Ist Geiz beim Reifenkauf wirklich geil?
Hallo,
letzte Woche ließ ich auf mein Auto neue Reifen montieren. Dabei stand ich natürlich vor der Wahl, ob der "wir verschenken Reifen und zahlen noch was drauf" online-Discounter oder doch der "ich bin etwas teurer, aber du bist alle Sorgen los" Reifenhändler um die Ecke den Zuschlag erhalten sollte.
So verglich ich erstmal die Preise im Internet. In letzter Zeit machen ja wieder etliche Discounter und Werkstattketten Werbung im Fernsehen und so schaute ich bei premio, A.T.U., reifen.com und tirendo nach dem von mir gewünschten Reifen Goodyear Vector 4 Seasons in 155/70 R13. Bei diesen Asphalttrennscheiben hat man ohnehin noch den Vorteil, dass sich die Preisdifferenz zwischen Internet und Händler in Grenzen hält.
Folgende Preise wurden ermittelt:
premio: 52,00 Euro
A.T.U.: 51,21 Euro
reifen.com: 50,40 Euro
tirendo: 44,99 Euro
Vorteil bei premio, A.T.U. und reifen.com ist, dass diese direkte Werkstätten betreiben, wo man die Reifen montieren lassen kann. Bei tirendo wird dafür ein Servicepartner benötigt. Meist ist dieser Servicepartner sogar selbst der örtliche Reifenhändler, da hätte ich aber schon ein blödes Gefühl dabei, wenn dort nicht seine eigenen Reifen montiert werden. Ich denke sogar, dass premio den Zuschlag erhalten hätte, allein die nächste Filiale wäre mehr als 15 km weit weg gewesen.
Ich habe mich letztendlich doch für den Reifenhändler um die Ecke entschieden. Warum? Bei den Discountern fand ich nur die Reifenpreise, nicht jedoch den Komplettpreis mit Montage, wuchten, Altreifenentsorgung usw., auch diesen erfährt man nur vor Ort und teilweise werden dabei wohl extra Gebühren erhoben, die selbstverständlicher Bestandteil des Reifenwechsels sein sollten. Des weiteren liest man öfters "Probleme mit Discounter XY", "alte Reifen geliefert bekommen", "Reifen nicht lieferbar trotz grüner Anzeige im Shop" usw., tatsächlich hatte ich einige dieser Probleme auch schonmal (alte und nicht lieferbare Reifen).
Der Preis, den der Reifenhändler für selbigen Reifen aufrief, betrug 70,21 Euro. Also 20 Euro mehr pro Reifen, als beim Discounter. Allerdings sehe ich dort vier steuerzahlende Mitarbeiter und weiß, wo das Geld hingeht und dass die nicht mit 400 Euro im Monat abgespeist werden. Nebenbei war der Reifensatz direkt verfügbar. Montage wäre unverzüglich möglich gewesen, da ich aber ohnehin davon ausging, dass ein Termin benötigt wird, war ich ohne Auto hingegangen. Mir wurde eine Gesamtrechnung über 308 Euro vorgestellt, mit der ich einverstanden war. Am nächsten Tag dann Montagetermin, alles ging reibungslos, die Reifen hatten DOT 3611, alles bestens. Die Mitarbeiter alle freundlich und kompetent und nebenbei war sogar ein Gespräch darüber möglich, was die Truppe selbst von Reifendiscountern hält. Sie haben dann gesagt, dass das schon Konkurrenz ist und ein paar Kunden wegzieht, aber sie wissen eben auch, dass trotzdem noch viele Fahrer zu ihnen kommen, weil sie einfach sofort das komplette Paket bekommen, ganz stressfrei und ohne Probleme. Und dafür investieren viele halt doch ein paar Euro mehr.
Ich kaufe natürlich auch mal Elektronik bei Amazon oder mein Essen im Supermarkt, aber bei den Reifen gehört eben auch der Service dazu und da ist sparen vielleicht gar nicht so gut.
Ich würde es tatsächlich auch wieder so machen und beim nächsten mal zum Reifenhändler vor Ort gehen, auch wenn das erst in drei Jahren sein wird. Geiz ist eben nicht immer geil. Wie sind eure Meinungen zu diesem Thema?
