Tesla-Härtetest: Runde 2
Stuttgart – Vier Tesla-Fahrer strahlen beim Blick auf das Messgerät. Es hängt, abgedeckt von einer zerrissenen Plastiktüte mit Werbung für eine Automobilpublikation, zwischen dem Tesla Model S und einer dreiphasigen Steckdose. Sie strahlen zufrieden, trotz 13° Celsius, trotz Starkregen, der vom Wind durch ihre dünnen Jacken gepeitscht wird. Das Gerät zeigt 9,8 Kilowattstunden Ladung an.
9,8 Kilowattstunden, die beweisen, dass ein Model S P85 mit konstant 120 km/h ohne Zwischenladung von Stuttgart nach München fahren kann.
Das klingt selbstverständlich, erwartbar, denn Tesla gibt 502 Kilometer als maximale Reichweite für sein Model S an. Doch im Härtetest des Fachmagazins Auto Motor und Sport (AMS) im Juli 2014 versagte der Reichweiten-Bizeps des getesteten Autos mitten im Klimmzug.
46 Kilowattstunden soll das Model S bei konstantem Tempo von 120 km/h pro 100 Kilometer bei starker Hitze verbrauchen, schrieb die AMS damals. Auf 75,9 Kilowattstunden Netto-Batteriekapazität hochgerechnet ergibt das eine Reichweite von 184 Kilometern. Einer Strecke von Stuttgart bis kurz hinter Augsburg.
„
Das Model S kommt viel weiter“, sagten die Model-S-Fans vom
Tesla-Fahrer und Freunde e.V.(TFF). Sie erkundigten sich nach den Testmethoden, kontaktierten den AMS-Chefreporter Alexander Bloch und
veranstalteten am 23. August 2014 eine Vergleichsfahrt in Hilden.
Ihre Tesla fuhren bei 20 Grad Außentemperatur im Durchschnitt 363 Kilometer weit. Bloch und seine AMS-Kollegen waren dazu eingeladen, erschienen aber nicht zum Termin.
AMS gegen TFF: Fachzeitschrift gegen Community
Schon vorher hatte die AMS die Tesla-Fahrer zu einem erneuten Test unter ähnlichen Bedingungen eingeladen:
Am 12. September 2014 folgte der exklusive Nachtest auf einer zertifizierten Teststrecke. Es herrschten die gleichen Parameter wie beim ersten Versuch. Ein Oval mit genau 3,0 Kilometern Länge, zwei Steilkurven, konstant 120 km/h und am besten 30 Grad Außentemperatur. Aber die gibt es nicht im September in Baden-Württemberg. Dafür Kälte und Regen.
Trotzdem starten beide Parteien gemeinsam den neuen Versuch. Sie wiederholen den ersten Test mit einem privaten
Model Saus dem TFF. Zehn Runden auf glattem Asphalt, danach eine Ladung auf den zuvor gemessenen Akkustand. 9,8 kWh laden die Tester nach 32,2 Kilometern.
Das bedeutet einen Verbrauch von 30,4 kWh pro 100 Kilometer(inklusive Ladeverlust). Ergibt eine Reichweite von 280 Kilometern.
Zur Sicherheit fährt ein zweites Model S mit 120 km/h auf dem Oval. So lange, bis der Akku Tempo 120 km/h nicht mehr halten kann. Nach 2:15 Stunden steht fest: Das Model S P85 von TFF-Mitglied Boris Reski fährt unter Testbedingungen 267,7 Kilometer weit – mit Klimaanlage, Heizung und Abblendlicht, aber ohne Radio. Ohne die Reserveladung anzugreifen, fahren die Tester 258,2 Kilometer.
Das entspricht rechnerisch einem Verbrauch von 29,4 kWh pro 100 Kilometer. Der Bordcomputer zeigt zuletzt 28,6 kWh pro 100 Kilometer an.
„Einphasig laden ist wie Benzin verschütten“
Doch woher kommt die Differenz zwischen den Fahrten?
Die AMS hatte im ersten Test nach 31 Kilometern einen Ladestromverbrauch von 14,3 kWh gemessen – fast 50 Prozent mehr als beim Nachtest.Die nur 184 Kilometer Reichweite wurden von der AMS auf Basis des gemessenen Wertes berechnet. Ermittelt mit der sogenannten einphasigen Bruttoladung inklusive aller Ladeverluste. Dieser Wert gibt an, wie viel Strom für die vollständige Ladung an einer normalen Haussteckdose nach 31 Kilometern nötig war.
TFF-Vorsitzender Eberhard Mayer sagt: „
Das Model S ist nicht für einphasiges Laden gebaut.“ Für den Vergleich hatte die AMS alle Testkandidaten einphasig geladen. Doch das sei beim Tesla extrem ineffizient. Besonders für die letzten 8,5 kWh Ladung benötige man viel Strom für Zellausgleich und Akku-Kühlung. Vielleicht habe beim Laden eine Tür offen gestanden. Dann könne die Klimaanlage Strom verbraucht haben.
