Hatte Sekundenschlaf-Unfall auf Autobahn...
Hallo alle
So, jetzt hab auch ich mal so richtig in die Sch...e gegriffen, und zwar 100% selbverschuldet. Naja, umgekehrt betrachtet hatte ich vielleicht auch "unverdient" enormes Glück. Nur ein Auffahr-Rempler. Das hätte bei anderen Umständen ohne weiteres auch Tagesschau-reif enden können.
Ausgangssituation: zwischen 4 und 5 nachts gestartet für eine 8-Stunden-Fahrt. In dieser Nacht keine Zeit gehabt für eine Mütze Schlaf.
Ab einem gewissen Schlafdefizit ist man komischerweise nicht mehr müde (hab nicht rumgegähnt), sondern eher "fertig" aber aufgekratzt. Genau wie bei Erfrierendenden, denen es auch irgendwann so schön warm wird....
Aber irgendwann wird es echt bleiern, trotz Kaffee. Es geht los mit regelmäßig aufwallenden Kämpfen zwischen Wille und Schläfrigkeit. Aber der Wille kann diesen Kampf immer wieder gewinnen, wenn er stark genug ist. So dachte ich mir das jedenfalls, und so ging es ja auch stundenlang gut. Also, dachte ich, kann man so die Fahrt zwar selbstquälerisch, aber dennoch wach bis zum Ziel durchstehen.
Die Falle, mit der ich nicht gerechnet hatte: Der Wille wird irgenwann einfach nicht mehr gefragt. Ich kann mich vor dem Einschlafen an keinen finalen "Endkampf" zwischen Wille und Müdigkeit erinnern. Irgendwann macht der Körper einfach das Licht aus, ohne nochmal bei Dir nachzufragen, also Spontan-Bewusstlosigkeit. So sterben übrigens auch Schiffbrüchige, weil fortschreitende Unterkühlung genauso auf das Gehirn wirkt wie fortschreitende extreme Übermüdung.
Es gibt allerdings eine allerletzte Warnsignal-Chance, die man NIEMALS (das weiß ich jezt) ignorieren darf. Deine Sinne werden für eine Sekunde kurz an-betäubt, dein Bewusstsein aber noch nicht (ganz). Das hört sich genauso an, wenn deine Ohren durch Discolärm betäubt wurden und man aus der Disco rauskommt, also die Umgebung wirkt plötzlich ganz leise und so etwas "blubberig". Aber wiegesagt, nur für eine Sekunde oder so. Das war 1h vor dem Vorfall einschl. einer eingelegten Pause.
Falle Nr. 2: Es hilft also auch NICHT, eine ausgibige "Frischluft"-Pause mit Tanken und Einkaufen zu machen (hatte ich nämlich gemacht). Das lindert nur kurzzeitig, bald danach ist die Situation wieder da.
An das Geschehen direkt vor dem Auffahrunfall kann ich mich nicht mehr erinnern. Das ist ganz normal, denn Schlaf löscht wie jede Form von Bewusstlosigkeit das Kurzzeitgedächtnis aus. Ich weiß also auch nicht, wie lange ich hinterm Steuer geschlafen habe, ob 1 oder 10 Sekunden.
Falle Nr. 3: der Bumms weckt dein Unterbewusstsein eine Sekunde vor deinem Bewusstsein. In dieser Sekunde, während Dein Bewusstsein noch "bootet", macht das UB, was es für instinktiv richtig hält, lenkt also schreckhaft vom Hindernis weg. Das erste, was ich wieder wirklich bewusst wahrgenommen habe, war wie das Auto noch bei 120 km/h leicht schlingerte, und zwar halb auf dem linken Grünstreifen. Der Unfallpartner sagte, ich wäre zuvor auf der Mitte der Autobahn (auf Fahrbahnmarkierung zw. rechter und linker Fahrbahn) gefahren. Vielleicht hatte mir ESP also gerade "im Schlaf" meinen Ar... gerettet. Wenn ja: Danke, ESP.
Da beide Autos nur 10-20 km/h Differenz drauf hatten, ist der Schaden wie durch ein Wunder nur wie ein mittelschwerer Parkrempler. Puh...
