Leerlauf wird langsamer bei 200D W124 Bj 85
Vor gut einem Jahr hatte ich an meinem 200D erstmals folgendes Phänomen:
Bei gut warmem Motor nach etwa einer halben Stunde Motorlaufzeit halte ich an einer roten Ampel an. Motor läuft zunächst richtig im Leerlauf, jedoch nach etwa 30 Sekunden wird die Drehzahl langsam immer langsamer und der Motor fängt an zu schütteln, geht aber nicht aus. Beim Anfahren bei grüner Ampel dreht der Motor beim Gasgeben sofort wieder hoch. Besonders ausgeprägt war das Phänomen, wenn ich den gut warmen Motor für einen kurzen Halt abgestellt habe. Beim Starten nach etwa 10 Minuten startete der Motor sofort, jedoch wurde der Leerlauf sofort nach dem Start langsamer und der Motor schüttelte, ging aber nicht aus. Nach kurzem Gasstoß war das Phänomen sofort weg.
Die Sache hat mich natürlich ein wenig beunruhigt, denn so auf Anhieb und ohne Kenntnis der Ursache lag ja die Befürchtung nahe, daß der Motor irgendwann unterwegs ausgeht und nicht mehr weiterlaufen will. Also habe ich mich mal in einer Bosch Werkstatt nach der Ursache erkundigt. Dort meinte man, daß man die Einspritzpumpe ausbauen und den Regler neu einstellen muß, was so etwa gut 1000 Euro kosten würde. Von dieser Diagnose war ich aber nicht überzeugt und habe mich selbst intensiv mit dem Problem befaßt. Ich bin mir sicher, daß ich die Ursache und ihre Lösung gefunden habe, und möchte meine Diagnose kurz vorstellen, damit andere mit ähnlichem Problem davon profitieren können. Folgendes ist meine Erklärung:
Die Laufleistung beträgt knapp 500t km, Einspritzpumpe und Einspritzdüsen sind noch original. Nach so einer Laufleistung haben natürlich die Leckverluste an den Einspritzdüsen mit der Zeit zugenommen, d.h. beim Einspritzvorgang geht ein größer gewordener Teil des von der Pumpe geförderten Kraftstoffs an der Einspritzdüse daneben und wird durch die Leckleitung natürlich wieder dem Tank zugeführt. Im Brennraum des Zylinders fehlt aber dieser Leckkraftstoff, deshalb läuft der Motor etwas langsamer. Das merkt man lange nicht, weil der Fliehkraftregler in der Pumpe bei langsamerer Leerlaufdrehzahl wieder etwas mehr Kraftstoff nachregelt und so die Drehzahl auf dem Sollwert zu halten versucht. Irgendwann allerdings ist die Nachregelfähigkeit des Fliehkraftreglers erschöpft, weil er an einen mechanischen Anschlag gerät und dann nicht noch mehr Kraftstoff nachregeln kann. Bei diesem Ausmaß an Leckverlusten nimmt dann die Motordrehzahl deutlich spürbar und hörbar ab und das führt zu dem obigen Phänomen.
Seit ich diesen Zusammenhang kenne, beunruhigt mich das Phänomen nicht mehr, denn es ist harmlos. Abhilfe würde ich zunächst und am einfachsten dadurch schaffen, daß man die Leerlaufdrehzahl ein wenig anhebt, d.h. wieder auf den originalen Stand bringt. Das gelingt einfach durch leichtes Verdrehen der pneumatischen Unterdruckdose, über die auch die Leerlaufanhebung bei Kaltstart getätigt wird. An meinem 200D ist das Phänomen aber noch nicht so weit fortgeschritten oder gar störend, daß ich eine Gegenmaßnahme ergreifen mußte. Das Phänomen trat bisher auch relativ selten auf, sorgte aber dann für Beunruhigung, solange die Ursache unbekannt war. Natürlich wäre nach einer Drehzahlanhebung meine nächste Maßnahme, daß die Einspritzdüsen erneuert werden und so die eigentliche Ursache beseitigt wird, aber auch das ist jetzt noch nicht nötig und würde zudem die Gefahr von Verunreinigungen und damit zusammenhängenden Störungen mit sich bringen. Ein Ausbau der Einspritzpumpe in einer Fachwerkstatt käme mir aber auf keinen Fall in Betracht, denn das würde die Ursache nicht beheben und wäre nicht nur teuer und nutzlos, sondern kann die Gefahr in sich bergen, daß die Einspritzpumpe danach nicht mehr so gut funktioniert wie zuvor. Die wenigsten Werkstätten kennen sich mit so alten Einspritzsystemen heute noch wirklich gut aus.
