Mercedes 500 SEC (C126): Oldtimer-Test

Mercedes S-Klasse W126
Von Haiko Prengel

Berlin - Ausgerechnet unschuldiges Weiß. Die Farbe der Lieferwagen. Aber was soll dieser schneeweiße Mercedes 500 SEC schon liefern? Koks vielleicht, oder ein paar aufs Maul?

Drogenszene, Rotlicht-Milieu, Zuhälterei: Kaum ein anderes Auto wurde so gerne von Kriminellen und zwielichtigen Gestalten gefahren wie

das Coupé der Mercedes-Baureihe W126

. Sündhaft teuer, repräsentativ und wenn's eng wird, auch mal sauschnell: Weil Gauner den SEC liebten, bekam er den Ruf der Luden- und Gangsterkarre.

Unvergessen ist der Auftritt von Ralf Richter als Kalle Grabowski in der Kultkomödie „Bang Boom Bang“ von 1999. In dem Streifen ist ein goldfarbener 500er der automobile Traum des Kriminellen Grabowski. „Du brauchst ein Fahrzeug, das zu Dir passt. Mit Stil. Eines mit Charakter.

Verstehste? Ein Baby, zum Liebhaben!

“, postuliert der schlecht tätowierte Gefängnisausbrecher.

Es geht auch anders

1999 ist lange her. Und zumindest zu dem

arcticweißen SEC von Michael A. Netzeband

passt das alte Klischee überhaupt nicht. Der 500er, den der Berliner Autohändler in seiner Hinterhof-Garage im gutbürgerlichen Stadtteil Friedenau geparkt hat, fuhr nie auf der schiefen Bahn. Der frischgebackene Oldtimer - erstzugelassen im Jahr 1986 und seit Kurzem mit H-Kennzeichen geadelt - wurde nach seiner Fertigung in Sindelfingen ins ferne Japan exportiert.

Hier gibt es den 500 SEC auf mobile.de

Dort diente der SEC seinem Erstbesitzer 30 Jahre lang als Statussymbol - stand dabei aber meist in der Garage. Das erklärt den außergewöhnlich niedrigen Tachostand:

Gerade einmal 36.000 Kilometer hat der Wagen auf dem Tacho

. In Japan fährt man nicht viel, man steht lieber im Stau. Jetzt kam der 500er als Re-Import zurück nach Deutschland und wartet auf ein zweites Leben als Klassiker. „Der muss erst einmal eingefahren werden“, sagt Händler Netzeband, der seine Mercedes-Garagen seit 1967 betreibt.

Erstmal einfahren

Also den V8 gestartet und rauf auf die Berliner Stadtautobahn. Wie immer herrscht viel Verkehr auf der A100, aber davon ist im Innenraum des SEC nichts zu hören. Wenn die Türen wie bei einem dicken Tresor dumpf zuschlagen,

dringt fast kein Außengeräusch mehr in das Luxusauto

– so großartig ist der Wagen abgedämmt. Das komfortable Fahrwerk schluckt jede Bodenwelle, selbst nach 30 Jahren knarzt und klappert im C126 gar nichts. Und das heißt schon etwas auf den maroden Berliner Straßen. „Das Auto gleitet richtig“, schwärmt Netzeband.

1981 wurde das Coupé aus Daimlers legendärer Oberklasse-Baureihe W126 (1979 bis 1992) vorgestellt. Mit knapp 818.000 Limousinen (SE und SEL) und rund 74.000 Coupés hält die Baureihe bis heute den Rekord in Sachen S-Klasse.

Das Kürzel SEC steht für „S-Klasse-Einspritzmotor-Coupé“.

Anders als die Limousinen

gab es den um 85 Millimeter gekürzten SEC nur mit Achtzylindermotor. Auch bei Preis und Ausstattung waren die Coupés traditionell am oberen Ende der Liste positioniert. Elektrische Sitzverstellung, vierfach elektrische Fensterheber oder Gurtbringer gehörten zur Serienausstattung.