Beste Antwort im Thema
Hallo,
letzte Woche ließ ich auf mein Auto neue Reifen montieren. Dabei stand ich natürlich vor der Wahl, ob der "wir verschenken Reifen und zahlen noch was drauf" online-Discounter oder doch der "ich bin etwas teurer, aber du bist alle Sorgen los" Reifenhändler um die Ecke den Zuschlag erhalten sollte.
So verglich ich erstmal die Preise im Internet. In letzter Zeit machen ja wieder etliche Discounter und Werkstattketten Werbung im Fernsehen und so schaute ich bei premio, A.T.U., reifen.com und tirendo nach dem von mir gewünschten Reifen Goodyear Vector 4 Seasons in 155/70 R13. Bei diesen Asphalttrennscheiben hat man ohnehin noch den Vorteil, dass sich die Preisdifferenz zwischen Internet und Händler in Grenzen hält.
Folgende Preise wurden ermittelt:
premio: 52,00 Euro
A.T.U.: 51,21 Euro
reifen.com: 50,40 Euro
tirendo: 44,99 Euro
Vorteil bei premio, A.T.U. und reifen.com ist, dass diese direkte Werkstätten betreiben, wo man die Reifen montieren lassen kann. Bei tirendo wird dafür ein Servicepartner benötigt. Meist ist dieser Servicepartner sogar selbst der örtliche Reifenhändler, da hätte ich aber schon ein blödes Gefühl dabei, wenn dort nicht seine eigenen Reifen montiert werden. Ich denke sogar, dass premio den Zuschlag erhalten hätte, allein die nächste Filiale wäre mehr als 15 km weit weg gewesen.
Ich habe mich letztendlich doch für den Reifenhändler um die Ecke entschieden. Warum? Bei den Discountern fand ich nur die Reifenpreise, nicht jedoch den Komplettpreis mit Montage, wuchten, Altreifenentsorgung usw., auch diesen erfährt man nur vor Ort und teilweise werden dabei wohl extra Gebühren erhoben, die selbstverständlicher Bestandteil des Reifenwechsels sein sollten. Des weiteren liest man öfters "Probleme mit Discounter XY", "alte Reifen geliefert bekommen", "Reifen nicht lieferbar trotz grüner Anzeige im Shop" usw., tatsächlich hatte ich einige dieser Probleme auch schonmal (alte und nicht lieferbare Reifen).
Der Preis, den der Reifenhändler für selbigen Reifen aufrief, betrug 70,21 Euro. Also 20 Euro mehr pro Reifen, als beim Discounter. Allerdings sehe ich dort vier steuerzahlende Mitarbeiter und weiß, wo das Geld hingeht und dass die nicht mit 400 Euro im Monat abgespeist werden. Nebenbei war der Reifensatz direkt verfügbar. Montage wäre unverzüglich möglich gewesen, da ich aber ohnehin davon ausging, dass ein Termin benötigt wird, war ich ohne Auto hingegangen. Mir wurde eine Gesamtrechnung über 308 Euro vorgestellt, mit der ich einverstanden war. Am nächsten Tag dann Montagetermin, alles ging reibungslos, die Reifen hatten DOT 3611, alles bestens. Die Mitarbeiter alle freundlich und kompetent und nebenbei war sogar ein Gespräch darüber möglich, was die Truppe selbst von Reifendiscountern hält. Sie haben dann gesagt, dass das schon Konkurrenz ist und ein paar Kunden wegzieht, aber sie wissen eben auch, dass trotzdem noch viele Fahrer zu ihnen kommen, weil sie einfach sofort das komplette Paket bekommen, ganz stressfrei und ohne Probleme. Und dafür investieren viele halt doch ein paar Euro mehr.
Ich kaufe natürlich auch mal Elektronik bei Amazon oder mein Essen im Supermarkt, aber bei den Reifen gehört eben auch der Service dazu und da ist sparen vielleicht gar nicht so gut.
Ich würde es tatsächlich auch wieder so machen und beim nächsten mal zum Reifenhändler vor Ort gehen, auch wenn das erst in drei Jahren sein wird. Geiz ist eben nicht immer geil. Wie sind eure Meinungen zu diesem Thema?
108 Antworten
Zitat:
Original geschrieben von PT_rg80
Allerdings sehe ich dort vier steuerzahlende Mitarbeiter und weiß, wo das Geld hingeht und dass die nicht mit 400 Euro im Monat abgespeist werden.