Bei kaltem Motor trat das Phänomen nie auf.
Die Tatsache, daß das Phänomen besonders gerne auftritt, wenn man den gut warmen Motor abstellt und nach etwa 10 Minuten neu startet, erkläre ich mir so: In den 10 Minuten Motorstillstand erhitzt der Motor den in den Einspritzleitungen und Düsen befindlichen Kraftstoff, der durch Nachförderung ja nicht mehr gekühlt wird. Der erhitzte Kraftstoff ist dünnflüssiger als der normalwarme, wodurch die Leckverluste an der Düse zunehmen und außerdem hat der erhitzte Kraftstoff weniger spezifischen Energieinhalt pro Volumeneinheit. Beides senkt die Leerlaufdrehzahl ab. Ist der Motor dagegen etwa 30 Sekunden gelaufen, so ist wieder frischer und kühlerer Kraftstoff in den Einspritzleitungen, und das Phänomen wird geringer.
Das ist also meine Erklärung für das Phänomen. Ich würde mich auf eine fachliche Diskussion freuen und auch darüber, wenn ich jemand mit einem solchen Problem weiterhelfen konnte. Bei meinen Konsultationen in mehreren Fachwerkstätten hielt man von dieser Erklärung nichts sondern mehr von einer neuen Einspritzpumpe. Ich hatte aber nicht den Eindruck gewinnen können, daß die dortigen Fachleute den regelungstechnischen Zusammenhang des Phänomens wirklich verstehen konnten.
Gruß Rainer
Beste Antwort im Thema
Hallo, das Niveau der Diskussion hat sich deutlich verbessert, das freut mich. Insbesondere freut mich der Beitrag von E300TDT aus dem Schwabenländle, wo nach einem wissenschaftlichen Beweis gefragt wird. Den Beweis habe ich natürlich, und der ist ganz einfach zu erlangen. Aber zunächst der Reihe nach:
Bei meiner Ursachenforschung hat mir der absolute Fachmann sehr geholfen, nämlich die Beschreibungen aus den 2 Heften "Bosch Technische Unterrichtung Diesel-Einspritzausrüstung, Drehzahlregler für Reiheneinspritzpumpen" und "Bosch Technische Unterrichtung Dieseleinspritzpumpen". Zudem war ich früher zu meiner aktiven Zeit in der LKW-Entwicklung tätig und habe mich damals intensiv mit Bosch-Reiheneinspritzpumpen befaßt.
