ESP bei Schnee bremst mir den Motor tot
Hallo Leute,
Gestern hatte mein Vito seinen ersten Geburtstag und obwohl bei der Abholung vor einem Jahr bei uns die ersten Schneeflocken fielen, konnte ich nicht wirklich viel Wintererfahrung sammeln. Nun fast zeitgleich: Wintereinbruch! Aber diesmal richtig. Mit meinem 124’er hatte ich bisher im Winter mächtig Spaß und bin ohne irgendwelche Helferlein und oft auch ohne Ersatzrad und mit leerem Tank schön durch den Winter gekommen. Also hab‘ ich mich auch diesmal auf den Winter mit Heckantrieb gefreut. Denkste!
Fahrzeug: Vito 116 kurz, Schaltgetriebe, letzte Sitzbank steht im Keller, neue Continental Vancowinter2
Straße: Es schneit ständig und auf den Nebenstraßen fährt man auf geschlossener Schneedecke.
Ergebnis: Das ESP ist ständig aktiv, hilft mir aber nicht.
Im Gegenteil. Gerade beim Anfahren oder bei langsamer Fahrt bergauf regelt das System so dämlich, das mir der Bremseingriff den Motor abwürgt. Wenn ich es ausschalte, wird die Hinterachse zur Fräse und ich zum Verkehrshindernis. In der Situation würde ich gern bei leichtem Schlupf mit dem Gas spielen. Aber das kann man völlig vergessen. Dafür spricht das elektronische Gaspedal viel zu spät, oder gar nicht an.
Bin ich zu blöd ein neues Auto zu fahren? Was machen eure Helferlein in solchen Situationen?
VG
binford
Beste Antwort im Thema
Nun lese ich hier die ganze Zeit über ein schlechtes ESP, der Wunsch nach einem „zweistufigen“ ESP, usw.
Wenn man sich die Funktionsweise eines ESP vor Augen hält, dann wird klar, dass ein ESP nicht in allen Fahrsituationen optimal arbeiten kann. Und zwar unabhängig vom Hersteller.
Ursächlich dafür ist, dass heute bei den meisten Fahrzeugen (zumindest bis zur 3,5 t-Klasse) eine Achsgeometrie mit negativem Lenkrollradius verwendet wird, der ja auch eigentlich in den meisten Fahrsituationen fast ausschließlich Vorteile bringt. Audi hatte damals bei dem Audi 80 mit einer solchen Achsgeometrie angefangen.
Dieser negative Lenkrollradius hat zur Folge, dass bei Kurvenfahrt z.B., der Schräglaufwinkel der gelenkten Vorderräder unterschiedlich ist. Bei leichter Kurvenfahrt auf griffiger Fahrbahn wird dies noch kaum merkbar durch die Verformung der Reifen ausgeglichen. Dies geht natürlich nicht auf rutschigem Untergrund oder starken Kurven, wie z.B. Serpentinen. Hier kommt es dann zu Fehlmeldungen an das ESP.
Die heutigen ESP sind alle mit einer ASR (Antischlupfregelung) kombiniert. Bei fast allen Pkw, von hochkarätigen Sportfahrzeugen mal abgesehen, lässt sich das ESP vom Fahrer nicht mehr abschalten. Was abgeschaltet werden kann, und selbst das mittlerweile nicht mehr bei allen Fahrzeugen, ist die ASR.
Dieses ist auch in einigen Fahrsituationen erforderlich. Auf jeden Fall dann, wenn, wie ja hier auch beschrieben, die ASR die Motorleistung soweit runter bremst, dass nicht mehr genügend Motorleistung zur Verfügung steht, um das Fahrzeug vorwärts zu bewegen. Dies ist insbesondere z.B. beim Anfahren an Bergen auf glattem Untergrund der Fall. Hier ist ein gewisses „fräsen“ der Räder wünschenswert, was natürlich mit einer ASR nicht geht.
Ebenso sollte man diese beim sog. „freischaukeln“, wenn man sich festgefahren hat deaktivieren und bei der Verwendung von Schneeketten.
Aber auch auf trockener Fahrbahn, z.B. auf Serpentinen ist es empfehlenswert die ASR zu deaktivieren. Durch diese teilweise 180-Grad-Kurven in den Serpentinen, entsteht ein deutlicher Drehzahlunterschied zwischen dem kurveninneren Rad und dem kurvenäußeren Rad. Diese Meldung erhält natürlich dann auch das ASR. Die ASR macht natürlich dann dass, was sie auch bei Drehzahlunterschied bei Glätte macht. Sie würde das kurvenäußere Rad, das ja mehr Drehzahl hat als das kurveninnere Rad, entsprechend abbremsen. Dies will man natürlich in diesem Fall gerade nicht.