Auch Du hast endlich viel Geld, bekommt es der Reifentyp dann eine andere Person eben nicht, daran scheitert jede Großzügigkeit denn sie ist immer der Verlust eines anderen, an Adam Riese führt kein Weg vorbei.
Er is ja auch nicht die Heilsarmee, er versucht halt nur sein Geld vor Ort und da auszugeben, wo er meint, dass die MA gut und fair bezahlt werden.
Jeder kann ja sein Geld ausgeben wo er will und wie er es fürs sinnvoll hält.
ich wollte aber nochmal kurz was zu reifen.com sagen.
ich habe dort jetzt zum 2ten mal bestellt und es beide male völlig problemlos und schnell.
abgesehen davon habe ich dieses mal noch einen 30 euro tankgutschein erhalten.
dieser gilt beim kauf von 4 michelin winterreifen, was in meinem fall zutreffend war.
gefunden habe ich diesen hier: http://www.spargutschein.net/reifencom-gutschein/
naja wie gesagt jeder wer er mag...ich jedenfalls war mit reifen.com bisher immer zufrieden.
gruß
Zitat:
Original geschrieben von larsGTI
Jeder kann ja sein Geld ausgeben wo er will und wie er es fürs sinnvoll hält.ich wollte aber nochmal kurz was zu reifen.com sagen.
ich habe dort jetzt zum 2ten mal bestellt und es beide male völlig problemlos und schnell.
abgesehen davon habe ich dieses mal noch einen 30 euro tankgutschein erhalten.
dieser gilt beim kauf von 4 michelin winterreifen, was in meinem fall zutreffend war.
gefunden habe ich diesen hier: www.spargutschein.net/reifencom-gutschein/naja wie gesagt jeder wer er mag...ich jedenfalls war mit reifen.com bisher immer zufrieden.
gruß
Hallo,
Ich auch.
Meine Alufelgen kommen auch von dort .Im Internet gesucht und bei Reifencom
vor Ort gekauft und auch die Reifen umziehen lassen.
Seelze 01
Seelze 01
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Also ich bestelle meine Reifen mittlerweile nur noch bei reifendirekt.ch.
Ich würde gerne die lokalen Händler unterstützen, aber die wollen pro Reifen gut und gerne mal 200.- mehr haben! Und dazu bin ich einfach nicht bereit. Das wären dann bei 4 Reifen 1000.- mehr.
Die kleineren Reifen sind ja mittlerweile preislich auch oke bei den lokalen Händlern. Aber sobald man in die Region 18 Zoll + geht, sind die Unterschiede gewaltig.
Was ich jedoch nie machen werde, ist der Kauf von Billigreifen aus China. Da gibts ja auch schon welche für 190.- 19 Zoll lol.
Ne, nur nen S5 mit 19" Winter und 20" Sommer Reifen. Ah zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass ich in der Schweiz lebe 😁
Zitat:
Original geschrieben von Schorre28
Ich verteufel auch nicht den Online-Handel, wenn Du meine Posts richtig gelesen hast, wird Dir vielleicht aufgefallen sein, dass ich auch online gekauft habe. Sondern nur den Kostendruck, der gerne auf den Rücken der AN´s ausgetragen wird.
Den hast Du immer schon gehabt. Was Du möglicherweise übersiehst: Ein Betrieb, der den Kostendruck ignoriert, muss auf die Dauer seine Pforten schließen. Dessen Arbeitnehmer haben dann gar keine Arbeit mehr. Gute Alternative.
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen Kostensenkungen auf Kosten der Arbeitnehmer nur erzwungen werden, um den Profit oder den Shareholder Value zu steigern. Optimal wird man das nie bekommen, wenngleich es Kräfte wie die Gewerkschaften oder auch gesetzliche Mindestlöhne in manchen Bereichen gibt.
Zitat:
Original geschrieben von Schorre28
Teurer als die Konkurrenz --> hat nichts am Markt zu suchen.
