Geradeauslauf nicht einstellbar, Frage: Lenkgetriebe oder Achsproblem (oder andere Idee..?)
Ein Gruß ans Forum und eine kurze Vorstellung: Es schreibt Alexander aus Angeln in Schleswig/Holstein, seit 2012 unterwegs mit einem S211 220 CDI aus 12/2008 und jetzt 313.000 völlig unproblematischen Kilometern auf dem Tacho. Ich war viele Jahre auch aktiv im 124er-Forum unterwegs und hatte bei meinem E300 D T auch öfters Gelegenheit, um Rat zu fragen…der 211er ist bis dato absolut tadellos gelaufen und ist das mit Abstand beste Fahrzeug, was ich je besaß. Auch deshalb ist das jetzt mein erster Kontakt zum Forum. Jetzt macht der Benz allerdings ziemlichen Ärger, so daß ich für guten Rat aus der Fachgemeinschaft sehr dankbar bin.
Der Wagen zieht zunehmend nach rechts, und niemand konnte das Problem bisher lösen.
Unfallfreies Fahrzeug, kein abrupter Beginn des Problems, eher langsam zunehmend, nach den letzten Maßnahmen ziemlich extrem (macht Spurwechsel auf der Autobahn ohne zu lenken in ca. 50-100m).
In den Vorjahren ständig Reparaturen am Fahrwerk. (Die Straßen bei uns im Norden sind z.T. schlechter, als man es der ehemaligen DDR immer nachgesagt hat) Da waren x-mal Traggelenke, Spurstangen, Achsschenkel Querlenker usw. fällig, zur Auflockerung auch mal ein Federbruch…ich habe den Überblick verloren. Stoßdämpfer sind recht neu, Federbälge Hinterachse auch erst ca. 2 Jahre alt.
Kein Unterschied, ob Sommer- oder Winterreifen
Kein Unterschied nach Reifentausch re/li.
Mehrfache Vermessungen in guter freier Werkstatt ohne Erfolg
vor 1 Woche dann bei Mercedes begutachtet + vermessen. Keine Ursache gefunden, nach der Aktion zieht er sogar noch deutlicher nach rechts.
Beim Anfahren zieht der Wagen fast sofort nach rechts, Lenkrad steht etwas schräg
Wenn ich stur geradeaus fahre, ist das Lenkrad leicht nach rechts gedreht
und jetzt die Kuriosität: Wenn ich das Lenkrad absolut horizontal halte, zieht der Benz leicht nach links.
Der Meister bei Mercedes, der mir sehr wohlgesonnen ist, empfiehlt als nächsten Schritt den Austausch der Zugstreben an der Vorderachse. Das wäre zwar ein Versuch, aber gerechtfertigt in Anbetracht der Tatsache, daß eine Reparatur an der Lenkung unwirtschaftlich teuer käme.
Der Meister meiner freien Werkstatt, der bisher mit seinen Diagnosen immer richtig lag, tippt eher auf Lenkung/Lenkgetriebe und hält eine Reparatur da nicht mehr für sinnbringend. Tendenz eher in Richtung: Verkauf als defekt an Selbstschrauber.
Meine Frage an das Forum: Gibt es andere Ideen oder einen guten Rat? Trotz der Laufleistung fährt der Wagen so gut, daß ich ihn eigentlich nur ungerne abstoßen möchte. Aber ich möchte auch keinen unwirtschaftlichen Teileweitwurf betreiben.
Ich bedanke mich im Voraus für Eure Ratschläge, Viele Grüße Alexander
65 Antworten
Moin,
Fahrwerkgeometrie ist ein komplexes Thema und ich bin kein Experte.
Die eigentliche "Lenkung" verschiebt aber nach meinem Verständnis nur die Ruhelage aller beteiligten Teile, bringt also bei Lenkeingriffen eine Störgröße im Sinne der gewollten Abweichung vom Geradeauslauf. Der Geradeauslauf bei inaktiver Lenkung ist nicht in der Lenkung vorgegeben.