Ich habe das ESP und die ASR in meinem Marco Polo die letzten Tage auf Glätte das erste Mal endlich testen können. Dazu muss ich sagen, dass ich, was solche Vergleiche angeht, nicht ganz unbeleckt bin und beruflich schon sehr viele Fahrzeugmodelle diesbezüglich bei div. Fahrtrainings testen konnte. Dabei konnte ich feststellen, dass die Unterschiede in der Abstimmung in Extremsituationen, besonders bei niedrigem Reibwert der Fahrbahn, gravierend sind.
Nach meinen ersten, zwar noch vorbehaltlichen Erfahrungen mit dem Marco Polo, lässt sich erkennen, dass das ESP sehr gut auf das Fahrzeug abgestimmt ist. Auch das ASR verhält sich nach ersten Erfahrungen sehr gut. Vor allem, und da können wir froh sein, lässt sich das ASR abschalten, wo es erforderlich ist. Wie ich eingangs erwähnte, gehen die Autohersteller nach und nach davon ab, was ein Unding ist. Bei dem Golf VII (außer die sehr leistungsstarken Sportmodelle) ist dies z.B. nicht mehr möglich. Für diese Fahrzeuge ist die Fahrt an steilen Bergen bei Glätte, insbesondere beim Anfahren, meist zu Ende.
Zu dem ESP selber ist insbesondere für die älteren Autofahrer unter uns, oder besser gesagt, die Autofahrer der alten Schule (da gehöre ich auch zu) noch zu sagen, dass man beim Fahren mit ESP umdenken muss.
Meine Autofahrergeneration hat noch das Autofahren auf Fahrzeugen ohne ESP, ABS usw. gelernt.
Früher galt es in einer Notsituation, insbesondere natürlich auch bei Glätte, nicht voll auf die Bremse zu treten, um ein blockieren der Räder zu vermeiden und so die Lenkkontrolle zu erhalten.
Mit ABS, das hat sich weitgehend rumgesprochen, sollte man sofort eine Vollbremsung einleiten,um keinen Meter zu verschenken. Der „zögerliche Bremser“ wird dabei mittlerweile sogar durch verschiedene Bremsassistenten unterstützt, die die volle Bremsleistung einleiten.
Was sich allerdings bei vielen alten Autofahrerhasen noch nicht rumgesprochen hat, ist das erforderliche Lenkverhalten bei einem ESP-Fahrzeug.
Ohne ESP haben wir früher, wenn das Fahrzeug den Grenzbereich überschritten hat und ausgebrochen ist, entsprechend gegengelenkt, um es wieder einzufangen. Oder, die „sportlichen alten Hasen“ unter uns, haben das Fahrzeug in einen leichten Drift gebracht und durch entsprechendes Gegenlenken das Fahrzeug durch die Kurve gebracht.
Mit ESP funktioniert das allerdings anders. Gegenlenken versorgt das ESP mit Fehlinformationen über den Lenkwinkelsensor.
Das bedeutet in einer Kurve, bei der der Grenzbereich des Fahrzeuges überschritten wird z.B., dass das Lenkrad beim beginnenden ausbrechen des Fahrzeuges weiter eingelenkt werden muss, statt wie früher ohne ESP beim beginnenden Ausbrechen das Gegenlenken einsetzen musste. Durch das stärkere Einlenken bekommt das ESP über den Lenkwinkelsensor das Signal, die kurveninneren Räder stärker abzubremsen um das Fahrzeug in die Kurve „rein zu ziehen“. Wenn man jetzt gegenlenken würde, bekäme das ESP durch den Lenkwinkelsensor das Zeichen für einen angeforderten Fahrrichtungswechsel. Damit hätte man das ESP „überlistet“. Es hilft nicht mehr, es kann dabei sogar nachteilig eingreifen.
Vielleicht konnte ich dem Einen oder Anderen helfen, die Technik ein wenig besser zu verstehen und dazu ermutigen, in der einen oder anderen Situation von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die ASR abzuschalten. Leider ist keine Direktanwahl über einen Schalter mehr im Armaturenbrett vorhanden. Ich händele das so, dass ich mir bei glatter Fahrbahn das Menü im Bordcomputer aufrufe. Jetzt kann ich jederzeit mit der O.K.-Taste die ASR ein oder ausschalten und das während der Fahrt. Werde ich an einem steilen Berg bei Glätte durch den ASR-Eingriff langsamer, schalte ich es während der Fahrt ab.
