Fri Apr 11 22:00:14 CEST 2014 | Federspanner23216 | Kommentare (14)
Es war einmal irgendwo in Brandenburg vor ca. 4 Jahren. Ich stand in einer alten Scheune. Ich wusste nicht mehr welches Jahr wir haben geschweige denn welchen Tag. Plötzlich ging das Tor knarzend auf. Kalte Winterluft zog mir um den Grill...brrr kalt. Es kam ein junger Mann herein, lief einmal abschätzend um mich herum und ging dann unvermittelt wieder. Die Mäuse, die in dem Heu unter mir Schutz gesucht hatten, gingen wieder piepsend ihrer unterbrochenen Futtersuche nach. Ich hatte schon Hoffnung das etwas spannendes passieren würde, doch weit gefehlt. Außer Mäuse und ab und an eine Spinne die über meine Scheibe lief, passiert die nächsten Tage nichts. Es konnten auch Wochen sein, da ich ja mangels leerer Batterie nicht mehr wusste was die Zeit sagte. Eine kleine Ewigkeit verging, bis das Tor erneut knarzend aufging. Diesmal jedoch überraschenderweise auch der zweite Torflügel. Es war immer noch kalt. Also war es auch noch Winter. Als ich hinaus sah in die Welt die sich mir so lange verschlossen hatte, erblickte ich nasse Straßen und mit Schwibbögen geschmückte Häuser. Ah es ist Weihnachten. Immerhin eine Jahreszeit und ein Fest. Das hatte ich schon mal herausbekommen. Der Junge Mann der mich vor ein paar Tagen auch schon besucht hatte, war heute auch da und er hatte ein Auto dabei. Er fuhr mit dem anderen Auto sehr nah an mich heran. Verkabelte dann die Beiden Batterien. Stieg bei mir ein und versuchte mich zum laufen zu bringen. Der erste Versuch nach laanger Zeit. Mein 1.4er Herz ruckelte und ich spuckte Dreck aus dem Auspuff. Mein Anlasser leierte und leierte, der Keilriemen quietschte erbärmlich und endlich schlug mein kleines Herz wieder... Zwar nicht ganz im Takt aber ich lebte wieder. Mit laufendem Motor rollte er mich aus der Scheune in einen kalten klaren Wintertag. Er sah auf die Uhr, er schien auf etwas zu warten. Er hatte wohl noch Zeit, bis zu dem auf das er wartete, denn er holte noch einen Lappen. Er befreite mich von Staub und Dreck. Meine schöne rote Farbe kam gut zur Geltung an diesem grauen Wintertag. Auf einmal tauchte auf der Straße vor mir ein Kleinwagen auf. Er hielt vor mir an. Es stiegen ein Junger Mann und eine Junge Frau aus. Sie kamen auf den mir bekannten Mann zu, unterhielten sich mit ihm. Liefen genauso interessiert um mich herum, wie er letztens. Die junge Frau schien mehr Interesse an mir zu haben, sie betrachtete mich sehr genau, aber immer mit einem Lächeln. Sie stieg ein, strich über mein Lenkrad und sagte: " Der ist es den will ich haben". Wie haben, mich? War das etwa gerade ein Verkaufsgespräch und ich war das Objekt der Begierde? NE. NICHT DOCH. Die Scheune ist doch so schön warm und trocken gewesen. Ich konnte es nicht verhindern. Die Papiere und das Geld wechselten den Besitzer. Die Junge Frau nahm wieder Platz und folgte mit mir dem kleinen grauen Opel. Die ersten Meter waren für mich schmerzhaft. Alle Schläuche waren alt und nahezu porös. Somit tat mir jeder Atemzug in der kalten Winterluft zunächst weh. Plötzlich hielten wir an, sie stieg aus, öffnete meine Haube. Sie erzählte etwas von " Der stinkt fürchterlich." Ich dachte mir bloß ist ja auch klar nach so vielen Monaten ohne Bewegung. Außerdem fehlte mir etwas Schmierung in meinem Herzen. Kurioser Weise hatte der Junge Mann Öl in seinem Auto. davon bekam ich dann einen Schluck und schon ging es mir wesentlich besser. Die Fahrt konnte also weitergehen. Wir