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Tue Nov 18 02:02:49 CET 2014    |    Hakuna Matata    |    Kommentare (8)    |   Stichworte: Gebrauchtwagen, Megane, Renault, Sonstiges

Quelle: privat
Quelle: privat

Selbstgespräche

 

'Mag er mich nicht? Langweile ich ihn? Warum gibt er mich denn schon ab? Manchmal verstehe ich diese Menschen nicht. Der eine scheint untrennbar mit seinem Auto verknüpft zu sein, während der nächste seine Fahrzeuge unentwegt wechselt. Manch einer soll sogar Autos horten; habe ich gehört!

 

Wir Automobile sind eigentlich sehr treue Begleiter. Wenn wir in eine Familie aufgenommen werden, dann geben wir unser Bestes, damit unser Besitzer auch ja zufrieden ist. Und wenn unser Besitzer zufrieden ist, dann sind wir es auch. Bekommen wir auch noch die nötige Pflege, so werden wir zu den glücklichsten Autos der Welt. Das ist wie bei Hunden. Ja genau, Automobile sind wie Hunde; denke ich. Der treue Begleiter durch dick und dünn.

 

Natürlich hat das ein oder andere Auto die ein oder andere Macke. Aber die kann auch der Hund haben. Getauscht wird trotzdem nur das Auto. So wie ich es wurde. Ob das wirklich daran lag? War ich nicht Hund genug? War ich zu teuer? War ich zu hässlich?

 

Vorletztes Jahr im Mai, da stand ich wieder bei meinem ersten Besitzer auf dem Hof. Früher durfte ich Kunden von ihm nach Hause begleiten, wenn deren Autos zum Doktor mussten. Bis eines Tages ein Kunde sein Automobil nicht mehr wieder mit nach Hause nehmen wollte. Es war sehr krank. Mein Besitzer machte mich damals sehr traurig. Er sagte, dass der Mann mich haben könne. Einfach verkauft hat er mich. Nach allem, was ich für ihn machen durfte.

 

Somit durfte ich einen Kunden für immer mit nach Hause besuchen; dachte ich zumindest. Ich habe mich sehr schnell an ihn gewöhnt, ein sehr netter Mann war das. Und ich war bereit ihn zu begleiten, bis ich es nicht mehr schaffe.

 

Doch viereinhalb Jahre nach meiner Geburt, Anfang 2012, wurde ich wieder von einem Menschen enttäuscht. Der Mann fuhr mit mir zu meinem ersten Besitzer und ich freute mich ihn wieder zu sehen. Er begutachtete mich auch ausgiebig. Das war ein tolles Gefühl.

Langsam begriff ich auch, dass ich mich wohl von dem netten Mann verabschieden muss; was mir jedoch nicht sehr schwer fiel, da ich ja nun wieder zu meinem Erstbesitzer zurückkehren werde. Vielleicht darf ich wieder Kunden nach Hause begleiten, wer weiß?! Die Enttäuschung kam dann sehr schnell.. Stehen.. Stunden. Tage. Wochen. Einfach nur Herumstehen.

 

Er hat mich nicht gekauft, um mit mir die alten Zeiten aufleben zu lassen. Er hat mich gekauft, um mich gleich wieder zu VERkaufen. Welch' eine Enttäuschung. Und so stand ich nun da; Tag ein Tag aus, bei Wind und Wetter, Sonne und Regen. Ich, ein schöner blauer Renault Megane stehe nur da und warte. Warte auf Bewegung. Warte auf den nächsten Sonnenschein. Warte auf einen Menschen, der gewillt ist mich zu erlösen. So wie die anderen. Meine fernen Verwandten, die hier neben mir stehen und mit mir warten.

So kam es dann eben, dass eines Freitags im Mai zwei Männer in einem kleinen blauen Chevrolet Matiz vorfuhren. 'Schöne Farbe', dachte ich mir. Und ja, sie schienen Interesse an mir zu haben. Endlich! Endlich jemand, der mich erlöst.

