...und tschüss kleiner Blauer :-(
Ganz klar, die Rolle als treuer Begleiter, Retter in der Not und nicht zuletzt irgendwie auch als ein Mitglied der Familie hat er gut gespielt. Doch nun ist es fast vorbei. Morgen werden die Kennzeichen entsiegelt, die Papiere ungültig gestempelt und die Schlüssel abgegeben. Aber erstmal zum Anfang.
Als Vorführwagen in Hellblaumetallic drehte er ab Januar 1995 zwei Monate seine Runden für das VW-Autohaus. Trotz der spartanischen Ausstattung ohne elektrischen Schnickschnack überzeugte er durch gute Fahreigenschaften und einer top Verarbeitung sicherlich viele Menschen von sich. Doch auch Vorführwagen müssen irgendwann verkauft werden. Nach nur drei Monaten und rund 5500 Kilometern überzeugte am 14.03.1995 der vom VW-Meister gefahrene Polo meine Mutter, in unsere Familie Einzug zu halten. Seit jenem Tag- ich war gerade mal sechs Jahre alt- war die Leidenschaft für Autos geboren. Airbag, Fensterheber, Räder, Radios und Knöpfe wurden bei Spaziergängen vom Kindergarten - sehr zum Leidwesen der Erzieherinnen, die Mühe hatten uns von den parkenden Autos wegzuhalten- analysiert und bewertet. Was keinen Airbag hatte, war ne alte Schrottkarre. Die Jahre zogen dahin und der Wagen bekam seine Kilometer. Wochenendausflüge in andere Städte oder auch ganze Urlaube in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Bergauf, bergab über Land und durch Städte wurde der Wagen geführt. Nicht ein einziges Wort des Klagens, ob bei brüllender Hitze auf der Autobahn gen Süden oder bei klirrender Kälte im Gebirge. Um mit anderen Autos mithalten zu können, musste doch mal was passieren. Und natürlich, ein Augenblick der Unaufmerksamkeit und schon saß der böse Dreiergolf kurz im Kühler - ausgerechnet vor einer Urlaubsfahrt. Zum Glück nur Blechschaden. Teile waren bei VW da, aber keine Zeit zum Lackieren. Also ging es mit schwarzer Haube und Kotflügeln in den Urlaub. Irgendwann fuhr dann auch noch ein Möbellaster rückwärts in das Heck, der Schaden war knapp am Totalverlust vorbei. Eine gute Richtbank und fähige Karosseriebauer haben die Wiederbelebung erfolgreich durchgeführt. Wieder gingen die Jahre vorüber und auch die 100.000 Kilometergrenze wurde gesprengt. Stoßdämpfer, Bremsen und Drosselklappensteuereinheit waren der Tribut dafür. Einige tausend unspannende Kilometer später kam ich in das Alter, wo einem schon mal das Autofahren gezeigt wird - ganz klar auf dem Polo. Die ersten Versuche waren holperig und es dauerte noch ein paar Jahre, bis der Führerschein greifbar war, aber umso mehr hatte ich jetzt auch eine technische Verbindung zum Auto. Neben putzen, saugen und wischen, wurde öfter mal der Motorraum geöffnet und geschaut, was welche Funktion haben könnte. Nachdem ich meinen Führerschein gemacht hatte wurde das Auto zum Doppelverdiener. Tagsüber für Mutti zur Arbeit und zum Einkaufen und nach Feierabend dann als Taxi für mich. Der Motor musste laufen, der Wagen fahren - egal wohin. Als Schüler mit einem Nebenjob bei Kaufland konnte man sich das leisten. Mit 19 zog ich zu Hause aus, um meinen Zivildienst abzuleisten - 500 Kilometer entfernt von der Heimat. Vom Polo. Irgendwann reichte es meiner Mutter, keine Klima, keine Fensterheber - und das im Jahr 2008. Es gab endlich einen echten Grund für sie das Auto abzugeben, musste ich doch jeden Tag mit dem Rad 10 Kilometer zur Dienststelle fahren. Und der Winter stand überhaupt noch bevor. Im Oktober 2008 kaufte ich ihr den Wagen zum Familienpreis ab. Sie kaufte sich einen Corsa D. Mein Wehrersatzdienst gestaltete sich - wie nicht anders zu erwarten - im Bereich des Behindertenfahrdienstes. Das Geld stimmte. Den Polo hat es gefreut. Alles was irgendwie alt war, wurde erneuert. Sogar der Kotflügel hinten rechts, der noch tiefe Wunden vom Kampf mit einem herrenlosen Einkaufswagen trug, bekam eine neue Haut spendiert. Weiterhin galt das Motto: