Mercedes-Benz 420 SE (1987): mobile.de Fundstück
Berlin - So eine S-Klasse ist eigentlich zum eleganten Gleiten da. Aber wenn man will, kann man den Großstadt-erprobten „Ludenbomber“, wie
Verkäufer Matze seinen alten 420 SEliebevoll nennt, auch ordentlich treten. „Möchte mich von meiner S-Tonne trennen, sie dient mir hier in Berlin seit sechs Jahren pannenfrei als Alltagsauto“, erklärt der 40-Jährige in seinem Inserat. Wenig später steigen wir zu einer Probefahrt in seinen Fast-Oldtimer, Erstzulassung November 1987. In ein paar Wochen winkt das H-Kennzeichen.
3.750 Euro soll der Edel-Benz der legendären Baureihe W126 nur kosten. Ein Schnäppchen?
Mercedes 420 SE: V8-Motor mit 224 PS für 3.750 Euro
Der Kickdown funktioniert nach knapp 30 Jahren noch tadellos. Beim Ampelstart das Gaspedal bis zum Anschlag getreten, schießt der 1,6-Tonner durch Berlins Innenstadtviertel Prenzlauer Berg. 224 PS leistet der V8 und surrt wie ein Flugzeugtriebwerk. Manche sagen, bei
Daimlers M117-Motorsei der Lüfter lauter als der Motor. „Yepp“, bestätigt Matze und bremst die S-Klasse wieder herunter.
Im Prenzlauer Berg prägen Latte Macchiato schlürfende Muttis das Straßenbild, die ihre 1.000-Euro-Kinderwagen durch den Kiez schieben. Am Straßenrand stehen Familienkombis und moderne SUV zugezogener Gutverdiener. Da fällt eine alte, eckige S-Klasse auf, vor allem wenn sie
optisch auf Zuhältermilieu getrimmtist. Dieser Benz würde vom Klischee her besser nach Wedding oder Neukölln passen.
Die Baureihe W126 gilt als Meilenstein von Mercedes. Die von Bruno Sacco gezeichnete Edel-Limousine der Achtzigerjahre war
die erfolgreichste Oberklasse-Baureihe von Daimler. Sie galt vor 30 Jahren als Statussymbol schlechthin: Ob Bürgermeister oder Bundeskanzler:
wer etwas galtoder gelten wollte, ließ sich im W126er chauffieren. Allerdings machte der Wagen - und insbesondere das
weitgehend baugleiche Coupé SEC- auch Karriere als Dienstwagen für Zuhälter und Kriminelle.
Matzes 420 SE: Nicht original, aber zeitgenössisch
Klare Sache: Wer auf Originalität steht, ist Matzes 420 SE an der falschen Adresse. Vor sechs Jahren kaufte der Berliner den Daimler. Schon damals war der Wagen
tiefer gelegt und die Radhauskanten umgelegt- allerdings noch für Reifen auf Gullideckel-Felgen mit „extremen Spurplatten“, wie sich Matze erinnert. Er wechselte die Felgen und montierte Lorinser-Räder. Die sind heutzutage rar.
Vorne steht der 420 SE auf großspurigen 235er-, hinten sogar auf 255er-Breitreifen. Dazu die Lackierung in Blauschwarz-Metallic, innen schwarzes Leder und allerlei Extras wie elektrische Sitze, Klimaanlage, Sitzheizung oder Scheinwerferreinigungsanlage: Wenn Passanten seine S-Klasse sehen,
recken alle den Daumen hoch, erzählt Matze stolz. „Gangster- und Ludenkarre, rufen die immer!“
Matze ist kein Gangster. Sein Geld verdient der Familienvater als Flugzeugtechniker am Flughafen Schönefeld. Zu seinem Job auf dem Rollfeld fährt er mit dem 420 SE, die
15 Liter Spritverbrauch im Stadtverkehrstören ihn nicht. So spult die S-Klasse jeden Tag 70 Kilometer ab, derzeit stehen 302.000 Kilometer auf dem Tacho. Tendenz: steigend. „Das ist mein Alltagsauto“, sagt Matze. Immerhin ist so nicht mit Standschäden zu rechnen.
