Reparatur Kettenspanner S124 300D
Reparatur Kettenspanner 300D S124 Baujahr 1995
A. Das Problem mit dem Kettenspanner zeigte sich bei mir in der Weise, dass die Steuerkette bei laufendem Motor rechts von den beiden Nockenwellen stark gegen die Steuerkettenführungen schlackerte und starke Fehlgeräusche verursachte. Bei abgestelltem Motor geöffnetem Motorölverschlussdeckels ließ sich bei mir die Steuerkette im Leertrum (rechts) mit dem Schraubendreher ziemlich stark hin und her bewegen. Das ist ein Indiz für nicht ausreichende Spannkraft, genauer: für ‘ausgeleierte Druckfeder‘. D.h. diese Druckfeder verfügte nicht mehr über ausreichend Kraft, im Arbeitstrum die Gleitschiene für Steuerkette soweit rauszudrücken, dass die Steuerkette auch im Leertrum stramm blieb. Daher schlackerte insbesondere im Leerlauf und auch während des Fahrbetriebs die Steuerkette im Leertrum geräuschvoll hin und her. Wohingegen auf der linken Seite die Steuerkette zwischen Nockenwellenzahnrad und Kurbelwellenritzel stramm war. Klar, über diesen Kettentrum (=Arbeitstrum) wird von der Kurbelwelle aus die Nockenwelle angetrieben.
Nun habe ich (Motor aus) nach abgeschraubtem Motorölverschlussdeckel mit einem dicken Schlitzschraubendreher die Zahnräder der Nockenwelle so weit gedreht, bis die schlackernde Kette (=Leertrum) in der Kettenführung stramm war. Entsprechend war nun die vormals stramme Kette über der Gleitschiene der Steuerkette (=Arbeitstrum) gelockert.
Anfang Einschub:
Trum ist im Maschinenbau ein Teil eines laufenden Zugorgans (hier: die Steuerkette). Man unterscheidet z. B. das ziehende Ketten-Trum von dem gezogenen. Das Lasttrum oder Zugtrum (=Arbeitstrum) ist die Seite der Kette, welche gezogen wird und stramm ist.
Ein Leertrum ist das lose, nicht gezogene und durchhängende Trum.
Ende Einschub
Die Druckfeder des Kettenspanners war ca. 22 Jahre ständiger Druckbelastung ausgesetzt (= ca. 255‘000 km) und ‘ausgeleiert‘ (Altersermüdung). Diese Aussage kann ich machen, weil mir ein neuer Kettenspanner mit unbenutzter Druckfeder (Länge neu 78 mm, 24 Windungen, Federdraht Durchmesser 1,5mm, Außendurchmesser 11.4mm, innen 8,2mm) vorlag. Meine Druckfeder war um 3mm kürzer geworden, die von einem Forumsmitglied sogar ca. 10mm. Wenn man sich nun vorstellt, dass die aus 106 Kettengliedern bestehende Duplex-Steuerkette sich –pro Kettenglied zwar nur geringfügig um ca. 0,1mm - gelängt hat, so ergibt sich auf die Gesamtlänge der Kette bezogen eine Längenänderung von 106*0,1mm=10,6mm, die der Kettenspanner automatisch über die Druckfeder ausgleicht. D.h. die Längenzunahme der Steuerkette gleicht die Druckfeder dadurch aus, dass sich diese entspannt und die Gleitschiene nach innen gedrückt. Mit ausfahren verbunden ist eine Längenzunahme der gespannten Druckfeder in Verbindung mit deren Entlastung sowie Verringerung der Druckkraft (Kettenspannkraft) auf den Druckbolzen und damit auf die Gleitschiene der Steuerkette. Mit der Folge, dass bei nicht mehr ausreichender Druckkraft (Kettenspannkraft) die Steuerkette im Leertrum nicht mehr stramm ist und in der Steuerkettenführung insbesondere im Leerlauf – stark hörbar – stark schlackert. Wie lange die Kettenführung diese Schläge bzw. dieses ‘Geschlacker‘ aushält und nicht kaputt geht, kann ich nicht sagen.
Ein neuer Kettenspanner muss her!
Oder nicht?
Nein muss nicht. Die einzige Schwachstelle ist ja die Druckfeder. Aber an die kam ich über Mercedes nicht ran.
