Wed Mar 30 16:40:45 CEST 2011
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Lewellyn
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Kommentare (9)
| Stichworte:
650, BMW, Einzylinder, G, G650GS, Xchallenge, Xmoto
Statt um mehr oder weniger vergessene Modelle gehts heute mal um fast noch aktuelle, aber am Markt völlig gescheiterte Motorräder: Die BMW G Xmoto und Xchallenge. Die ebenfalls technisch nahezu identische Xcountry lasse ich mal außen vor, da sie mit 4529 Stück in drei Jahren immerhin nennenswerte Verkaufszahlen in Deutschland erreicht hat. Im Gegensatz zur Xmoto und Xchallenge wurde sie auch noch 2009 gebaut, allerdings mit einem chinesischen Nachbau des vorher verbauten Rotaxmotors. Die G-Modelle mit Rotaxmotor wurden lediglich von 2007 - 2008 gebaut. Entgegen vieler Gerüchte und Behauptungen wurden niemals Xmotos und Xchallenge mit dem Chinamotor gebaut. Nach 2008 verkaufte Modelle waren Haldenmoppeds. Von den in diesen beiden Produktionsjahren gebauten Motorrädern wurden von der Xmoto 786 Stück und von der Xchallenge 889 Stück in Deutschland verkauft. Das ist zusammen ungefähr das, was BMW in einem guten Monat an R1200GS verkauft. Also ein totaler Flop für BMW. Um das Scheitern der G-Modelle zu verstehen, muss man auch einen Blick auf das Vorgängermodell werfen. Bis 2007 verkaufte BMW als Einzylinder die F650GS und deren Abenteuervariante, die F650GS Dakar. Mit deren letzter Evolutionsstufe im Jahr 2004 hatte BMW fast alle Kinderkrankheiten beseitigt und im Grunde gab es an den Motorrädern kaum noch was auszusetzen. Der Motor verbrauchte fast nix (Verbräuche über 4 Liter Normalbenzin waren nur auf der Autobahn oder Offroad zu erreichen), drehte willig und klaglos in den Begrenzer, lief (für einen Einzylinder) beinahe vibrationsfrei, nahm lange Vollgasetappen nicht krumm und hielt ungeöffnet auch 100.000km und mehr. Mit den werksmäßig orderbaren Koffersystem und einem 17 Liter Tank, der zur Not über 400km Reichweite ermöglichte, war die F ein wahrer Alleskönner, mit dem man lange Autobahnetappen und schmale Schotterpisten gleichermaßen gut bewältigen konnte. Die einzigen, echten Wünsche, welche die F-Treiber noch hatten (ich gehörte damals ja auch dazu) waren: - etwas mehr Leistung: 60PS statt der bisherigen 50PS wären schwer ok gewesen. Schließlich schüttelt KTM aus dem gleichgroßen 690er (real 654ccm) standfeste 70PS. Aber wie das so häufig so ist, interessiert es den Hersteller leider nur wenig bis gar nicht, was die Altkunden wollen. Die Marketingabteilung von BMW hatte eine jugendliche, urbane Zielgruppe ausgemacht, die handliche, supermotoähnliche Motorräder mit ABS wollte und brauchte und bereit war, knapp 10k€ für ein solches Motorrad auszugeben. Leider entpuppte sich besagte Zielgruppe als personell deutlich unterbesetzt. Die Xmoto glänzte mit einem spielerischen Handling, niedrigem Verbrauch (wenn auch seltsamer Weise mehr als die Vorgänger-F650) und einem (für eine BMW) sensationell niedrigem Gewicht von 159kg fahrfertig. Der Motor hing besser am Gas als bei der F, hatte aber nur 3 (!) PS mehr, was im Fahrbetrieb dann eher nicht auffiel. Das ABS funktionierte superb, das Fahrwerk war knackig, kurz, ein echter Wetzhobel für die Stadt oder die Kurzstrecke. Der anvisierte Konkurrent hieß KTM Duke. Dafür und aus Gewichtsgründen war die Xmoto entsprechend spartanisch ausgestattet. Das kleine LCD-Display im Cockpit war ja noch zu verschmerzen. Die harte Sitzbank, ein winziger Tank (9,5 Liter), keinerlei Windschutz und keine Gepäckunterbringungsmöglichkeiten und kein serienmäßiger Soziussitz machten aus der Xmoto ein reines Spielzeug. Diejenigen, die wirklich eine Supermoto für die Strasse suchten, wollten eh kein ABS, dafür brauchten sie Leistung. Und da bot KTM mit den neuen 690er-Einzylindern zum etwas günstigeren Kurs 30% mehr Leistung bei noch weniger Gewicht. Also kaufte aus der Hardcoreecke niemand eine Xmoto. Den bisherigen F-Treibern war die Xmoto viel zu eingeschränkt in der Nutzung, als dass sie gewechselt hätten. Zudem war sie 2000 Euro teurer als die letzten F-Modelle. Nichtsdestotrotz ist sie für besagtem Zweck, der Kurzstrecke und den Innenstädten, ein gutes Motorrad. Das ideale Zweit-oder Drittmopped, für mal eben um den Block. Wer also gebraucht ein Schnäppchen findet, darf ruhig zuschlagen!
