Lackqualität

Audi A4 B8/8K

Hallo zusammen,

ich finde, dass der Lack beim neuen A4 empfindlicher ist gegen Kratzer , etc. , als beim Vorgänger...

was meint Ihr dazu?

MfG
Markus

Beste Antwort im Thema

Momantan, bzw. die letzten Jahre haben die Lackhersteller natürlich jede Menge Hürden überwinden müssen, um Konkurrenzfähig zu bleiben. Da sind zum einen die vor 4 Jahren explodierenden Rohstoffpreise und die damit verbundenen hohen Kosten! Zusätzlich möchten die Autohersteller natürlich immer mehr sparen. Um jetzt mal einen Vergleich zu bringen, den manche so nicht erwarten würden:

Mittlerweile liegt der Preis für 1l Klarlack für z.B. Audi Ingolstadt bei 2,80€ - 4,00€ !!
War schonmal jemand im Fachgeschäft und wollte 1l HS-Klarlack von Glasurit (also BASF) kaufen? Aktuell gegoogelter Preis: 65,53€!
Bei Audi reden wir natürlich nicht von 1l, sondern von einem Wochenverbrauch von ca. 50-60 t.
Trotzdem muss der Lackhersteller einen Liter Lack für unter 1,40€ Rohstoffkosten produzieren, um mit dem Dumping-Preis von ca. 3,50€ als Mittelwert gesehen noch einen Gewinn zu erzielen. Um die Rohstoffkosten immer mehr zu senken, wird die Rezeptur des Lackes überprüft, und bereits bewährte Rohstoffe werden durch günstigere Rohstoffe ersetzt.

Entsprechend kann ich mir gut vorstellen, dass die Qualität der Lacke dadurch leidet. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass sich die Lackhersteller trotzdem immer im Bereich der Prüfvorschriften der Automobilhersteller bewegen. Sollte ein Lack den Ansprüchen von Audi nicht entsprechen, wird keine Freigabe für dieses Rezept erteilt, und das Material darf nicht eingesetzt werden.

Vorher werden die Lacke natürlich im Labor ausgiebig getestet. So werden durch verschiedene Prüfverfahren die chemische Beständigkeit, Schwitzwassertests, UV-Tests und Steinschlagtests durchgeführt. Alles auf original behandelten Prüfblechen, wie auch die Karossen behandelt werden - also Stahlblech, gereinigt, phosphatiert und durch das KTL-Becken getaucht. Anschließend wird der Original Lackaufbau nachempfunden. Also Füller (ca. 35µm - 45µm je nach Hersteller), Basislack (11µm - 15µm) und Klarlack (35µm-55µm). Selbst das Auftragsverfahren wird exakt eingehalten. Also Füller per ESTA (elektrostatisch) Hochrotationszerstäuber, Basislack mit ESTA und AIR (automatische Lackierpistolen, Klarlack mit ESTA. Diese Bleche enstprechen dann genau dem Aufbau, wie er auf jeder Karosse zu finden ist. Diese Bleche werden dann z.B. einem Steinschlagtest unterzogen. Die Bleche werden in ein Gerät gespannt - in das Gerät werden 5x hintereinander 230g "Normsteine" geschüttet. Dann werdden die Steine mit einem definierten Druck gegen das Blech geschossen. Nach den 5 Wiederholungen wird das Blech mit einer referenztabelle verglichen und entsprechend bewertet. Dort lässt sich dann unter anderem auch begutachten, welche Verbindungen zu Problemen führen. Ob also z.B. BC (Basislack) und CC )Klarlack = Clearcoat) sich vom Füller lösen, oder der CC sich vom BC, oder evtl auch der Füller, BC und CC von der KTL.
Als kleine Information: Rot-Töne schneiden bei einem Steinschlagtest immer signifikant schlechter ab, als andere Farbtöne. 😉

Solche Bleche werden auch für die Freibewitterung verwendet, z.B. beim Florida-Test, wo die Bleche den klimatischen Bedingungen in Florida ausgesetzt sind. Hintergrund ist, dass in Florida perfekte Bedingungen herrschen, um einen Lack schneller "altern" zu lassen. Starke Sonneneinstrahlung, hohe Luftfeuchtigkeit, hohe Durchschnittstemperaturen und einen hohen Salzgehalt in der Luft zermürben den Lack um ein vielfaches schneller als z.B. in Deutschland. Auch in der Wüste Arizonas sind solche Bewitterungsstationen vorhanden.

