Fristgerechte Kündigung

Hallo,

ich habe da mal eine Frage. Mir ist klar, dass man die Kfz-Versicherung immer bis zum 30.11. eines jeden Jahres kündigen kann. In diesem Jahr fiel dieses Datum allerdings auf einen Sonntag. Jetzt habe ich in einigen Foren gelesen, dass die Kündigung in dem Fall schon am letzten Werktag vorher bei der Versicherung sein muss. Nun habe ich der Versicherung aber am 30.11. meine Kündigung (mit gültiger Unterschrift) per E-Mail zukommen lassen und eine automatisierte Eingangsbestätigung zurück erhalten und war somit nachweislich "rechtzeitig" am 30.11. bei der Versicherung.

In den AGB´s der Versicherung zur Kündigung steht lediglich folgendes:
Kündigung zum Ablauf des Versicherungsjahres
G.2.1 Sie können den Vertrag zum Ablauf des Versicherungsjahres kündigen. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn sie uns spätestens einen Monat vor Ablauf zugeht.

Natürlich hat die Versicherung meine Kündigung abgelehnt mit der Begründung, dass diese bis zum Ende ihrer Geschäftszeiten am Samstag um 18 Uhr hätte bei ihnen eingehen müssen.

Ist die Versicherung im Recht und die Kündigung tatsächlich unwirksam? Kann mir jemand diese Frage beantworten?

Danke!

25 Antworten

Ich darf aus dem von go4golf genannten Urteil des BGH die folgende Passage einfügen:
1. Nach § 193 BGB kann eine an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist abzugebende Willenserklärung noch am nächsten Werktag abgegeben werden, wenn der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Die Anwendung dieser Vorschrift auf bei Kündigungserklärungen einzuhaltende Fristen ist umstritten. Überwiegend hat sich eine nach Vertragsformen differenzierende Kasuistik herausgebildet, während bei den hiervon nicht erfaßten Verträgen nach dem Schutzzweck der Kündigungsfrist unterschieden werden soll.

Für Arbeitsverträge verneint das Bundesarbeitsgericht - nach ursprünglich gegenteiliger Auffassung im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts (BAGE 20, 8 = AP Nr. 2 zu § 66 HGB mit ablehnender Anmerkung Herschel; RAGE 4, 139, 140 ff.; 16, 125, 126 f.) - eine Anwendung des § 193 BGB, unabhängig davon, wie lang die Kündigungsfrist ist und ob sie auf Gesetz, Kollektivvertrag oder Einzelvereinbarung beruht (BAGE 22, 304 = AP Nr. 1 zu § 193 BGB mit zustimmender Anmerkung Hueck = SAE 1971, 13 mit zustimmender Anmerkung Beuthien; DB 1977, 639). Dem sind die übrige Rechtsprechung und die Fachliteratur gefolgt (vgl. nur LAG Düsseldorf DB 1960, 1218, 1219; LAG Köln NZA-RR 2002, 355, 356; Staudinger/Repgen, BGB, Neubearb. 2004, § 193 Rn. 14). Dieser Auffassung hat sich auch der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für das Handelsvertreterrecht angeschlossen (BGHZ 59, 265).

In Miet- und Pachtverhältnissen soll wegen der Schutzfunktion der dort bestimmten Kündigungsfristen die Auslegungsregel des § 193 BGB nach überwiegender Ansicht gleichfalls nicht gelten (Bamberger/Roth/Henrich, BGB, § 193 Rn. 4; Erman/H. Palm, BGB, 11. Aufl., § 193 Rn. 2; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 193 Rn. 9; Staudinger/Repgen, aaO für den Fall, daß durch die Kündigung eine gesetzliche Schutzfrist ausgelöst werde). Dem entgegen hat das Reichsgericht in solchen Fallgestaltungen die Anwendung des § 193 BGB gebilligt (RG JW 1907, 705; so auch LG Kiel WuM 1994, 542, 543). Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu noch nicht geäußert; das Urteil des VIII. Zivilsenats vom 16. Oktober 1974 (VIII ZR 74/73 - NJW 1975, 40) betrifft nicht eine Kündigung im technischen Sinne, sondern die Ablehnung einer ohne "Kündigung" eintretenden Vertragsverlängerung.

