• Online: 1.794

Motorrad-Exoten

Blog über Motorräder, Prototypen, Einzelstücke und Designstudien, die es in Deutschland nicht oder zumindest noch nicht gibt.

Sun Jan 24 12:14:35 CET 2010    |    Lewellyn    |    Kommentare (5)    |   Stichworte: 1000, Citrön GS, OCR, Ro 80, Van Veen, Wankel

Van Veen OCR 1000
Van Veen OCR 1000

1976 stellte Hendrik van Veen, holländischer Motorradhersteller, der sich vorher mit optimierten 50ccm-Kreidler-Rennmaschinen einen Namen gemacht hatte, der staunenden Fachwelt die Van Veen OCR 1000 vor.

 

Van Veen hatte den Anspruch, das damals beste Motorrad der Welt zu bauen und es ist ihm, nach Ansicht vieler damaliger Fachleute auch gelungen. Einzig der Preis von damals 24.198 DM setzte dem Siegeszug enge Grenzen. Für das Geld bekam man zwei gut ausgestattete Golf I, um das mal in Relation zu setzen.

 

Die Van Veen war das erste Serienfahrzeug der Welt mit elektronischer Zündung, die Bosch extra für Van Veen zur Serienreife entwickelt hatte, nachdem die Patente dafür 1974 angemeldet wurden. Zusätzlich verfügte die OCR als eines der ersten Motorräder über eine hydraulische Kupplung.

 

Aber zum Motor: Angetrieben wurde die OCR1000 von einem Zweikammer-Wankelmotor mit einem Kammervolumen von je 498ccm, was leistungsmäßig etwa einem 2-Liter-Vierzylinder entspricht. Der Motor entstammte dem Citrön GS Birotor, dessen Motor wiederum auf dem NSU RO 80 basierte. Die Geschichte des heute fast vergessenen Citrön ist auch nicht uninteressant. Nahezu sämtliche gebauten GS Birotor wurden von Citrön zurückgekauft. Aber das soll jemand anders mal im Detail erzählen. Weiter mit der OCR:

 

Neben der elektronischen Zündung verfügte sie als weitere Weltpremiere über ein homokinetisches Gelenk zur Momentabstützung der Kardanreaktionen und damit die Entkopplung dieser vom Federweg. Etwas, wofür BMW sich 15 Jahre später feiern ließ. Ein weiteres Novum war damals die Werksgarantie: 2 Jahre oder 50.000km war 1976 eine außergewöhnlich lange Garantiezeit.

 

Die Van Veen wog fahrfertig knapp 300kg, was aber auch zum Teil an den konstruktiv bedingten Flüssigkeitsmengen lag. Neben dem 22 Liter Tank hatte die OCR 6 Liter Kühlwasser und 5 Liter Öl an Bord. Das Öl brauchte im übrigen niemals gewechselt, sondern nur nachgefüllt werden. Bei einem Ölverbrauch von geplanten 1,1 Liter auf 1000km.

 

Der Wankelmotor lieferte 100 PS bei 6.500 U/min und zwischen 3.500 und 5.000 U/min knapp 140 Nm Drehmoment. Schon ab Standgas verfügte der Wankel über ein Drehmoment von über 70Nm, was etwa dem Maximum der damaligen Honda CB 750 entsprach.

 

Die Fahrwerte waren für damalige Zeit etwa so hoch wie der Preis:

 

Höchstgeschwindigkeit deutlich über 200km/h

0 - 100 km/h: 3,8 Sekunden

0 - 200 km/h: 16 Sekunden

 

So Spitze wie die Fahrleistungen war allerdings auch der Verbrauch: Unter 10 Liter auf 100km war die Van Veen nicht zu bewegen, beim Angasen auch gerne deutlich mehr. Aber bei dem Kaufpreis spielte der Verbrauch auch nicht so die Rolle. ;)

 

Damaligen Testberichten zufolge fuhr sich die OCR für die Leistung vollkommen unspektakulär und verleitete durch die Motorcharakteristik des Wankels eher zum zügigen Gleiten. Trotz des hohen Gewichts konnte man sie zielgenau und angemessen handlich durch die Kurven zirkeln. Das Fahrwerk war ausgesprochen stabil und für 1976 der Konkurrenz weit voraus.

Leider habe ich keine nachprüfbaren Produktionszahlen der Van Veen gefunden, aber besonders viele können es nicht gewesen sein.