Solche, und noch viele andere Tests müssen die Lacke überstehen, um überhaupt dem Kunden vorgestellt zu werden. Sollte dies erfolgen, prüft die Verfahrenstechnik von AUDI sämtliche Ergebnisse in Ihren eigenen Wänden nocheinmal. Sollte es dann zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen, hat der Lack, mit Vorraussetzung eines guten Preises, die Chance, verarbeitet zu werden. Dann stehen Betriebsversuche an der Lackierlinie an. Eine Ringleitung (also, eine Leitung, die die Roboter mit Material versorgt, wird mit Versuchsmaterial befüllt. Daraufhin werden einige Schrottkarossen gefahren, um die richtigen Lackierparameter zu ermitteln. Sollte dort alles gut gehen, werden mit dem Versuchsmaterial Serienkarossen lackiert. Sollten dort keine Auffälligkeiten auftreten, dann das Material problemlos im Serienbetrieb verarbeitet werden.

Sprich also: Jede Karosse ist potenziell dafür geeignet, eine "Versuchskarosse" zu sein. Allerdings ist der Versuchslack bis dorthin soweit ausgereift, dass "eigentlich" keine Komplikationen auftreten DÜRFTEN! 🙂

Verdammt nochmal, hab ich jetzt weit ausgeholt! 😁

Hab ich jetzt eigentlich die Frage beanwortet, oder nur geschwafelt? 😁

40 weitere Antworten
40 Antworten

Zitat:

Original geschrieben von Drifter1606


*gähn* dann mach mal!

Mir ist schon klar, dass meine Ausführung ziemlich "laienhaft" formuliert ist. Aber ich wollte hier nicht anfangen auf die Feinheiten der Lackverarbeitung / Lackherstellung einzugehen. Das z.B. der Klarlack nicht "lackiert" sondern in Form von Pulver aufgebracht wird und anschließend unter Hitze eine Verbindung mit dem farbigen Lack eingeht ist nur ein Teil des Produktionsverfahrens. Fakt ist eben aber auch, dass hierdurch der Lack empfindlicher wird und eben öfters mal "abplatzt". Wenn ich Worte in Anführungszeichen setze ist das nicht als Zitat zu verstehen...🙄 Aber ich warte gespannt auf deine "korrekte" Erklärung!

Erstens mal wollte ich auch deine vorherige Aussage zurückkommen - dass "Wasserlack" verwendet wird...

Außer auf den Klarlack, trifft diese Aussage auch zu. Aber der Klarlack ist nunmal Hauptgrund für die meisten Beanstandungen und ist nicht auf Wasserbasis. Also ist der "Wasserlack" nicht schuld an den Qualitätsproblemen.

Im übrigen wird der Klarlack durchaus lackiert. Lediglich BMW in Dingolfing, Leipzig und Regensburg setzt auf Pulver-Klarlack. Und das bereuen sie mittlerweile schon wieder.
Mercedes in Rastatt setzt noch auf einen Pulver-Slurry - der aber auch lackiert wird.

Pulver-Klarlack ist sogar durchaus widerstandsfähiger als ein konventioneller 1K oder 2K-Klarlack. Könnte sich Audi also wünschen, dass sie dieses System verwenden würden. Dann wäre hier aber das Thema "Orange" bzw. Struktur unter den Top Ten der Lackfehler.

Um wieder zu deinem Statement zu kommen:
Die "Grünen" sind nicht schuld an den Lackfehlern! Denn ein Weichmacher hat in einem hochwertigen Lack nichts zu suchen. Vielmehr kommt es auf die Bindemittelwahl an. Ein wasserbasierter Lack steht qualitativ einem z.B acryl in nichts nach. Wenn ein sogenannter Autolackierer bockig ist, dass er nun seine seit 30 Jahren vewendeten Isocyanate in den Müll schmeißen muss, und das Lackieren des Basislacks neu erlernen muss, ebenso neue Investitionen in seine Lackieranlage stecken muss - dann soll er der Meinung sein, "Wasserlacke" sind scheiße! Objektiv betrachtet hat diese Aussage aber keinen Bestand! Eher das Gegenteil!

