Wo ist der Fortschritt bei der Sicherheit?

Hallo,
bisher dachte ich immer, dass ein Auto (bei gleicher Größe und gleichem Gewicht) um so sicherer ist, um so moderner es ist.

Nun hab ich mal ein Modell welches Mitte der 90er auf den Markt kam mit dem Nachfolger verglichen, den es rund 9 Jahre später gab.

Das neuere Modell schneidet im US- sowie im EU-Crashtest (marginal) schlechter ab als das Vorgängermodell:

https://www.iihs.org/ratings/vehicle/BMW/5-series-4-door-sedan/1999

https://www.iihs.org/ratings/vehicle/BMW/5-series-4-door-sedan/2005

bzw.

https://cdn.euroncap.com/.../euroncap_bmw_5_series_1998_4stars.pdf

https://cdn.euroncap.com/.../euroncap_bmw_5_series_2004_4stars.pdf

In der aktiven Sicherheit dürften sich die Modelle auch nicht viel nehmen, denn beide gab es mit ABS, ESP, Gurtstraffern, Front- und Seiten- und Kopfairbags.

Quatsch wie Gurtwarner sehe ich nicht als sicherheitsrelevant an, denn kaum jemand "vergisst" den Gurt - genau so, wie Raucher nicht nur deshalb rauchen, weil sie vergessen haben, dass es schädlich ist.

Wieso gab es keinen Fortschritt in der Sicherheitstechnik sondern eher einen Rückschritt?

Gruß
Stefan

51 Antworten

@olli132 von welcher "Struktur" schreibst Du?

Die Geschwindigkeit wo heute eine Fahrgastzelle wirklich massiv eingedrückt wird und vllt. noch das Lenkrad durchgedrückt wird, hat sich meines Wissens nach deutlich erhöht.

heutige Fahrzeug sind bewußt so gebaut das die Struktur vor der A-Säule die Energie komplett aufnehmen und umleiten (also verarbeiten) soll ... und das möglichst kontinuierlich um Extremspitzen bei der Verzögerung zu vermeiden.

Zitat:

@olli132 schrieb am 25. April 2023 um 00:39:49 Uhr:



Habe viele Freunde bei Feuerwehr und thw. Es gibt kaum noch Schwerverletzte. Entweder die Struktur hält und die Leute steigen immer leichter verletzt aus oder sie kollabiert und es gibt tote. Aber die Geschwindigkeiten wo die Strukturen halten haben sich nicht wirklich mehr erhöht.

Kann ich unterschreiben...

Was deutlich abgenommen hat, ist vor allem die Zahl der Alleineunfälle, von der Fahrbahn abkommen und gegen den Baum. War noch in den 80ern der größte Teil der tödlichen Unfälle. Da merkt man deutlich die segensreiche Wirkung der Assistenzsysteme.

Zitat:

@Astradruide schrieb am 25. April 2023 um 13:07:24 Uhr:


@olli132 von welcher "Struktur" schreibst Du?

Die Geschwindigkeit wo heute eine Fahrgastzelle wirklich massiv eingedrückt wird und vllt. noch das Lenkrad durchgedrückt wird, hat sich meines Wissens nach deutlich erhöht.

heutige Fahrzeug sind bewußt so gebaut das die Struktur vor der A-Säule die Energie komplett aufnehmen und umleiten (also verarbeiten) soll ... und das möglichst kontinuierlich um Extremspitzen bei der Verzögerung zu vermeiden.

Bis zu einer gewissen Grenze. Unterhalb der Grenze: alles gut, keine schweren Verletzungen. Oberhalb: fatal. wie von @olli132 beschrieben.

Vereinfacht kann man sagen die Entwicklung bei der passiven Sicherheit hat vor allem aus Schwerverletzten Mittel bis leicht Verletzte gemacht. Aber kaum aus toten Schwerverletzte gemacht.

Solange das chassis in den geplanten Parametern bleibt werden die auf den Körper wirkenden Kräfte immer weiter reduziert. Der Punkt wo die Struktur aber auf einmal total versagt und es Tote gibt hat sich seit den 2000er kaum verändert.

Und das liegt daran das die gleichen Test bei gleicher Energie /geschwindkeit gemacht werden aber Grenzwerte weiter reduziert werden.

Alternative wäre die gleichen Grenzwerte die zwar schwere Verletzungen zur Folge hätten beizubehalten aber dafür die Energie/Geschwindigkeit zu erhöhen.

Am besten beides , ich persönlich würde mehr Fokus auf steigern der möglichen Unfall Energie stecken.

