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Motorrad-Exoten

Blog über Motorräder, Prototypen, Einzelstücke und Designstudien, die es in Deutschland nicht oder zumindest noch nicht gibt.

Thu Apr 08 16:23:08 CEST 2010    |    Lewellyn    |    Kommentare (9)    |   Stichworte: GR 650, Paralleltwin, Softchopper, Suzuki

GR 650 wie ich sie hatte
GR 650 wie ich sie hatte

Suzuki versuchte 1983 die Kreuzung zweier Motorradgattungen, die es bis dahin noch nicht gegeben hatte: Softchopper und Tourer.

 

Heraus kam die GR 650, ein 50PS starker Paralleltwin mit einigen bemerkenswerten Eigenschaften.

 

Softchopper waren in der ersten Hälfte der 80er Mega-In. Jeder Hersteller hatte gleich mehrere dieser Dinger in allen möglichen Hubraum- und Motorvarianten im Angebot.

 

Suzuki versuchte mit der GR einen Mittelweg zwischen modernem Design, lässiger Sitzhaltung und guten Strasseneigenschaften. Das konnte natürlich nicht gutgehen. Wer würde sowas kaufen?

 

Ich. :cool:

 

Die GR650 war mein erstes richtiges Motorrad und wir haben in 4 Jahren viel zusammen erlebt. Daher kann ich zu diesem Artikel auch ein bischen eigene Erfahrung wiedergeben.

 

Der Motor der GR war ihr größtes Pfund: Ein seidenweich (!) laufender Paralleltwin, mit einem Mörderdurchzug und trotzdem leicht hochdrehend, das gabs noch nie. Erreicht wurden diese Eigenschaften vor allem durch eine variable Schwungmasse an der Kurbelwelle. Irgendwo zwischen 2500 und 3000 U/min koppelte eine Fliehkraftkupplung ein Schwungrad ab. Bis dahin lief der Twin ruhig und satt, mit viel Kraft aus dem Drehzahlkeller. Danach drehte er merklich befreit munter bis in den roten Bereich. Mit 1500 durch den Ort bummeln war kein Problem. Dazu war der Motor sehr sparsam.

Verbräuche zwischen 4 und 4,5 Litern waren die Regel, mein Rekord waren 3,3 Liter.

 

Ausstattungsmäßig war die Richtung ganz klar uneinheitlich:

Praktischen Details wie Tank- und Ganganzeige, Handrad fürs Einstellen der Hinterradfederung standen die gestufte Sitzbank und der in Gummi zu weich gelagerte, hohe Lenker gegenüber. Der schön gezeichnet Tank enthielt dann auch nur 12 Liter, was mit dem geringen Verbrauch dann gerade noch so ging.

 

Fahrwerksmäßig war die GR genauso uneinheitlich: Durch den steilen Lenkkopfwinkel sehr handlich und mit einer (damals) modernen Full Floater-Hinterradfederung wuselte sie erstaunlich leicht um Kurven aller Radien, wobei die relativ große Schräglagenfreiheit gut genutzt werden konnte. Leider mochte sie schnelle Kurven gar nicht und zeigte ihre Grenzen dann nachfrücklich. Die merkwürdige Reifenpaarung 19"/16" und der unpräzise Gummilenker vereinfachten die Sache nicht wirklich.

Man hing stark im Wind und brachte dann so ab 140 langsam Unruhe ins Fahrwerk, wenn man sich am Lenker festhalten musste.

Die Bremsanlage hatte ein systemimmanentes ABS. Ich habs jedenfalls nie geschafft, das Vorderrad mit der Einscheiben-Einkolben-Bremse zum Pfeifen zu bringen. Dafür funktionierte die Hinterradbremse ganz gut, was neben der Gewichtsverteilung auch auf den für damals ungewöhnlich breiten Hinterreifen (130er) zurückzuführen war.

 

Findige Besitzer rüsteten die GR auf Tank und Sitzbank der GS550 um. dann hatte sie 18 Liter Tankinhalt und die durchgehende Sitzbank ließ eine deutlich bessere Sitzposition zu.

 

Gebaut wurde die GR ab 1983, was auch das Baujahr meiner GR war. Zunächst sehr erfolglos mit Gussrädern und einem separaten Standlicht unterhalb des Scheinwerfers. Um den Verkauf anzukurbeln, stellte Suzuki die GR 650 X vor, die nur noch einen Rundscheinwerfer und Speichenräder hatte. Half aber auch nichts. 1987 wurde die Produktion eingestellt und die Haldenmoppeds wurden bis 1989 noch für 5.999 DM verramscht. Außer der X und einer Schwarzlackierung des Motors ab 1985 fand keinerlei Modellpflege statt.

 

Was ich ausgesprochen schade finde, denn der Motor hätte es verdient gehabt, einen richtigen Tourer oder eine Reiseenduro anzutreiben. Die GR wog nicht mal 200kg. Das geringe Gewicht und der kräftige Motor führten zu fantastischen Durchzugswerten. Es gab kein anderes Motorrad unter 1000ccm in den 80ern, das einen besseren Wert von 60 auf 120 hatte laut MOTORRAD. Ich habe mal mit einem Kumpel und seiner R80G/S ein Durchzugsrennen veranstaltet, weil er mir das nicht glaubte. Damit nicht geschummelt wurde (4. statt 5.) haben wir die Motorräder getauscht.

