Als Rechtsabbieger trotz Vorfahrt Schuld?
Hallo zusammen,
heute bin ich leider in einen Autounfall verwickelt gewesen.
Ich kam als Rechtsabbiegerin (einzige Abbiegespur) und hatte die Wahl zwischen zwei Fahrbahnen. Ich habe mich für die Linke entschieden, da ich danach erneut links abbiegen musste. Ein entgegenkommendes Fahrzeug (Liksabbieger) hat damit gerechnet, dass ich die rechte Spur nehme und wir haben uns „getroffen“. Ich war noch im Abbiegevorgang, es war kein Spurwechselvorgang. Die Polizisten waren recht jung und haben etwas rumtelefoniert. Ende der Geschichte: ich bin schuld. Bei dem anderen Fahrzeugführer wurde nicht einmal eine Teilschuld festgestellt.
Anbei eine Skizze.
Habe ich als Rechtsabbiegerin innerorts nicht freie Fahrbahnwahl und ohnehin Vorfahrt? Ich kenne innerorts nur folgende Regelung für das Rechtsfahrgebot:
Dies wird gemäß § 7 Abs. 3 StVO gesetzlich geregelt: „Innerhalb geschlossener Ortschaften - ausgenommen auf Autobahnen (Zeichen 330.1) - dürfen Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 3,5 t auf Fahrbahnen mit mehreren markierten Fahrstreifen für eine Richtung (Zeichen 296 oder 340) den Fahrstreifen frei wählen.
Danke im Voraus und einen schönen Abend
Beste Antwort im Thema
Ich sehe nicht mal eine teilschuld. Linksabbieger muss warten. Somit klassisches Vorfahrtsdelikt bei eindeutiger Verkehrslage.
375 Antworten
Das Gericht sagt:
Zitat:
Die Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile führt zu der Haftungsquote von 2/3 zu Lasten der Beklagten.
Die Beklagte war die Rechtsabbiegerin. Wie Du meinen kannst, in der Situation keinen Verstoß durch die Rechtsabbiegerin zu erkennen, bleibt Dein Geheimnis.
Tatsache bleibt, dass alle Fälle, die ich finden konnte, gegen die Rechtsabbiegerin entschieden wurden. Was nicht heißt, dass den Linksabbieger keine Schuld trifft, aber eben nur in (geringerem) Anteil. Du kannst aber natürlich gerne Entscheidungen hier beitragen, die Deine Auffassung stützen.
Zitat:
@berlin-paul schrieb am 7. September 2018 um 10:34:51 Uhr:
Kai, in dem vno dir verlinkten Urteil hat der Linksabbieger 2/3 des Gesamtschadens zu tragen.
Lies es richtig, Beklagte (im Berufungsverfahren) war die Rechtsabbiegerin, nachdem in der ersten Instanz dem Linksabbieger nur ein Drittel des Schadens zugebilligt worden war.
Zitat:
Der Verkehrsverstoß des Zeugen D. gegen § 9 Abs. 4 StVO stellt sich in der konkreten Situation als nicht sehr schwerwiegend dar.
§9 Abs. 4 ist das Linksabbiegen
Zitat:
@berlin-paul schrieb am 7. September 2018 um 10:34:51 Uhr:
...
Das Urteil ist übrigens eine beispielhafte Begründung dafür, dass man tunlichst Fahrer, Eigentümer und Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeugs verklagen sollte, damit nicht einer von denen als Zeuge im Prozess fungieren kann.
😁 Wird leider immer mehr vernachlässigt - angeblich, weil "nicht notwendig". 😁
Zitat:
@Trets2 schrieb am 7. September 2018 um 09:14:07 Uhr:
Ich sehe nicht mal eine teilschuld. Linksabbieger muss warten. Somit klassisches Vorfahrtsdelikt bei eindeutiger Verkehrslage.
Vermutlich schon, weil als Idealfahrer der Unfall nicht passiert wäre. Groß dürfte die Teilschuld aber nicht werden.
Daß der TE hier Schuld sein soll halte ich für absurd.
PS. Wenn die Schuldfrage vor Gericht geklärt ist, glaube ich nicht daß die Versicherung noch ein Zivilverfahren wegen der Haftungsfrage anstrebt.