Bei Versicherungsverträgen entspricht die Anwendung der Vorschrift auf der Grundlage älterer Entscheidungen der Instanzgerichte heute offenbar allgemeiner Meinung (LG Köln VersR 1953, 185; AG Hamburg VersR 1951, 125; AG München VersR 1951, 204, 205; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 Rn. 7; Staudinger/Repgen, aaO; a.A. AG Osnabrück Recht 1942 Nr. 1703).

Es scheint also durchaus vertretbar, § 193 BGB doch anzuwenden!

Zitat:

@soringer schrieb am 21. Dezember 2014 um 04:17:14 Uhr:



Es scheint also durchaus vertretbar, § 193 BGB doch anzuwenden!

In dem Urteil steht auch folgendes:

"Eine unmittelbare Anwendung des § 193 BGB auf Kündigungsfristen scheidet aus. Wenn mit einer Frist von einem Monat zu einem bestimmten Tag gekündigt werden kann, bedeutet dies weder, daß die Willenserklärung an einem bestimmten Tag abzugeben ist, noch, daß die Kündigung innerhalb einer Frist abgegeben werden müßte, wie es das Gesetz voraussetzt. Die Zeit vor Beginn der Kündigungsfrist ist selbst keine Frist, weil sie keinen Anfangszeitpunkt, sondern nur einen Endtermin hat"

Im übrigen fordern die Versicherungsbedingungen, dass das Kündigungsschreiben bis Monatsende zugegangen sein muss (§130 BGB).
Zugegangen bedeutet, dass der Empfänger Gelegenheit hatte, es auch zur Kenntnis zu nehmen.

Bei einem Eingang nach Geschäftsschluss der Firma ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme erst am folgenden Arbeitstag anzunehmen.

Daher erklärt sich vermutlich auch der von der Versicherung genannte Termin : Samstag 18:00.
Also vorliegend kein rechtzeitiger Zugang und damit Unwirksamkeit der Kündigung.

O.

Nicht umsonst sagt man: "4 Juristen- 5 Meinungen". Deshalb füge ich die wohl nicht ganz zu vernachlässigende Meinung eines weiteren Juristen, nämlich des Richters am BGH Ekkehart Schott in seiner Anmerkung zum genannten BGH-Urteil in juris-PR hinzu:
"Abzuwarten bleibt, ob sich die Entscheidung auch auf die Berechnung von Kündigungsfristen im Versicherungsvertragsrecht auswirken wird, für das allgemein die Anwendung des § 193 BGB befürwortet wird (siehe die Nachweise bei Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 Rn. 7)."
Entschieden hat der BGH zu einem Werbevertrag; er hat, wie ich oben schon ausgeführt habe, in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es im Versicherungsrecht die ganz herrschende Meinung sei, § 193 BGB sei anwendbar. Daraus folgert Schott offenbar, der BGH habe zur Anwendung des § 193 BGB im Versicherungsvertragsrecht keine abschließende Entscheidung getroffen.
Ich beteilige mich erst seit kurzer Zeit an Diskussionen hier; mir fällt bloß auf, daß viele Mitdiskutanten meinen, nur ihre Ansicht sie die allein seligmachende.

Zitat:

@soringer schrieb am 21. Dezember 2014 um 11:48:36 Uhr:


Nicht umsonst sagt man: "4 Juristen- 5 Meinungen". Deshalb füge ich die wohl nicht ganz zu vernachlässigende Meinung eines weiteren Juristen, nämlich des Richters am BGH Ekkehart Schott in seiner Anmerkung zum genannten BGH-Urteil in juris-PR hinzu:

Wie ich ausgeführt habe, ist es unerheblich, ob fristgerecht gekündigt wurde.

Vorliegend ist die Besonderheit der Kündigung, dass auch der fristgerechte Zugang gefordert wird. Und dies ist nicht erfüllt. Oder wird dies auch bestritten?

O.