fuhren also in meine neue Heimat. Mittlerweile freute ich mich, denn sie schienen Ahnung zu haben von so alten Autos wie mich. Mein neues Zu Hause bekam ich nur kurz zu Gesicht. Leider musste ich relativ schnell in eine Werkstatt. So waren meine Schweller und meine Endspitzen, im Laufe der Jahre etwas porös. Ein Bekannter meiner Besitzer reparierte mich. Es war mir eine Schmach so nackig ohne Schürzen in der Gegend rum zu stehen. Ich war echt froh als ich wieder vollständig war und den Weg zum TÜV antreten konnte. Ich machte ja beinahe meinem Blechkleid Konkurrenz mit meiner Schamesröte. Den TÜV bestand ich mit Bravur, das war ein gutes Gefühl. Nach 22 Jahren noch auf den Straßen unterwegs sein zu dürfen. Meine Geschichte endet leider tragisch. Mit vielen Tränen und großen Schmerzen. Ich konnte leider nicht lange ihre Begleitung sein, so wohnte sie in einer Stadt, die für Autodiebe ein Paradies darstellte. Eines morgens, hing mein Spiegel daneben. Abgetreten. Die Woche darauf dann der große Schock. Sie kam gerade aus dem Haus und stammelte etwas von " Wie.. hab ich die Tür vergessen zu zumachen?"Nein hatte Sie nicht. Man hatte mich mit einem Schraubenzieher geöffnet und versucht mich zu klauen. Mein Vorteil die Wegfahrsperre die verbaut war. Der Nachteil, man hatte mir das komplette Zündschloss mitsamt Kabelbaum heraus gerissen. Da stand ich also, erneut tod. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie rief die Polizei, die kam auch, etwas verspätet, aber sie kam. Sie nahmen Fingerabdrücke und machten Fotos. Sie erzählten von 200 Autos die in dieser Nacht geklaut worden waren. Mich hatten Sie nicht bekommen. Dafür zahlte ich einen hohen Preis. Sie ließ mich aufwändig wieder herrichten, aber die Unsicherheit, dass mir jemand etwas antun wollte blieb. Denn eines Tages, war eines meiner Zündkabel durch schnitten. Daraufhin wurde zur Sicherheit ein weiteres Gimmig eingebaut, welches meine Benzinpumpe lahm legte. Wer nicht wusste wo der Schalter ist, bekam mich nicht weg. Letztlich musste sie mich, nach einer versuchten Brandstiftung, weiter weg parken und nach Hause laufen, damit mir nichts geschah. Sie liebte mich. Dennoch war das eine unvermeidlich, um mir noch mehr Qual zu ersparen. Eines Tages, kam ihr Freund zu mir stieg ein und wir fuhren eine Weile. Sie war in der Schule, sie sollte es nicht mitbekommen. Ich kam nicht wieder zu ihr zurück. Ich habe sie nie wieder gesehen, denn ich wurde verkauft. Um ihrer und meiner Willen. Als ob Sie es einen Tag zuvor geahnt hatte, fuhr sie noch eine letzte Runde mit mir über die alten Straßen der Stadt. Ich bin die Rocket, ein 1.4l Kadett E Life und war ihr erstes eigenes Auto. Aber nicht nur das... ich war ihr Traum... und ihre einzig wahre Auto-Liebe... |
Fri Apr 11 22:02:46 CEST 2014 | Federspanner23216
Ich muss gleich einen Kommi hinterlassen um einfach zu sagen, dass mir dieser Artikel sehr am Herzen liegt. Dieses Auto war einfach eine Klasse für sich. Hat mich nie enttäuscht. Sehr zuverlässig und somit treu. Danke für deine Dienste Kleine, ich hoffe wirklich das du immer noch fährst...
Fri Apr 11 22:54:20 CEST 2014 | nick_rs
Vielen Dank für den wie immer sehr schon geschriebenen Bericht! Ist das der Kadett, der restauriert werden sollte?
Sat Apr 12 09:35:14 CEST 2014 | Gorgeous188
Ich habe nicht auf den Autornamen gesehen, und mir beim Lesen gedacht "der Stil kommt mir so bekannt vor". Sehr schön geschrieben, und erfrischend anders mal aus einer anderen Perspektive.