Zunächst zu der Behauptung, wenn das Problem nur sporadisch auftritt, so könne es nicht an der Düse liegen, denn diese sei entweder gut oder schlecht, würde aber ihren Zustand nicht ständig wechseln. Dieser Gedanke führt hier nicht zur Lösung oder Erklärung. Der Zusammenhang ist vielmehr folgender: Die Leckverluste an der Düse sind auch im Neuzustand beachtlich, da braucht man nur mal den Rückleitungsschlauch kurz abziehen und man sieht sofort, daß da eine beachtliche Menge Kraftstoff herauskommt. Auf den Leckverlust im Neuzustand der Düse wird der Arbeitspunkt des Leerlaufreglers in der Pumpe eingestellt. Nach hoher Laufleistung von 500000 Km nimmt aber der Leckverlust an der Düse zu. Für den Fliehkraftregler wirkt das wie eine Störgröße, die er durch Erhöhung der Einspritzmenge ausgleicht. Das Phänomen tritt dann auf. wenn der Leckverlust so groß wurde, daß der Fliehkraftregler am Anschlag ist und keine größere Kraftstoffmenge mehr bewirken kann. Die Düse hat ihr Verhalten dabei keineswegs kurzfristig verändert. In diesem Anfangsbereich, wo die Leckmenge gerade so groß wurde, daß der Regler am Anschlag ist, tritt das Phänomen nur sporadisch auf, weil sein Auftreten auch vom Vorhandensein weiterer Störgrößen abhängt. Solche Störgrößen können z.B. bei einem Stand im Stau sein: Automatikgetriebe in Fahrstellung D, Licht und Heizgebläse eingeschaltet, hohe Außentemperatur. Dadurch wird der Motor stärker belastet, der Fliehkraftregler ist aber am Anschlag und kann nicht mehr nachregeln. So kann dann eine Abwärtsspirale der Motordrehzahl einsetzen und das Phänomen auslösen. Unterstützt wird diese Abwärtsspirale noch dadurch, daß die Einspritzpumpe bei kleiner werdender Drehzahl weniger Kraftstoff pro Kolbenhub fördert, weil auch dort zwischen Kolben und Zylinder Leckverluste vorhanden sind, die bei langsamerer Bewegung größer werden. Mit zunehmender Fahrleistung von z.B. weiteren 50000 km wird der Leckverlust in der Düse weiter zunehmen, dann wird das Phänomen regelmäßiger auftreten.
Und nun zum Beweis dafür, daß der Fliehkraftregler in der Anfangsphase des Auftretens des Phänomens gerade am Anschlag ist und keinesfalls infolge einer mechanischen Störung klemmt: Sobald bei meinem Auto das Phänomen beginnt, kann ich es durch ganz wenig Betätigen des Gaspedals und Konstanthaltung sofort beseitigen. Der Motor läuft dann mit konstanter Leerlaufdrehzahl richtig weiter und der Leerlaufregler kann wieder normal arbeiten. Durch das geringe Betätigen des Gaspedals wird nämlich die Regelstange in der Einspritzpumpe leicht in Richtung Mehrförderung verschoben. Dadurch kommen die Fliehgewichte des Leerlaufreglers wieder mehr in ihre mittlere Position, also vom Anschlag weg, und können ihre Regelaufgabe wieder erfüllen.
Noch ein Hinweis zu den Leckverlusten: Bei manchen Beiträgen von euch habe ich den Eindruck, als würdet ihr meinen, daß dadurch Kraftstoff ins Freie läuft. Das ist nicht so. Die Leckverluste an der Düse werden wie bereits beschrieben in den Tank zurückgeführt. Leckverluste innerhalb der Einspritzpumpe zwischen Förderkolben und Zylinder werden innerhalb der Einspritzpumpe in der dort vorhandenen Vorratsmenge an Kraftstoff gesammelt. Wenn aus dem Gehäuse der Einspritzpumpe Kraftstoff ins Freie läuft, dann ist das Gehäuse irgendwo undicht. Daraus kann man aber nicht schließen, daß dadurch die Pumpe weniger Kraftstoff zu den Düsen fördert. Weder ist an meinem Auto der Düsenhalter undicht noch die Einspritzpumpe. Die Leckverluste in den Düsen sind etwas ganz Normales und rechtfertigen keine neuen Düsen, solange sich das Phänomen ganz einfach durch Nachjustieren des Arbeitspunktes der Einspritzpumpe beseitigen läßt, was leicht von außen möglich ist. Eure Bemerkung, so würdet ihr nicht fahren wollen, fußt wohl auf dem Mißverständnis, daß durch die Leckverluste Kraftstoff ausläuft. Das geht aber völlig fehl.