 

Sie begutachteten mich kurz von außen, um dann schnurstracks im Gebäude zu verschwinden und 2 Minuten später mit dem Sohn meines ersten Besitzers und roten Kennzeichen in dessen Händen wieder herauszukommen.

 

Meine Vorfreude wurde derweil immer größer. Endlich durfte ich mich wieder bewegen. Den Motor starten, den Asphalt unter den Reifen spüren, mich in die Kurven legen. Dafür wurde ich doch gebaut! Genau dafür!

Ich bin kein Sportler, aber komfortabel. Und das fanden wohl auch die beiden Männer so. Auf jeden Fall besser als ein Matiz. Von meinem Platzangebot im Vergleich zu der Flunder mal ganz zu schweigen.

Es ging alles letzten Endes ziemlich schnell. Die Probefahrt war mir viel zu kurz, jedoch tröstete ich mich damit, dass ich nicht mehr für unbestimmte Zeit hier herumstehen muss. Oder besser gesagt, ich hoffte es. Denn als die Männer wieder fuhren, da verabschiedeten sie sich mit 'Bis Montag'. War ich schon gekauft? Werde ich Montag abgeholt? Wieso nehmen sie mich nicht jetzt schon mit? Hoffentlich habe ich mich nicht zu früh gefreut..

 

Also hieß es wieder warten. Warten auf ein Wiedersehen. Freitag, Samstag, Sonntag. Endlich, endlich war Montag. 8 Uhr, 9 Uhr, 10 Uhr...keiner erschienen. 11 Uhr, 12 Uhr, 13 Uhr...immer noch niemand da. 14 Uhr, 15 Uhr, 16 Uhr...ich gab die Hoffnung auf. Sie werden wohl angerufen haben; wollen mich nicht haben. 17 Uhr, 18 Uhr, 19 Uhr...das Autohaus schließt. Und ich schlafe mit Tränen in den Augen ein..

Wieder enttäuscht worden. Eine einzige Traurigkeit dieses Autoleben. Wie soll ich je wieder vertrauen fassen in die Menschen?

 

Ganz einfach: Indem sie einen eines besseren belehren! 8 Uhr in der Früh, Dienstag. Ich werde in die Werkstatt gefahren. Was ist denn jetzt los? TÜV. Und einen neuen Zahnriemen bekomme ich auch noch. Mein Intervall ist doch noch gar nicht so weit. Das wäre erst später fällig gewesen. Wer macht denn sowas?

Die Antwort auf diese Frage beantwortete sich nachmittags. Mittlerweile zierten mich an Heck und Front nagelneue Kennzeichen und ich wurde vor dem Haupteingang des Autohauses abgestellt. Wieder warten. Warten auf meinen wohl neuen Besitzer. Und dann sah ich ihn auch schon anrollen. Die kleine blaue Flunder mit dem goldenen Bowtie auf der Haube. Am Steuer der ältere der beiden Männer. Alleine kam er her; parkte den Matiz direkt neben mir und betrat das Autohaus für eine gewisse Zeit. Diese kurze Gelegenheit nutze ich und unterhielt mich mit meinem Farbenvetter. Dieser berichtete traurig, dass er erst ganze zweiundhalb Jahre bei der Großmutter meines neuen Besitzers lebte und dann lediglich ein dreiviertel Jahr bei ebendiesem. Eine viel zu kurze Zeit wie wir beide fanden.

Über viel mehr konnten wir uns nicht austauschen, denn der Mann, es war des neuen Besitzers Vater, kam sehr schnell wieder aus dem Autohaus und fuhr mit mir davon..