Gruß Metalhead
Zitat:
@metalhead79 schrieb am 7. September 2018 um 10:44:48 Uhr:
PS. Wenn die Schuldfrage vor Gericht geklärt ist, glaube ich nicht daß die Versicherung noch ein Zivilverfahren wegen der Haftungsfrage anstrebt.
in welchem Verfahren würdest Du denn die Schuldfrage vor Gericht klären, wenn nicht in einem Zivilverfahren wegen der Haftungsfrage?
Vor allem: welche Versicherung meinst Du? Hier sind ja zwei betroffen.
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Zitat:
@Kai R. schrieb am 7. September 2018 um 09:55:51 Uhr:
in diesem Thread ist es auch so ausgegangen. 75% der Haftung beim Rechtsabbieger und ein (vermindertes) Bußgeld.
Ich sehe in dem Thread gar keine Auflösung, sondern nur verschiedene Meinungen (wie hier auch).
Hab ich was überlesen?
Gruß Metalhead
Zitat:
@metalhead79 schrieb am 7. September 2018 um 10:53:13 Uhr:
Hab ich was überlesen?
ja:
Zitat:
Versicherungen und Bußgeldstelle sind zu dem Schluß gekommen, dass meine
Mutter die Hauptschuld trägt, entsprechend für 75% des Schadens aufkommen muss.
Zitat:
@Kai R. schrieb am 7. September 2018 um 10:11:14 Uhr:
Hier ging es 2/3 zu Lasten des Rechtsabbiegers aus: https://openjur.de/u/277745.htmlZitat:
Die Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile führt zu der Haftungsquote von 2/3 zu Lasten der Beklagten. Der Verkehrsverstoß des Zeugen D. gegen § 9 Abs. 4 StVO stellt sich in der konkreten Situation als nicht sehr schwerwiegend dar. Der Zeuge D. konnte – wie der Sachverständige ausgeführt hat – damit rechnen, noch gefährdungsfrei vor dem Fahrzeug des Beklagten abbiegen zu können, wenn er auch hierauf nicht vertrauen durfte und insoweit nicht die erforderliche Sorgfalt walten ließ. Dies ist ihm – wie das Schadensbild belegt – auch fast gelungen, denn er hatte den Abbiegevorgang nahezu abgeschlossen, als der Beklagte zu 1. von hinten auf sein Fahrzeug auffuhr. Die dem Beklagten zu 1. anzulastende Unaufmerksamkeit hat daher in weitaus höherem Maße zu dem Unfallgeschehen beigetragen und ist daher bei der zu bildenden Quote stärker in Ansatz zu bringen.
Da müsste man jetzt mal genau wissen wie die Kollision hier statt fand.
Gruß Metalhead
Zitat:
@Kai R. schrieb am 7. September 2018 um 10:47:36 Uhr:
in welchem Verfahren würdest Du denn die Schuldfrage vor Gericht klären, wenn nicht in einem Zivilverfahren wegen der Haftungsfrage?
Im Widerspruchsverfahren gegen den Bußgeldbescheid.
Ok, könnte zu lange dauern bis das dann alles durch ist.
Gruß Metalhead
In einem Bußgeldverfahren wird niemals die Schuldfrage geklärt. Es könnten ja auch beide eine Owi begangen haben oder keiner.
Zitat:
@Kai R. schrieb am 7. September 2018 um 10:55:12 Uhr:
Zitat:
@metalhead79 schrieb am 7. September 2018 um 10:53:13 Uhr:
Hab ich was überlesen?
ja:
Zitat:
Versicherungen und Bußgeldstelle sind zu dem Schluß gekommen, dass meine
Mutter die Hauptschuld trägt, entsprechend für 75% des Schadens aufkommen muss.
Ah ok, das war gar nicht vom TE. Danke.
Da wurde Widerspruch eingelegt und dann hat man sich von der Bußgeldstelle aufklären lassen? Hmm, naja, jeder wie er mag.
Bei meinem letzten Einspruch war sich Polizei und Bußgeldstelle auch einig, der Richter der das auf den Tisch bekam hat es ohne Verhandlung gleich eingestellt. 😉
Gruß Metalhead
Kai, da war ich beim Lesen wohl etwas unaufmerksam. Stimmt, dort wurde die HP des rechts abbiegenden Pkw verklagt und es ging zu 2/3 gegen diese aus. Aber und das ist entscheidend, das Gericht legte einen Unfallablauf zu Grunde, bei dem bei - sachverständig bewiesener - paralleler Geradeausfahrt der Rechtsabbieger durch einen Spurwechsel 20m hinter dem geschützten Bereich der Kreuzung dem zuvor links abgebogenen Pkw sehenden Auges hinten rechts beschleunigend reingerammelt ist und dies - ebenfalls sachverständig bewiesen - problemlos vermeidbar war.