Und für alle, die der Meinung sind - vor 15 Jahren waren die Lacke besser:
Audi lackiert seit Anfang der 90er bereits mit Wasserbasislacken! Genau wie viele andere Hersteller! Und das, obwohl Sie es garnicht müssten! Aber das ist eine andere Geschichte.

Doppelpost

Sehr gute Ausführung - Danke!

Ich schließe mich dem an, super Post.
Jetzt wird es mal richtig interessant.

Ähnliche Themen

@Bracksdome - danke für die fundierte Ausführung!

versteh ich das richtig dass demnach der Lack ja gar nicht qualitativ schlecht ist? Ich hab mit meinem auch (noch) keine Probleme, der ist aber erst 1 Monat alt 😉
Aber nach den ganzen Meldungen (und Fotos) hier, hatte ich mich ja schon fast darauf eingestellt dass meine Motorhaube in einem halben Jahr wie ein Schlachtfeld ausschaut 😁

Ich denke mal für den Kunden ist es schnuppe ob der Lack nun aktuell gut oder schlecht ist solange der Kunde das Gefühl hat, dass die Lacke früher widerstandsfähiger waren.

Hm, also mir gehts schon mehr um Tatsachen als um Gefühle...

Momantan, bzw. die letzten Jahre haben die Lackhersteller natürlich jede Menge Hürden überwinden müssen, um Konkurrenzfähig zu bleiben. Da sind zum einen die vor 4 Jahren explodierenden Rohstoffpreise und die damit verbundenen hohen Kosten! Zusätzlich möchten die Autohersteller natürlich immer mehr sparen. Um jetzt mal einen Vergleich zu bringen, den manche so nicht erwarten würden:

Mittlerweile liegt der Preis für 1l Klarlack für z.B. Audi Ingolstadt bei 2,80€ - 4,00€ !!
War schonmal jemand im Fachgeschäft und wollte 1l HS-Klarlack von Glasurit (also BASF) kaufen? Aktuell gegoogelter Preis: 65,53€!
Bei Audi reden wir natürlich nicht von 1l, sondern von einem Wochenverbrauch von ca. 50-60 t.
Trotzdem muss der Lackhersteller einen Liter Lack für unter 1,40€ Rohstoffkosten produzieren, um mit dem Dumping-Preis von ca. 3,50€ als Mittelwert gesehen noch einen Gewinn zu erzielen. Um die Rohstoffkosten immer mehr zu senken, wird die Rezeptur des Lackes überprüft, und bereits bewährte Rohstoffe werden durch günstigere Rohstoffe ersetzt.

Entsprechend kann ich mir gut vorstellen, dass die Qualität der Lacke dadurch leidet. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass sich die Lackhersteller trotzdem immer im Bereich der Prüfvorschriften der Automobilhersteller bewegen. Sollte ein Lack den Ansprüchen von Audi nicht entsprechen, wird keine Freigabe für dieses Rezept erteilt, und das Material darf nicht eingesetzt werden.

Vorher werden die Lacke natürlich im Labor ausgiebig getestet. So werden durch verschiedene Prüfverfahren die chemische Beständigkeit, Schwitzwassertests, UV-Tests und Steinschlagtests durchgeführt. Alles auf original behandelten Prüfblechen, wie auch die Karossen behandelt werden - also Stahlblech, gereinigt, phosphatiert und durch das KTL-Becken getaucht. Anschließend wird der Original Lackaufbau nachempfunden. Also Füller (ca. 35µm - 45µm je nach Hersteller), Basislack (11µm - 15µm) und Klarlack (35µm-55µm). Selbst das Auftragsverfahren wird exakt eingehalten. Also Füller per ESTA (elektrostatisch) Hochrotationszerstäuber, Basislack mit ESTA und AIR (automatische Lackierpistolen, Klarlack mit ESTA. Diese Bleche enstprechen dann genau dem Aufbau, wie er auf jeder Karosse zu finden ist. Diese Bleche werden dann z.B. einem Steinschlagtest unterzogen. Die Bleche werden in ein Gerät gespannt - in das Gerät werden 5x hintereinander 230g "Normsteine" geschüttet. Dann werdden die Steine mit einem definierten Druck gegen das Blech geschossen. Nach den 5 Wiederholungen wird das Blech mit einer referenztabelle verglichen und entsprechend bewertet. Dort lässt sich dann unter anderem auch begutachten, welche Verbindungen zu Problemen führen. Ob also z.B. BC (Basislack) und CC )Klarlack = Clearcoat) sich vom Füller lösen, oder der CC sich vom BC, oder evtl auch der Füller, BC und CC von der KTL.
Als kleine Information: Rot-Töne schneiden bei einem Steinschlagtest immer signifikant schlechter ab, als andere Farbtöne. 😉