Bloch sagt, die Ladeprotokolle gäben keinen Hinweis auf außergewöhnliche Situationen. Das einphasige Laden sei unvermeidlich gewesen. Schließlich trat der Tesla in einem Vergleichstest an. Und da sei Vergleichbarkeit essentiell.
Mayer zieht den Vergleich zum Tanken.
Einphasiges Laden sei, als würde jemand Sprit verschütten. Der schlechte Verbrauchswert müsse vor allem von den Ladeverlusten stammen. Zudem fand der erste Reichweitentest bei 30 Grad Außentemperatur statt. Die Klimaanlage musste das aufgeheizte Auto auf 20 Grad kühlen. Bei einer längeren Strecke wäre die Leistung der Klimaanlage gesunken, damit der Verbrauch. Die Mehrbelastung sei nur am Anfang so stark. Das sorge beim Hochrechnen für eine Ungenauigkeit.
Eine Differenz von 50 Prozent
Bei einer vollständigen dreiphasigen Ladung haben die Tester beim Tesla Model S P85 einen Bruttoladehub von 86,5 kWh gemessen. Das bedeutet:
Bei einer Ladung von null Kilometern auf volle Restreichweite benötigt das Model S P85 86,5 kWh Strom. Im Akku kommen davon 75,9 kWh an – der Ladeverlust liegt bei dreiphasiger Ladung demnach bei 14 Prozent.
Ein AMS-Testfahrer gab an, der Bordcomputer habe während der ersten Testfahrt einen Verbrauch von ungefähr 34 kWh pro 100 Kilometer angezeigt. Selbst bei einer Ungenauigkeit von einer Kilowattstunde ergibt das eine Brutto-Netto-Differenz von mehr als 30 Prozent zum gemessenen Wert von 46 kWh.
Auf Nachfrage von MOTOR-TALK sagte ein Experte, dass bei einphasiger Ladung und dadurch längerer Ladedauer die Ladeverluste entsprechend ansteigen.Lüfter, Zellausgleich und Zusatzgeräte müssen dann länger versorgt werden als bei schneller, dreiphasiger Ladung. Das führt unter anderem zu höheren Ladeverlusten. Dreiphasiges Laden sei derzeit eine der effizientesten Methoden.
Ladeverluste beeinträchtigen nicht die Reichweite. Sie geben nur an, wie viel zusätzlicher Strom für die Akkuladung notwendig ist.
Nach dem zweiten Test: Unmut im TFF-Forum
Der Nachtest lässt beide Parteien als Sieger und Verlierer zurück.Die Tesla-Fahrer sind zufrieden, weil sie trotz widrigem Wetter so gute Reichweiten erzielt haben. Doch die Nutzer des TFF-Forums sind unzufrieden. Einer schreibt: „Schade, dass ihr jetzt wie die kleinen Jungs da steht und AMS wieder sehr generös die Oberhand gewonnen hat. Die Teslafahrer stehen da wie die Korinthenkacker, die überpenibel Wert auf ihre große Reichweite legen.“
Die AMS ist zufrieden, weil der Austausch mit den Tesla-Fahrern gut war. Chefredakteur Ralph Alex sagt: „Die Diskussionen mit den Tesla-Fahrern waren für uns extrem spannend.
Wir nehmen aus den Gesprächen mit, dass es für uns in Zukunft noch wichtiger sein wird, sämtliche Details unserer Testverfahren oder beispielsweise die klimatischen Bedingungen noch plakativer im Heft und in unserem Online-Auftritt zu präsentieren.“Aber auch die AMS ist unzufrieden. Weil sie aus ihrer Sicht alles richtig gemacht hat, damals und heute. Und trotzdem die Tesla-Fahrer nur bedingt überzeugen konnten.
Die hatten nach dem neuen Testergebnis erwartet, dass die AMS einen Fehler eingesteht. Zum Beispiel diesen: Der erste Test sei praxisfern gewesen und lasse sich nicht hochrechnen. Besonders die AMS-Aussage, das Model S könne bei Temperaturen um die 30° Celsius nicht mit einer Akkuladung von Stuttgart nach München (231 Kilometer) fahren, stieß auf Unverständnis und sei falsch. Test-Teilnehmer Daniel Brandl schreibt: „
Schade, dass die Jungs von AMS so schlechte Verlierer sind und das nicht einsehen wollen.“
Die AMS-Redaktion betont in der Diskussion, dass sie selbst schon weitaus größere Reichweiten mit einem Tesla Model S erzielt haben, einmal bis zu 444 Kilometer. Doch eben nicht bei Hitze, Sonne und 120 km/h in diesem Oval. Nicht beim Härtetest. Da wurden alle Fahrzeuge gleich behandelt, von der Fahrstrecke über die Klimatisierung bis hin zur Ladung. Von allen Kandidaten lasse sich nur der Tesla dreiphasig laden.
