Noch ist VW zu retten
So, jetzt sorge ich mal wieder für etwas Zustrom aus dem Opel-Lager. Vom Thema her muß ich es leider hier platzieren 😉
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Volkswagen steckt in der Krise. Zu teuer die Autos, zu gering der Gewinn. Der Vorstand muß handeln, fordern die Aktionäre.
Von Henning Peitsmeier
Der europäische Automarkt hat sich belebt. Im März wurden 7 Prozent mehr Autos zugelassen als im Vorjahr. Und die Autos aus dem Volkswagen-Konzern legten gar um 11,9 Prozent zu. Nur eine Momentaufnahme. Aber wenigstens eine gute Nachricht, die VW-Chef Bernd Pischetsrieder den Aktionären zur Hauptversammlung am Donnerstag überbringen kann. Denn zuletzt waren die Zahlen und Nachrichten um und aus dem Hause Volkswagen besorgniserregend: Der neue Golf verkauft sich schlechter als erwartet, die Nutzfahrzeuge sind defizitär, der Konzerngewinn ist gesunken, die Dividende wird gekürzt. Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus. "Miserabel" seien die Zahlen des ersten Quartals, sagte Pischetsrieder kürzlich. Die Aktionäre sind sauer.
Auf der Hauptversammlung wird Pischetsrieder nicht schönreden, was nicht schön ist. Und er weiß, daß die März-Zahlen nicht überzubewerten sind. Wenn sich daraus kein positiver Trend ableitet und die Konjunktur weiter schwach bleibt, steuert der größte Autohersteller Europas auf eine Krise wie Anfang der 90er Jahre zu, wie Pessimisten vermuten. Damals war VW, einst Synonym für Wirtschaftswunder und Käfer, zum Sanierungsfall geworden. "So schlimm ist es nicht", wiegelt Fondsmanager Michael Schneider ab. Der Experte der Deka Investment glaubt, daß VW anders als vor einem Jahrzehnt mit der nun jungen, wettbewerbsfähigen Produktpalette durchaus eine solide Basis hat. Doch Schneider, der in der Hauptversammlung sprechen wird, findet genügend Kritikpunkte an der Konzernstrategie. "Investoren erwarten eine höhere Rendite. Aber bei VW haben zu lange die Ingenieure den Kurs bestimmt, der Konzern hat ohne Rücksicht auf die Rendite doppelt soviel investiert wie Renault und Peugeot zusammen." Das, so kritisieren auch andere Aktionäre, müsse korrigiert werden. "Das Unternehmen muß sich auf neue Realitäten einstellen, um auch bei einem niedrigen Dollar-Kurs und schwachen Massenmarkt profitabel zu sein", fordert Schneider. Vor allem in Nordamerika, lange ein Hauptumsatzbringer, hat VW zuletzt wegen des schwächelnden Dollars und der ruinösen Rabattschlachten viel Geld verloren.
Spät hat sich der Vorstand um Pischetsrieder mit den neuen Realitäten angefreundet. "For Motion" heißt das neue Sparprogramm plakativ, das Pischetsrieder für "sehr ambitioniert" hält, das Investoren jedoch nicht ausreicht. Zwei Milliarden Euro zusätzlich will Pischetsrieder bis 2005 sparen. Zuwenig, sagen Analysten und Fondsmanager angesichts noch immer überdurchschnittlich hoher Gesamtinvestitionen. 5000 Arbeitsplätze werden gestrichen. Auch das reicht manchem nicht. Volkswagen könnte in seinen 31 Werken 6 Millionen Autos bauen, verkauft derzeit aber nur 5 Millionen. Und die werden auch noch zu teuer produziert, weil die IG Metall bei dem niedersächsischen Konzern streng jede Rationalisierungsmaßnahme überwacht. Jedes dritte Auto läuft am Hochlohnstandort Deutschland vom Band, nur jedes fünfte wird indes hier verkauft.
Und die hohen Preise, die Pischetsrieder eigentlich über die Premiumstrategie durchsetzen wollte, sind in den Rabattschlachten mit der Konkurrenz nicht zu erzielen. Nun rächt sich der hohe Entwicklungsaufwand beim Golf, für den sogar die Klimaanlage gratis dazugegeben wird, weil ein vergleichbarer Opel Astra bis zu 3000 Euro billiger ist. Das höhere Image eines Volkswagen bezahlt der Kunde nicht wie gewünscht.
Die Luxusstrategie, für die Pischetsrieder gescholten wird, ist freilich eine Erblast von Vorgänger Ferdinand Piech, heute Aufsichtsratschef. Piech hat auf Prestigeprojekte gesetzt und für sie offenkundig den Markt falsch eingeschätzt. VW Phaeton oder Bentley Arnage finden nur schwer Käufer. Pfiffige Kleinwagen wie der Opel Meriva und ein bezahlbares Kabriolett wie der Peugeot 206 CC finden hingegen reißenden Absatz.