Wenn’s mal knallen sollte ist mir persönlich wichtiger bei mehr Unfällen ne Überlebends Chance zu haben als in den seit Jahrzehnten gleichen Unfällen immer weniger blessuren davon zu tragen.

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Die Karosserie muss im Falle eines Crashes halt die Aufgabe lösen, die Geschwindigkeit auf einer Strecke von ca. 1,20 m (Länge der Motorhaube) auf 0 zu reduzieren, ohne dabei die Kräfte auf die Insassen in tödliche Bereiche ansteigen zu lassen. Und das geht eben nur bis zu einer gewissen Grenzgeschwindigkeit. Oberhalb dieser sind die Insassen tot, da kann alle Technik und aller Fortschritt nichts ändern.

Zitat:

@Hannes1971 schrieb am 25. April 2023 um 14:26:29 Uhr:


Die Karosserie muss im Falle eines Crashes halt die Aufgabe lösen, die Geschwindigkeit auf einer Strecke von ca. 1,20 m (Länge der Motorhaube) auf 0 zu reduzieren, ohne dabei die Kräfte auf die Insassen in tödliche Bereiche ansteigen zu lassen. Und das geht eben nur bis zu einer gewissen Grenzgeschwindigkeit. Oberhalb dieser sind die Insassen tot, da kann alle Technik und aller Fortschritt nichts ändern.

Es ist aber auch einfach gezielte Entwicklung auf die großen chrashtest.

Siehe small overlap test. Zu Beginn alle durchgerauscht weil die Crashsteukturen nicht weit genug außen begonnen haben.

Beim Nachfolger bei kaum einem Auto noch ein Problem weil man sich auf die neuen Test einstellt.

Scania und Volvo sind glaube ich die einzigen die wirklich abseits der Norm testen um möglichst allumfassend zu schützen

Mit dem E39 und E60 sind zwei Modelle rausgesucht, bei denen der Nachfolger ein spezifisches Problem hatte (Kontakt des rechten Kines mit zu hartem Mitteltunnel). Das wurde meiner Erinnerung nach später behoben.

Schaut man bei IIHS in die Details, so gibt es wesentlich weniger Eindringen der festen Fahrzeugteile in die Fahrzastzelle und auch geringere Kräfte auf den Körper - bis auf Kontakt des Kopfes mit der Türkante, der allerdings als gering bewertet wird. Ansonsten sind alle Kräfte eben gering, beim E60 aber durchgängig noch geringer als beim E39.

Einen Überblick über die Verbesserungen in Ganzen für EuroNCAP - und nicht nur anekdotisch an einem Modell - gibt es hier:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4897830/

Andere Anekdote aus der Zeit:
Golf IV
https://cdn.euroncap.com/media/9743/euroncap_vw_golf_1998_4stars.pdf

Golf V
https://cdn.euroncap.com/media/10074/euroncap_vw_golf_2004_5stars.pdf

W210:
https://cdn.euroncap.com/.../..._mercedes-benz_e_class_1998_4stars.pdf

W211:
https://cdn.euroncap.com/.../..._mercedes-benz_e_class_2002_5stars.pdf

Gerade 1995 - 2005 hat für die (Front)Insassen eine Menge gebracht. Ein Golf III war noch eine Blechschachtel. Seit 2005 ist am Meisten für Fussgänger, beim Seitenaufprall und in Bezug auf Whiplash geschehen. Danach kam dann die Phase der Assistenzsysteme, die Unfälle verhindern oder harmloser Ausfallen lassen (autom. Notbremssysteme).

Zitat:

@olli132 schrieb am 25. April 2023 um 14:31:57 Uhr:


Scania und Volvo sind glaube ich die einzigen die wirklich abseits der Norm testen um möglichst allumfassend zu schützen

Auch die werden das Problem nicht lösen, dass man auf 1,2 m nicht beliebig viel Energie abbauen kann ohne die kritischen Kräfte zu überschreiten.

Die Beobachtung mit der Verschiebung der Schwerverletzten hin zu leicht verletzt oder tot sagt mir, dass diese technische Grenze mittlerweile nahezu erreicht ist. Entweder die Verzögerung lag im überlebbaren Bereich, dann waren die Insassen noch gut geschützt, oder sie lag es nicht, dann sind die tot. Der Grenzbereich dazwischen wird immer geringer.

Zitat:

@olli132 schrieb am 25. April 2023 um 14:21:01 Uhr:


Vereinfacht kann man sagen die Entwicklung bei der passiven Sicherheit hat vor allem aus Schwerverletzten Mittel bis leicht Verletzte gemacht. Aber kaum aus toten Schwerverletzte gemacht.