Um die Vergleichbarkeit zu wahren, haben sich die Tester für den ineffizienteren Ladevorgang entschieden. Alle Ergebnisse, das von heute und das von damals, zeigen jeweils eine Momentaufnahme. Diese lasse sich schwer reproduzieren.
So ist das oft, wenn zwei sich leidenschaftlich streiten. Die einen hören nur das eine, die anderen nur das andere. Wie in jeder Beziehung auf dieser Welt.
Spekulationen um Ladeverluste und Testkriterien
Das Forum spekuliert derweil weiter. Der Hersteller gibt für die Test-Parameter eine höhere Reichweite an. Die TFF-Nutzer zweifeln an der Vergleichbarkeit zwischen Autobahn und Rundkurs. Steilkurven und der Testasphalt hätten das Ergebnis beeinflusst. Außerdem habe der starke Regen die Reichweite reduziert.
Die AMS will künftig die Elektroauto-Tests erweitern und
mindestens 50 Kilometer bzw. 30 Prozent Ladehub sowie eine vollständige Akkuladung weit fahren. Das soll Unschärfen reduzieren und einen Verbraucher wie die Klimaanlage kompensieren.
Immerhin: Die Tesla-Fahrer haben bewiesen, dass ihre Autos mehr können, als die Fachzeitschrift in dem einen Test zeigte. Die AMS sagt, sie habe das nie bezweifelt, sondern schon vorher bestätigt.
So endet die Geschichte in einem Patt. MOTOR-TALK war als einziger neutraler Beobachter vor Ort und hat auf beiden Seiten Menschen getroffen, die mit großer Leidenschaft ihre Sache vertreten.
Das Tesla Model S fährt in den allermeisten Fällen weiter, als in der Momentaufnahme der AMS gezeigt. Diese Momentaufnahme ist für Tesla wie das 7:1 der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Brasilien. Immer möglich, aber sehr, sehr selten.
Die Elektromobilität wird das Verhalten von Fahrern und Testern intensiv verändern. Autofahrer und Autotester stehen vor neuen Herausforderungen, vor Umdenkprozessen und Änderung der Gewohnheiten. Sicher ist: In schon fünf Jahren wird dieser Streit um die Reichweite so überholt sein wie eine Drei-Gang-Automatik.
Update: Wir hatten für ein paar Wochen ein
Tesla Modell Sals Testwagen. Lest unseren Bericht. Und was passiert, wenn man den Tesla komplett leer fährt, lest Ihr
hier.
3068 Antworten
Grundsätzlich stimmt das so.Zitat:
@Ringkolbenmaschine schrieb am 13. Oktober 2014 um 14:49:15 Uhr:
Dank für die Auskunft.Zitat:
Dann ist der CR-V ein Massenauto, und evtl eher mit einem zukünftigen Model III zu vergleichen
Warten wir 3 + 7 Jahre und schauen mal.
2 Kriterien sind für eine Massenfertigung Voraussetzung:
- Autoherstellfabrik (vorhanden)
- Batterieherstellwerk (noch nicht vorhanden, aber auf gutem Wege).
MfG RKM
Aber das HAUPTKRITERIUM für Massenfertigung ist die NACHFRAGE nach dem Produkt.
Dazu muss es nicht nur konkurrenzfähig sein sondern VORTEILE in der Grundfunktion bringen.
Grundfunktion des Autos ist für die meisten Benutzer der individuelle Transport von a nach b .
Das sollte dann je nach Geschmack auch
schnell
sicher
komfortabel
günstig
zuverlässig
geheizt/klimatisiert
ästhetisch ansprechend
schadstoffarm
mit Zuladung
mit Anhänger
...
erfolgen.
Seit kurzem kommt auch noch das schwammige Mode-Attribut "ökologisch" dazu.
Alle Anforderungen regelte der freie Markt, lange Zeit waren "zuverlässig" und "sicher" die größten herausforderungen. Heute ist das anders, das AUto wird in unseren Breiten als "Statement" gekauft.
Für Schadstoffarmut greift der Gesetzgeber zurecht massiv ein. Aber für das dehnbare "ökologisch" setzt man mancherorts willkürliche Förderungen aus Steuergeld(befreiung) ein. Und so wird aus einem Elektrofahrzeug per se ein vermeintlich "ökologisches" Fahrzeug. Dass der deutsche Strommix die Euro5-Abgasnormen kaum erfüllt spielt in der (ver)öffentlich(t)en Meinung keine Rolle: "Ich fahre mit Kohle" (damit ist die Echte gemeint) macht sich ja auch nicht so gut auf einem Tesla.