Eine nicht korrekt eingestellte Mittelstellung ist (bei kleinen Abweichungen) daher eher ein optischer Fehler oder wirkt störend auf die Anfassposition, hat aber keinen Einfluss auf den Geradeauslauf an sich.
Die Gesamtgeometrie der Vorderachse UND die Stellung der Hinterachse sorgt dafür, dass sich im Rollzustand bei inaktiver Lenkung der Geradeauslauf (oder eben leider auch eine Abweichung davon) als Kräftegleichgewicht automatisch einstellt.
Durch die bewusst eingebaute Elastizität der Führungselemente, insbesondere der Gummi-Metall-Lager in den Fahrwerkslenkern stellt sich dynamisch ein etwas anderes Fahrwerk ein als auf der Vermessungsbühne. Das wird vom Hersteller durch entsprechende Vorgaben der statischen Werte berücksichtigt.
Mehr oder weniger deutlich reagieren die meisten Fahrzeuge auf Querneigungen der Fahrbahnoberfläche, die meisten laufen dann leicht in Richtung der abschüssigen Seite. Bei nach links entwässernden Straßen ist das dann auch nach links.
Von daher würde ich als Erstes das Niveau des Fahrzeugs kontrollieren. Steht der Wagen auf ebener Fahrbahn in Querrichtung parallel zur Fahrbahnoberfläche, das heißt jeweils rechts und links gleicher Abstand vom inneren Querlenkerlager zum Boden?
Das Protokoll der Achsvermessung wäre eventuell interessant.
Geradeauslauf wird nicht "eingestellt", es ist die Eigenschaft des Fahrzeugs, beim Rollen eine Gerade anzustreben und diese Eigenschaft ergibt sich bei korrekter Fahrwerksgeometrie aus der Summe der Abrolleigenschaften und der auf das Fahrzeug einwirkenden Kräfte.
Gruß
Pendlerrad
Bei mir waren die Vorderräder früher leicht V Förmig eingestellt, da lief der Wagen perfekt geradeaus. Seit ich einen Querlenkerträger ķñķñgewechselt habe und die Spur perfekt geradeaus eingestellt habe , zieht der Wagen immer etwas nach rechts. Wobei man die Neigung der Strasse auch beachten muss . Oft fallen die Fahrbahnen leicht rechts ab , daher zieht das Auto relativ schnell nach rechts.
Hi,
sind beide Seiten gleich wenn du Kotflügel bis Mitte oder Unterkante Felge misst?
Grüße
@REMI72 ..für diese V-Form ist der Fachausdruck "Vorspur" und es gibt für jedes Fahrzeug Herstellervorgaben, wie die Vorspur sein soll.
mit "Spur perfekt geradeaus eingestellt" meinst Du vermutlich Vorspur Null, Vorderräder parallel.
Für einen Polo 6N1 wäre das Werksvorgabe und der fährt damit dann auch ohne Lenkeingriff gut geradeaus. (Ist allerdings ein Fronttriebler, da wirkt der Zug an den Vorderrädern vermutlich automatisch in Richtung mehr Vorspur)
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Zitat:
@yup259 schrieb am 2. Juli 2025 um 19:52:24 Uhr:
Hi,
sind beide Seiten gleich wenn du Kotflügel bis Mitte oder Unterkante Felge misst?
da die Fahrwerksgeometrie sich eher auf den Rahmen abstützt hatte ich die Messung des Abstands inneres Querlenkerlager zum Boden vorgeschlagen. Reifendruck und Reifenzustand als gleich vorausgesetzt.
Kotflügel könnten unterschiedlich montiert sein.
Vielleicht mal versuchen, auf dem selben Streckenabschnitt (möglichst ohne Neigung also waagerecht) mehrfach mit unterschiedlichen Lastzuständen entlang zu fahren. Einmal beschleunigen, einmal ohne Gas ausrollen lassen und einmal nur mit Gas auf Geschwindigkeit halten. Mich würde interessieren, ob er dann immer gleich stark nach rechts zieht.
der Test mit verschiedenen Lastzuständen bringt uns zum Antrieb und damit zur zweiten Achse:
Die Hinterachse hat selbstverständlich auch Einfluss auf das Fahrverhalten.
