Neuer 118d: Drehmoment - oder die Frage nach der Einfahrphase...

BMW 1er E87 (Fünftürer)

Hätte da mal eine vorsichtige Frage zum 118d FL. Bin diesen vor ein paar Tagen erstmalig gefahren und wundere mich über das Drehmoment im mittleren Bereich. Der Wagen hat zwar schon ein Sechsganggetriebe, aber mal ehrlich - der kommt ja nicht aus den Puschen...
Gut - ich bin da von meinem Saab anderes gewoht, aber selbst ein 140PS 2.0tdi Passat Kombi mit Filter geht da besser. Und der sollte ja ein klein wenig schwerer sein, als der 1er....
Jetzt ist der Wagen allerdings noch brandneu. Gerade mal 500km auf der Uhr und deshalb wurde er auch nicht in den oberen Drehzahlbereich getreten. Ich habe mal was gelesen von "Werksdrosselung" - dass also auf den ersten x Kilometern (einige tausend) ab Werk sozusagen nicht das volle Drehmoment zur Verfügung steht. Ist da was dran ? Falls das so ist - ab wann könnte man mit voller Leistung / Drehmoment rechnen ?

46 Antworten

Also erstmal vielen Dank für die zahreichen Antworten.
Ein paar Dinge vorneweg - ich habe den Passat nicht als Vergleich herangezogen, weil ich alte Feindschaften wiederbeleben wollte, sondern weil diesen Motor offenbar jeder kennt. Hätte ich einen Saab Diesel als Vergleich genommen, hilft das vermutlich niemandem. Ich werde auch im Folgenden wieder Motoren anderer Hersteller nennen und bitte das als wertfreien Vergleich zu verstehen. Der Wagen hat jetzt knapp 4000km auf der Uhr; Einfahrphase ist also vorbei. Der gutgemeinte Ratschlag einer Probefahrt vor dem Kauf war nicht zu realisieren. Es handelt sich um einen Firmenwagen aus dem Pool einer größeren Firma. Ein Mondeo Kombi (140PS Diesel) wäre noch eine Alternative gewesen, aber da bereits ein Kombi in der Familie vorhanden ist, war der 1er klar die bessere Wahl.

An der Beschleunigung hat sich nichts wesentliches verändert. Die erwähnte lange Getriebeübersetzung kann ich bestätigen. Im 2ten zieht er noch recht gut, im 3ten und 4ten nicht mehr. Das herausbeschleunigen aus einer Ortschaft ist also das große Manko, es sei denn, man schaltet am Ortsausgang nochmal in den 2ten runter (graus). Das Loch liegt aber eher im mittleren Drehzahlbereich. Ab ca. 3300 U/min wird er munter und holt das nach, was er darunter vermissen lässt. Das ist dann der Bereich, wo andere Turbodiesel schon merklich abbauen und der 1er wieder aufholt. BMW hat es sozusagen geschafft, die (unsinnige) Charakteristik eines Saug-Benziners auf einen Turbodiesel zu übertragen. Das ist insofern verständlich, als BMW ja auch den 120d noch verkaufen will; da müssen ja irgendwo Unterschiede sein (außerdem wollen die BMW-Chiptuner ja auch leben...).

Noch ein paar Impressionen aus den letzten Tagen in loser Reihenfolge :

- Die Start-Stop Automatik ist toll. Keine Probleme damit und ab und zu erstaunte Gesichter bei Passanten.
- Die Sitzheizung (Sportsitze aus dem Dynamik-Paket) heizt enorm schnell und bis zu den Schultern hinauf.
- An der linken unteren Ecke des Seitenfensters neben dem Verriegelungsknopf fehlt eine Ecke der Verkleidung. Das Loch ist so gross, dass fast ein Bleistift durchpasst. Hier hat klar ein Ingenieur bei der Konstruktion der Verkleidung gepennt.
- Der Innenraum glänzt durch eine enorme qualitative Bandbreite. Es finden sich Stellen höchster Verarbeitungsqualität neben Stellen von miserabelstem Schrott, dass ich mir ernsthaft Gedanken um den Geisteszustand mancher Konstrukteure machen muss. Beispiel: Armaturenbrett oben ist erstklassig; unten um das Handschuhfach billigstes Hartplastik-Imitat. Das Lenkrad ist einwandfrei, die Lenkradkonsole ein Witz, der aus einem Fiat Panda der 80er stammen könnte. Der Haken zum öffnen der Motohaube kostet sicher nur 1/2 Cent in der Herstellung. Hier hätte BMW doch sicher generös einen weiteren 1/2 Cent investieren können um dem Ding einen wertigeren Eindruck zu spendieren. Hätte ich sogar ungefragt mitbezahlt.
- Das Radio (HiFi Professional) bringt exzellenten Klang, ist aber gleichzeitig ein bedienungstechnischer Albtraum.
- Das Fahrwerk (Sport aus Dynamikpaket) liegt wie ein Brett auf der Strasse - exzellent. Ungewöhnlich ist das Verhalten auf Autobahnen, denn es gibt trotz des kurzen Radstandes keine schaukelbewegeungen auf langen Querfugen. Dafür knickt es im Grenzbereich plötzlich ein und untersteuert brutal. Das läßt sich z.B. auf nassem Kopsteinpflaster relativ gefahrlos testen. Kommt richtig unerwartet; kurz vorher fährt der Wagen wie ein Kart und dann bricht er mit einem Mal weg. Habe ich so heftig noch nirgends erlebt; üblicherweise kann man den Gernzbereich fühlen - hier nicht. Aber diese Grenze liegt schon enorm weit draußen...
Dafür rumpelt das Fahrwerk übelst, wenn es sehr hart hergeht. Auf normalen Straßen oder Feldwegen ist das nicht zu hören; auch auf Querfugen, oder Parkplatzeinfahrten nicht. Wer aber die Kopfsteinpflaster-Strassen in Städten wie Quedlinburg und Umgebung kennt, der wird erstaunt vom Geräuschspektrum des Fahrwerks sein (tiefes Rumpeln oder Klappern). Auch die Heckablage mischt da ordentlich mit, da sie aus billigster Presspappe gefertigt ist und auf zwei Hartplastik-Haken aufliegt (klasse Idee, BMW - Chapeau!)