Viel investiert, trotzdem noch zu tun
Im Gegenteil, der 40-Jährige hat in den vergangenen Jahren einiges investiert, um seinen Ludenbomber am Laufen zu halten. Vor 40.000 Kilometern wurden prophylaktisch die Kunststoff-Gleitschienen der Steuerketten und
Kettenspanner gewechselt, eine der großen Schwachstellen bei den Achtzylinder-Motoren M117. Die Vorderachse wurde neu gebuchst, das Lenkgetriebe revidiert, inzwischen tropft es dort aber wieder.
Nicht gemacht sind die Hydrostößel, die schon seit Jahren laut klackern. Bei einer Revision würden nicht nur die Stößel, sondern auch die Kipphebel gleich mitgemacht, allein die
Materialkosten belaufen sich auf mehrere Hundert Euro. Hinzu kommen einige Ausfälle im Innenraum: Die Klimaanlage kühlt nicht, beim Schiebedach ist der Hubwinkel gebrochen. „Aber sonst funktioniert - fast - alles“, sagt Matze und lacht.
Und Rost? Der Korrosionsschutz gilt zumindest bei der zweiten W126er-Generation ab 1986 als sehr solide. Beim Berliner 420 SE tritt die braune Pest trotz Verzinkung der Bleche deutlich zutage, etwa an der Heckklappe, den Radläufen und am vorderen linken Kotflügel. Dort ist das Blech schon so durchgefault, dass es
mit dem H-Gutachten schwierig werdendürfte. Immerhin wurde der Rahmen der Heckscheibe schon einmal vom Rost befreit und instand gesetzt - noch so eine Schwachstelle beim W126.
Die S-Tonne muss weg für drei Kindersitze
Nun will, nein, muss Matze seine geliebte S-Tonne abgeben. Vor ein paar Wochen hat seine Frau das dritte Kind geboren, und drei Kindersitze passen selbst in eine S-Klasse nicht hinein. „Der Wagen muss leider weg“, sagt er ein bisschen wehmütig. Beim Preis zeigt er sich deshalb verhandlungsbereit. 3.750 Euro sind jedenfalls nicht viel für einen W126 mit V8. Allein die
Lorinser-Felgen werden manchen Liebhabern 800 Eurooder mehr wert sein.
Classic Data, der Marktbeobachter für klassische Fahrzeuge, notiert den 420 SE im Zustand drei bei 6.000 Euro,
im Zustand zwei sogar bei 10.000 Euro. Diese Preise gelten allerdings für Buchhalter. Begehrte Extras wie Leder in Kombination mit Farbe 199 können den Marktwert enorm nach oben schrauben.
Mercedes S-Klasse W 126 bei mobile.deVon Zustand zwei ist Matzes Ludenbomber weit entfernt. Die HU-Plakette ist zwar noch bis zum nächsten Juni gültig. Aber um den Daimler langfristig zu erhalten, muss man sicherlich eine Menge hineinstecken. „Vielleicht 5.000 oder 6.000 Euro“, meint Matze. „Aber dann hat man ein Tippi-Toppi-Auto.“
Technische Daten Mercedes-Benz 420 SE (1985-1991)
- Motor: Achtzylinder-Benziner
- Hubraum: 4.196 cm³
- Leistung: 224 PS (165 kW),
- Getriebe: Vierstufen-Automatik
- 0-100 km/h: 9,0 s
- Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h
- Verbrauch: ca. 13 l/100 km
- Leergewicht: 1.640 kg
- Länge: 5,020 m
- Breite: 1,820 m
- Höhe: 1,441 m
- Radstand: 2,935 m
91 Antworten
Nie was gemacht aber als Oldtimer verkaufen wollen...