Gruß Rainer
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31 Antworten
Hallo Volker,
deine Folgerungen sind übereilt und beruhen darauf, daß du meine Ausführungen wohl nicht ganz zu Ende gelesen hast oder verkürzt und so zu einem falschen und unfairen Ergebnis kommst.
Ich habe geschrieben, daß eine Zunahme des Leckverlusts von 2 auf 5 Prozent der Einspritzmenge schon deutliche Auswirkungen hat, die der Regler ausgleichen muß. Das kann er auch noch. Ich habe aber nirgends geschrieben, daß der Leckverlust die 5 Prozent nicht übersteigt, die von mir genannten 5 Prozent waren doch nur ein Beispiel und keine Obergrenze. Tatsächlich ist der Leckverlust insbesondere in den Düsen von vielen Einflußfaktoren abhängig und kann auch über 10 Prozent steigen. Der Temperatureinfluß ist hier z.B. neben der Laufleistung ganz erheblich. Wie ich früher schon geschrieben habe, tritt das Phänomen bei meinem Auto regelmäßig und dann für die kurze Zeit von etwa 30 Sekunden auf, wenn man den gut warmen Motor abstellt und nach etwa 10 Minuten wieder startet. Durch die in den 10 Minuten erfolgte Erwärmung des Kraftstoffs in den Düsen und Druckleitungen und durch die Erwärmung der Düsen selbst wird der Leckverlust deutlich größer als im Normalfall. Der Einflußfaktor Kompression verändert sich dabei nicht und kann daher ausgeschlossen werden. Deshalb bin ich mir auch ziemlich sicher, daß an meinem Auto der Leckverlust der entscheidende Einflußfaktor für das Phänomen ist. Die Kompression ist zudem bis jetzt auch nicht negativ aufgefallen.
Ein weiterer Versuch stützt diese Ursachenquelle. Am Anfang meiner Ursachensuche vor etwa 1 Jahr habe ich mir den Luxus erlaubt, daß ich ein paar Tankfüllungen mit teurem und angeblich besonders edlem Dieselkraftstoff getankt habe, das hieß dann glaube ich Super Diesel oder V-Power und soll nach den Angaben an der Tankstelle nach meiner Erinnerung bis zu 5 Prozent weniger Verbrauch bewirken. Das kann man nun glauben oder auch nicht, aber es muß wohl schon etwas dran sein. Mit diesem Kraftstoff trat das Phänomen jedenfalls nicht mehr auf. Der Leckverlust wird wahrscheinlich auch bei diesem Kraftstoff der gleiche geblieben sein, der eingespritzte Kraftstoffanteil hat aber durch seinen größeren Energieinhalt das Phänomen trotz gleichem Leckverlust verhindert. Auch hier blieb die Kompression unverändert und daher ohne Einfluß. Auch dieser Versuch macht mich ziemlich sicher, daß an meinem Auto die empfindliche Ursachenstelle für das Phänomen der Leckverlust ist. An anderen Autos kann das natürlich anders sein.
Zum Schluß meiner Beiträge in dieser Sache möchte ich nochmals wiederholen: Ich will niemand gegen seinen Willen überzeugen, jeder kann das glauben, was er für richtig hält.
Gruß Rainer
Moin Moin !
Naja, wenigstens sind wir uns in einem Punkt einig:
Auch ich werde bei meinem Fzg 300D OM 606 auch nicht die ESD einfach mal so wechseln,obwohl andere Leute das wohl bei dem km Stand von reichlich 700000 km schon mehrmals gemacht hätten.Habe aber auch keine Probleme mit dem Leerlauf , obwohl deiner Theorie zufolge ja die Leckölverluste an ESD und ESP mittlerweile so zugenommen haben müssten ,dass keine Einspritzung mehr erfolgen dürfte. Bislang waren alle Motorlaufprobleme ausschliesslich Undichtigkeiten im Kraftstoffsystem ,das Gardena-Prinzip lässt grüssen.
MfG Volker