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Halbgott

Eindrücke niedergeschrieben

Tue Mar 18 16:38:41 CET 2008    |    Druckluftschrauber2011    |    Kommentare (5)    |   Stichworte: Gesellschaft, Medien, POLITIK

China zeigt der Welt kurz vor den Olympischen Spielen sein geschöntes Gesicht und internationalen Medien uns das ungeschönte.
Das China sich von den Ansichten der Menschrechte von uns durchschnittlichen Mitteleuropäern relativ weit entfernt befindet, ist ja weitläufig bekannt. Schauergeschichten von Erschießungen und anschließenden verkauf von Organen gibt es fast so viele, wie Todesurteile. Folter, eingeschränkte Medienfreiheit, Internetfreiheit usw. sind nun keine Tatsachen über China, die den aufmerksamen Menschen noch erschrecken sollten. Auch wenn es schlimm ist, dass es nicht mehr erschreckt 🙁 [mehr]
Die militärische und gewaltsame Zerschlagung des Aufstandes, des Aufruhrs oder aber auch der friedlichen Proteste der Tibeter setzt dem ganzen mal wieder eine neue Krone auf.
China hat sich augenscheinlich nicht wirklich weiterentwickelt und das Volk wird nach wir vor totalitär regiert.

In diesem Jahr stehen die Olympischen Spiele in China an und die Welt spaltet sich in 2 Lager. Diejenigen, die sich gegen die Ausrichtung der Spiele in China richten und eben die Befürworter. Lager 1 beinhaltet sicherlich auch schon viele Personen, die von vornhinein gegen China als Ausrichtungsland waren aus eben erwähnten Gründen.

Wie ich finde ein sehr kompliziertes und komplexes Thema, wenn man sich etwas differenziert damit auseinandersetzt. Der Grundgedanke der Spiele der Neuzeit ist wohl "eine dem Frieden und der Völkerverständigung dienenden olympischen Veranstaltung". Frieden und Völkerverständigung sind also theoretisch der Grundtenor der Spiele.
Fern ab jeder Politik sollen sie Brücken zwischen Menschen und Völkern auf sportlicher Ebene schlagen. Wenn man mich fragt, ein super Denkansatz.

Leider ist es wohl bei diesem Ansatz geblieben. Wenn man sich mit der Geschichte der Olympiaden der Neuzeit auseinandersetzt, so erkennt man ungemein viel Politik darin. Seien es Spiele in Berlin 1936, die Hitler zur Propaganda nutzte, seien es die Spiele 1948, an denen weder Deutschland noch Japan teilnehmen durften.
Die Anschläge in München, mit denen Inhaftierte in die Freiheit erpresst werden sollten oder das permanente boykottieren von diversen Ländern im kalten Krieg, um irgendeine verlorene Botschaft damit abzugeben. Die Spiele als Demonstration der angeblichen Überlegenheit staatlicher Systeme zu missbrauchen ist wohl lange Zeit der Klassiker schlechthin gewesen.

Frieden und Völkerverständigung haben wohl schlechte Karten gehabt gegen die Politik. IOC und diverse NOK haben sich also immer wieder dem Druck einzelner Regierungen geneigt und getan, was sie tun sollten und sind somit vom Grundsatz/vom Grundgedanken abgewichen.

Doch warum ruft, wenn es bisher so oft der Fall war, keine Regierung auf, die Olympiade in China zu boykottieren? Den passenden Grund/Anlass dafür können wir jeden Abend in den Nachrichten finden. Oder sind wir in all den Jahren nach Beendigung des kalten Krieges so viele weiser und reifer geworden?
Ist die Welt zurückgekehrt zu den so edel klingenden Ansätzen der Olympischen Spiele der Neuzeit? Wird gedacht, dass man vielleicht diese Brücken schlägt, die das Land China näher an das westeuropäische Denken heranführt?

Oder ist es, weil China wirtschaftlich ganz einfach zu groß und zu wichtig ist, um politische Spannungen aufzubauen. Man denke nur an die harsche Kritik Chinas, als sich die deutsche Kanzlerin mit dem Dalai Lama getroffen hat.

Die Frage bleibt bestehen. Sollte man eine internationale Sportveranstaltung zu politischen Machtspielchen missbrauchen? Hat eine Sportveranstaltung überhaupt die Macht, etwas in der Welt für eine lange Zeit zu verändern und nicht nur temporäre Erscheinungen zu erschaffen?

Ich bin mir selbst noch nicht sicher, ob ich für die OS in China bin oder doch lieber dagegen.

Sorry, dass der Text nicht mit allzu viel Finesse daherkommt. Habe leider Zeitdruck 🙁

Gruß


Tue Mar 18 17:51:16 CET 2008    |    rallediebuerste

>Hat eine Sportveranstaltung überhaupt die Macht, etwas in der Welt für eine lange Zeit zu verändern und nicht nur temporäre Erscheinungen zu erschaffen?
Klar... Tischtennis hat ja überhaupt erst die Brücke zu China geschlagen 🙂

Tue Mar 18 17:57:47 CET 2008    |    Druckluftschrauber2011

Ziehst du dein Wissen aus Forrest Gump? 😁

Wed Mar 19 12:46:21 CET 2008    |    rallediebuerste

Nein, aber gutes Stichwort. Forrest Gump bezieht sich ja immer wieder auf die verschiedensten Gesellschaftlichen Ereignisse, die auch wirklich passiert sind.
So wie auch auf die Ping-Pong-Diplomatie (http://de.wikipedia.org/wiki/Ping-Pong-Diplomatie).

Wed Mar 19 13:34:10 CET 2008    |    Druckluftschrauber2011

Pingpong-Diplomatie als solches sagte mir erst einmal nichts. Jetzt bin ich wieder klüger.

Apropos Forrest Gump.
Beim letzten Ausstrahlen fiel mir zum ersten auf, dass er auch die Watergate-Affäre enthält. Schöner und zeitloser Film.

Fri Mar 28 14:26:23 CET 2008    |    Turboschlumpf11713

Man sollte die olympischen Spiele in China boykottieren.

Fänden die Spiele in Nordkorea, im ehemaligen Irak unter Hussein oder in sonst einer globalökomomisch unwichtigen Diktatur statt, keiner wäre hingegangen.

Aber wir wollen es uns ja nicht mit der Weltwirtschaftsgroßmacht verscherzen, wollen auch weiterhin unsere CO2-Schleudern und nichtgebrauchten Transrapidzüge exportieren (oder direkt da produzieren) und an Milliarden von aufstiegswilligen Chinesen verschachern.

Daß da gleichzeitig tausende von Menschen in Gefängnissen verrotten, Menschenrechte mit Füssen getreten, die Umwelt massivst verschmutzt wird, hemmungslos Industriespionage betrieben wird, Atomwaffenprogramme ausgeweitet werden, interessiert nur am Rande.

Realpolitik funktioniert halt nur in kleinen Schritten, oft aber führen diese zu kleinen Schritte in die falsche Richtung.

Die UNO ist durch die USA de facto zu Grabe getragen worden, durch die weltpolitische Akzeptanz Chinas ist der globale Rauptierkapitalismus mit einem postkommunistischen Regimeüberbau salonfähig geworden. Die Zahl real existierender Demokratien hat in den letzten 10 Jahren stark abgenommen. Wir befinden uns global gesehen auf einem absteigenden Ast, auf dem Weg in ein neues Mittelalter.🙁

ywi

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