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Thu Sep 04 12:02:07 CEST 2025    |    MOTOR-TALK    |    Kommentare (7)

Ein Paukenschlag aus Brüssel und Washington:

Ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und den USA soll die Zölle senken und den Handel vereinfachen. Doch ein Detail der Vereinbarung sorgt für hitzige Diskussionen: die gegenseitige Anerkennung von Fahrzeugstandards.

Könnte das bedeuten, dass bald US-Giganten wie der RAM 1500 oder gar der futuristische Tesla Cybertruck ohne teure Umbauten eine deutsche Zulassung erhalten?

Seit Jahren ist der Import von US-Fahrzeugen für viele Autofans ein Traum, der oft an der harten Realität der deutschen Zulassungsvorschriften zerbricht. Wer einen Ford F-150, einen Chevrolet Silverado oder einen Dodge RAM nach Deutschland holen wollte, sah sich mit einer langen und kostspieligen Liste für die Zulassung konfrontiert. Von der Beleuchtungsanlage über die Abgaswerte bis hin zu den Bremsen – die Unterschiede zwischen den US-amerikanischen "Federal Motor Vehicle Safety Standards (FMVSS)" und den europäischen "ECE-Regelungen" sind gravierend.

Doch das könnte sich nun ändern. Im Rahmen eines umfassenden Handelsabkommens haben sich die EU und die USA auf eine weitreichende Zusammenarbeit geeinigt, die auch den Abbau sogenannter "nicht tarifärer Handelshemmnisse" vorsieht. Darunter fällt die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Fahrzeug-Homologationen. Im Klartext: Was in den USA auf die Straße darf, könnte bald auch in der EU zulassungsfähig sein – und umgekehrt.

Was bedeutet das konkret für US-Trucks wie den Cybertruck?

Bisher war der Weg für einen US-Truck zur deutschen Zulassung steinig. Eine sogenannte "Vollabnahme" nach § 21 StVZO war unumgänglich. Dabei mussten zahlreiche Dinge aufwendig umgerüstet werden:

  • Beleuchtung: Die in den USA üblichen roten Blinker sind hierzulande tabu. Auch die fehlende Nebelschlussleuchte und die oft nicht E-geprüften Scheinwerfer mussten für eine deutsche Zulassung ersetzt werden.
  • Abgasanlage: Ältere US-Fahrzeuge erfüllen in der Regel nicht die strengen europäischen Abgasnormen. Teure Abgasgutachten und unter Umständen sogar Umbauten der Abgasanlage waren die Folge.
  • Bremsanlage: Auch die Bremsen müssen teilweise den europäischen Anforderungen angepasst werden.
  • Tacho: Eine reine Meilen-Anzeige ist nicht zulässig, der Tacho muss auch eine km/h-Skala prominent anzeigen.
  • Reifen und Felgen: Ohne E-Prüfzeichen auf den Reifen und einer ausreichenden Traglastbescheinigung für die Felgen gibt es keine Zulassung.

Diese und weitere kleine, aber entscheidende Unterschiede machten den Import zu einem teuren und zeitaufwändigen Unterfangen. Fällt die Pflicht zu diesen Umbauten durch die gegenseitige Anerkennung weg, würde das die Tür für einen deutlich einfacheren und günstigeren Import von US-Fahrzeugen sperrangelweit aufstoßen.

Die Faszination vs. die Sicherheitsbedenken

Das Thema wird bereits heiß diskutiert. Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. Auf der einen Seite steht die Faszination für die "Ami-Schlitten". Die bullige Optik, der sonore V8-Klang und das Gefühl von Freiheit, das viele mit diesen Fahrzeugen verbinden, hat eine treue Fangemeinde. Viele freuen sich auf eine größere Vielfalt auf unseren Straßen und die Möglichkeit, sich den Traum vom US-Car unkomplizierter erfüllen zu können.

Auf der anderen Seite überwiegen bei vielen die Bedenken, insbesondere was die Sicherheit angeht. Ein häufig genannter Kritikpunkt ist die im Vergleich zu europäischen Fahrzeugen oft weniger ausgeprägte passive Sicherheit, insbesondere der Fußgängerschutz. Die massive Bauweise und die hohen Frontpartien von US-Trucks könnten bei einem Unfall mit einem kleineren Fahrzeug oder einem Fußgänger verheerende Folgen haben.