Auch sie scheiterte aber im Grunde daran, dass sie nichts halbes und nichts ganzes war, sondern irgendwo dazwischen. Als Enduro war sie fast so gut im schweren Gelände wir die Hard- und Sportenduros von KTM & Co., aber eben nur fast. Dafür war sie mit 156kg fast 20kg zu schwer. Andererseit war sie zu sehr Hardenduro, um die Tourenfraktion begeistern zu können. Die Ausstattung war zu spartanisch und der Reisekomfort zu schlecht im Vergleich zu einer F650Dakar. Die BMW-eigene Entwicklung des Luftfederbeins, welches ohne Feder und Hydrauliköl auskam, war in der HP2 Enduro (auch so ein Kandidat für "Motorräder, die keiner wollte"😉 schon auf wenig Gegenliebe gestossen. Auch in der Xchallenge brachte diese Technik außer 2kg weniger Gewicht keinerlei Vorteile gegenüber guten, konventionellen Federbeinen. Nur höhere Herstellungskosten und ein gewöhnungsbedürftiges Federungsverhalten. Die Xchallenge war wie die Xmoto für ihren Einsatzzweck hervorragend geeignet. Allein, der Einsatzzweck war zu speziell. Eine leichte Enduro fürs Endurowandern gibts bei Beta mit der Alp 4.0 für knapp die Hälfte der Kosten einer Xchallenge. Und die bösen KTM-Enduros hatten jetzt den 690er Motor, gegen den der Rotax leistungsmäßig keine Chance hatte. Strecken in Deutschland, auf denen man die Eigenschaften eine Xchallenge nutzen konnte, sind quasi nicht vorhanden. Und da, wo man solche Strecken noch fahren kann, kam man mit der für lange Reisen nicht geeigneten Ergonomie nur unter Schmerzen hin. Zusammen mit dem exorbitanten Preis von über 9.000 Euro mit ABS war auch hier der Misserfolg vorprogrammiert. Zudem BMW noch während des laufenden Verkaufs mit der G450 eine echte Sportenduro präsentierte. Das beide Motorräder über keinen serienmäßigen Soziusplatz verfügen, war zwar konsequent, aber ebenfalls nicht unbedingt verkaufsfördernd. Trotzdem sind beide Motorräder eine Empfehlung wert, wenn man genau das schmale Einsatzspektrum benötigt. Aus der Xchallenge läßt sich mit Aufwand und Geld ein gutes Fernreisemotorrad machen, das auch im schwierigen Gelände zu gebrauchen ist. Vieleicht werden das mal gesuchte Raritäten. Wäre bei BMW ja nicht das erste Mal, das sich ein Verkaufsflop in einen Klassiker wandelt. In diesem Jahr versucht BMW einen neuen Anlauf bei den Einzylindern mit der G650GS, die allerdings nur noch 48PS hat und beim Probesitzen einen nicht gerade hochwertigen Eindruck hinterlassen hat. Technische Daten der G-Modelle: - Motor: flüssigkeitsgekühlter Einzylinder-Viertakt-Ottomotor mit 652ccm, 39 kW (53 PS) bei 7.000 U/min, |
Wed Mar 30 18:11:51 CEST 2011 |
Fensterheber27629
Den Hauptgrund für die schlechten Verkaufszahlen sehe ich in erster Linie in der Preisgestaltung bzw. dem Preis-/Leistungsverhältnis.
Eine Yamaha XT 660 (egal ob als X oder R-Version) bietet z.B. deutlich mehr Nutzwert für deutlich weniger Geld (von den Listenpreisen ausgehend).
Und die Hardcorefraktion greift sowieso lieber zu KTM.
Wären die Maschinen von Anfang an zu attraktiven und marktgerechten Preisen angeboten worden, hätte es evtl. etwas werden können mit dem Verkaufserfolg.