Gegen Alltagsgebrauchspuren sagt ja keiner was, aber Rost und die Technik sind in einem Zustand unter aller Sau
Kommt davon wenn man nur fährt und tankt
Zitat:
sie dient mir hier in Berlin seit sechs Jahren pannenfrei als Alltagsauto“, erklärt der 40-Jährige in seinem Inserat.
Zitat:
Hinzu kommen einige Ausfälle im Innenraum: Die Klimaanlage kühlt nicht, beim Schiebedach ist der Hubwinkel gebrochen. „Aber sonst funktioniert - fast - alles“, sagt Matze und lacht.
Pannenfrei als Alltagsauto. Ja wenn ich definiere das ein Auto perfekt läuft nur weil der Motor dreht....

Ich glaube die Kindersitze sind nur ein Vorwand, näher betrachtet fällt die Kiste ja ziemlich auseinander....
Danke an die Redaktion, ich lese soetwas sehr gerne. Bitte weiter solche Berichte.
Wen es nicht interessiert, der muss es letzlich nicht lesen. Und im Verhältnis zum Preis, dem sehr ordentlichen Innenraum, erfolgter Reperaturen und den anstehenden Instandsetzungen passt auch alles.
Ähnliche Themen
Ohje, was für ein runter gerittenes Auto, schade drum ! Aber "Rotlicht-Tuning" kann ich keines erkennen, darunter verstehe ich etwas ganz anderes...
Zitat:
@Dynagonzo schrieb am 11. September 2017 um 11:14:40 Uhr:
Ohje, was für ein runter gerittenes Auto, schade drum ! Aber "Rotlicht-Tuning" kann ich keines erkennen, darunter verstehe ich etwas ganz anderes...
Bezieht sich wohl auf die Rückleuchten, Tieferlegung und das Bördeln der Kotflügel.
Zum Ende hin ja...da gab es doch auch diese Königs Umbauten? 560SEC...
Waden aber super Autos, zwei meiner Onkels hatten einen, war schon ein Meilenstein.
sind schöne autos aber der scheint so rostig dass er längerfristig auf der schlachtbank enden wird.
h kennzeichen nur nach restauration oder eben wildem spachtel gepfusche.
es gibt noch zu viele gute als dass es sich groß lohnt so einen zu restaurieren. dann lieber 12t€ für einen der top ist, weiterhin in erstlack fahren kann. gerade wer bereits ist nicht den 500er oder 560er zu kaufen sondern mit einem 380er oder 420er auch leben kann wird da sicherlich gut fündig.
damit jeden tag 2x35€=70km arbeitsweg zeigt schon einiges an unvernuft. wenn er den wirklich schon länger als 40tkm hat so hätte sich eine gasanlage längst amotisiert.
details wie kfz steuer wäre mal interessant (keine ahnung ob der euro1 oder euro2 hat. mit euro1 wäre er als 4.2er schon recht teuer).
in der versicherung gibts ja für die karre über club-mitgliedschaft schon seit langem günstige prämien aber das könnte man im artikel erwähnen.
ich denke technisch sind die 126er noch so, dass man mit etwas schrauberkenntnissen, büchern, internetforen (oder neuerdings auch facebook gruppen) alles selbst machen kann. selbst die elektrik machbar, wenn man weiß wo die schwachpunkte sitzen
der 140er ist da weiteraus schwieriger. da kommst nur mit dem lötkolben und multimeter eben nicht mehr wirklich weit. aber auch hier gibts spezialisten, typische ausfälle und deren abhilfe sauber dokumentiert so dass man den fehlern herr werden kann, wenn man den möchte.
die aussage dass es irgendwann keine oldtimer mehr gibt wegen der komplexeren elektrik halt ich daher für schwachsinn. schon die heutige oldtimergeneration besteht doch zum allergrößten teil aus massenfahrzeugen. und eben aus fahrzeugen deren mängel entweder in der serie abgestellt wurden oder eben bekannt und einfach zu beheben sind. richtige fehlkonstruktionen schaffen es meist gar nicht ins oldtimeralter da fallen die stückzahlen nach produktionsende rapide und die ersatzteilesituation verschäft sich recht schnell.
bei mercedes kommt noch hinzu dass du eben nahezu jedes ersatzteil kriegst. kostet halt geld.