Eher aus "Toten" Leicht- oder Unverletzte. Die Senkung der Zahl der Todesopfer gerade zwischen 1990 und 2010 war spektakulär:
https://de.statista.com/.../

Ca. 11000 - ca. 4000

Dazu gehörte natürlich auch eine Menge Strassenbau in den neuen BL, aber eben auch sicherere Autos. Seit 2010 stagniert die Entwicklung beinahe (4000 - 2700). Das liegt aber auch an der bereits erzielten Verbesserung.

Prä-1990 waren die Erfolge dagegen eher in gesetzgeberischen Massnahmen: Tempolimit 100 auf Landstrassen ab 1972, Gurtpflicht ab 1976, ab 1984 auch auf der Rückbank und Helmpflicht ab 1976.

Tote die aus ner nicht kolabierten fajrgastzelle holst sind durch zu hohe Verzögerungen verstorben. Aber das gibts sehr selten. Häufiger bricht die Zelle zusammen und lasst kein Überlebensrsaum.

Na klar kann man nicht jeden in nem Panzer mit 100 vor die Wand fahren lassen und retten.

Aber der Punkt in denen Auktuelle Autos nachgeben bis zu dem Punkt wo die Kräfte auf den Fahrer eh tödlich wären sind noch nicht zusammen.

Es wird zur Zeit einfach auf Crashtest + x entwickelt. Da ist noch Luft. Vor allem mit den neuen Vorhangs/Kopf Airbags die die Bewegung der Schwachstelle Kopf/Genick immer weiter einschränken.

Zitat:

@Amen schrieb am 25. April 2023 um 14:48:00 Uhr:



Eher aus "Toten" Leicht- oder Unverletzte. Die Senkung der Zahl der Todesopfer gerade zwischen 1990 und 2010 war spektakulär:
https://de.statista.com/.../

Ca. 11000 - ca. 4000

Dazu gehörte natürlich auch eine Menge Strassenbau in den neuen BL, aber eben auch sicherere Autos. Seit 2010 stagniert die Entwicklung beinahe (4000 - 2700). Das liegt aber auch an der bereits erzielten Verbesserung.

Prä-1990 waren die Erfolge dagegen eher in gesetzgeberischen Massnahmen: Tempolimit 100 auf Landstrassen ab 1972, Gurtpflicht ab 1976, ab 1984 auch auf der Rückbank und Helmpflicht ab 1976.

Das würde ich in erster Linie mit dem Rückgang der Unfälle insgesamt erklären.

Bis Anfang der 2.000er-Jahre sind wir mehrmals im Monat zu Alleine-, meistens Baumunfällen gefahren. Mit der steigenden Verbreitung von ESP ist die Zahl dieser Unfallart kontinuierlich gesunken. Das Hauptunfallgeschehen mit Toten und Schwerverletzten hat sich mittlerweile eher in Richtung Frontalzusammenstoß bei Überholmanövern verlagert. Alleineunfälle kommen dann noch vor, wenn jemand es "richtig hat krachen lassen" und die Grenzen der Physik dermaßen überschritten hat, dass ESP auch nichts mehr ausrichten konnte. Wohl dem, der dann Auslaufzone zur Verfügung hat.

Allerdings: oben genanntes stammt nur aus meiner persönlichen Erfahrung. Von Unfällen, bei denen die Insassen noch ohne technische Hilfe aus den Fahrzeugen kommen, bei denen nichts brennt oder qualmt und bei denen keine Betriebsstoffe auslaufen, bekomme ich nichts mit...

Zitat:

@Hannes1971 schrieb am 25. April 2023 um 14:55:43 Uhr:



Allerdings: oben genanntes stammt nur aus meiner persönlichen Erfahrung. Von Unfällen, bei denen die Insassen noch ohne technische Hilfe aus den Fahrzeugen kommen, bei denen nichts brennt oder qualmt und bei denen keine Betriebsstoffe auslaufen, bekomme ich nichts mit...

Weil die Fahrzeuge inzwischen so sicher sind wurde auch die S3 Polytraumaleitlinie in Bezug auf die Schockraumindikation bei Verkehrsunfällen angepasst. Bisher war die Intension von mehr als 50-75 Zentimeter oder ein Geschwindigkeitsdelta größer 30 Kilometer pro Stunde die Indikation den Patienten im Schockraum vorzustellen, so ist dies seit 2023 ersatzlos entfallen. Die Zahl der Schwerstverletzten nach Verkehrsunfällen ist in den letzten Jahren rapide gesunken.