Thema Kasko-Versicherung / kurze Google-Recherche: Entfällt; Einschlafen gilt standardmäßig (und zurecht!) als "grob fahrlässig". Ausnahmen gab es nur ganz selten, etwa bei gewohnheitsmäßigen Nachtarbeitern. Ich finde ich das auch eigentlich sehr gut so und gerechtfertigt, obwohl ich hier selbst Betroffener bin. Ich habe jetzt echt nicht vor, meine
Kasko zu belügen, das gegnerische Unfallprotokoll anzuzweifeln etc., und somit diese (ergo die Allgemeinheit) zu bescheißen. Und am Ende sieht man sich vor Gericht, unterliegt im Gutachterstreit, und es kommt eh nichts dabei raus außer "Spesen". Dann lieber den Schaden als gerechten Warnschuss vor den Bug auffassen und gleich selbst tragen. Glaubt mir, ich bin ja so froh, dass ich nur Kotflügel, Felge und Scheinwerfer ramponiert habe, aber kein Leben ausgelöscht der so.
Bis denne
Euer Eisvogel
Bild 1: Gegner-Auto wirklich nur wie ein einfacher Parkrempler. Mann, das ist noch solide Wertarbeit, Respekt!
Beste Antwort im Thema
Hm vielleicht übersehe ich gerade was, aber warum genau wurde ein 9 Jahre alter Thread ohne neuen Informationsgehalt jetzt wieder hochgeholt?
Übersehe ich gerade was?
56 Antworten
@Eisvogel
Kompliment, wie offen und ehrlich du deinen Unfall beschrieben hast! Ich hoffe dass möglichst viele von deiner Erfahrung profitieren und sich nicht in diese tödliche Falle begeben. Hier irrst du aber:
Zitat:
Original geschrieben von Eisvogel
Bei Alkohol weiß jedes Kind, das man dann einen Tunnelblick bekommt, extrem lange Reaktionszeiten (oder überhaupt nicht reagiert), Schlangenlinien fährt etc. Bei Müdigkeit ist das alles nicht so.
Der Volksmund beschreibt das mit Schlaftrunkenheit genau richtig! Man hat bei entsprechender Müdigkeit eine deutlich eingeschränkte Wahrnehmung und Reaktionszeit, lange bevor der Körper (wie du es nennst) abschaltet - man nimmt es nicht so deutlich wahr, weil der Prozess fliesend ist, bis am Ende der Körper von jetzt auf gleich abschaltet.
Grüsse
Klaus
Zitat:
Original geschrieben von Eisvogel
Bei Alkohol weiß jedes Kind, das man dann einen Tunnelblick bekommt, extrem lange Reaktionszeiten (oder überhaupt nicht reagiert), Schlangenlinien fährt etc. Bei Müdigkeit ist das alles nicht so.
Ich bin froh dass dir und dem anderen Teilnehmer nichts passiert ist auf der AB! Gratulation 2. Geburtstag!
aber das was ich zitiert habe macht mich stuzig!
Aber gerade bei Müdigkeit sind die Symptome ähnlich dem Alkohol und das ist auch sehr wohl bekannt!
aber ich will auch nicht Moralapostel spielen!
mfg
DSGFanatiker
Zitat:
Original geschrieben von DSGFanatiker
Aber gerade bei Müdigkeit sind die Symptome ähnlich dem Alkohol und das ist auch sehr wohl bekannt!
OK, wenn das so ist, bestärkt mich das sogar noch darin, damit lieber nicht meine Versicherung zu belämmern.
Aber das habe ich echt nicht gewusst! Für mich war Müdigkeit in erste Linie ein Feel-Bad-Faktor. Ich hab mir eingebildet, dass das Gehirn dann immer noch gut leistungsfähig und entscheidungsfühig ist. So leidet ja z.B. auch nicht die Aussprache (ist beim Alkohol ja bekanntermaßen anders). Oder man kann ja wiegesagt auch noch am Computer sitzen.
Aber deshalb habe ich ja auch diesen "Bekenntnis-Thread" aufgemacht, denn wenn nur ein einziger so denkt wie ich dachte, hat sich das vielleicht schon gelohnt.
- Eisvogel
Zitat:
Original geschrieben von Eisvogel
... Oder man kann ja wiegesagt auch noch am Computer sitzen. ...
Das ist auch deutlich entspannender für den Körper. Und die Geschwindigkeit ist auch eine andere spiel mal völlig übermüdet ein neues Autorennspiel, das du nicht kennst....da wirst du auch nicht wirklich gut abschneiden.
Gruss
Ähnliche Themen
Zitat:
Original geschrieben von Mister_1024
Das ist auch deutlich entspannender für den Körper. Und die Geschwindigkeit ist auch eine andere spiel mal völlig übermüdet ein neues Autorennspiel, das du nicht kennst....da wirst du auch nicht wirklich gut abschneiden.
