Wie wird aus weniger mehr?
Wenn man heute in der "Automobilwoche" den Situationsbericht zur bevorstehenden IAA liest, und auch sonst die Stimmung bei den Herstellern filtert,dann dämmert es besonders den Verantwortlichen bei den Premiummarken,daß das Jahr 2007 eine Zeitenwende in ihrer bisherigen Strategie bedeutet.
Blicken wir zurück in die 2.Hälfte der 90 ziger.
Der europäische Markt zeigte erste Sättigungstendenzen.Die Strategie wurde von Stückzahlen auf Wertschöpfung pro Stück umgestellt.Jedes neue Modell sollte größer, leistungsstärker und mit mehr Features abgeboten werden.Technische Innovationen,Individualisierung,mehr Performance waren die Premiumtreiber.Durch das Bedienen von Nischen entstanden neue Segmente mit hohen Deckungsbeiträgen.Jedes neue Modell hat auch heute noch mehr Leistung,High-Tech,größere Abmessungen,höheres Gewicht und mehr Individualisierungsmöglichkeiten.Natürlich kostet es auch mehr.Obwohl die verbesserte Produktivität zu Kosteneinsparungen von über 20 % bei jedem Modellwechsel führt.
Nun steht man vor dem Problem,daß Kunden und staatliche Organe das "Mehr" mit seinen Auswirkungen nicht mehr uneingeschränkt akzeptieren.Um den Anforderungen an Effizienz und Umweltkonformität gerecht zu werden,reichen ein paar Hybridkomponenten nicht.
Zumindest in Europa,wahrscheinlich auch in USA kristallisiert sich dabei ein "unschöner Trend zu kleineren Autos" heraus.
Dafür sorgen schon allein die in etlichen EU-Staaten aufgelegten Förderprogramme zum Kauf umweltentlastender Fahrzeuge und die scheinbar auf Dauer steigenden Spritpreise.In Deutschland steht zudem in den nächsten Jahren eine höhere Belastung von Fa.-Wagen im Raum.Ein Albtraum für die Branche.Ab 2008 geht es mit verschlechterten Abschreibungen und der Zinsschranke für Leasinggesellschaften los.Gibt es 2009 eine andere Regierungskonstellation,droht Ungemach. Ampel ist genauso aktuell wie Schwarz/Gelb. Ampel birgt aber die Gefahr,auf rot gestellt zu werden.
Man träumte schon von 700-800 PS-Autos im Jahre 2009/2010 und war sich sicher, Piechs-PS-Monster mit einer höchst ertragreichen Salami-Taktik etwa 2012 einholen zu können.
All diese Planungen sind nun Makkulatur. Viel schlimmer,die jetzigen Herausforderungen kosten den Premiumherstellern trotz Kooperationen und kostengünstigerer Fremdvergabe viel mehr Geld als sie eingeplant hatten.Denn sie kommen nicht umhin, ihre neuen Modelle kostenaufwändig abzuspecken.Mit Entsetzen stellen sie (Marktforschung)fest,daß die Kunden auch in den mittleren und höheren Preisklassen keine wesentlich höheren Umweltaufschläge zahlen wollen.Ein Benzinhybrid darf nicht viel mehr kosten,als ein gleichwertiger Diesel.
Der Spagat lautet also:
Wie schafft man es,den Kunden für weniger Verbrauch,weniger Gewicht und kompaktere Dimensionen
mehr Geld zu entlocken?
Oder wie es ein Vorstandsmitglied von BMW ausdrückte:
Wir müssen "Effizienz und umweltgerechte Technik" emotional soweit aufladen,daß die Kunden mehr bezahlen als für PS,Fahrleistungen und Fahrzeuggröße.Darauf haben scheinbar die teuer bezahlten McKinsey und Co. keine Antwort.
Einer meiner Freunde,der bei einem Premiumhersteller
(Baden-Würrthemberg) in gehobener Funktion tätig ist, erzählte mir, eine Option sei die Kürzung der Haltbarkeit auf Kilometerbasis." Wir mußten leider die Erfahrung machen, je besser die Autos in den letzten 10-15 Jahren wurden,umso länger fährt man sie.Jetzt gehören bisherige Prioritäten auf den Prüfstand."(Zumal auch das Teile-und Service-Geschäft darunter leidet).
Können Premiummarken u.a.auch Porsche für mehr Oekonomie und Ökologie höhere Wertschöpfung als bisher erlösen oder ist das ein aussichtsloses Unterfangen?
Gruß Kühli
17 Antworten
Carbon splittert sehr schön, wenn es bricht. Man sollte Unfälle verweiden, wenn man Carbon im großen Stil einsetzt 😉.
Gruß Jens
Hmm. DAS war es was ich eigentlich meinte: es müssen eben NICHT immer exotische Materialien eingesetzt werden um Gewicht einzusparen. Sehr oft ist die Formgebung der Teile im Gesamtverbund viel entscheidender.