Hierzu sei noch zu erwähnen, dass man am Berg nicht, wenn die ASR regelt, die Motorleistung selber schon zurück nehmen sollte. Man muss der ASR auch zunächst Gelegenheit zum Regeln geben.
Beim Anfahren am steilen Berg und Glätte, die ASR direkt raus nehmen und dann, später während der Fahrt wieder rein nehmen.
36 Antworten
Zitat:
@ConnyCook schrieb am 15. Januar 2017 um 17:01:36 Uhr:
Beim Vito gibts den Schalter auch noch in der Mittelkonsole.
Erstaunlich, dass der im V fehlt aber im Vito vorhanden ist.
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Noch einen Nachtrag zum Fahren mit ESP, den ich vergessen habe zu erwähnen:
Während man früher ohne ESP das Gegenlenken abrupt eingeleitet hat, sollte man abrupte Lenkeinschläge mit dem ESP vermeiden. Zügiges lenken ist hier richtig, aber nicht abruptes einlenken.
Wer es einmal auf einem schneebedeckten Parkplatz ausprobieren möchte:
zügig gerade ausfahren und dann mal abrupt scharf einlenken. Das Heck wird etwas ausbrechen….dann aber wieder eingeregelt. Dadurch kann man „bewusst“ einen kleinen „Driftansatz“ auch mit ESP hinbekommen, um etwas zügiger durch die Kurve zu kommen ;-). Das klappt bei Fahrzeugen mit kurzem Radstand besser als bei dem langen Radstand des Vau.
Das ESP ist, was die Fahrsicherheit im Alltagsverkehr anbelangt, eine ganz hervorragende Sache. Dadurch, dass die Regelung immer durch Abbremsen einzelner oder mehrerer Räder stattfindet, wird immer Geschwindigkeit weggenommen. Das ist auch der Grund, warum ein geübter Fahrer auf einer Rennstrecke ohne ESP immer schneller ist als mit ESP. Aber wir sind ja nicht auf der Rennstrecke.
Zitat:
@ConnyCook schrieb am 15. Januar 2017 um 17:01:36 Uhr:
Danke auch von mir für den Beitrag.
Werde ich morgen früh gleich mal ausprobieren.
Beim Vito gibts den Schalter auch noch in der Mittelkonsole.
Gruß
Ist ja vorhanden, aber eben nicht mehr als Schalter. In meinem W204 (BJ 2013) ist aber auch schon kein Schalter mehr drin. Auch hier wird über das Menü ein- und ausgeschaltet.
Zitat:
@schoema schrieb am 15. Januar 2017 um 18:14:51 Uhr:
Zitat:
@ConnyCook schrieb am 15. Januar 2017 um 17:01:36 Uhr:
Beim Vito gibts den Schalter auch noch in der Mittelkonsole.Erstaunlich, dass der im V fehlt aber im Vito vorhanden ist.
Zitat:
@dieterpapa schrieb am 15. Januar 2017 um 00:41:04 Uhr:
Moin,bei uns im fränkischen Jura schneit es wie verrückt. Berg hoch hat das ESP tatsächlich den Motor abwürgt, so daß das Auto stehengeblieben ist.
Zuerst hab ich es dann stückweise mit ESP versucht - ging zwei Meter, dann wieder gestanden. Dann ohne ESP problemlos mit etwas Schlupf den Berg hoch.
Allerdings hats dann mitten am Berg einen Rumms gemacht und das ESP hat sich komplett verabschiedet mit Meldung im KI.
Nach 15Kilometer lies sich das ESP dann aber wieder aktivieren. Kann das jemand erklären?Dieter
Das kann mit der starken Drehzahldifferenz der Räder zusammenhängen. Nach ein paar Kilometern ist der Fehler nicht mehr aufgetreten und dadurch lies sich das ESP dann wohl wieder aktivieren. Evtl. wäre es auch gegangen durch Motor aus, verriegeln, entriegeln und starten. Schön, dass es sich wieder aktivieren ließ. Wir haben bei Fahrsicherheitstest VW-Fahrzeuge gehabt, die bei Drehzahldifferenzen, wenn z.B. das Auto beim eingeleiteten Schleudervorgang nicht mehr aufgefangen werden konnte und sich gedreht hat, in den Notlauf gegangen sind. Konnte dann nur wieder mittels Motortester und löschen des Fehlerspeichers beseitigt werden. Wobei dies dann auftritt, wenn man sich mit dem Fahrzeug dreht und die Bremse nicht getreten hält. Dann drehen die Räder so unterschiedlich und durch die Drehung des Fahrzeuges teilweise vorwärts und rückwärts, dass die Elektronik einfach überfordert war und mit Fehler abgeschaltet hat. Also wenn drehen.....dann Bremse getreten halten. Was aber ohnehin auch sicherer ist.