Sat Apr 12 09:44:28 CEST 2014 | Goify
So eine rührende Geschichte.
Das muss ja eine üble Gegend gewesen sein, wo deine Besitzerin lebte.
Aber auch ich habe Glück, schon ab dem Herbst wohne ich in einer eigenen Garage und muss nur noch raus, wenn die Straßen glatteisfrei sind.
Sat Apr 12 10:20:57 CEST 2014 | italeri1947
Was für ein schöner Bericht zum Kadett E. Gerade dieser Opel liegt mir sehr am Herzen. Danke dafür!
Sat Apr 12 16:13:29 CEST 2014 | ChrisCZT
Gut geschrieben. Da kommen Erinnerungen an meinen 92er Beauty hoch. Als Schüler 2001 günstig gekauft. Sehr zufrieden gewesen.... bis ich den Grund für den günstigen Preis fand: Klopapier und Spachtel hielt die Schweller am Unterboden zusammen. So war das Thema Opel nach etwa einem Jahr gegessen.
Sat Apr 12 16:20:05 CEST 2014 | Federspanner23216
Nein der Kaddi ist es nicht. Der war ein beauty und meldet sich auch noch zu Wort.
Ich bin gerührt von so viel positiven kommis. Ich danke euch...ihr seid die besten.
Danke.
Sat Apr 12 17:32:14 CEST 2014 | mozartschwarz
Wirklich schön geschrieben. Hat was..
Sat Apr 12 19:55:43 CEST 2014 | Kurt1509
Jaaa ... Das erste Auto vergisst man NIE ( Auch nicht nach über 30 Jahre ! )
Danke für diesen Bericht!
Gruß Kurt
P.S.: Die letzten Bilder
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Thu Oct 09 09:12:21 CEST 2014 | Diesel73
Boh, klasse geschrieben. Mir steht grad das Pippi inne Augen.............
Thu Oct 09 12:40:51 CEST 2014 | mozartschwarz
Mein erster war ein hellblauer Audi 80 Bj77 mit 55Ps. Der sah am Ende von vorn genauso aus wie der von Kurt. Der Bus der Sargschreinerei an dem er zerschellte sah dafür seitlich aus wie der von Kurt... Ich fands damals irgendwie witzig das ausgerechnet besagter Sargbus mir die Vorfahrt nahm...
Thu Oct 09 13:47:00 CEST 2014 | Diesel73
Mein erstes Auto (W123, 200D) ist mir schrittweise unter dem Hintern weggerostet. Ich glaub einige Teile liegen bestimmt noch heute (22 Jahre später) hier im Umland tief in den Gräben .
Hab ihn dennoch geliebt und vergessen werde ich ihn auch nie.
Mon Dec 15 07:28:50 CET 2014 | Federspanner23216
Nein, dein erstes Auto, ganz gleich was es war, wie es war wirst du nicht vergessen. Immer wieder denke ich an meine kleine Maus, neulich erst habe ich sie wieder gesehen. Vorbei gefahren an mir und Joki, der Sound ...unverkennbar meine Rocket...Sie sah gut aus. Die Alus zwar weg und der Kameigrill, sowie die Schwarze Haune ausgetauscht, aber der Keil am hinteren Radlauf und der Sound, das war sie... meine kleine...
Fri Feb 19 21:50:34 CET 2016 | octavia TDI
Habe mir auch nach 18 Jahren wieder einen E Stufenheck zugelegt. War damals 6 als meine Eltern ihren verkauft haben (habe auch geweint um ihn) und mir damals geschworen ihn zu suchen un zurück zu kaufen. Naja als ich älter wurde wusste ich, dass es fast unmöglich sein wird (wurde in den Export nach Russland verkauft) und ging auf Suche nach einem passenden Ersatz. Ich fand einen 88er (Stufenheck war Pflicht) mit Automatik und 85tkm der jetzt fast 1 Jahr meiner ist. Ich habe den kauf nie bereut und liebe dieses Auto. Kann voll und ganz nachvollziehen wieso du wieder einen kaufen musstest
Deine Antwort auf "Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn..."