jeder Weg, der länger als das Auto ist, wird gefahren. Bei Spritpreisen von nur noch 1,10 kein Problem. Tank voll und weiter. Glücklicher Weise hatte ich beim Zivildienst die Möglichkeit eine Grube zu nutzen, jetzt war mir das Auto nicht nur von oben bekannt, sondern auch von unten. Es folgte der erste eigene Ölwechsel und der Kauf von ordentlichem Schrauberwerkzeug, sowie H.R. Etzolds "So wird's gemacht". Nach einem Jahr in der Ferne suchte ich mir einen Studienplatz und zog um. Der Polo blieb weiter auf meine Mutter angemeldet, Versicherung zahlte ich. So gab es keine Abhängigkeit, aber eine Zugehörigkeit zur Heimat. Mittlerweile sind mehr als 180.000 Kilometer auf der Uhr vom Polo. Über 40.000 Kilometer bin ich mit ihm selbst unterwegs gewesen, war in Polen, am Rand der Ukraine und überall in Deutschland. Ich habe in ihm gegessen, geschlafen und allerhand Zeug durch die Gegend kutschiert, für das Andere lieber einen Kleinbus gemietet hätten. Vor zwei Wochen musste er dabei zusehen, wie ich einem anderen Polo schöne Augen machte. Er zahlte es mir gleich heim. Zwei Kilometer vom Händler entfernt verweigerte die Zündspule ihren Dienst - zur Strafe einmal abschleppen. Der Zahn der Zeit nagt überall und der Rost kommt immer wieder, auch wenn es nur kleine Stellen sind. Doch ab morgen ist es vorbei. Für einen Spottpreis wird er nun in Zahlung gegeben, das hat er eigentlich nicht verdient, so treu wie er immer war. Es geht nicht anders. Der Neue ist auch nicht mehr neu, aber er ist jünger, dynamischer und hat ein schickes Rotkleid. Außerdem schlägt in ihm ein Dieselherz.
Beim Tippen dieser Zeilen war ich manchmal den Tränen nah, der Kloß im Hals sitzt und die Trauer ist da. Aber die Hoffnung auf einen ebenfalls zuverlässigen und guten Neuen lässt mich nach vorn blicken, nachdem mir dieser Wagen so viel gegeben hat.
Es gibt Menschen, für die sind Autos nur ein Mittel zum Zweck und es gibt Menschen wie uns hier auf MT. Vielen Dank für die vielen zahlreichen Tipps und Infos aus dem Polo 6N-Forum! Macht's gut - vielleicht liest man sich ja mal im Golf IV-Forum.
PS: Ich habe Etzolds Buch noch hier, wenn Interesse besteht bitte per PN melden. :-)
PPS: Wenn jemand den Wagen für mehr als 800 Euro haben will, kommt er bitte morgen bis 12 Uhr bei mir in Erfurt vorbei 😁
Beste Antwort im Thema
Ganz klar, die Rolle als treuer Begleiter, Retter in der Not und nicht zuletzt irgendwie auch als ein Mitglied der Familie hat er gut gespielt. Doch nun ist es fast vorbei. Morgen werden die Kennzeichen entsiegelt, die Papiere ungültig gestempelt und die Schlüssel abgegeben. Aber erstmal zum Anfang.
Als Vorführwagen in Hellblaumetallic drehte er ab Januar 1995 zwei Monate seine Runden für das VW-Autohaus. Trotz der spartanischen Ausstattung ohne elektrischen Schnickschnack überzeugte er durch gute Fahreigenschaften und einer top Verarbeitung sicherlich viele Menschen von sich. Doch auch Vorführwagen müssen irgendwann verkauft werden. Nach nur drei Monaten und rund 5500 Kilometern überzeugte am 14.03.1995 der vom VW-Meister gefahrene Polo meine Mutter, in unsere Familie Einzug zu halten. Seit jenem Tag- ich war gerade mal sechs Jahre alt- war die Leidenschaft für Autos geboren. Airbag, Fensterheber, Räder, Radios und Knöpfe wurden bei Spaziergängen vom Kindergarten - sehr zum Leidwesen der Erzieherinnen, die Mühe hatten uns von den parkenden Autos wegzuhalten- analysiert und bewertet. Was keinen Airbag hatte, war ne alte Schrottkarre. Die Jahre zogen dahin und der Wagen bekam seine Kilometer. Wochenendausflüge in andere Städte oder auch ganze Urlaube in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Bergauf, bergab über Land und durch Städte wurde der Wagen geführt. Nicht ein einziges Wort des Klagens, ob bei brüllender Hitze auf der Autobahn gen Süden oder bei klirrender Kälte im Gebirge. Um mit anderen Autos mithalten zu