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Zitat:
@schoema schrieb am 15. Januar 2017 um 18:03:54 Uhr:
Zitat:
@VW2006 schrieb am 15. Januar 2017 um 16:27:19 Uhr:
Die heutigen ESP sind alle mit einer ASR (Antischlupfregelung) kombiniert. Bei fast allen Pkw, von hochkarätigen Sportfahrzeugen mal abgesehen, lässt sich das ESP vom Fahrer nicht mehr abschalten. Was abgeschaltet werden kann, und selbst das mittlerweile nicht mehr bei allen Fahrzeugen, ist die ASR.Wenn ich in der Bedienungsanleitung nachlese, steht dort nur was von nicht mehr begrenztem Drehmoment bei trotzdem wirksamer Traktionsregelung. 😕
In folgenden Situationen kann es besser sein, ESP® auszuschalten:
bei Schneekettenbetrieb
im Tiefschnee
auf Sand oder Kies
Schalten Sie ESP® ein, sobald die oben beschriebenen Situationen nicht mehr vorliegen. Sonst bleibt die ESP® Unterstützung bei der Fahrzeugstabilisierung stark reduziert, auch wenn das Fahrzeug ins Schleudern gerät.Wenn Sie ESP® ausschalten,
geht die Warnleuchte im Kombiinstrument an
blinkt die Warnleuchte im Kombiinstrument bei durchdrehenden Rädern
ist die ESP® Unterstützung bei der Fahrzeugstabilisierung im unteren Geschwindigkeitsbereich bis etwa 60 km/h stark reduziert
wird der Motor in seinem Drehmoment nicht mehr begrenzt und die Antriebsräder können durchdrehen. Die durchdrehenden Räder erzielen auf losem Untergrund eine Fräswirkung für bessere Traktion.
ist die Traktionsregelung weiterhin aktiv
können Sie weiterhin mit Unterstützung von ESP® bremsen.
Das ist ja auch richtig. Das ESP hat ja mehrere Bestandteile, dazu gehören die Antischlupfregelung und die Traktionskontrolle. Die Antischlupfregelung kannst Du deaktivieren, wodurch das Motordrehmoment nicht mehr reduziert wird. Die Traktionskontrolle, eine Art elektronische Differentialsperre, ist weiterhin aktiv. Und die braucht Leistung und Schlupf um gut zu funktionieren. Also nicht Gas wegnehmen, wenn an der Antriebsachse Schlupf aufkommt. Ohne Traktionskontrolle oder mechanischem Sperrdifferenzial würde kein Vortrieb mehr stattfinden, wenn eines von zwei Antriebsrädern durchdreht, auch wenn das andere auf griffigem Untergrund steht. Die Traktionskontrolle bremst das durchdrehende Rad ab und lässt dem Rad auf griffigem Untergrund die Möglichkeit zum Vortrieb. Das braucht natürlich dafür eine entsprechende Motorleistung. Nimmt man die zu weit zurück, also unter den Leistungspunkt, der für den Vortrieb bei Gewicht und Steigung erforderlich ist, dann geht es natürlich auch nicht vorwärts. Bei Schneebedeckter Fahrbahn hat dann mal das linke und mal das rechte Rad mehr Grip. Dadurch schaltet die Traktionskontrolle hin und her und bremst dann unter Umständen wechselweise mal das linke und mal das rechte Antriebsrad ab.
Moin,
nachdem es heute genügend Gelegenheit gab, das Fahrverhalten am Berg im Schnee zu testen, hat sich jetzt folgendes als optimal herausgestellt:
Per MFL bereite ich die ESP Abschaltung vor, so daß im Fall des Falles nur noch OK gedrückt werden muß und es weitergeht. Damit bin ich dann jeden Berg hochgekommen - auch da, wo ein Audi Frontkratzer aufgegeben hat.
Allerdings sind doch noch Regelvorgänge zu spüren (EDS?), auch ohne ESP wird der Motor etwas heruntergeregelt.
Der V war dazu nur mit zwei Personen, 6 Sitzen und nur minimaler Zuladung (vielleicht 30-40kg) im Heck belastet.
Dieter
Hallo Dieter,
dann hast Du es genau richtig gemacht. Die Regelvorgänge kommen durch das EDS. Das "etwas runter regeln" entsteht durch den Eindruck, dass ein Bremseingriff durch die EDS stattfindet.