Locker flockig zog er mir auf meiner GR davon. :)

 

Ich habe einen Auszug aus einem Testbericht von damals gefunden, ebenfalls mit meiner Version: Super Bike 6/1984

 

Gekauft habe ich die GR 1987 für 3000 DM. Montiertes Zubehör waren ein Sturzbügel, eine Nachrüstscheibe von HG und ein Topcase fürs Reisen. Unter anderem war ich mit der GR beim legendären Wernerrennen in Hartenholm und Pfingsten 1990 noch in der DDR und Tschechoslowakei.

 

Für 1.700 DM habe ich sie 28.000km später 1991 für eine Transalp in Zahlung gegeben. *Seufz* ;)


Thu Apr 08 17:09:28 CEST 2010    |    H1B

Ich hatte damals ne Kawa Z550LTD (wollte auch keiner haben), sah fast genauso aus, war aber ein 4Zyl., aber sonst könnten das fast Schwestern sein :)

Thu Apr 08 17:36:12 CEST 2010    |    Lewellyn

Stimmt, die sah sehr ähnlich aus. Aber war eben keine eigenständige Konstruktion, sondern lediglich die Z550 mit kleinem Tank, hohem lenker und Stufensitzbank. Sonst könnte ich zahllose Artikel über japanesische Softchopper der 80er machen. ;)

Thu Apr 08 18:32:03 CEST 2010    |    tom-ohv

Ebenfalls von Suzuki gab es für mich 1983 die GSX400F , die recht schwer in den Verkaufsräumen stand, und 1986 die GSX1100EF die auch nicht wirklich gut verkauft wurde.

Für letztere gab ich eine originale 1100er Katana in Zahlung was rückblickend betrachtet ziemlich dumm war. Auch meine erste GSX1100R (Moped nach der EF) von 1988 hätte ich behalten sollen. Hinterher ist man halt immer schlauer.

Thu Apr 08 19:21:40 CEST 2010    |    duffy nuage

Hi,

 

einfach ein tolles Motorrad.

Mein Traum war damals die 650 er von Yamaha.

Ich glaub die XS war das.

Schönes Moped.Und mit einem hohen T-Lenker einfach ein Hingucker

Ich kann sowieso nichts mit den heutigen Maschinen anfangen.

Alles umgebaute Joghurtbecher usw.

Damals waren es eben noch schöne Moppeds.

Gruß

Duffy

Thu Apr 08 19:47:59 CEST 2010    |    Standspurpirat35489

Hi

 

hatte auch mal eine GR 650 X

hat noch jemand den typische Getreibeschaden (Pitting an den Zahnrädern vom 3 Gang )

gehabt? War bei mir nach 25000 km.

Fri Apr 09 11:07:39 CEST 2010    |    Lewellyn

Nö, mein Getriebe hatte bis zum Verkauf bei 42.000km keine Auffälligkeiten. Überhaupt waren die Defekte dünn gesät. Einmal musste ich einen Urlaub ungewollt um drei Tage verlängern, als ohne erfindlichen Grund plötzlich einer der Unterdruckvergaser ein Loch in der Membran hatte und ich auf das Ersatzteil warten musste. Die Auspuffanlage war ratzfatz hinten durchgerostet und ich hab sie aus Kostengründen mit Gungum geflickt. Ist beim TÜV nicht mal aufgefallen, weil ich es auch noch schwarz lackiert habe.

 

@ tom-ohv: Ja, das ist dann bitter, wenn man zwei echte Klassiker hatte, die heute eher über den damaligen Neupreisen gehandelt werden und sie für heute fast vergessene Moppeds in Zahlung gab.

Sat Apr 10 00:00:00 CEST 2010    |    Turboschlumpf14442

Ein feines Teil, Lewellyn. Sowas würde ich mir auch noch in die Garage nehmen.

Es wäre schön, wenn heute auch noch solche Klassiker gebaut würden.

Leider geht´s meistens nur noch größer, schneller und mit möglichst viel Schnickschnack.

Vielleicht kommt ja mal so´ne Retro-Welle.

Gruß.

Mon Sep 27 10:31:15 CEST 2010    |    Trackback

Kommentiert auf: Biker-Treff:

 

Brauche Entscheidungshilfe...

 

[...] als die Frage : "R1 oder Kilogixxe?"

 

Wobei mir auch mein Blog und mein Erstmopped wieder einfällt:

 

http://www.motor-talk.de/.../...ner-wollte-suzuki-gr-650-t2653764.html

 

Die sollte sich auch in Deinem Preisrahmen bewegen und ist deutlich fahraktiver als die langgabeligen [...]

 

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Mon Oct 01 16:29:15 CEST 2012    |    Trackback

Kommentiert auf: Biker-Treff:

 

Verbrauch und Umwelt

 

[...] Meine seelige (und hier schon erwähnte) Suzuki GR 650 hatte eine variable Schwungmasse. 1983. Fliehkraftgesteuert koppelte sich das Zusatzgewicht bei etwa [...]

 

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