Gruss
Nein, eigentlich ist es doch umgekehrt (wenn man keine Rennen fährt). Die Autobahnfahrt war eigentlich langweilig und eintönig (120 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung), und der Körper entspannt sehr gut zurückgelehnt in den sehr bequemen Autositzen. Die Geschwindigkeit, mit der neue Eindrücke auf dich zukommen und autofahrerisch verarbeitet werden müssen, ist extrem langsam oder praktisch null bei geringer Verkehrsdichte und gerader Strecke.
Vor'm PC dagegen prasseln ständig neue Ereignisse und Situationen auf dich ein, und ständig werden Entscheidungen abgefordert, selbst bei Strategierundenspielen ohne jeden Zeitdruck.
Also: Falle Nr. 4: Glaubt nicht, dass Speed ein gutes Mittel ist, um wachzubleiben. Die Geschwindigkeit ist Sch...egal. Es kommt allein auf die Frequenz neuer zu verarbeitender Eindrücke an. In einer fremden Stadt wirst Du niemals einschlafen, auch nicht bei 30 km/h. Selbst kurvige Landstraßen haben wahrsch. ein deutlich geringeres Risiko als langweilige Autobahnen, vermute ich mal.
Gruß
- Eisvogel
@Eisvogel:
Danke für den selbstkritischen Bericht, dazu gehört ne Kappe Mut. Er zeigt auf, wovor ich auch schon einmal kurz gestanden habe... in diesem Fall war der Wille aber stärker als die Müdigkeit.
Am nächsten Tag konnte ich mich nur an etwa 50 % der Fahrt erinnern. Lange Rede, kurzer Sinn: ich weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin (ohne Alkohol...).
Schockierend, wie ich finde, sich und andere Personen derart zu gefährden.
Jetzt weiß ich´s besser.
Gruß
AR78
P.S.: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag 😉
@Eisvogel:
Du hast das Beste gemacht, was man in so einem Fall tun kann, nämlich mit deinem Bericht Anderen die Chance gegeben nicht den gleichen Fehler zu begehen. Da gehört einiger Mut dazu, Glückwunsch.
Deine Analyse, dass eine langweilige Fahrt die Müdigkeit verschärft teile ich völlig, allerdings stimmt es nach meiner Erfahrung nicht, dass die Geschwindigkeit keine Rolle spielt.
Fahren mit hoher Geschwindigkeit steigert die Aufmerksamkeit und den Stresslevel deutlich. Wird man dagegen durch Geschwindigkeitsbegrenzungen oder langsame Verkehrsteilnehmer längere Zeit zum langsam Fahren gezwungen, spürt man die Müdigkeit viel stärker.
Ich will damit jetzt niemanden zum Rasen verleiten, ausgeschlafen sein ist die weitaus bessere Option, aber der beschriebene Effekt existiert definitiv.
Zitat:
Original geschrieben von Fibonacci144
Fahren mit hoher Geschwindigkeit steigert die Aufmerksamkeit und den Stresslevel deutlich. Wird man dagegen durch Geschwindigkeitsbegrenzungen oder langsame Verkehrsteilnehmer längere Zeit zum langsam Fahren gezwungen, spürt man die Müdigkeit viel stärker.
Ich will damit jetzt niemanden zum Rasen verleiten, ausgeschlafen sein ist die weitaus bessere Option, aber der beschriebene Effekt existiert definitiv.
*zustimm* diese Er"fahrung" hatte ich auch schon manchmal.
Beim schnelleren Fahren ist der Körper einfach mehr gefordert und aufmerksamer.
Dies aber auch nur begrenzt. Irgendwann ist eben mal Ende und diesen Punkt muss man einfach rechtzeitig erkennen. dies hat nichts mit Schwäche zu tun.
Gruß Gerd
seit ich vor ein paar jahren mal auf einer langen geraden auf meinem scooter (!) eingeschlafen bin und nur der staßengraben einen aufprall auf einer betonsäule verhindert hat, fahre ich nun einfach rechts ran und schlafe;
besser später ankommen als garnicht;
durch deinen beitrag ist mein gedächtnis wieder aufgefrischt worden, und ich hoffe das vieler anderer user hier auch...
in diesem sinne:
thx für den beitrag,
alles gute zu schadensregulierung,
und happy birthday!
Hi Eisvogel.. Danke für Dein Beitrag.. sehr wichtig.. war auch schon mehrmals kurz davor..... es zeigt mir wie wichtig es ist unmittlebar eine Pause zu machen.