 

Einundhalb.. Einundhalb ist die Zahl, die mich beschäftigt. Einundhalb ist das doppelte von dreiviertel. Und dreiviertel, dass war die Zahl die den blauen Matiz beschäftigte. Dreieinviertel Jahre war er im Besitz des jungen Mannes. Und einundhalb Jahre war ich es. Einundhalb Jahre voller Geschichten und Erlebnisse. Und trotz allem wurde ich verkauft. Verkauft und ersetzt. Durch einen Größeren, durch einen Stärken, durch einen Schnelleren. Scheinbar war ich wirklich nicht gut genug. Oder ich hatte einfach Pech. So bin ich eben an keinen Besitzer gestoßen, der Autos hortet oder der von seinem Automobil untrennbar zu sein scheint. Vielleicht hat mein Nachfolger mehr Glück. Ich hoffe für ihn, dass er vielleicht wiederum das Doppelte schafft. Drei. Drei soll die Zahl sein, die ihn beschäftigt.'

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Tue Nov 18 19:44:44 CET 2014    |    Schattenparker48230

Sehr schön geschrieben! :D Freue mich auf weitere Artikel von dir!

 

Der Abschnitt über das Warten erinnert mich an diesen Song: http://www.myvideo.de/watch/7462129/Element_of_Crime_Und_du_wartest

 

Tja, sind Autos wirklich wie Hunde? Treue Begleiter, die man liebt und die ihr eigenes Leben für den Besitzer riskieren würden? Manche Autos sind eher Katzen, wie mein ehemaliger Volvo: Kuschelig warm, schnurrt wenn er gekrault wird, aber sehr eigenwillig. Wenn er nicht will, dann will er nicht.

Nein, meine Autos sind keine Tiere! Sie sind Papiertücher: Nimm eins, benutze es und hol dir ein neues!

 

Hakuna Matata wünscht Simba! :)

Tue Nov 18 23:46:29 CET 2014    |    Hakuna Matata

Haha, toller Song! :D

Und danke für das positive Feedback.

 

Wenn wir in diesem metaphorischen Kontext bleiben, dann stelle ich mir die Frage: Liegt es an der Person selbst, ob sie ihr Automobil als Hund, Katze oder Papiertaschentuch sieht oder wandelt sich dies bei ein und der selben Person von Auto zu Auto?

Wed Nov 19 00:12:46 CET 2014    |    Schattenparker48230

Das ist nicht zuletzt eine Preisfrage. Wer wie ich gerne im Preissegment bis 400€ einkauft, der ist quasi gezwungen, den Wagen als Endverbrauchsgegenstand zu sehen. Die Deadline setzen die Mängel und der TÜV (bzw. 4-6 Monate früher, wenn man den Wagen noch zu nem halbwegs brauchbaren Preis loswerden will) Investitionen lohnen nur selten, so z.B. die Reifen für meinen Ford, weil er eine reelle Chance hat, den TÜV in anderthalb Jahren zu erreichen. Für meinen Benz mit erheblichen Rostschäden und kritischem Fahrwerkszustand wäre das vergebene Liebesmüh gewesen.

 

Als ich mich neulich durchs Fahrzeugpflege-Forum geklickt hab, kam ich mir vor wie bei nem Mädelsabend: Überall irgendwelche Pasten, Cremes und Lacke :D

Was die Mädels mit sich selbst machen, machen die Kerle mit ihren Autos. Leben wir mit dem Auto womöglich unterdrückte Phantasien aus? :D

Wed Nov 19 12:01:45 CET 2014    |    Hakuna Matata

Das ist wohl wahr. Und bei höher budgetierten Fahrzeugen hängt es gewiss auch eher vom Fahrzeug ab. Das sehe ich bei meinen bisherigen Fahrzeugen. Der geschenkte Gaul alias die blaue Flunder machte echt keine Probleme, war mir langfristig allerdings zu klein. Der Megane war größer, machte aber Probleme; :D weshalb er dann relativ frühzeitig gehen musste. Grund gefunden und schon kommt das Auto weg.