Zitat:

@Amen schrieb am 25. April 2023 um 14:48:00 Uhr:


Eher aus "Toten" Leicht- oder Unverletzte. Die Senkung der Zahl der Todesopfer gerade zwischen 1990 und 2010 war spektakulär:
https://de.statista.com/.../

Ca. 11000 - ca. 4000

Wenn man dann noch die "Weichziele" rausrechnet ist die Entwicklung für PKW-Insassen nochmals deutlich spektakulärer.

In der Konstruktion ist der Abstand zum theoretsich möglichen nicht mehr so groß, auf begrenzter Knautschzonenlänge geht nicht mehr. Vor allem nicht mehr wenn man nicht völlig einseitig auf Überleben bei höherem Tempo guckt. Das würde bedeuten die Knautschzone muss auf voller Länge Deformationskräfte hart an der Grenze zur tödlichen Belastung aufbrinen um sie bestmöglich zu nutzen. Bedeutet im Umkehrschluss aber kein Fußgängerschutz, kein halbwegs schadenarmer Parkrempler und deutlich schwerere Verletzungen bei niedrigem Tempo. Ergo baut man die Knautschzone progressiv. Anfangs weich und zunehmend härter werdend, auch wenn man damit etwas bei hohem Aufpralltempo verliert.

Letztlich steckt das schlicht auch Statistik hinter. Der Aufprall mit hohem Tempo ist erstaunlich selten im Vergleich zur Masse an Unfällen bei Stadttempo. Da ist der Kompromiss einfach sinniger im Bereich bis 50 oder 60km/h Kollisionsgeschwindigkeit möglichst wenig Verletzungen zu haben als die tödliche Grenze von beispielsweise 70 auf 74km/h hochzuschrauben.

Im Gegenzug wird der Partnerschutz in der Unfallstatistik immer wichtiger. Kleinfahrzeuge, E-Scooter, Pedelecs, Fahrräder, ...

Und auch so Dinge nicht zu vergessen dass rund 200 Tote und unzählige unnötige Verletzungen bzw. Verletzungsschweren immer noch auf die Kappe von nicht Anschnallen gehen.

Sicherheit ist in Summe nicht nur egoistisch Eigenschutz.

Für mein Gefühl sind Pkws zu sicher. Viele Lenker von Pkw scheinen die höhere Sicherheit (gibt ja nur‘n Blechschaden) in Ihrer Fahrweise einzukalkulieren. Dieses Verhalten erzeugt Stress bei Anderen, es muss nicht sein. Das sogenannte "vorsichtig hineintasten“ findet oft nicht mehr so vorsichtig statt wie eigentlich angemessen wäre (eigene Beobachtung im Lauf der Zeit bei über 40 Jahren aktiver Teilnahme am Straßenverkehr). Ich finde, es ist der allgemeinen Sicherheit abträglich, wenn einige "auserwählte“ quasi unverwundbar jeden Scheiss im Straßenverkehr veranstalten können, ohne zumindest ihre eigene Gesundheit dabei aufs Spiel zu setzen. Fahrer großer und schwerer Pkw fallen mir dabei besonders unangenehm auf, ihre Fahrzeugdimensionen platzheischend einzusetzen, dies vor allem in engen Straßenverläufen, im Sinne von " je breiter das Auto, desto weniger wird rechts am Fahrbahnrand gefahren, soll der andere doch sehen, wie er sich klein macht“.
Grüße aus Berlin

Das, Ber2020, sehe ich komplett anders.
Denn die großen Autos nehmen durch ihre größeren Crashboxen bereits seit über 20 Jahren mehr Energie bei einem Crash auf, als kleine.
So gesehen ist der Smart eigentlich das für andere gefährlichste Auto. Er ist voll auf die Knautschzone der anderen angewiesen.

Ich empfinde zwei Gruppen von Fahrern als mit Abstand am risikofreudigsten: Vertreter in Skoda Kombis und Paktdienstfaherer in Lieferwagen.
Unabhängig davon, ob ich im Kleinwagen, SUV oder auf dem Motorrad sitze.
Das erscheint mir richtig auffällig.

Im SUV sitzen ja inzwischen viele. Da sind dann auch verpeilte Mamis mit ihren Smartphones in der Hand, alte Menschen und überambitionierte Familienväter dabei. Die Mehrheit fällt gar nicht auf.
Für Fahrten mit der Familie mag ich dieses Gefährt. Man damit ja auch rücksichtvoll fahren.

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