Stell Dir vereinfacht vor, Du hättest hinten nur ein Rad in der Mitte, also ein "Trike" mit Lenkung vorn.
Wenn jetzt dieses hintere Rad im Vergleich zur Mittellinie des Fahrzeugs etwas nach links zeigt fährt Dein Trike mit zwei parallel zur Mittellinie eingestellten Rädern eine lang gezogene Rechtskurve. Erst wenn die Vorderräder auch etwas nach links zeigen fährt das Fahrzeug auf einer Geraden, alle Räder haben das gleiche Ziel. Die Fahrzeugachse ist allerdings dabei etwas nach rechts versetzt.
Tatsächlich hast Du hinten zwei Räder und diese sind nicht durch eine Starrachse verbunden.
Die Hinterachskonstruktion bei Mercedes ist seit Jahrzehnten ähnlich und wird meines Wissens als "aufgelöste Doppel-Querlenker-Konstruktion" bezeichnet.
Das heisst, die einzelnen Radträger werden nicht von jeweils zwei großflächigen Dreiecken geführt, sondern von einzelnen Streben, die aber in der Wirkung die Dreiecks- Querlenker in etwa nachbilden.
siehe Bilder vom Achsträger und der kompletten Achse.
Jede Strebe beschreibt bei Bewegung um eine Lagerstelle am Achsträger eine Kreisbahn.
Der Verbund der Streben führt den Radträger beim Ein- und Ausfedern so, dass Sturz und Spur für jeden Niveaupunkt festgelegt sind. Die Werte sind dabei aber nicht absolut gleich, sondern direkt vom jeweiligen Niveau abhängig. Zur Wertedarstellung gibt es entsprechende Tabellen.
Die Schubkräfte von Antrieb und Bremswirkung werden von gesonderten Streben aufgenommen und diese sind verstellbar, hier wird die Spur der Hinterachse für jedes Rad einzeln einstellbar.
Die Gelenke in den Streben sind als Metall-Gummi-Elemente ausgeführt, das macht sie etwas elastisch. Jede Kraft hat hier eine Wirkung, führt immer zu Reaktionen. (Ausnahme ist das Traglager außen am unteren Federlenker, das ist beim 202 ein Kugelgelenk, Stahl auf Kunststoff, gekapselt. Das kann verschleißen und bekommt dann Spiel. Ich nehme der 211 hat an der Stelle ein ähnliches Lager)
Da die Veränderungen durch Schub oder Beladung aber bei intakten Elementen auf beiden Seiten gleich sind ist die Summe aus der Richtung beider Räder eine gemeinsame Mitte, der "Zielpunkt" der intakten Hinterachse ändert sich nur bei Stößen durch einseitige Fahrbahnunebenheiten. Stöße geben kurzzeitige und umkehrbare Beeinflussung des Geradeauslaufs und daran sind wir gewöhnt, reagieren hier meist gelassen.
Die gesamte Hinterachse bildet mit dem Achsträger einen "Fahrschemel" und der ist mit vier großen Metall-Gummi-Elementen am Rahmen befestigt. Das sorgt für Komfort durch Abfederung von Stößen und Lärmminderung.
ABER:
Wenn in diesem System Gelenke oder Aufnahmen fehlerhaft werden können auch Laständerungen zu ungleichen Veränderungen der beiden Seiten führen oder die tatsächlichen Spur- und Sturzwerte auf Dauer aus dem zulässigen Rahmen bringen, die Hinterachse führt dann nur noch unzureichend, das Fahrverhalten wird "nervös".
Bei der Fahrwerksvermessung steht das Fahrzeug stabil auf den Rädern, da können alle Werte trotz fehlerhafter Bauteile im Rahmen der Vorgaben liegen, aber im Betrieb können sich bei Defekten unzulässige Bewegungen ergeben.