Meine Reparatur: ich benutzte den Kopf einer Innensechskantschraube (Länge 8mm) als Verlängerung der alten Druckfeder. Ich nahm hierzu eine zylindrische Innensechskantschraube M8 und bohrte die Sechskantöffnung mit einem 8mm Bohrer auf. Danach sägte ich das Gewindeteil ca. 3mm hinter dem zylindrischen Kopf ab und bohrte axial durch die Schraube ein ca. 4 mm großes Loch. Das Gewindeteil führte ich in die Druckfeder ein, den aufgebohrten Schraubenkopf schob ich über das Gegenstück, in dem sich die Kugel ø 5mm befindet. Auf diese Weise habe ich die Länge der Druckfeder über die Länge (=8mm) des zylindrischen Schraubenkopfes hinaus verlängert. Zum einen fing ich damit die bereits eingetretene Längenverkürzung (in meinem Fall ca. 3 mm) der Druckfeder auf, zum anderen über die verbliebenen 5 mm den bereits erhöhten Ausfahrweg des Druckbolzens wegen der eingetretenen Längenzunahme der Steuerkette. Wenn ich von einer Gesamtlänge von ca. 1346,2mm der halbzölligen Kette (1/2 Zoll=12,7mm) mit 106 Gliedern ausgehe, und pro Kettenglied von einer (von mir gemessenen) Längenzunahme von knapp 0,1 mm, so wäre die Längung der Kette 106*0,1= 10,6mm. Ob diese 10,6mm gleichbedeutend sind mit dem Ausfahrweg des Druckbolzens, vermag ich nicht zu sagen.
B. Wichtige Zusatzinfo:
In der Druckfeder des Kettenspanners befindet sich ein Kunststoffstab ø ca. 8mm, Länge 30 mm. Dieser garantiert, dass die Druckfeder axial geführt wird und nicht seitlich ausbricht. Gleichzeitig begrenzt die Länge dieses Kunststoffstabs das Zusammendrücken der Druckfeder. Dieser liegt mit nur ganz geringem Spiel zwischen der Federaufnahme des Druckbolzens und der Federaufnahme der Scheibe, in dem sich die Kugel ø 5mm befindet.
Nachdem ich den Kopf der Innensechskantschraube (Länge 8mm) als Verlängerung der Druckfeder eingebaut hatte, ließ sich der innere Teil des Kettenspanners nicht vollständig in den äußeren Teil einschrauben. Es fehlten ca. 8mm.
Als der Druckbolzen nach anfänglichem Einschrauben des Kettenspanner-Innenteils an der Gleitschiene anlag, war dieser nicht ganz ausgefahren. Der Druckbolzen befand sich ca. 8mm vor Endstellung. Folge war, dass der Kunststoffstab innerhalb der Druckfeder an den Enden anlag und weiteres Verschrauben blockierte. Ich habe daher den Kunststoffstab (L=30mm) um etwas mehr als 8mm (=8,5mm) gekürzt. Danach ließ sich das Innenteil problemlos rein- und festschrauben.
C. Wichtig für die Montage des Kettenspanners ist, erst das Außenteil in den Motorblock zu schrauben. Danach das Innenteil. Werden erst Innen-und Außenteil verschraubt, und dann in das Motorgehäuse geschraubt, so wäre bei derartigem Einbau der Druckbolzen maximal ausgefahren. Das darf auf keinen Fall sein.
Beim Einschrauben stößt der voll ausgefahrene Druckbolzen gegen die Gleitschiene. Allerdings kann der einmal ausgefahrene Druckbolzen sich nicht mehr zurückbewegen, da die Gegenkraft der Gleitschiene neben der axialen eine vertikale Komponente enthält. Je stärker nun beim Festschrauben des Innenteils die Spannkraft auf die Gleitschiene wird, umso mehr erhöht sich auch die vertikale Kraftkomponente, die vertikal auf das Endes Druckbolzens wirkt. Diese bewirkt beim Einschrauben ein Verkannten des Druckbolzen, sodass ausgeschlossen ist, dass sich der Druckbolzen zurück bewegt. Entscheidend: die Spannkraft in der Steuerkette selbst erhöht sich beim Falscheinbau gravierend. Mit der Folge, dass beim weiteren Festdrehen des Kettenspanners eine enorme Kraft auf die Steuerkette wirkt, die bei laufendem Motor zum kurzfristigen Nockenwellenbruch führen kann.