Wegen der angespannten Finanzlage sind intern einige Modelle abermals auf den Prüfstand gelandet. In der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch stehen der geplante Microbus und der Roadster zur Disposition. Äußerst fraglich ist, ob diese Nischenmodelle wirklich die gewünschten Deckungsbeiträge einfahren werden. Der Oberklasse-Tourer C1 ist so umstritten wie kein anderes neues Modell seit dem Phaeton. Das neue Luxusauto, das ebenfalls auf das Konto von Piech geht, soll die Lücke schließen zwischen Phaeton und Passat. Für verzichtbar hält etwa Konzernbetriebsrat Klaus Volkert den C1. Auch aus der Landesregierung hagelt es Kritik an der generellen Luxusstrategie des Konzerns, der einst mit dem Käfer ein Auto fürs Volk baute. Doch Pischetsrieder verteidigt den C1. Denn die gehobene Oberklasse ist das Segment, in dem Mercedes mit seiner E-Klasse, BMW mit dem Fünfer und die Volkswagentochter Audi mit dem A6 satte Gewinne einfahren. In keinem anderen Fahrzeugsegment sind die Margen so hoch. Dieser Argumentation wird der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am Mittwoch auch folgen. Der C1 steht nach Informationen dieser Zeitung nicht zur Disposition. Allerdings muß sich VW um einen Entwicklungspartner bemühen, damit die Kosten für den geplanten Hinterradantrieb in engen Grenzen gehalten werden.
Die Bilanz 2003, die Pischetsrieder auf der Hauptversammlung vorlegen muß, hat die Schwäche des Konzerns schonungslos aufgedeckt. VW verdient zuwenig Geld mit seinen Autos. Die Kapitalrendite nach Steuern ist auf magere 2,2 Prozent geschmolzen und liegt fernab der Zielmarke von 9 Prozent. Nicht einmal die erfolgreiche Tochter Skoda erreicht das Ziel. Überhaupt sind die Zahlen so schlecht, daß nicht einmal die jetzt gekürzte Dividende operativ erwirtschaftet wurde. Dennoch will VW 1,05 (statt 1,30) Euro für die Stämme und 1,11 (statt 1,36) Euro je Vorzugsaktie zahlen. Vor dem Hintergrund des Zahlenwerks ist das sogar noch eine weitere gute Nachricht für die Aktionäre.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.04.2004, Nr. 16 / Seite 39
18 Antworten
Zitat:
Original geschrieben von Stevie_B
Das Problem ist nur, daß diese Zeitungsberichte hier keine Sau interessieren.
Der Resonanz nach zu urteilen scheint mir eher das Gegenteil der Fall zu sein...😉
Zitat:
Original geschrieben von Groovemonkey
Das sind relativ einfache Rechnungen. Solche Firmen haben Millionenkredite (da ist das Darlehen für ein 1-Familien Reihenhaus mit 250.000 € von Otto Normalgolffahrer gar nix gegen). Dadurch ergeben sich relativ geringe Zinssätze bei den Banken. Das Geld wird ja auch nicht für neue Chromzahnstocher der Vorstandsetage ausgegeben, sondern in die Produktion, in das Marketing, etc. investiert. Dadruch ergibt sich ein Aufschwung in der Zuliefererindustrie für die Produktionsmaschinen (Siemens, Mannesmann, usw.) Deren Arbeiter verdienen mehr Geld und können sich den Golf kaufen (das muss man nat. durch Werbung unterstützen). Die Kredite werden dann mit 100.000€ Zinsen nach einigen Jahren wieder zurückbezahlt. Im besten Fall mit Gewinn.
Auf die gleiche Art kann auch der Bürger der Wirtschaft helfen. Anstatt zu sparen (schlimmstenfalls zu Hause), müssen die Devisen im Land bleiben und auch im Umlauf sein. Nur so kann damit gehandelt, opperiert und verbessert werden. Betrachtet man die Wellen von Kondratieff, dann befinden wir uns in einer von 4 Phasen, die immer in regelmäßigen Abständen wellenförmig abwechseln --> es wird auch wieder auffwärts gehen, aber dazu müssen alle (auch VW) an einem Strang ziehen.
Gesamtwirtschaftlich gesehen mag das ja stimmen. Ein Produzent wird aber aus verschiedenen Gründen nicht hiernach entscheiden:
1. Die Konsumquote ist immer < 100%, daher kann nie soviel zurückfließen, wie er in das System pumppt.
2. Es werden natürlich nicht alle einen VW kaufen..., wodurch noch weniger Geld zurückkommt.
3. Den Konsumeffekt erreicht man auch durch Investitionen mit EK. FK wird VW nur dann einsetzen, wenn entweder der Cash Flow nicht ausreicht, diese aus eigenen Mitteln zu finanzieren oder dies Bilanzpolitisch gewollt ist (z.B. Leverage-Effekt).
Gruß newgolf
@Groovemonkey
Zitat:
Betrachtet man die Wellen von Kondratieff ...
* auf dem Boden lieg *
lies den Kondratieff nochmal, und am Besten danach nochmal. Vielleicht verstehste ihn dann. (Ersatzweise kannste auch den Koran lesen, das Ergebnis ist ungefähr das Gleiche) 🙂
Zitat:
Das Geld wird ja auch nicht für neue Chromzahnstocher der Vorstandsetage ausgegeben
Bei so manchen Firmen wär ich mir da im Moment nicht ganz sicher.
@Newgolf
Der "Konsumfaktor" (komisches Wort) wird durch Nachfrage erzeugt, völlig unabähngig davon ob über EK oder FK investiert wird. Für Investitionen entscheidend ist die Kapitalrendite, sonst nix.
Zitat:
Original geschrieben von Göölf
@Newgolf
Der "Konsumfaktor" (komisches Wort) wird durch Nachfrage erzeugt, völlig unabähngig davon ob über EK oder FK investiert wird. Für Investitionen entscheidend ist die Kapitalrendite, sonst nix.
Hab mich vielleicht nicht klar ausgedrückt, das war aber u.a. mit 3. gemeint..
Gruß newgolf