können, musste doch mal was passieren. Und natürlich, ein Augenblick der Unaufmerksamkeit und schon saß der böse Dreiergolf kurz im Kühler - ausgerechnet vor einer Urlaubsfahrt. Zum Glück nur Blechschaden. Teile waren bei VW da, aber keine Zeit zum Lackieren. Also ging es mit schwarzer Haube und Kotflügeln in den Urlaub. Irgendwann fuhr dann auch noch ein Möbellaster rückwärts in das Heck, der Schaden war knapp am Totalverlust vorbei. Eine gute Richtbank und fähige Karosseriebauer haben die Wiederbelebung erfolgreich durchgeführt. Wieder gingen die Jahre vorüber und auch die 100.000 Kilometergrenze wurde gesprengt. Stoßdämpfer, Bremsen und Drosselklappensteuereinheit waren der Tribut dafür. Einige tausend unspannende Kilometer später kam ich in das Alter, wo einem schon mal das Autofahren gezeigt wird - ganz klar auf dem Polo. Die ersten Versuche waren holperig und es dauerte noch ein paar Jahre, bis der Führerschein greifbar war, aber umso mehr hatte ich jetzt auch eine technische Verbindung zum Auto. Neben putzen, saugen und wischen, wurde öfter mal der Motorraum geöffnet und geschaut, was welche Funktion haben könnte. Nachdem ich meinen Führerschein gemacht hatte wurde das Auto zum Doppelverdiener. Tagsüber für Mutti zur Arbeit und zum Einkaufen und nach Feierabend dann als Taxi für mich. Der Motor musste laufen, der Wagen fahren - egal wohin. Als Schüler mit einem Nebenjob bei Kaufland konnte man sich das leisten. Mit 19 zog ich zu Hause aus, um meinen Zivildienst abzuleisten - 500 Kilometer entfernt von der Heimat. Vom Polo. Irgendwann reichte es meiner Mutter, keine Klima, keine Fensterheber - und das im Jahr 2008. Es gab endlich einen echten Grund für sie das Auto abzugeben, musste ich doch jeden Tag mit dem Rad 10 Kilometer zur Dienststelle fahren. Und der Winter stand überhaupt noch bevor. Im Oktober 2008 kaufte ich ihr den Wagen zum Familienpreis ab. Sie kaufte sich einen Corsa D. Mein Wehrersatzdienst gestaltete sich - wie nicht anders zu erwarten - im Bereich des Behindertenfahrdienstes. Das Geld stimmte. Den Polo hat es gefreut. Alles was irgendwie alt war, wurde erneuert. Sogar der Kotflügel hinten rechts, der noch tiefe Wunden vom Kampf mit einem herrenlosen Einkaufswagen trug, bekam eine neue Haut spendiert. Weiterhin galt das Motto: jeder Weg, der länger als das Auto ist, wird gefahren. Bei Spritpreisen von nur noch 1,10 kein Problem. Tank voll und weiter. Glücklicher Weise hatte ich beim Zivildienst die Möglichkeit eine Grube zu nutzen, jetzt war mir das Auto nicht nur von oben bekannt, sondern auch von unten. Es folgte der erste eigene Ölwechsel und der Kauf von ordentlichem Schrauberwerkzeug, sowie H.R. Etzolds "So wird's gemacht". Nach einem Jahr in der Ferne suchte ich mir einen Studienplatz und zog um. Der Polo blieb weiter auf meine Mutter angemeldet, Versicherung zahlte ich. So gab es keine Abhängigkeit, aber eine Zugehörigkeit zur Heimat. Mittlerweile sind mehr als 180.000 Kilometer auf der Uhr vom Polo. Über 40.000 Kilometer bin ich mit ihm selbst unterwegs gewesen, war in Polen, am Rand der Ukraine und überall in Deutschland. Ich habe in ihm gegessen, geschlafen und allerhand Zeug durch die Gegend kutschiert, für das Andere lieber einen Kleinbus gemietet hätten. Vor zwei Wochen musste er dabei zusehen, wie ich einem anderen Polo schöne Augen machte. Er zahlte es mir gleich heim. Zwei Kilometer vom Händler entfernt verweigerte die Zündspule ihren Dienst - zur Strafe einmal abschleppen. Der Zahn der Zeit nagt überall und der Rost kommt immer wieder, auch wenn es nur kleine Stellen sind. Doch ab morgen ist es vorbei. Für einen Spottpreis wird er nun in Zahlung gegeben, das hat er eigentlich nicht verdient, so treu wie er immer war. Es geht nicht anders. Der Neue ist auch nicht mehr neu, aber er ist jünger, dynamischer und hat ein schickes Rotkleid. Außerdem schlägt in ihm ein Dieselherz.