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Komische Meinung. Wenn nach 193 BGB bei Versicherungsverträgen der nächste Werktag ausreicht - und nicht anderes lese ich die BGH-Entscheidung - war die Kündigung doch fristgerecht, nämlich am 01.12. zugegangen.

Gruß
Peter

Zitat:

@PeterBH schrieb am 21. Dezember 2014 um 13:02:40 Uhr:


Komische Meinung. Wenn nach 193 BGB bei Versicherungsverträgen der nächste Werktag ausreicht - und nicht anderes lese ich die BGH-Entscheidung - war die Kündigung doch fristgerecht, nämlich am 01.12. zugegangen.

Gruß
Peter

Algemein akzeptierte Definition des Zuganges:

“Zugegangen ist eine Erklärung, wenn sie so in den Machtbereich (Herrschaftsbereich) des Adressaten gelangt ist, dass unter normalen Umständen damit rechnen ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann.”

Daher vermutlich auch der Hinweis der Versicherung auf die Frist Samstag, 18:00

Der Te wird ja wohl mit der Versicherung Rücksprache nehmen, dann deren Erklärung hier posten und ggfs. klagen aufgrund der hier gemachten Anmerkungen.

O.

Habe soeben die Kündigungsparagraphen bei der Huk überflogen.

Das Wort " Kündigungsfrist" wird überhaupt nicht erwähnt. Es wird nur ein zeitlich bestimmter Zugang gefordert.

Schon in dem zitierten BGH Urteil wurde darauf hingeiesen, dass man im Zusammenhang von Kündigung laufender Verträgen nicht von Fristen sprechen kann, da der Begriff "Frist" einen Zeitraum umfasst und hier nur Zeitpunkte (Termine) beachtet werden müssen. Ausserdem fehlt ein Beginn der Frist.

O.

Mich würde interessieren, mit welchem exakten Wortlaut die Kündigung zurückgewiesen wurde.
Die Kündigung ist IMO fristgerecht, nämlich einen Monat vor Ablauf, sowie in einer zugelassenen Form, bei der HUK eingegangen.

Mancher Jurist neigt dazu, sich ab und zu mal zu verrennen. Wenn die Versicherung bestätigt, daß ihr die Kündigung am 29.11. (nach Feierabend) zugegangen ist, dann ist sie selbstverständlich nicht später als am 1.12., dem nächsten Werktag, zugegangen. Klar ist, daß § 193 BGB nicht direkt angewendet werden kann, weil er das Ende einer Frist hinausschiebt. Es war aber bis zur Entscheidung des BGH fast einhellige Meinung, daß für den letzten Tag der möglichen Kündigung § 193 BGB entsprechend anzuwenden sei. In den HUK-AKB heißt es:
"Dauer und Beendigung des Vertrags
Der Versicherungsvertrag wird für den vereinbarten Zeitraum geschlossen, längstens für 1 Jahr. Der Vertrag verlängert sich jeweils um 1 Jahr, wenn er nicht spätestens einen Monat vor Ablauf gekündigt wird. Unter G.2.1. nochmals:" Sie können den Vertrag zum Ablauf des Versicherungsjahres kündigen.Die Kündigung ist nur wirksam, wenn sie uns spätestens einen Monat vor Ablauf zugeht. "
Ich würde die Versicherung darauf hinweisen, daß nach herrschender Meinung eine Kündigung am 1.12. noch wirksam war; ob sie es auf einen Prozeß ankommen ließe, bezweifle ich.

Zitat:

@soringer schrieb am 21. Dezember 2014 um 22:52:24 Uhr:



Ich würde die Versicherung darauf hinweisen, daß nach herrschender Meinung eine Kündigung am 1.12. noch wirksam war; ob sie es auf einen Prozeß ankommen ließe, bezweifle ich.

Ich bezweifle, ob es der Te auf einen Prozeß ankommen lässt. Er muss klagen.

O.

Nicht zwingend. Wenn er die Prämie nicht zahlt, müssen die klagen. Ich weiß aber nicht, ob er sich zum 01.01. trotzdem eine neue Versicherung besorgen kann.

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