Bei gleicher Qualität wie jene Konkurrenz ist das einfach ein Gesetz der Marktwirtschaft. Und es erfüllt auch einen wichtigen Zweck: Dass die Unternehmen darum bemüht sind, bestmögliche Ware zu möglichst günstigen Preisen anzubieten. Ich hatte es schon einmal erwähnt, ohne dass Du darauf eingegangen bist: Wenn die Arbeitnehmer alle mehr verdienen, dafür aber auch alle Waren teurer sind, weil die jeweiligen Hersteller und Händler ihre eigene Ineffizienz mit auf den Preis schlagen, dann stehen Deine Arbeitnehmer auch nicht besser da, als wenn sie weniger verdienen, die Waren für sie aber auch günstiger einzukaufen sind.
Zitat:
Original geschrieben von Schorre28
Ach ja. Und Dein Post riecht nach der 2-Klassengesellschaft. Auf der einen Seite die Arbeiter, die "ausgepresst" werden. Is aber nicht schlimm. Es gibt ja auch noch die "guten Jobs" die Verwaltung und die IT.
Solche platten Kommunismusparolen klopfe ich nicht. Arbeiter, die "ausgepresst" werden, wie Du es nennst, hat es schon immer gegeben. In der Antike haben sie als Sklaven Pyramiden gebaut. Im Mittelalter leisteten sie Frondienste beim Burgenbau oder erwirtschafteten als schollenpflichtige Leibeigene Erträge für ihren Gutsherrn. Du wirst es nie wegkriegen, dass unterschiedlich qualifizierte Jobs auch unterschiedliche Einkommen haben. Das ist sogar wichtig, da sonst die Leistungsmotivation wegfällt - der Grund, warum Kommunismus und Sozialismus nicht funktionieren.
Dementsprechend ist es aber in der Tat zu bevorzugen, wenn möglichst viele qualifizierte, d.h. gut bezahlte Jobs entstehen - jedenfalls solange sich passendes Personal findet, mti dem sie besetzt werden können. Ob Verwaltungs- und IT-Jobs unbedingt immer dazugehören kann man sich wiederum streiten. Ein einfacher Sachbearbeiter oder kleiner Netzwerkadmin verdient nicht viel. Auf jeden Fall aber sind es Jobs, die an anderer Stelle entstehen, wenn der Lokalverkäufer durch einen Online-Shop ersetzt wird.
Also ich propagiere garantiert keinen Sozialismus oder Kommunismus, sondern die soziale Marktwirtschaft.
Ich bringe mal ein paar Zahlen ins Spiel. Ich habe so 2000 rum mal bei der IHK angefragt, was so ein Verkäufer im Einzelhandel verdient (auch ich komme aus dem Telekommuniktationseinzelhandel) ---> waren damals 2.5xx DM. Net prall, aber zum damaligen Zeit zumindestmal "lebensfähig". 2010 hatte ich von 2 "größeren" Händlern, die in Einkaufszentren ihre Läden haben mal die Einstiegsgehälter bekommen. 800 € + 900 €/Monat + Provi. Die Provi gab es aber nur, wenn man in dem Monat voll anwesend war, keinen Tag krank oder Urlaub hatte. Oder überhaupt Kunden kamen, was in einem runtergerockten Laden unmöglich ist. Ausserdem hatten die Jobs ein etwas anderes Anforderungsprofil, weil im Prinzip, waren das verkappte Filialleiter.
In einem Seminar hatten wir es mal ausgerechnet, was ein fest Angestellter kostet, und im Vergleich dazu 400 € Jobber. Das Resultat war, dass man sich entweder einen Angestellten in den Laden stellen konnte, oder 3 400 € Jobber, nicht im Monat, zeitgleich.
Da frag ich mich schon welche Gründe es heute gibt, jemanden fest anzustellen.
Um auf dich einzugehen: In einigen Segmenten werden die billigen Preise auf dem Rücken der Gesellschaft gemacht. Der AN verdient so wenig, dass er zusätzlich aufs Amt rennen darf um überhaupt auf Hartz IV-Niveau zu kommen. Die Kommunen haben das Geld nicht, also machen sie weiterhin kräftig Schulden, beziehungsweise suchen neue Einkommensquellen. Die FDP sich doch mal auf die Fahnen geschrieben, dass der Staat noch nie vorher so viel Geld für Soziales ausgegeben hat als unter der Schwarz/Gelben Koalition. Ja wieso denn? Und das wird uns im Zusammenspiel mit Griechenland und Co, mit den irgendwann anfallenden Beamtenpensionen, den geringen Geburtenraten so mal richtig um den Kopf fliegen.