Ich kenne aber auch Leute, die von Anfang an Probleme mit ihrem Fahrzeug haben, jedoch trotzdem treu bleiben und fleißig alles durchreparieren. Und das endet in dem Fall echt nie. :D

 

Wie soll man das ausdrücken? Das Auto als externer Teil des Mannes, welches diese unterdrückten Phantasien ertragen muss? :D

Fri Nov 21 12:02:57 CET 2014    |    HerrLehmann

Eigentlich ein Hundeleben, so ein Autoleben... ;)

 

Jetzt weiß ich, warum ich mein altes Auto nicht abgeben will.

Obwohl ich grad wieder eine Rechnung aus der Klinik für Ihn bekommen habe und er einige Kratzer in der "Haut" hat. :)

Mon Dec 22 20:05:58 CET 2014    |    Trackback

Kommentiert auf: Hakuna Matata: Erfahrungen eines Unerfahrenen.:

 

Endlich angekommen: #3 Opel Vectra 1.9 CDTI Caravan

 

[...] 'Drei. Drei soll die Zahl sein, die ihn beschäftigt.' Dieses Schlusswort des letzten Artikels wird dem kleinen Kreis meiner Blogleser vielleicht noch in den Ohren liegen. Nachdem [...]

 

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Mon Apr 06 11:53:49 CEST 2015    |    Prime88

Mal eine Geschichte die es auf sehr einfache, aber wirkungsvolle Art und Weise auf den Punkt bringt. Und ja, Autos sind wie Hunde. Die einen geben ihren schnell wieder ab, wohl erkennend das es schwieriger ist Verantwortung zu übernehmen als man denkt. Es ist immer einfacher ein Objekt/Individuum von außen zu betrachten, aber verstehen tut man es erst, wenn man auch ins innere schaut.

 

Ein Porsche, Mercedes, Audi, Bmw etc....(bewusst Premiummarken) - Marken die tolle Autos bauen, Marken die schöne Autos bauen und Marken die einem manchmal Blind werden lassen, Blind werden lassen im Sinne von, dass sie Träume und Vorstellungen der Fahrer zeigen, aber nicht was dahinter steckt - Die Verantwortung darüber, was z.B. finanziell aufgewendet werden muss, so ein Auto zu fahren. Womit man übrigens auch mal schnell überrumpelt wird.

 

Aber...

 

es gibt Abhilfe, nämlich jene Marken, Modelle, Arten von Autos die uns darauf vorbereiten, Autos die uns in erster Linie genau diese Dinge beibringen, Autos die zu unrecht manchmal als Opfer dargestellt werden, Autos wie der Mégane...die uns vorbereiten das Praktikable, das Grundlegende und die Verantwortung zu zeigen und jene die uns träumen lassen, träumen lassen irgendwann mehr zu besitzen - Unsere ersten Autos (manchmal zumindest ;-) ).

 

Und deswegen kann man manchmal diesen Autos auch eine Aufgabe zuschreiben, womit es weniger aussieht, als wären diese in einer Opferrolle ;-)

 

Gruß Mario

Mon Apr 06 20:36:14 CEST 2015    |    Hakuna Matata

Die Verantwortung dahinter war letztendlich wohl auch der Haken am Megane. Genau genommen die Verantwortung die entsteht, wenn man aller Ratschläge zum Trotz ein für seine Unzuverlässigkeit bekanntes Fahrzeug erwirbt.

 

Darauf zu hoffen, dass man ein gutes Exemplar erwischt oder es damit schönzureden, dass das Facelift ja deutlich zuverlässiger ist, ist dabei eigentlich unverantwortlich. Mit Folgen muss man rechnen und dann letztendlich auch akzeptieren.

 

In diesem Sinne hat mich der Megane wirklich wie du es beschrieben hast 'vorbereitet'. Gewissenhafter zu handeln und während des Träumens auch die Geduld zu haben den Traum zur Wirklichkeit zu machen. ;)

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