Eine realistische Einschätzung

Ob wir bald von einer Welle von US-Trucks überrollt werden, bleibt abzuwarten. Auch wenn die Zulassungshürden fallen, bleiben praktische Nachteile bestehen: Die schiere Größe eines RAM 1500 macht die Parkplatzsuche in deutschen Innenstädten praktisch Unmöglich und enge Landstraßen zum Nadelöhr.

Zudem ist noch nicht im Detail geklärt, wie die "gegenseitige Anerkennung" in der Praxis umgesetzt wird. Es ist denkbar, dass es Ausnahmeregelungen für bestimmte Fahrzeugklassen oder Sicherheitsfeatures geben wird.

Was meint Ihr?

Ist der freie Import von US-Trucks ein längst überfälliger Sieg für die automobile Vielfalt gegen die deutsche Regulierungswut? Oder opfern wir unsere hohen Sicherheits- und Umweltstandards leichtfertig für ein paar rollende Statussymbole, die weder in unsere Parklücken noch in unsere Zeit passen?

Quellen:

EU-USA Deal

zdfheute

European Safety Group

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CybertruckCybertruck
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Thu Sep 04 12:12:24 CEST 2025    |    cpet

Wenn die US-Hersteller ein echtes Interesse hätten Ihre Autos hier zu vermarkten, dann würden Sie doch schon längst an unserem Markt angepasste Modelle anbieten.

Warum sollte man also Ihnen soweit entgegen kommen.

Thu Sep 04 12:39:41 CEST 2025    |    deni196496

Wer hat denn das recherchiert? Die amerikanischen Abgasnormen waren seit 1973 (zum teil wesentlich!) strenger als die europäischen Abgasnormen. Auch mussten noch nie Bremsanlagen aufgerüstet werden. Wenn, dann stellen aufgerüstete Bremsanlagen in Deutschland ein Problem dar, weil jede Schraube ein E-Prüfzeichen, Festigkeitsgutachten, etc. benötigt hätte.

Wenn man es schafft, sich bei den Scheinwerfern zu einigen, ist es definitiv kein Rückschritt für Europa. Die meisten Gegner können sich „riesige“ RAM 1500 ohnehin nicht leisten, und die wenigen liquiden freuen sich über weniger übertriebenen Bürokratiewahn (der noch nie die Straßen sicherer gemacht hat).

Außerdem sei erwähnt, dass amerikanische Autos (und kleinere SUVs) grad im Vergleich zu deutschen „Premiumprodukten“ günstiger in der Erhaltung sind, somit bietet man den Chinesen im günstigeren Preissegment einhalt, ohne sich als Kontinent noch mehr von Xi Jinping abhängig zu machen. Man sollte nie vergessen, mit wem der in der Sandkiste sitzt und spielt.

Thu Sep 04 13:38:11 CEST 2025    |    fun44

Zitat: ..Die schiere Größe eines RAM 1500 macht die Parkplatzsuche in deutschen Innenstädten praktisch Unmöglich und enge Landstraßen zum Nadelöhr.

..ich finde es fast schon lustig, wenn die Rider mit ihrem Bollerwagen durch die Gegend cruisen und auf Bewunderung hoffen..

Thu Sep 04 13:42:56 CEST 2025    |    Dang3r

Die Aussage mit den Nebelschlußleuchten ist falsch, die Lampenhersteller bauen die Gehäuse alle gleich, nur die Birne oder LED wird dann per Codierung nicht angesteuert.

Rote Gläser sind inzwischen bei BMW tatsächlich auch in D vorhanden, das gelbe Blinklicht wird mit einem entsprechend farbigen Leuchtmittel realisiert.

Das Unfallrisiko wäre mir an der Stelle ziemlich egal, in Zeiten in denen sich mehr und mehr Leute an ihre Apps und Assistenzsysteme halten und den gesunden Menschenverstand ausgeschaltet haben, wirds dann eben mal knirschen, Darwin Award, fertig.

Thu Sep 04 13:48:22 CEST 2025    |    Schwarzwald4motion

Kann man den letzten Link bitte in Reinschrift einstellen, einerseits will ich nach Begriffen suchen, andererseits übersetzen lassen. Wie sieht es aus mit der UN ECE? Betrifft es nur die Hartware oder auch die Software?