Mit sauberem Atomstrom würde das völlig anders ausschauen. Aber das ist ja Tabu.
Wenn aber schon der Ökologische Gedanke mehr als Fraglich ist (da habe ich den 600-kg-Akku noch gar nicht erwähnt), wie fraglich ist dann erst der Gesamtnutzen eines solchen Autos? Welches in der Praxis ja die gegenständliche Reichweitenschwäche aufweist. Denn diese Reichweitenschwäche widerspricht den Anforderungen an "schnell" und "komfortabel", und man ist geneigt, den akkubetriebenen Elektrofahrzeugen das Attribut "Automobil" abzuerkennen, denn eben die Mobilität ist grenzwertig eingeschränkt.
Wie also soll die FREIWILLIGE Massennachfrage nach so einem Produkt entstehen? Akku-LEISTUNGSSTEIGERUNGEN sind nur in geringem Umfang zu erwarten, die neue Fabrik produziert ja auch nur die gleichen Zellen wie sie jetzt schon verwendet werden. Es kann also nur über massive Kostensenkung erfolgen.
Ein Tesla X 85 um 30.000,- wäre für uns als Familie eine Überlegung wert. Als Zweitfahrzeug, denn unseren 2.000 kg Pferdeanhänger wird kein Akkuauto der Welt jemals vernünftig ziehen können. Für reine Stadtbewohner wäre ein Tesla um 30.000,- auch als Hauptfahrzeug eine Lösung.
Nur wird es diese Preissenkungen zur echten Konkurrenzfähigkeit wohl nicht geben.
In hundert Jahren wird man über Verbrennungsmotoren für PKWs lachen - aber genauso wird man über das REIN AKKUBETRIEBENE Elektrofahrzeuge lachen.
Zitat:
@Ringkolbenmaschine schrieb am 14. Oktober 2014 um 08:24:19 Uhr:
Warum immer diese Extreme.
40 ° minus hab ich in meinem Leben noch nicht erlebt.
So manches Kühlwasser in Euren Autos (Verdünnung bei falschen Sparsinn) würde den Verbrennermotor bei -40° sprengen (Kapitalschaden).
http://www.google.de/url?...
Zum Glück kommt ja die globale Erwärmungund das Problem mit Euren -40° verschwindet.
Bleibt das andere Problem mit +60°![]()
MfG RKM
Ich bin hin und wieder im Winter in Norwegen. Auch mit dem Motorrad. Da kann es im Extremfall sehr kalt werden. Nixdestotrotz fahren da die Teslas völlig ohne Probleme, während die Verbrennerautos speziell umgerüstet werden müssen (Ölwannnenheizung etc).
Hier in Deutschland sehe ich da nichtmal ansatzweise ein Problem. Ich habe hier noch niemanden erlebt, der eine Ölwannenheizung brauchte. Die meisten fahren sogar im Winter mit Kühlmittel, das nicht auf Winterbetrieb eingestellt ist (von den Winterreifen mal ganz zu schweigen).
Üblicherweise steht der Wagen über Nacht in der Garage. Und der Ladestecker ist angeschlossen. Das dauert nur 10sec. Mittlerweile stelle ich fest, wie lästig das Tanken gehen tatsächlich gewesen ist. Unsere Tanke ist ein paar Kilometer weg, durch die Innenstadt. Es ist unerfreulich, alle paar Tage tanken gehen zu müssen und dabei regelmässig einen 100 Euro Schein und mehr liegen zu lassen. Zeit, Geld, Aufwand.
Jetzt kann ich mich immer einfach in den Wagen setzen und losfahren. Tanken interessieren mich nicht mehr.
Zitat:
@Ce_eR_Vau_eR_De_9 schrieb am 14. Oktober 2014 um 09:19:35 Uhr:
Grundfunktion des Autos ist für die meisten Benutzer der individuelle Transport von a nach b .
Das sollte dann je nach Geschmack auch
schnell
sicher
komfortabel
günstig
zuverlässig
geheizt/klimatisiert
ästhetisch ansprechend
schadstoffarm
mit Zuladung
mit Anhänger
...
erfolgen.
Korrekt!
Meinen Geschmackhabe ich mal in
grünmarkiert.
Also meinen Geschmack erfüllt mein Model S sehr gut!
Zitat:
@Ce_eR_Vau_eR_De_9 schrieb am 14. Oktober 2014 um 09:19:35 Uhr:
...da habe ich den 600-kg-Akku noch gar nicht erwähnt..
Was hast Du denn für ein Problem mit dem Gewicht des Akkus? Kommt es nicht eher auf das Gesamtgewicht des Fahrzeugs an?
Ein Model S wiegt nicht mehr als ein konventionelles Automobil der selben Größe!