D. Ist der äußere Teil des Kettenspanners im Motorblock festgeschraubt, sind darin danach die Innenteile –mit der Verlängerung (l=8mm) hineinzuschieben und mit dem Gewindeendteil festzuschrauben. Beim Einschrauben drückt der Druckbolzen zunächst drucklos gegen die Gleitschiene. Bei Druck- bzw. Krafterhöhung durch das Festschrauben wirkt die Axialkraft über den Druckbolzen auf die Gleitschiene, bis die Federspannkraft und die zulässige Spannkraft in der Steuerkette erreicht wird. Es wirkt nur die axiale Spannkraft der Druckfeder.
Das Problem ist, dieses Innenteil des Kettenspanners unter Überwindung der –wegen der dazwischen gesetzten Verlängerung erhöhten -Federkraft in das Außenteil reinzuschrauben. Von Hand über das Innenteil die Federkraft zu überwinden, gleichzeitig axial zu fixieren und an das Innengewinde des Außenteils anzudrücken und dann noch für das Verschrauben zu drehen, klappt oftmals nicht. Daher habe ich zu diesem Zweck eine Montagevorrichtung gebaut. Diese erlaubt es, dass Innenteil des Kettenspanners mittels einer Sechskantschraube M8 gegen das Außenteil zu bewegen. Liegt das Außengewinde des Innenteils am Innengewinde des Außenteils an, geht das Verschrauben einfach.
Diese Vorrichtung wird über die beiden äußeren Gewindebolzen (Muttern abdrehen) des Auspuffkrümmers befestigt. Auf der anderen Seite über eine Schraube der Wasserpumpe, die nach dem Herausdrehen zum Festschrauben der Vorrichtung benutzt wird. Nun wird die genaue Lage für die Gewindebohrung M8 angezeichnet, die genau in der axialen Flucht des Kettenspanners liegen muss. Nachdem das Gewinde geschnitten ist, eine Schraube M8 so eindrehen, dass die flache Seite des Sechskantkopfes in die größere Öffnung des Innensechskants des Innenteils ragt. Nun das Innenteil mit der Druckfeder in das bereits einschraubte Außenteil einführen. Dadurch dass die Fläche des Sechskantschraubenkopfes an der Innenfläche des größeren Sechskants der Innenverschraubung anliegt, wird diese axial in Position gehalten und kann seitlich nicht ausbrechen. Sinnvoll ist, am Ende der M8 Schraube zwei Muttern aufzudrehen und diese gegeneinander zu kontern. Durch Drehen der Kontermuttern der Sechskantschraube M8 wird das Innenteil an das Außenteil bewegt. Durch die flächige Anlage bleibt das Innenteil immer in Position. Liegen die beiden Gewinde mit etwas Vorspannung aneinander, wird die Innenverschraubung gedreht bis das Gewinde gefasst hat. Nun wird die Montagevorrichtung demontiert. Danach wird mit einem 17-er Sechskant (wer keinen hat, nimmt eine kurze Sechskantschraube mit 17mm Schlüsselweite und dreht hierauf eine Mutter), einer 17-er Nuss und einem Drehmomentenschlüssel mit ca. 80 Nm die Innenverschraubung endgültig festgezogen. Zu beachten ist, die beiden Aluminium-Dichtringe auf keinen Fall zu verlieren.
Kontrolle:
Motor laufen gelassen – das Rasseln der Steuerkette war weg. Motor ausgemacht, Motorölverschlussdeckel geöffnet und mit Schraubendreher die Steuerkette im Leertrum (rechts) überprüft. Die Steuerkette war nicht mehr locker, sondern stramm.
E. Berechnung von Federkonstante R und Spannkraft der Druckfeder des Kettenspanners.
Die Federkonstante R (N/mm) der Druckfeder ergibt sich aus folgenden Werten:
d=1,5mm Drahtdurchmesser
D=9,8mm mittlerer Federdurchmesser (außen 11,4mm, innen 8,2mm)
n=24 federnde Windungen
G = 81500 N/mm² Schubmodul (für Federstahldraht i. d. R.)