Mir graut vor der Vorstellung, amerikanische Verhältnisse auf deutschen Straßen zu haben; andererseits bin ich schon der Meinung, dass sie hier die Regulierung Wut massiv übertrieben haben.

und zu guter letzt die Assistenten werden einen gut Teil der Gefahren proaktiv eliminieren. Von daher gesehen wahrscheinlich eine Idee, die es zu verfolgen gilt.

Dann ist es aber mit der Vision Zero (https://www.quarks.de/podcast/vision-zero-ist-verkehr-ohne-tote-machbar-quarks-daily-spezial/) Mission gegessen!

Thu Sep 04 14:40:29 CEST 2025    |    Dr. Shiwago

Mit TTIP hätten wir das schon seit 10 Jahren haben können. Aber die berühmten Chlorhühnchen haben es vermasselt.

Thu Sep 04 15:22:08 CEST 2025    |    Frosty1170

Würde man diese oft billigst zusammengeschusterten extrem durstigen Schwachsinnskisten hier einfach so fahren lassen, müßte man aus Gründen der Gleichbehandlung ebenso für die europäsichen Hersteller die Sicherheitsstandards im gleichen Ausmaß außer Kraft setzen. Und das halte ich für ausgeschlossen. Dazu ist Brüssel in diesen Fragen einfach zu übergriffig geworden, wenn man sich allein schon ansieht, was heute selbst in Kleinstwagen für Unmengen an Assistenten verbaut werden müssen und welche Anforderungen es an den aktiven und passiven Fußgängerschutz gibt, was so manches Pkw-Modell optisch suboptimal verformt hat.

Für europäische Straßen sind die Dinger einfach zu lang, für Parklücken und enge Anwohnerstraßen teils auch zu breit, in Parkhäuser und (Tief-) Garagen und Waschanlagen passen sie sicher regelmäßig nicht rein.

Selbst in den USA sind diese völlig übermotorisierten überlangen Hubraummonster trotz ihrer offensichtlichen Mängel nur deshalb zulassungsfähig, weil sie dort nicht die Anforderungen von Pkws erfüllen müssen, sondern nur die sehr viel geringeren von Nutzfahrzeugen oder Lkws.

Obendrein ist dir hierzulande die allgemeine Verachtung mit jeder Menge unschöner Reaktionen sicher, wenn Du mit sowas unterwegs bist. Schon ein Hummer H2 ist doch eine übelst peinliche Karre für Leute, die mutmaßlich zumindest mental was zu kompensieren haben und das ist im Vergleich noch ein kleines Auto.

Ein Händlernetz müßte teils aufgebaut werden, Mechatroniker-Personal europaweit in die Fläche hinein dafür ausgebildet werden und das für eine mit absoluter Sicherheit weiterhin verschwindend geringen Anzahl an Fahrzeugen, weil sich diese oft minderqualitativen (Verarbeitung, Materialien) Spritsäufer obendrein auch nicht rechnen.

Selbst die an Europa halbwegs angepaßten kleineren und schwächer motorisierten Modelle kauft hier kaum jemand. Allein eine anständige Werkstatt für sowas in der Nähe zu finden, dürfte eine oftmals kaum zu lösende Aufgabe sein.

Und so rechnet sich das für die Hersteller vorne und hinten nicht, zumal klar sein dürfte, daß selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten würde, daß sich Ursula selbst dabei erfolgreich erpressen läßt, fraglich ist, wie lange diese Regelungen bestand hätten. Sowie da hinterm großen Teich für deren Verhältnisse wieder ansatzweise zivilisierte Zustände einsetzen, wärs doch mit solchen politisch bristanen hochgradig ärgerlichen inakzeptablen Zugeständnissen vorbei.

Das Problem dieser unpraktischen Kisten (was soll der normale Autofahrer eigentlich mit den riesigen offenen Ladefläche anfangen?) sind nicht die europäischen (Sicherheits-) Standards, sondern daß in Europa aus rein praktischen, finanziellen und Qualitätsgründen, kaum jemand sowas wirklich kauft.

Das gleiche Problem haben auch die für den US-Markt konzipierten normalen Pkws. Nicht ohne Grund versuchen die Hersteller garnicht erst, die Dinger hier zu verkaufen, weil die Ansprüche an die Autos in Europa völlig andere sind und sie deshalb schon im Ansatz scheitern würden.

Deine Antwort auf "MOTOR-TALK Talk: Cybertruck auf unseren Straßen? Ein neuer Handelsdeal der EU wirft Fragen auf"

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