Nicht das ich der große Experte bin, aber 3 Quellen lassen mich dies vermuten:
1. Ein Freund der Maschinenbau und Design studiert hat, hatte mich in "meiner Alu- und Carbonphase" mit zahlreichen Beispielen "beglückt" wie man mit angeblich schweren Materialien durch geeignete Struktur-Formgebung dennoch Mindergewicht erzielen kann.
2. Man liest und sieht mittlerweile viele Beispiele in den Stabilitätsstrukturen der Natur nachgemacht werden
3. Porsche hat dies auch schon selber realisiert und baut bereits heute Autos die leichter UND stabiler (manchmal zusätzlich auch noch größer) sind als der Wettbewerb - also können sie es ja schon, müsste man nur ausbauen.
Ein guter Ansatz von Manolo22: Die marketing / PR-Aktivitäten Porsche´s müssten natürlich genau diese Aspekte stärker in den Vordergrund rücken und somit positiv besetzen (vielleicht sollte uns Porsche anheuern ;-)))
Weitere Einspareffekte durch Weglassen zu erzielen ist sicher auch ein Weg. Die Lautsprechergeschichte ist ein schönes Beispiel (bin selber absoluter Musik und HiFi-Freak): wenige gute und gut platzierte Lautsprecher (vielleicht die Türverkleidung als Membran nutzend) bringen ein besseres Ergebnis UND besseren Klang - man muss sich nur bemühen.
Außerdem habe ich mal gelesen, dass in einem PKW angeblich 1 (?) KM Kabel verbaut sind - mit Digitaltechnik weitgehend überflüssig.
Es gab im TV mal ein Projekt "Wir bauen den 3-L-Golf" indem alles entfernt und ausgetauscht wurde, was nur ging - und dies ohne Komfort- und Sicherheitseinbussen. Meist waren es nur "Kleinigkeiten", die sich aber in der Summe addiert haben. Wenn ich mich recht erinnere haben die 300 kg eingespart - das ist eine Menge Holz!
Immerhin finde ich es erfreulich, dass wir alle eine gemeinsame Überzeugung in Sachen Mindergewicht haben. In meinem Bekanntenkreis hat es eigentlich nur Befremden ausgelöst als ich erklärt habe, dass ich mein Audi A4 3.0 Cabrio hauptsächlich wegen des hohen Gewichts gegen einen Boxster ausgetauscht habe. Man hat mir geraten zu einem S4-Cabrio zu greifen - zeigt sehr schön den aktuellen Mindset, den es zu ändern gilt.
Wird alles spannend!
VG
klaus1ladu
@Rolf: Klar, warum nicht? Ich klau jetzt mal den Spruch von einer Heimwerkerkette: geht nicht, gibts nicht! Was ist so exotisch an Carbon? Die Grundwerkstoffe an sich sind es nicht. Carbonfasern? Harz? Nein, es ist nur die Herstellung der Fasern und die Verarbeitung von Carbon. Und ich behaupte immer noch, dass es machbar ist, das zu robotisieren. Wieviele Beispiele von Produkten / Anwendungen gibt es, die man bei ihrer Erfindung als exotisch und absurd teuer angesehen hat, die jetzt millionenfach von irgendeinem Band laufen. Vielleicht gibt es auch bald ein besseres Material? Mir geht es nur um die Bottom-Line: das Gewicht muss runter, denn die Physik an sich - Traegheit der Masse - kann man nicht ueberlisten.
@Jens: Unfaelle wuerde ich auch in einem Stahl/Alu-Auto vermeiden 🙂 Im Idealfall loest sich Carbon beim Crash in Staub auf... d.h. dann maximale Energieaufnahme. Die Gefahr durch splitterndes Carbon ist gegeben, sollte aber auch loesbar sein.
@Klaus: Leichtbau durch intelligente Konstruktion in Verbindung mit leichten Materialien ist natuerlich der Koenigsweg. Ich bin aber eigentlich immer davon ausgegangen, dass die Hersteller durch CAD bereits die Formgebung der Einzelteile so den Kraftfluessen anpassen koennen, dass diese gewichtsoptimiert sind, sprich wo kein Material benoetigt wird weil keine Kraefte einwirken, laesst man es weg.
Das beste am Leichtbau ist ja eigentlich, dass es 1 zu 1 dem Fahrspass zu Gute kommt. Ein leichtes Auto ist agiler, fuehlt sich einfach schneller an, beschleunigt viel spontaner, kann hoehere Querbeschleunigung aufbauen... Das kann man auch mit 500PS nicht erreichen, wenn das Auto 2.000kg wiegt.
Von daher weise Entscheidung den A4 durch einen Boxster zu ersetzen 🙂
Der Mindset ist - leider - auf Komfort/Luxus + Fahrleistung ausgerichtet. Diesen kann man m.E. nur aendern indem man das Versprechen "Mehr Fahrspass durch mehr Effizienz und Leichtbau" vermarktet. Fuer einen Sportwagenhersteller sollte das doch machbar sein?!