Hier im thread liegt sowas nicht vor. Nach der Schilderung der TE liegt die Kollision im geschützen Kreuzungsbereich auf der Fußgängerquerung und sie ist dem Linksabbieger in den Bereich der vorderen Beifahrertür mit einem Kollisionswinkel von ca. 45° reingefahren. Das ist ungefähr die Hälfte des Kurvenfahrtwinkels. Eine Mithaftung der TE ist da ausgesprochen unwahrscheinlich, um nicht zu sagen nahezu ausgeschlossen.
Zitat:
@Kai R. schrieb am 7. September 2018 um 10:37:41 Uhr:
Tatsache bleibt, dass alle Fälle, die ich finden konnte, gegen die Rechtsabbiegerin entschieden wurden. Was nicht heißt, dass den Linksabbieger keine Schuld trifft, aber eben nur in (geringerem) Anteil. Du kannst aber natürlich gerne Entscheidungen hier beitragen, die Deine Auffassung stützen.
Das liegt einfach in der Natur der Sache - eindeutige/für die Gegenseite aussichtslose Fälle landen selten vor Gericht, die bemerkenswerten Abweichungen finden mehr Verbreitung...
Eine evtl. Schuld des TE könnte man als Vorfahrt erzwingen konstruieren, oder falls der Zusammenstoß doch erst später stattgefunden hat als Spurwechselfehler. Einen Abbiegefehler gibt es einfach nicht her.
Was möchtest Du eigentlich sagen? Es gibt ein Kostenrisiko, natürlich. Ein Anwalt wird das mit genauerer Kenntnis aller Fakten und Aussagen abschätzen können.
Wir können hier nur die Rechtslage anhand der Schilderung beurteilen, und abgesehen von einem etwas unglücklichen Berührungspunkt in der Skizze spricht alles für eine deutliche Hauptschuld beim Gegner.
Es fehlen die zeitliche Reihenfolge des Anfahrens, die Geschwindigkeiten, Beschleunigungen, Brems- und Ausweichmanöver beiderseits, Umstände des Umgebungsverkehrs,... Zeugen??
wir haben beim Rechtsabbieger einen Verstoß gegen §9 Abs. 1 StVO (Gebot, sich rechts einzuordnen), alternativ bzw. ergänzend §7 Abs. 5 (Sorgfaltspflicht beim Fahrstreifenwechsel). Beim Linksabbieger gibt es einen Verstoß gegen §9 Abs. 4 (Rechtsabbieger haben Vorrang).
Wir fangen auf beiden Seiten mit 30% Haftungsanteil aus der Gefährdungshaftung an, denn Idealfahrern wäre der Unfall nicht passiert. Der Rest wird auf die Beurteilung der Situation ankommen, wobei mir die Rechtsprechung zu Lasten des Rechtsabbiegers zu urteilen scheint. Dafür gibt es nämlich drei Beispielfälle in diesem Thread, während ich für die andere Beurteilung noch keine Urteile oder Präzedenzfälle finden konnte.
Leute ihr seid super! Vielen Dank für so viel konstruktiven Input!
Klar, wäre ich weiter rechts abgebogen, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Hätte die Linksabbiegerin an den dafür vorgesehen Wartemarkierungen an der Kreuzung gewartet (siehe Satellitbild) auch nicht. Hätten meine Eltern sich damals nicht lieb gehabt, naja ihr wisst schon...
Ich habe Kontakt zu dem Verkehrskommissariat aufgenommen. Leider lag die Akte nicht vor. Habe dann eine Mail mit euren Paragraphen ausformuliert und betont, dass die Vorfahrtsregel bei der Beurteilung völlig außer acht gelassen wurde und das Rechtsfahrgebot bei Vorfahrt innerorts so nicht existiert. Hoffe es wird ordentlich geprüft. Wenn nicht muss ein Anwalt her. Da ich keine RV habe würde ich das Angebot der ARAG annehmen oder auf Risiko selbst einen Anwalt bezahlen.