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VW-Prototypen: 2.0 TDI (EA 288 Evo), Elektroverdichter - Die Diesel-Zukunft von VW

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Trotz Skandal, Stickoxiden und Verbotsdebatte: VW glaubt an den Diesel. Deshalb startet bald die neue Generation des Selbstzünders, optional mit Elektro-Unterstützung.

Diesel-Prototypen: Ein Touareg mit Elektro-Verdichter und ein aktueller Passat mit dem Motor seines Nachfolgers Diesel-Prototypen: Ein Touareg mit Elektro-Verdichter und ein aktueller Passat mit dem Motor seines Nachfolgers Quelle: Volkswagen

Ehra-Lessien – Was Diesel zukünftig können müssen, ist heute noch ungewiss. Die aktuelle Motorengeneration soll bei VW alle bekannten Euro-6-Normen erfüllen. Der Nachfolger muss Euro 7 schaffen. Dazu gibt es aber bisher keine Vorschriften. VW vermutet, dass der erlaubte Stickoxidausstoß mindestens halbiert wird. Macht höchstens 40 Milligramm NOx pro Kilometer.

Euro 7: Motorentwicklung mit geschätzten Grenzwerten

Der Abgasstrang im Detail: NOx-Speicherkat, SCR-Kat, doppelte AdBlue-Einspritzung Der Abgasstrang im Detail: NOx-Speicherkat, SCR-Kat, doppelte AdBlue-Einspritzung Quelle: Volkswagen Die neue Norm darf die Entwickler nicht kalt treffen. Deshalb entwickeln sie schon jetzt mit geschätzten Werten. Das Ziel sind 35 Milligramm NOx – als Polster oder Kür. Die Motorgeneration „EA 288 Evo“ bekommt dafür Modifikationen an Motor und Abgasanlage.

Die wichtigste Änderung gibt es längst bei anderen Herstellern. VW kombiniert im EA 288 Evo einen NOx-Speicherkat* mit einem SCR-Kat*, also einer AdBlue-Einspritzung. Beide Reinigungssysteme wirken in unterschiedlichen Abgas-Temperaturbereichen. Der Speicherkat bis, der SCR-Kat ab etwa 250 Grad. AdBlue wird motornah und am Unterboden eingespritzt.

Im Motor sinkt die Stickoxidproduktion bei der Verbrennung durch günstiger geformte Ansaugwege und höheren Kraftstoffdruck. Turbomotoren sollen bald mit 2.300 bar einspritzen (bisher: 2.000 bar). Biturbo-Selbstzünder drücken den Diesel mit 2.700 bar in die Brennräume (bisher: 2.500 bar).

Testfahrt im Prototyp: EA 288 Evo im Passat B8

Neuer Motor im aktuellen Passat: Der EA 288 Evo debütiert frühestens 2020 Neuer Motor im aktuellen Passat: Der EA 288 Evo debütiert frühestens 2020 Quelle: Volkswagen Von diesen Maßnahmen darf der Fahrer nichts merken. Das gelingt: Im Prototyp mit Passat-B8-Karosserie fällt nicht auf, dass ein neuer Diesel unter der Haube brummt. Nur Notfallschalter und zusätzliche Geräte deuten auf einen Versuchsträger hin. Alles andere fühlt sich nur nach Passat Diesel an, in diesem Fall mit 163 PS. Drehmomentstark, etwas rau unter Last, insgesamt aber mit guten Manieren.

Wenn er in die Serie startet, soll der neue Diesel weniger verbrauchen als der aktuelle. Das passiert aber frühestens 2020, eher später. Er könnte in der nächsten Passat-Generation debütieren, vielleicht schon im Tiguan Facelift. Jeweils vermutlich zum höheren Preis: Die zusätzliche Abgasreinigung kostet. Und sie macht den Diesel langfristig zu teuer für kleine Autos. Der nächste VW Polo fährt voraussichtlich ohne Selbstzünder. Für große und schwere Autos bleibt er aber wichtig.

Ein elektrischer Verdichter säubert die Abgase

Die meisten Lastzustände habe man im Griff, sagt VW. Die Kombination aus Nachbehandlung und motorinternen Modifikationen funktioniere. Aber bei einer Verbrennung gibt es viele Variablen. Zum Beispiel den Moment, in dem der Turbo Druck aufbaut. In dieser Situation stellten die Ingenieure bei ihren Messungen hohe Stickoxidemissionen fest. Salopp gesagt: Das Turboloch ist umweltschädlich.