Wed Mar 30 19:15:39 CEST 2011 |
Lewellyn
Das Problem war wohl, dass eine komplette Neuentwicklung, wie sie die G-Modelle darstellten, nicht für 5.990 Euro bei angemessener Marge zu produzieren waren.
Und da man noch teilweise wirklich teure Dinge mit reinpackte (Luftfederbein, hochwertiges fahrwerk bei der Xmoto), kosteten die plötzlich so viel. Aber selbst die Preise für Tageszulassungen, die meist zwischen 6 und 7.000 Euro lagen, verleiteten nahezu niemand zum Kauf.
Zusammenfassend kann man vieleicht sagen:
Zu teuer - zu schmales Einsatzspektrum - kein Image
Als Nachtrag zur G650GS hab ich gerade gesehen, dass sie 6.900 Euro kosten soll. Ohne ABS. Wenn das mal nicht einen 1000er zu teuer ist.
Thu Mar 31 17:38:45 CEST 2011 |
Marodeur
Korrektur.
Standfeste 70 PS schüttelt KTM aus der Duke R die aber ECHTE 690ccm besitzt. Die 690er mit 654ccm kommen auf bis zu 65 PS, je nach Modell sinds weniger.
Und vielleicht ist die geringe Leistung auch ein Grund dafür das der Motor so viel aushält und die Maschine mit einem 10.000er Inspektionsintervall auskommt. 😉
Fri Aug 12 16:23:37 CEST 2011 |
sampleman
Die 48 PS sind ein Vorgriff auf die neue Stufenführerscheinregelung ab 2013. Dann dürfen Führerscheinneulinge mit 48 PS einsteigen, und die G650 ist in BMW-Augen *das* Einsteigermopped.
Tue May 20 15:03:41 CEST 2014 |
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Kommentiert auf: Biker-Treff:
welche supermoto ? (husky, honda susu)
[...] Betriebsstunden steht da m.W. nicht auf dem Wartungsplan...
Ansonsten robuste Modelle wären bspw. noch hier dabei.
Ja, natürlich muss es für den Anfang immer so schnell wie möglich sein... 😉
Realistisch betrachtet: [...]
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Sat Aug 16 15:51:04 CEST 2014 |
Schattenparker24325
Hello, also ich bin stolzer Besitzer einer Xchallenge. Spassfactor und Zuverlässigkeit 5*****. Das Bike gebe ich nicht wieder her. Mir wurde bei Markteinführung die BMW Sertao im Tausch geboten. Abgelehnt.
Mein Junior ist 5 Jahre alt. Er wird mein Bike bekommen. Und ich bin mir sicher, das Bike wird ein Klassiker.
Sat Aug 16 15:52:30 CEST 2014 |
Schattenparker24325
Hello, also ich bin stolzer Besitzer einer Xchallenge. Spassfactor und Zuverlässigkeit 5*****. Das Bike gebe ich nicht wieder her. Und da ist dann noch Touratech als zubehörspezialist, freu. Mir wurde bei Markteinführung die BMW Sertao im Tausch geboten. Abgelehnt.
Mein Junior ist 5 Jahre alt. Er wird mein Bike bekommen. Und ich bin mir sicher, das Bike wird ein Klassiker.
Fri Aug 28 01:05:23 CEST 2015 |
Antriebswelle134884
Ich denke, hier muss etwas klar gestellt werden!
Das die X-Moto und Challenge am Anfang vom Preis/Leistungsverhältnis her nicht passte,
merkte auch BMW schnell und hat reagiert!
Warum aber beide eingestellt wurden, dürfte hauptsächlich der Husqvarna-Übernahme
zu verdanken sein, die just in diese Zeit viel und schon passten beide nicht mehr ins Bild!
Was dabei herauskam, dürfte ja allgemein bekannt sein,
aber wenigstens entsprang dieser Beziehung ein tolles und eines der schönsten Motorräder überhaupt!
Die Husqvarna Nuda 900 und 900R!
Aus BMW G Xmoto und Xchallenge sind mittlerweile begehrte Teile geworden,
die sehr wertstabil sind!
Wed Feb 14 09:31:37 CET 2018 |
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Kommentiert auf: BMW Motorrad:
Gebrauchte BMW G 650 Xmoto?
[...] mal was in meinem Blog zur G650 geschrieben. Ist zwar schon 7 Jahre her, aber im Grunde noch gültig.
https://www.motor-talk.de/.../...-g-xmoto-und-xchallenge-t3187002.html
[...]
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