- Der Unterboden unter dem Motor ist verkleidet, so dass kein Spritzwasser drankommt. Auch Ratten, Marder oder sonstiges Getier dürften sich schwertun.
- Der Heckscheibenwischer könnte am unteren Ende ein paar Zentimeter kürzer sein und dafür etwas weiter wischen, denn das untere Ende wird sowieso von der dritten Kopfstütze verdeckt und so wie es jetzt realisiert ist hört der Wischer zu früh auf. Das Heck und die Scheibe verdrecken sehr schnell, so dass ein guter Heckscheibenwischer durchaus wichtig ist.
- Die Klappe oben auf dem Armaturenbrett klemmt. Das ist ein klarer Fall für die Werkstatt. Man muss richtig mit den Fingernägeln daran herumpopeln, um das Fach zu öffnen.
- Die vorderen Scheibenwischer sehen sehr filigran aus, liegen aber satt auf und wischen hervorragend.
- Die Hupe kingt sehr quäkig. Kein Vergleich zum Passat. Das ist imho schlicht unangemessen.
- Die Alu-Abdeckung des Gangschaltungshebels (Dynamik-Paket) ist nett anzusehen, aber empfindlich. Mein Ehering trägt einen permanenten Kampf damit aus und manchmal gewinnt er auch. Macken gibt es in jedem Fall - im Ring oder der Abdeckung.
- Die Tachoabweichung ist so gross, dass ich das als sicherheitsrelevanten Mangel einstufe und an die Werkstatt übergebe. Bei keiner anderen Marke wird der Kunde derart verschaukelt, wie beim 1er BMW. 50km/h laut Tacho/Tempomat entsprechen 44km/h laut GPS. Weiter oben wird es noch schlimmer. 190km/h laut Tacho/Tempomat sind 175km/h laut GPS. Bei 220km/h wird abgeregelt. Das entspricht 206km/h nach GPS. Auch bergab geht nicht mehr, denn die Abregelung hängt von der Geschwindigkeit ab und nicht von der Drehzahl. 5ter oder 6ter Gang erreichen beide die Endgeschwindigkeit. 6ter dreht dann bei ca. 3600 U/min. Der Motor ist aber so leistungsstark, dass er die Endgeschwindigkeit hält und sogar noch weiter könnte, wenn er nicht begrenzt wäre. Das schafft der Vergleichs-Passat nicht.
- Der Turbo zieht spürbar erst ab ca. 1600U/min. Nicht besonders früh, aber vergleichbar mit dem VW. Ein A5 3.0TDI kommt hingegen am 1000 U/Min, aber das ist kein fairer Vergleich.
- Der Motor kingt genau wie jeder andere Diesel. Kein unterschied zum PD des Passat. Der BMW Motor ist aber viel besser geräuschgedämmt.
- Der angegebene Verbrauch ist ein Mondwert und wird natürlich nicht erreicht. Mit den üblichen 6,2l/100km (Spritmonitor) kommt man aber gut hin.
- Das adaptive Kurvenlicht ist klasse. Das ist im wahrsten Sinne wegweisend für die Mitbewerber.
- Der Schalter für Umluft liegt direkt auf dem Lenkrad - sehr gut. Genau da gehört er hin, denn er muss häufig betätigt werden. Die automatische Umluftsteuerung ist leider nahezu nutzlos, das sie z.B. Schwefelwasserstoff (Gülle auf dem Feld) nicht als umschaltwürdig betrachtet.
- Die automatische Lichtsteuerung schaltet imho zu spät. Auf Autobahnen tagsüber auch gerne mal gar nicht und im dunklen Tunnel dauert es auch ein paar Meter bis Licht kommt. BMW könnte die Automatik z.B. an die Geschwindigkeit koppeln (ab 120km/h immer Licht an).

Soweit meine Eindrücke. Ich würde den Wagen sogar privat wieder kaufen, wenn nicht die Anfahrschwäche wäre. Einen 120d oder einen Chip im 118d und die Welt wäre rundum in Ordnung. Im Gesamteindruck bin ich mit dem Wagen jedoch zufrieden, denn die meist gute Verarbeitung und das gelungene Design machen eine Menge wett. Das Fahrwerk ist im Alltag toll, könnte jedoch auf der Rennstrecke an die Grenzen kommen. Gleiches gilt für die Bremse. Die Scheiben sind vorne und hinten innenbelüftet und passen gerade so unter 16Zoll Felgen. Mehr als ausreichend auch für lange Passabfahrten, trotz des unglaublich hohen Gewichts des 1ers (über 1400kg !). Für die Rennstrecke jedoch deutlich unterdimensioniert (Klötze zu klein). Ich würde der Bremse max. zwei Runden auf der Nordschleife zugestehen, bevor sie ordentlich weich wird (aber das gilt für fast jede Serienbremse).

Guter und ausführlicher Bericht.

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