Gruss Sunrobin
Zitat:
Original geschrieben von bortoman
besser später ankommen als garnicht;
oder: "Besser 1 Sekunde im Leben verlieren als das Leben in einer Sekunde."
Die 1 Sekunde (um die Fußgängerbrücke zu benutzen) wollte ein Freund von mir vor 7 Jahren nicht in Kauf nehmen als er die Bundesstraße überquerte.
Zitat:
Original geschrieben von Eisvogel
Vor'm PC dagegen prasseln ständig neue Ereignisse und Situationen auf dich ein, und ständig werden Entscheidungen abgefordert, selbst bei Strategierundenspielen ohne jeden Zeitdruck.
Aber deine Verarbeitungsgeschwindigkeit wird zunehmend langsamer, Adrenalin hilft wirklich nur sehr kurzzeitig.
Zitat:
Original geschrieben von Mister_1024
Aber deine Verarbeitungsgeschwindigkeit wird zunehmend langsamer...
Ja, wahrscheinlich hast Du recht. Die Falle ist, dass man das aber selbst nicht wahrnimmt. Auch, da die Reaktionszeit auf der Autobahn nie gefordert wird, da da ja jedes Ereignis schon weit vorauszusehen ist (bei gutem Wetter, geringer Verkehrsdichte) - da gibt es nichts, woran man das selbst merken würde.
Zitat:
Adrenalin hilft wirklich nur sehr kurzzeitig.
Zitat:
Beim schnelleren Fahren ist der Körper einfach mehr gefordert und aufmerksamer.
Dies aber auch nur begrenzt.
Genau, gerade bei den dem Komfortlevel moderner Autos wie dem 8P[E] gewöhnt man sich schnell an so ziemlich jede Geschwindigkeit. Und das Mehr an Adrenalin wiegt keinesfalls das Mehr an Folgerisiko auf. Wär ich mit 180 statt 120 unterwegs gewesen, wäre ich nicht mehr, das ist mir völlig klar. Oh Sch..e, darf nicht schon wieder daran denken...
Gruß
Eisvogel
Auch von mir alles Gute zum 2.Geburtstag.
Schlimm wie es ist, aber man sieht hier, der Körper holt sich was er braucht, und er hat echt tolle Selbstschutzmechanismen. Krass das Bild vom Kotflügel. Hätt nicht gedacht dass der so knüllt. Sieht fast aus wie Papier.
Aber ging ja echt noch mal für beide gut aus.
Beruflich hab ich da leider schon sehr viel schlimmere Folgen des Sekundenschlafes ansehn müssen, glaubt mir.
Blech kann man zahlen. Körperliche Schäden sind schwer zu reparieren, eventuelle Tote...naja ich denk jeder weiss es
WICHTIG!!!!!!!!! Vielleicht kann dir das ein bischen helfen.
Oberlandesgericht Hamm, Aktenzeichen: 20 U 99/97
HAMM (DAV). Wer am Steuer Anzeichen von Müdigkeit verspürt, sollte unbedingt eine Pause einlegen: Bei einem Unfall, den ein Fahrer wegen eines sogenannten Sekundenschlafs verursacht, besteht die Gefahr, daß er seine Schäden nicht von der Kaskoversicherung ersetzt bekommt. Darauf hat das Oberlandesgericht Hamm in einem von den Verkehrsrechts-Anwälten (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein – DAV) veröffentlichten Urteil hingewiesen. Die Richter bezeichneten das Einnicken am Steuer – beispielsweise bei nächtlicher monotoner Autobahnfahrt – als »besonders schweren Verkehrsverstoß«. Dieser könne als grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden, was die Versicherung von ihrer Leistungspflicht befreie. In dem entschiedenen Fall hatte das Gericht jedoch ein Einsehen mit dem Kläger: Dieser hatte unstreitig 15 Minuten vor dem Unfall einen Tankstopp eingelegt und wäre zu diesem Zeitpunkt binnen einer halben Stunde am Ziel gewesen. Alkohol hatte er nicht getrunken. Unter diesen Umständen durfte der Betroffene davon ausgehen, daß er die restliche Strecke problemlos würde schaffen können, hieß es in dem Urteil. Sein Verhalten sei damit nicht »subjektiv« unentschuldbar« gewesen, der Vorwurf grober Fahrlässigkeit könne nicht erhoben werden. Damit mußte die Versicherung zahlen.