Zitat:
@Raver2014 schrieb am 10. September 2017 um 09:12:55 Uhr:
Dieses Auto ist zwar sehr schön,ABER.............
Mein Chef hatte damals einen Solchen gekauft, auch gebraucht. Der hat
sog. blinde Verbraucher gehabt, so das wenn Er mal einen Tag gestanden
hat, anspringen nicht mehr drin war. Mercedes konnte diese Verbraucher
nicht finden, so das dieses Auto nur noch weiterverkauft werden konnte.....
Diese Autos haben soviel Elektronic verbaut, so das Fehler zum verzweifeln
führen können. Nicht Empfehlenswert, auch zu diesem Kurs nicht.
Würde eher sagen unfähige Werkstatt
Der Designer Bruno Sacco war ein Garant für zeitloses Dessign.
Die aktuellen Modelle sind eher zum vergessen.
Germknödel-Design und irgendwo Kanten , wo sie nicht hingehören.
In der Tat eine runtergerockte Ratte, keiner Erwähnung wert und völlig überteuert. 800€ und ab nach Azerbaidjan damit.
Was diese Auto wirklich können:
Vor Jahren fuhr eine W126 Limousine gemächlich vor mir auf der Autobahn. Als ich mich langsam näherte, sah ich rechts am Heckdeckel einen ungewöhnlich langen Schriftzug in den typische MB Chromlettern. Ich überlegte noch, was da wohl stehen könnte. Turbodiesel? Nee, zu kurz und überhaupt kein Auto das je in D verkauft wurde. Was sonst? Ich kam näher und konnte lesen "1.000.000 km", links stand 560 SEL. Ich habe keinen Zweifel, das der Wagen noch mit erster Maschine unterwegs war.
Nee, liebe MT Redaktion. Andersrum wird ein Schuh draus: Als der W140 auf den Markt kam, wurde er generell als zu breit, zu schwer und zu protzig angesehen. Dementsprechend entwickelten sich die Verkaufszahlen am Anfang gar nicht gemäß den Stuttgarter Erwartungen. Daraufhin initiierte die Marketing-Abteilung eine Untersuchung, wer denn den W140 vorrangig kaufe. Ergebnis: in erschreckend hohen Maße Luden! Verständlich, dass MB mit dieser Marketing-Erkenntnis nicht groß an die Öffentlichkeit ging.
Das Luden-Image des W126 stammt eindeutig aus dem Anfang der 80er Jahre und Tuning-Auswüchsen wie z.B. dem König-Breitbau. Aber auch SGS verkaufte zu der Zeit so manche S-Klasse nicht nur in den Nahen Osten sondern auch nach Hamburg oder Frankfurt (und waren 1986 bereits insolvent). Wer jedoch Ende der 80er Jahre immer noch im W126 unterwegs war zeigte nur, dass er seine "Geschäfte" nicht im Griff hatte. Da waren in der Szene bereits ganz andere Fahrzeuge angesagt. Aber das ist eine andere Geschichte. Und von einer Automobil-Redaktion muss man nicht erwarten, auch noch die deutsche Rotlicht-Geschichte zu kennen...
Grüße aus besagtem Frankfurt,
MBseit1988
Zitat:
@Ycon1 schrieb am 11. September 2017 um 12:54:17 Uhr:
Waren die Ludenkarren nicht die Coupés?
Ja, aber doch nicht alle.
Verkaufen lassen wird sich dieser Benz wohl nur sehr schwer für den aufgerufenen Preis.
Allerdings gefällt mir die Herangehensweise des Besitzers im Umgang mit seinem V8 - diesen fetten Benz für kleines Budget täglich zu fahren ist ja auch irgendwie ein statement gegen das bürgerliche Mittelmaß und des political correctness.