Beim Tippen dieser Zeilen war ich manchmal den Tränen nah, der Kloß im Hals sitzt und die Trauer ist da. Aber die Hoffnung auf einen ebenfalls zuverlässigen und guten Neuen lässt mich nach vorn blicken, nachdem mir dieser Wagen so viel gegeben hat.
Es gibt Menschen, für die sind Autos nur ein Mittel zum Zweck und es gibt Menschen wie uns hier auf MT. Vielen Dank für die vielen zahlreichen Tipps und Infos aus dem Polo 6N-Forum! Macht's gut - vielleicht liest man sich ja mal im Golf IV-Forum.
PS: Ich habe Etzolds Buch noch hier, wenn Interesse besteht bitte per PN melden. :-)
PPS: Wenn jemand den Wagen für mehr als 800 Euro haben will, kommt er bitte morgen bis 12 Uhr bei mir in Erfurt vorbei 😁
9 Antworten
Kleiner Trost:Er hat seinen Ruhestand verdient.
Wir haben allerdings auch noch einen 6 N von 1996 aber der muß wenn er es schafft noch einige Jahre durchhalten.
Hay na dann sag ich mal auf wieder sehen wo das wieder ganz betont ist ne und respekt. Also ich kann mich von meinem Polo nicht trennen auch wenn er viele macken hat aber naja. Wünsche dir viel glück
MfG
GD
Das hast du schön geschrieben 🙂
Meiner wird mich hoffentlich nie verlassen müssen. Obwohl ich ihn manche Tage hasse und dann wieder liebe den kleinen Flitzer.
Ein Golf IV ist aber auch eine gute Wahl.
Viel Spaß damit!
Da hast Du einen netten und würdigen Rückblick auf das "Leben" Deines Polo´s verfasst.
Unser muss auch noch eine Weile durchhalten, auch wenn ich ihn manchmal gegen eine Wand fahren würde mit seinen kleinen Fehlern, aber er bringt mich von A nach B und wieder zurück. So lange er sich nicht mit einem anderen Auto knutschen möchte wird er gefahren bis er auseinander fällt.
Viel Spaß mit Deinem "neuen" - " etwas älteren" Auto.
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Hallo,
schön geschrieben ... mir kamen fast die Tränen. Ich hatte auch so einen süßen Hellblauen und hab ihn letztes Jahr Ostern schweren Herzens eingetauscht. 🙁 Ich trauer ihm heute noch hin und wieder nach und werde richtig schwermütig, wenn ich mal wieder einen hellblauen 6N auf der Straße sehe.
Viel Spaß mit deinem Neuen!
Viele Grüße,
Lezlie
Geht mir ähnlich mit meinem Golf III. Heute kommt er weg.
Auch für einen Spottpreis aber was will man verlangen bei dem Alter und der Laufleistung.
Bis jetzt hat er mich überall hingebracht, ist nie liegengeblieben und alles was er dafür wollte war etwas mehr Zuwendung als andere Autos 🙂 (Meine Reparaturliste war lang und teuer 😁 )
So wie es aussieht scheint es hier vielen so zu gehen wie mir.
Hallo zusammen,
danke für das "Mitgefühl"😁
Es ist aber wirklich so, einen Tag verflucht man den Karren, weil er im kalten Zustand so bescheiden fährt, dass man lieber zu Fuß gehen möchte und am nächsten Tag zieht man locker flockig über die Landstraße und freut sich, wie gut er doch geht und wie komfortabel man doch vorwärts kommt. "Eigentlich reicht er ja und für das Alter ist der suuuuuper" 😉
Aber ich bin wirklich froh, dass ich mich endlich entschlossen habe ihn wegzugeben. Der neue Golf macht seine Arbeit richtig gut und ist trotz der höheren Laufleistung einfach noch nicht so abgenutzt. Ich schiebe das einfach mal auf etwas geringere Alter und die "bessere" (Golf-)Klasse.
Habt noch lange Spaß an euren Polos, es sind die Könige der Kleinwagen!
Herzliche Grüße.
Da hat er ja lange durchgehalten. Ist halt ein 95er und einer der Ersten. Das Babyblau scheint allgemein Rostanfälliger zu sein. Wohl auch weil man die Pest sofort sieht 🙂. Der hohe Kilometerstand ist natürlich auch nicht zu verachten.
Ich werde meinen Polo nicht mehr verkaufen. Ich gebe ihn noch eher an meinen Bruder weiter.
Viel Spaß mit deinem Neuen...
Ich werde mich wohl noch in diesem Frühling ebenfalls von meinem Silberling verabschieden müssen, und das wohl auch noch für einen Franzosen...
Mir graut jetzt schon davor, ich kann Dich allerbestens verstehen.