 

Die technischen Daten:

 

Motor: Zweischeiben-Kreiskolbenmotor, Koproduktion Comotor/van Veen, System Wankel, Kammervolumen 498 ccm, Gesamtvolumen 996 ccm, kombinierte Wasserkühlung (außen)/Ölkühlung (innen), Verdichtung 9,0:1, max. Drehmoment 13,8 mkp zwischen 3.500 und 5000 U/min, Druckumlaufschmierung mit einer Öldosierpumpe, die auf 1000 Kilometer ungefähr 1,1 Liter Öl über das Ansaugrohr dem Brennraum zuführt, Ölvorrat 5 Liter, Vergaser Solex-Doppelfallstrom-, 322 mm Durchmesser, Zündung vollelektronisch, IT 1000, System Busch-Jaeger/Hartig, Drehstromlichtmaschine 12 V/240 W, Batterie 12 V/28 Ah, Schraubschubanlasser Bosch.

 

Antrieb: Primärkraftübertragung durch schräg verzahnte Stirnräder, 4-Scheiben-Trockenkupplung mit hydraulischer Betätigung, 4-Gang-Getriebe mit Klauenschaltung, Getriebeabstufung: 1:2,35 - 1,61 - 1,10 - 0,88, Sekundärkraftübertragung über zwei hypoidverzahnte Kegelradsätze, Kardanwelle mit homokinetischem Gelenk, Sekundärübersetzung 2,66:1.

 

Fahrwerk: Doppelschleifen-Rohrrahmen, Teleskopgabel mit Gasdämpfung vorn, Federbeine mit Gasdämpfung hinten, dreifach verstellbar, Federweg vorne 165 mm, hinten 110 mm, Hinterradschwinge aus einem Leichtmetall-Gussstück mit zwei Kegelrollenlagern gelagert, Leichtmetall-Gussräder mit Reifen vorn 110/90 x V 18, hinten 120/90 x V 18, Räder in wartungsfreien Doppelschulterlagern gelagert, Doppelscheibenbremse vorn, einfache Scheibenbremse hinten, Scheibendurchmesser 280 mm, beide hydraulisch betätigt über getrennte Bremskreise.

 

Fazit: Ein faszinierendes Motorrad und seiner Zeit weit voraus. Aber aufgrund des Kaufpreises, der der hohen Perfektion geschuldet war, wie alle Motorräder mit PKW-Motoren kein Markterfolg. Aber von allen diesen Exoten wohl das beste Motorrad. Immerhin. :)

 

Hiermit endet meine kleine Serie über Motorräder mit PKW-Motoren vorerst. Interessant ist die Tatsache, dass für zwei dieser sechs Modelle ein Citrön GS Motorlieferant war. Wer noch ein Modell weiß, das ich übersehen habe, bitte Info an mich.

 

Weiter gehts demnächst mit einer neuen Kleinserie: Die 10 teuersten Serienmotorräder der Welt. Sobald ich wieder etwas Zeit habe.


Sun Jan 24 13:08:01 CET 2010    |    Reifenfüller26689

Ein absolut faszinierendes Motorrad das bei mir "um die Ecke" in Duderstadt hergestellt wurde. Ich kann mich noch erinnern eine davon 1979 beim TÜV in Göttingen (wohl zur Einzelabnahme) gesehen/gehört zu haben. Die Van Veen hatte scheinbar grössere Probleme mit ihrer neuartigen Zündung (lautes Knallen:eek:), deswegen hörte ich sie schon bevor ich sie sah ...

Mon Mar 01 14:49:10 CET 2010    |    Trackback

Kommentiert auf: andyrx:

 

der Citroen GS Birotor --> seltener Exote mit Wankelmotor

 

[...] Da hatte ich ja schon in meinem Blog was zu geschrieben. Der Motor diente dann auch als Basis für die Van Veen OCR 1000.

 

 

[...]

 

Artikel lesen ...

Thu Mar 11 17:11:13 CET 2010    |    Trackback

Kommentiert auf: andyrx:

 

Van Veen OCR 1000--> Superbike der 70er mit Wankelmotor

 

[...] Test nach zu lesen-->http://www.motor-kritik.de/common/01111703.htm

 

auch dieser Artikel in einem Blog auf MT ist schon sehr umfangreich--> Klick

 

aber ganz so einfach will ich natürlich meinen Artikel nicht gestalten;) [...]

 

Artikel lesen ...

Mon May 24 09:52:55 CEST 2010    |    mbmarc

Moin moin,

 

es gab doch auch eine Van Veen mit Vollverkleidung, oder? Und hatte diese dann nicht den etwas zuverlässigeren 2-Scheiben-Wankel des Mazda RX3/RX5 unterm Tank?

Thu Mar 15 12:30:09 CET 2012    |    Trackback

Kommentiert auf: Biker-Treff:

 

Lebensdauer 4Zylinder vs 2Zylinder ?? Motorräder??

 

[...] http://www.motor-talk.de/.../...teil-6-van-veen-ocr-1000-t2541890.html

 

Einfach mal in meinem Blog lesen...;)

[...]

 

Artikel lesen ...

Deine Antwort auf "Serienmotorräder mit Pkw-Motoren - Teil 6: Van Veen OCR 1000"