Es würde z. B. genügen, wenn eines der vier Lager des Hinterachsträgers am Rahmen verschlissen ist und sich der Schemel durch Antriebsschub verdreht. Dann hättest Du einen lastabhängigen Fehler, der sich auf den Geradeauslauf auswirkt.
Fehler an den Gelenken der Hinterachse fallen im fortgeschrittenen Stadium häufig durch (Polter-) Geräusche bei Lastwechsel oder Fahrbahnunebenheiten auf.
Gruß
Pendlerrad
Es gibt ein offizielles Dokument, wie man genau das Problem des nach rechts Ziehens beheben kann! Mackhack und ich haben bereits mehrfach auf solche Fragen in anderen Threads geantwortet. Ich versuche das WIS Dokument zu finden, ansonsten wartet bis sich Mackhack meldet.
Ich tippe auf verschlissene Zugstreben der Vorderachse oder verschlissene Buchsen der Hinterachse.
Miss doch einmal mit einer Schnur, ob die Reifen der Hinterachse parallel stehen, also ob der Abstand des rechten und linken Reifens an der vorderen bzw hinteren Kante identisch ist.
Die vorderen Räder dürfen nicht parallel stehen, sondern müssen leicht V förmig(nach hinten geöffnet) angeordnet sein, denn der 211er hat im Gegensatz zum 210er nicht die Vorspur Null. Allerdings führt eine falsch eingestellte Spur der Vorderachse zu einem Schiefstand des Lenkrades oder einem katastrophalen Fahrverhalten, nicht aber dazu, dass er zur Seite zieht.
Es gibt natürlich viele weitere Möglichkeiten, von fest hängenden Bremsen, defekten Radlagern oder ein defektes Hinterachsdifferential.
Haben die Werkstätten auch die Hinterachse geprüft?
P.S. Mercedes Werkstatt heißt nicht unbedingt etwas, ich habe hier einen 220CDI, bei dem eine solche beim Abdichten des ersten Injektors das Gewinde der Halterschraube im Kopf zerstört hat.
Schlechter geradeaus Lauf hat seine Ursache immer in einer schlecht eingestellten Hinterachse, oder ausgeschlagenen Achsteilen an derselbigen.
Ach ja, nicht die Werkstatt hat das Gewinde zerstört, sondern der Mechaniker.
Wenn die Lager am Auto irgendwo verschlissen sind kann man den Eimer einstellen - er wird aber dennoch nicht geradeaus fahren.
Die sogenannte Spurführende Achse ist HINTEN. Da fängt man an mit der Einstellung.
Dann erst vorne!
Sturz ist zweitrangig.
Hallo,
Kannst du mal ein Vermessungsprotokoll hochladen?
Mit der hinteren Einzelspur kann man dann den Fahrachswinkel berechnen und mal schauen.
Ich stelle frisch vermessene aber noch zur Seite ziehende Fahrzeuge immer gezielt über die Hinterachse gerade. Es braucht da wegen des großen Achsabstandes nicht viel...
Grüße
Der Fahrachswinkel sollte schon auf dem Protokoll vermerkt sein.
Hallo an alle, Danke für die zT außerordentlich ausführlichen Antworten! Hier einige Antworten auf Eure Hinweise: - ich war beim Daimler, weil die in unsere Nähe als einzige auch die Möglichkeit haben, evtl. den Sturz einzustellen. Das hatten auch mehrere Werkstätten angeraten, als ich von den vielen bisherigen Fehlversuchen berichtete. - Der Wagen steht absolut gerade an HA und VA - Kein Unterschied des Rechtsdralls bei Schub, gleichmäßiger Fahrt oder Ausrollen Das Vermessungsprotokoll habe ich nicht bekommen. Das werde ich morgen dann mal holen. Ich habe mir dann heute edoch noch eine Verabredung bei einer freien, auf Mercedes spezialisierten Werkstatt gemacht, zwar etwas weiter weg, aber zumutbar. Nach Schilderung der Symptome hielt der Meister das Lenkgetriebe als Ursache auch eher für unwahrscheinlich. Diesen Versuch werde ich noch unternehmen… Danke schon mal, Gruß A.