Ich habe die alte Feder weiterbenutzt. Bei dynamisch belasteten Federn besteht die Gefahr des Bruches. Da die alte Feder statisch belastet wurde und wird, schätze ich das Risiko für Bruch als gering ein. Bei meiner Berechnung habe ich die altersbedingte Materialermüdung und damit Veränderung des G-Wertes der Druckfeder nicht berücksichtigt.
R=(G*d4)/(8*D3*n)
R=(81500*1,5 4)/(8*9,853*24)
R=(N*mm4)/(mm^2*mm3)
R= (81500*6,55)/(8*956*24)
R=2,25 N/mm
l=78 mm Federlänge neue Feder
l=75 mm Federlänge alte Feder
Die Feder kann maximal bis auf 24 *1,5mm = 36mm zusammengedrückt werden (=tot fahren; die Drähte der Windungen liegen aneinander). Die maximale Einfederung einer neuen Feder beträgt somit 78 – 36=42 mm.
Die maximale Einfederung der alten Feder beträgt somit 75 – 36=39 mm
Die tatsächliche Länge der alten 22 Jahre alten verkürzten Feder beträgt 75 mm.
Die in die Druckfederenden hineinragenden Aufnahmen betragen 2* 2mm=4mm
Die Länge des gekürzten Kunststoffbolzens beträgt 30mm-8,5mm= 21,5 mm
Im maximal gespannten Zustand der Druckfeder ist diese 75mm-(2*2mm + 21,5mm)=49,5mm eingefahren. Der maximale Federweg beträgt somit s=49,5mm.
Federkraftberechnung:
F=R*s =2,25 N/mm* 49,5mm =111,4N
Bemerkung: Ohne das eingesetzte Zwischenstück (l=8mm) war die Federkraft um 2,25 N/mm* 8mm= 18 N geringer mit dem Ergebnis des lockeren Leertrums (schlackern).
17 Antworten
Ich wende mich noch einmal an Mirko Munich.
Mir ist eingefallen, dass ich zu einem früheren Zeitpunkt beim Zylinderkopfdichtungswechsel die Kurbelwelle auf OT gestellt und dann die Markierungen der beiden Nockenwellenzahnräder genau gegenüber ausgerichtet habe. Dabei war die Winkelabweichung der Kurbelwelle - nach meiner Erinnerung - ca. 3-5 Grad. Aber diese Winkelabweichung hat doch wohl keinen gravierenden Einfluss auf den Einspritzzeitpunkt, da der Abstand zwischen Kurbelwellenritzel und Einspritzpumpenritzel nur wenige Kettenglieder ausmacht. Eher Einfluss auf ein Verschieben der Öffnungszeiten der Ventile. Kann das ein Problem ergeben z.B. nageln etc?
Auch wenn ich nicht Mirko bin:
Bei den OM601-603 sollte man lt. MB die Kette ab 4° Abweichung zu tauschen. OM604-606 kann man imho die Nockenwellenposition zur KW in gewissen Grenzen nachstellen.
So wie ich das aber sehe, ist deine Kette fertig. Deswegen spannt auch der Kettenspanner nicht mehr sauber.
Toleranz beim Einstellen des Förderbeginns ist +/- 1° an der KW, also beeinflussen so 5° Kettenlängung auch den Förderbeginn.
Ventilöffnungszeiten haben idR nichts mit nageln zu tun, das ist ein Symptom von einem verstellten Föderbeginn (aber Richtung zu früh), verschlissenen Düsen oder unterschiedlicher Kompression. Bei gelängter Kette ist der Förderbeginn eher zu spät, also kein nageln. Aber evtl Leistungsverlust und mehr Rauch.
Ergänzung für alle, die Probleme mit dem Kettenspanner haben (Genauer: mit der Druckkraft der Druckfeder) und auf der Suche nach einer passenden Druckfeder sind. In der Suchmaske
www.federnshop.com/de/produkte/druckfedern.html?backfromdetail=true Kenndaten der Druckfeder eingeben: Drahtdurchmesser d=1,5 mm (d=1,2mm gibt es nicht), mittlerer Durchmesser D=9,8 mm, Länge der ungespannten Feder L=78 eingeben. Angegeben werden 8 verschiedene Druckfedern, die von den Maßen her in den Kettenspanner passen (müssten).
Entscheidend ist nun die Federspannkraft der Druckfeder.
Dieser Hinweis ist lediglich eine Anregung, ich übernehme keine Garantie.