Und damit wir uns richtig verstehen: Es ändert sich auch nicht, wenn wir hier den Online-Handel ignorieren würden und schön "brav" unsere Produkte beim Händler um die Ecke kaufen. Das Problem sitzt tiefer.
@DeathandPain
Einige Teile deines Beitrags kann ich so nicht umkommentiert lassen: Es gab einmal eine Zeit von 1960 bis Mitte der 90er Jahre, als ein Arbeiter aus der unteren Einkommensschicht seine Familie ernähren konnte. Warum gelingt das heute so vielen nicht mehr? Es folgte nämlich eine Zeit, wo das schnellere, effektivere und günstigere Produzieren mit ständig wachsender Automatisierung und Rationalisierung zur Folge hatte, dass Arbeitsplätze abgebaut worden sind und das verbliebene Personal mehr leisten musste in kürzerer Zeit.
Dass für unterschiedliche Jobs differenzierte Gehälter bezahlt werden ist ja ok, aber dass der früher "Hilfsarbeiter" oder "Angelernte" genannte Arbeitnehmer vermehrt einem Lohndumping ausgesetzt ist, finde ich nicht gut. Leiharbeiter, Werksverträge und befristete Arbeitsverhältnisse gehen ja auch in dieselbe Richtung. Möglicherweise ist die Situation der von mir genannten Bevölkerungsschicht ein Auslöser dafür, den ausgelutschtesten Preis zu suchen, der jedoch wiederum teilweise auf der Basis mickriger Löhne in gewissen Teilbereichen des Arbeitsmarktes seine Quelle hat.
Hm, auf Schorres letzten Beitrag hatte ich ausführlich geantwortet, aber irgendwie ist mein Text verschwunden. Entweder dies ist im Rahmen der neuen Forenänderungen passiert oder ich habe es versaut und nach der Vorschau nicht endgültig gepostet. Wie dem auch sein mag, ich bin leider zu faul, alles nochmal zu schreiben.
Freddis Text ist hingegen neu, daher dazu:
Zitat:
Original geschrieben von freddi2010
Einige Teile deines Beitrags kann ich so nicht umkommentiert lassen: Es gab einmal eine Zeit von 1960 bis Mitte der 90er Jahre, als ein Arbeiter aus der unteren Einkommensschicht seine Familie ernähren konnte. Warum gelingt das heute so vielen nicht mehr?
Die Frage würde ich andersherum formulieren: Warum ist das damals gelungen? Dafür sehe ich zwei zentrale Gründe:
1. Westdeutschland und besonders West-Berlin waren Aushängeschilder des Westens gegen den bösen Kommunismus. Gerade den USA war es aus propagandistischen Gründen wichtig, Deutschland als leuchtendes Symbol des Unterschieds zwischen Kommunismus und Kapitalismus darzustellen. Dieser Anspruch verflog mit dem Ende des kalten Krieges.
Man sieht ja an Israel, wie gut es einem Land gehen kann, wenn es massiv von den USA gestützt wird. Ohne die fortwährende Unterstützung der USA würde es Israel noch nicht einmal geben; es wäre zwischen seinen verfeindeten Nachbarn längst aufgerieben worden und hätte nicht das hypermoderne Militär, mit dem es seine Grenzen verteidigen und die Palästinenser knechten kann.
2. Das Wirtschaftswunder. Das wiederum war eine Folge mehrerer, sehr spezieller Faktoren, die in der Nachkriegszeit zusammengekommen sind:
- Eine Vielzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte in Deutschland (ein großer Unterschied etwa zu Entwicklungsländern, wo man noch den Brunnenbau schulen muss)
- Der Marshall-Plan, der massiv Kapital für neue Investitionen zur Verfügung gestellt hat (hier kommen wieder die Amis ins Spiel)
- eine weitestgehende Gleichverteilung des vorhandenen Kapitals, die einfach daraus resultierte, dass durch den Krieg alles zerstört war und keiner mehr was hatte. Dies führte dazu, dass alle auf ähnlichem Niveau gelebt und gearbeitet haben, und das wiederum führte dazu, dass das über alle Köpfe verteilte Geld auch für Konsum ausgegeben wurde. Dieser Konsum wiederum bedeutete anhaltende Nachfrage, die die Wirtschaft ankurbelte und zum Wirtschaftswunder führte.