Solche Bleche werden auch für die Freibewitterung verwendet, z.B. beim Florida-Test, wo die Bleche den klimatischen Bedingungen in Florida ausgesetzt sind. Hintergrund ist, dass in Florida perfekte Bedingungen herrschen, um einen Lack schneller "altern" zu lassen. Starke Sonneneinstrahlung, hohe Luftfeuchtigkeit, hohe Durchschnittstemperaturen und einen hohen Salzgehalt in der Luft zermürben den Lack um ein vielfaches schneller als z.B. in Deutschland. Auch in der Wüste Arizonas sind solche Bewitterungsstationen vorhanden.

Solche, und noch viele andere Tests müssen die Lacke überstehen, um überhaupt dem Kunden vorgestellt zu werden. Sollte dies erfolgen, prüft die Verfahrenstechnik von AUDI sämtliche Ergebnisse in Ihren eigenen Wänden nocheinmal. Sollte es dann zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen, hat der Lack, mit Vorraussetzung eines guten Preises, die Chance, verarbeitet zu werden. Dann stehen Betriebsversuche an der Lackierlinie an. Eine Ringleitung (also, eine Leitung, die die Roboter mit Material versorgt, wird mit Versuchsmaterial befüllt. Daraufhin werden einige Schrottkarossen gefahren, um die richtigen Lackierparameter zu ermitteln. Sollte dort alles gut gehen, werden mit dem Versuchsmaterial Serienkarossen lackiert. Sollten dort keine Auffälligkeiten auftreten, dann das Material problemlos im Serienbetrieb verarbeitet werden.

Sprich also: Jede Karosse ist potenziell dafür geeignet, eine "Versuchskarosse" zu sein. Allerdings ist der Versuchslack bis dorthin soweit ausgereift, dass "eigentlich" keine Komplikationen auftreten DÜRFTEN! 🙂

Verdammt nochmal, hab ich jetzt weit ausgeholt! 😁

Hab ich jetzt eigentlich die Frage beanwortet, oder nur geschwafelt? 😁

Hallo, 

die Höflichkeit gebietet zu sagen: Frage beantwortet !  😁

Nee, im Ernst, wirklich sehr fundierte und ausführliche Antwort !
Bist Du im Bereich der Lackierung, Lackherstellung o.ä. tätig ?

Interssant bei dem Thema ist aber, daß trotz der neuen Lacke die Meinung weit verbreitet ist,
daß die neuen empfindlicher sind als die "Alten".
Ist das nur Einbildung nach dem Motto: Früher war alles besser ?
Oder haben die früheren Lacke einfach die Herstellervorgaben "übererfüllt" und die neuren erreichen die Vorgaben gerade so ?
Oder sind die gefahrenen Geschwindigkeiten höher als "früher" und somit die Steinschläge "aggressiver" als vorher ?

Grüße,
Frank

Zitat:

Original geschrieben von fsiquattro


Nee, im Ernst, wirklich sehr fundierte und ausführliche Antwort !
Bist Du im Bereich der Lackierung, Lackherstellung o.ä. tätig ?

Interssant bei dem Thema ist aber, daß trotz der neuen Lacke die Meinung weit verbreitet ist,
daß die neuen empfindlicher sind als die "Alten".
Ist das nur Einbildung nach dem Motto: Früher war alles besser ?
........

Ja, ist er 🙂.

Genau das wollte ich mit meinem Posting vorhin auch sagen: Der Tenor ist eigentlich, dass die Lacke nicht besser sondern empfindlicher geworden sind.

Auch ein Dank von meiner Seite für die asuführliche Schilderung.
Leider leider hilft es aber nicht meinen Ärger über die Lackqualität zu besänftigen.
Mein Eindruck bleibt, dass der Lack (bei meinem Audi) seeeeehr empflindlich ist.
Ich hoffe nur das es nicht mehr werden. Sonst muss ich schon nach 1 Jahr die Motorhaube und die Kotflügel neu lackieren lassen.

Es grüßt

GG

Deine Antwort
Ähnliche Themen