darstellen soll. Das ist so imho nicht gegeben. Zudem sehe ich auch keinerlei ausreichende Begründung, warum jetzt das Kopftuch, das sie vorher getragen hat, eben gerade NICHT mehr ausreichen soll.

 

Aber naja, Fall ist durch, wollte halt auch mal was dazu erzählen :D

 

Gruß Tecci

Fri Feb 11 19:36:34 CET 2011    |    Fensterheber15352

Was die Frau in ihrer Freizeit trägt ist, das ist ihre Privatsache (es sei denn es wird gegen geltende Gesetze verstossen; Vermummungsverbot o.ä), und es steht auch niemandem zu, sie deswegen zu be- oder verurteilen. Ob sie durch die Burka unterdrückt wird, dann können wir uns nicht anmaßen zu beurteilen, denn woher nehmen wir uns das Recht, unsere Auffassung als die einzig richtige anzusehen?

 

Was die Frau in der Arbeit trägt, das ist NICHT ihre Privatsache. Der Arbeitgeber kann ihr sehr wohl sagen, welche Kleiderordnung notwendig ist, auch wenn sie keinen Kontakt zu "Kunden" hat. Das kann Sicherheitsgründe haben (man sieht nicht, was unter der Burka ist) oder auch andere Gründe (z.B. Betriebsklima). Ich kann auch nicht mit einem Jogging-Anzug zur Arbeit gehen, sondern es wird bei mir ein Anzug erwartet. So ist das nun mal. Wenn mir das nicht gefällt, dann steht es mir frei, einen Job zu suchen, bei dem ich Jogging-Anzüge tragen kann.

 

Eine wie von dir nahegelegte Einzelfallprüfung (trägt sie die Burka freiwillig; geht von ihr eine Gefahr aus; etc.) ist m.E. für kein Unternehmen (egal ob öffentlich oder privat) zumutbar, denn wenn jeder solche von der allgemeinen Norm abweichenden Themen durchsetzen will (und in unserer Kultur zählt die Burka sicher dazu), dann ist das alles andere als effizienzsteigernd.

 

Generell: Ich bin der Meinung, wir müssen toleranter werden und uns auch anderen Kulturen öffnen. Das bedeutet aber auch, daß wir selbiges von anderen Menschen und Kulturen erwarten dürfen. Ein Zusammenleben auf dieser Erde funktioniert nicht, wenn die einen ihre völlige persönliche Freiheit einfordern und dies dann aber auf Kosten der anderen vollständig ausleben. Das geht nur mit Kompromissen auf beiden Seiten.

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