Letzteren Punkt halte ich für den wichtigsten. Wohlstand in einem Land kann man gut daran ablesen, wie weit die Schere zwischen arm und reich geschlossen ist. So paradox es klingen mag: in den ärmsten Ländern hat man die reichsten Einzelpersonen!
Und hier liegt halt eine Schwäche unseres Wirtschaftssystems: Das Geld bleibt nicht gleichverteilt. Es hat ein ständiges Bestreben, sich in immer weniger Händen zu konzentrieren. Das hatten wir doch gerade erst in den Nachrichten, dass wenige Prozent der Bevölkerung die Mehrheit des vorhandenen Kapitals in Händen halten. Problem an der Sache: Diese Leute können so viel Geld nicht mehr für sich ausgeben, weil ein Mensch halt nun mal nur endlich viel konsumieren kann. Also wird nach "Anlagemöglichkeiten" für das Geld gesucht. Das Ziel? Noch mehr Geld draus zu machen! Erschwerend kommen Lobbies und politische Einflussnahme hinzu, die mit so viel Geld immer möglich sind und noch mehr Vorteile in die Hände jener Personen schanzen.
Es geht mir dabei überhaupt nicht darum, über Ungerechtigkeiten zu philosophieren oder gar Sozialneid zur Schau zu tragen. Von mir aus dürfen diese Personen so viel Geld haben, wie sie wollen. Sie sollten es nur halt ausgeben! Wenn sie sich für ihre Millionen und Milliarden Pyramiden nach ägyptischem Vorbild bauen lassen würden, gerne auch unter Einhaltung damaliger Bautechniken, wenn sie sich Paläste und Lustgärten bauen lassen würden, dann würde das nicht nur zu schönen Bauwerken für uns und die Nachwelt führen, sondern auch viele Dienstleister in Lohn und Brot bringen.
Das Problem besteht aber darin, dass diese Leute das Geld nicht ausgeben. Die Yacht und die drei Autos haben sie schon, das Mausoleum wollen sie nicht haben. Sie haben alles, was sie sich (in materieller Hinsicht) wünschen; mehr brauchen sie einfach nicht. Darum geben sie ihr Geld nicht mehr aus, sondern packen es auf die hohe Kante. Dort aber ist es dem Wirtschaftskreislauf entzogen und schadet ihm sogar noch. Schaden deshalb, weil die "hohe Kante" Renditen erwirtschaftet, etwa in Form von Zinsen von Staatsschulden, die dem Wirtschaftskreislauf dann auch noch entzogen werden. Oder durch Casinospiel an der Börse, das die ganze Wirtschaft nachhaltig schädigt.
Karl Marx hat gesagt, dass der Kapitalismus nach endlosem Wachstum irgendwann wieder einen Krieg braucht, durch den wieder alles kaputtgemacht wird, damit man hinterher wieder wachsen kann. So gesehen hat er recht. Jedenfalls dann, wenn wir keine anderen Wege finden, das Geld wieder gleichmäßiger zu verteilen, an die Leute, die noch Konsumbedarf haben und es auch tatsächlich ausgeben.
Hilfreich ist immer, Geld in die Staatskasse zu lenken. Natürlich hauptsächlich solches Geld, das nicht weniger bemittelten Leuten gehört, die es andernfalls für Konsum ausgegeben hätten. Der Staat hat nämlich einen Vorteil: er kann immer konsumieren. Man wird niemals so viel Geld in eine Staatskasse füllen können, dass den Politikern die Ideen für Investitionen ausgehen, egal ob es um Kindergärten, sozialen Wohnungsbau, neue Straßen oder repräsentative Staatsbauten geht.
Darum ist die Finanztransaktionssteuer, die nur das Börsencasino trifft und das Geld in die Staatskasse lenkt, ein guter Schritt. Der kleinere private Anleger wird davon nicht getroffen, weil er 0,1% einmalig beim Kauf seiner Aktien nicht wirklich spürt. Nur wer seine Aktien dreimal am Tag kauft und wieder verkauft, dem tut das weh. Aber der kann es mit der Investition in Wirtschaftsbetriebe auch nicht wirklich ernst meinen.