Bis zum Marktstart soll sich das ändern. Ein Lösungsansatz stammt von Audi: Ein elektrisch angetriebener Verdichter (EAV) erreicht in weniger als 0,3 Sekunden seine Maximaldrehzahl. Damit ließe sich die Luft schneller komprimieren, die ungünstige Phase wird verkürzt. Nach höchstens einer Sekunde steht der EAV wieder still. Dann hält der Turbo den Druck. Audi setzt diese Technik am V8-Diesel des SQ7 ein.

Einen Vierzylinder-Diesel wird es im Touareg wohl nicht so schnell geben. Dieser hier trägt einen zu Versuchszwecken Einen Vierzylinder-Diesel wird es im Touareg wohl nicht so schnell geben. Dieser hier trägt einen zu Versuchszwecken Quelle: Volkswagen VW testet die Funktionsweise an einem Vierzylinder – in einem Auto, das es nicht mit diesem Motor geben wird. Ein Touareg dient als Versuchswagen. In ihm arbeitet ein 190-PS-Diesel aus der Mittelklasse (z. B. Audi A4, VW Passat), ergänzt um einen EAV. Ohne Passagiere wiegt er 2,2 Tonnen. Wenn der Motor in diesem Prototyp funktioniert, kommt er auch mit einem Tiguan zurecht.

Vierzylinder-Touareg: EAV-Prototyp

Im schweren SUV streckt sich das Turboloch. Der Vierzylinder ist zu träge für den schweren Touareg, vor allem im Drehzahlkeller. Steht der Ladedruck, rollt der Wagen anständig, nur eben weniger kräftig als mit dem serienmäßigen Sechszylinder. Im Serienzustand ist der kleine Motor nicht für das große SUV geeignet.

Mit dem EAV wird aus dem 2,0-Liter-Motor ebenfalls kein souveräner Antrieb für einen Touareg. Aber diese Konstellation zeigt, welche Wirkung ein starker Elektro-Ventilator im Ansaugtrakt hat. Aus fast zwei Sekunden bis zum Ladedruck wird etwas mehr als ein Augenzwinkern. Der Motor verbrennt schnell wieder im günstigen Lastzustand.

Ein 48-Volt-Bordnetz wird es bei VW langfristig in den meisten Fahrzeugklassen geben. Der EAV eröffnet neue Möglichkeiten. Getriebe könnten größere Sprünge zwischen den Übersetzungen machen und dadurch Gewicht verlieren. Oder der EAV könnte ein Zwischenschritt zwischen Mono- und Biturbo-Diesel darstellen. Der Verdichter kostet weniger als ein Turbolader und wird nicht so stark beansprucht.

Bevor die neuen Diesel auf den Markt kommen, muss die EU die Grenzwerte bestimmen. Und VW muss sich um die alten Diesel kümmern: In Deutschland fahren noch zehn Prozent der Skandaldiesel mit alter Software. EU-weit sind es 30 Prozent. Immerhin soll die Zufriedenheitsquote der Kunden bei 98 Prozent liegen. Sagt VW.

*Erklärungen

NOx-Speicherkat: Der NOx-Speicherkat sammelt Stickoxide auf seiner Oberfläche. Wenn alles belegt ist, spritzt der Motor kurzzeitig mehr Kraftstoff als nötig ein. Bei der sogenannten „fetten“ Verbrennung entstehen viel Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe. Sie reagieren im Speicherkat mit den Stickoxiden zu Kohlendioxid und Stickstoff. Diesen Vorgang nennt man Regeneration des Katalysators. Zusätzliche Chemikalien werden nicht benötigt.

SCR-Kat: SCR steht für „Selective Catalytic Reduction“. Der SCR-Kat wandelt ebenfalls Stickoxide in harmlose Chemikalien um. Das Auto spritzt dafür eine Harnstoff-Lösung („AdBlue“) in den Katalysator ein. Die reagiert zu Ammoniak, Ammoniak reagiert mit Stickoxiden und Kohlenstoffen zu Wasser, Stickstoff und Kohlendioxid. Die Einspritzmenge wird über Sensoren und ein Kennfeld gesteuert.

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