Ein anderer guter Schritt wäre eine hohe Erbschaftssteuer. Die Leute sollen die Chance haben, sich beliebig große Reichtümer zu erarbeiten (Leistungsmotivation!), aber wenn sie in die Grube fahren, dann soll der Löwenanteil dieses Geldes in Staatshand zurückfallen wie das mittelalterliche Lehen in die Hand des Lehnsherrn. Ihre Kinder mögen pro Kopf eine Million oder wieviel auch immer erben, soviel sie halt halbwegs sinnvoll verprassen (konsumieren) können, aber eben möglichst nicht mehr.
Dass das in der Praxis nicht so einfach ist, weil solch Kapital sich angesichts hoher Steuern auch gerne mal ins Ausland verabschiedet, ist mir schon klar. Dennoch halte ich das für eine im Grundsatz gute Marschrichtung, und ich denke, dass sich auch dafür Lösungen finden ließen.
Die angesprochenen sozialen Probleme lassen sich also nur politisch lösen. Ob wir im Internet bestellen oder nicht wird volkswirtschaftlich keinen Unterschied machen. Aber leider stehen die Politiker halt selber auch im Einfluss derer, die das viele Geld haben und es nicht hergeben wollen, obgleich sie es selber gar nicht mehr ausgeben können.
Zitat:
Original geschrieben von freddi2010
Dass für unterschiedliche Jobs differenzierte Gehälter bezahlt werden ist ja ok, aber dass der früher "Hilfsarbeiter" oder "Angelernte" genannte Arbeitnehmer vermehrt einem Lohndumping ausgesetzt ist, finde ich nicht gut. Leiharbeiter, Werksverträge und befristete Arbeitsverhältnisse gehen ja auch in dieselbe Richtung. Möglicherweise ist die Situation der von mir genannten Bevölkerungsschicht ein Auslöser dafür, den ausgelutschtesten Preis zu suchen, der jedoch wiederum teilweise auf der Basis mickriger Löhne in gewissen Teilbereichen des Arbeitsmarktes seine Quelle hat.
Das ist ein Problem, dass Du nur mit Gewerkschaften in den Griff bekommen kannst. Die werden allerdings auch geschwächt, und zwar durch die Globalisierung. Ist die Gewerkschaft zu standhaft, dann wird halt ins Ausland ausgewichen. Hier ist gute Koordination zwischen den Gewerkschaften der verschiedenen Länder gefragt, wobei hier natürlich wieder Interessenskonflikte bestehen, da jede Gewerkschaft die Arbeiter des eigenen Landes voranbringen möchte.
Ich mache es kürzer. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft, haben aber das soziale aus dem Auge verloren/komplett auf den Staat verschoben. Wenn "ich" meinen Angestellten nicht genug zahle, dann springt der Staat mit Hartz IV ein und gibt "meinen" Angestellten das Lebensnotwendige. Problem gelöst.
"Soziale" Marktwirtschaft ist so definiert, dass der Staat auf die Einhaltung der sozialen Komponenten achtet. Wenn der Staat sich komplett raushält, dann hast Du eine "freie" Marktwirtschaft.
Mir is gerade was eingefallen, vielleicht wäre das die Lösung, ich kenne aber die Zahlen der Aufstocker nicht. Wenn man abgesehen von familienreichen Kinder die Aufstockung weglässt, gibt es vielleicht ein Jahr lang mehr Arbeitslose, aber danach wieder mehr besser bezahlte Jobs, wenn es sich nur noch ganz wenige sich es leisten können, für ein Apel und ein Ei 40h/Woche oder mehr arbeiten zu gehen.
Jein, AG hatten sich früher ihrer sozialen Verantwortung mehr gestellt, das meinte ich.
Das mit dem Aufstocken ist eine knifflige Sache, die ja auch gerade laut in der Politik diskutiert wird (Stichwort 400 €-Jobs und deren geplante Erhöhng auf 450 €). Zum einen kann man mit solchen Jobs den Wiedereinstieg in das Berufsleben für Personen erleichtern, die ansonsten auf dem Arbeitsmarkt relativ chancenlos sind, auf der anderen Seite gibt es die von Dir genannten Effekte. Ich bin nicht ganz sicher, wer von beiden recht hat, würde gefühlsmäßig aber auch eher zur Abschaffung der Minijobs tendieren.
Vielleicht wäre es eine Lösung, solche Jobs nur für Personen zu erlauben, die mind. 1 Jahr arbeitslos sind oder aus Altersgründen kaum noch vermittelt werden können.