Ein unbekannter Japaner

Der arcticweiße SEC aus Berlin-Friedenau hat darüber hinaus einige Extras. Dazu gehören eine Klimaautomatik, helle Ledersitze, Schiebedach, Sitzheizung und eine Scheinwerfer-Reinigungsanlage.

Händler Netzeband weiß nichts Näheres über die Erstbesitzer aus Japan, aber ganz sicher mussten sie bei der Bestellung vor 30 Jahren nicht auf den Yen achten. So ein 500 SEC war damals eines der teuersten Serienautos, die man ordern konnte (

Grundpreis 1986: rund 105.000 Mark

) – und eines der schnellsten:

245 PS

leistet der fünf Liter große Achtzylindermotor. Die bringen den 1,6-Tonnen-Luxusliner auf

mehr als 220 km/h

. Heute rennt jeder Vertreter-Passat so schnell, aber in den Achtzigern war das eine Ansage.

Der Berliner Händler lobt seinen articweißen 500er als makellos. Und ohne Frage ist dessen größtes Plus der unrestaurierte Originalzustand. Hier wurde nichts geschweißt und gespachtelt. Und auch nichts verbreitert, tiefergelegt oder verspoilert. Der Neuberliner mit seinen biederen Gullideckel-Felgen wirkt beinahe wie ein gut gepflegtes Mauerblümchen.

Auto und Reifen aus Asien

Lediglich über das silberne Radio und Billigreifen aus Asien wundert man sich bei dem knapp 40.000 Euro teuren Oldtimer. Ein Premium-Auto mit Discounter-Pneus - das ist meist kein gutes Zeichen. Doch dieser SEC kommt ja aus Asien, da dürfen es wohl auch Reifen aus Fernost sein, oder?

Radlaufchrom besitzt der weiße SEC zum Glück nicht.

Den klassischen Zierrat findet man häufig bei 126ern – und unter ihm einen Haufen Rost

. Auch hinter den „Sacco-Brettern“ gammelt es gerne. Und bei einem Auto, das selten bewegt wurde, können Standschäden dazukommen: spröde Dichtungen und poröse Schläuche. Tackernde Geräusche im kalten Zustand kommen von den Hydrostößeln und sollten nach dem Warmfahren verschwinden – andernfalls sind wahrscheinlich die Nockenwellen eingelaufen. Auch Elektronikprobleme können bei einem 126er richtig ins Geld gehen.

Unser SEC verhält sich völlig unauffällig. Er lasse seine Young- und Oldtimer grundsätzlich von einer Mercedes-Vertragswerkstatt auf Herz und Nieren prüfen, bevor er sie zum Verkauf anbietet, versichert Händler Netzeband.

Heute nur noch Understatement

Früher hätte man damit rechnen können, dass sich bei der Probefahrt die Passanten staunend nach dem Edel-Coupé umsehen. Doch ohne Spoiler und Tuning-Kram ist der 500er SEC heute, genau wie die 126er Limousine, Understatement. Das Design gediegen und zeitlos schön. Unter der Haube grollt der V8 nicht um Aufmerksamkeit wie bei modernen Autos.

Nein, das Aggregat im 126er surrt filigran und kommt im Stadtverkehr kaum über 1.500 Touren

.

Hinter dem Steuer spürt man stets das satte Drehmoment – und dass man kein Ampelrennen fürchten müsste. In den Achtziger Jahren war Weiß übrigens Trendfarbe. Auch der Anstrich unseres 500 SEC aus Japan gefällt mit der Zeit stetig besser. Es ist ein edles Weiß,

so strahlend hell und erhaben wie die Gletscher des Fujiyama

.

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Technische Daten - Mercedes 500 SEC (C126)

  • Motor: Achtzylinder-V-Benziner
  • Hubraum: 4973 cm³
  • Leistung: 245 PS (180 kW)
  • Drehmoment max.: 400 Nm bei 3.750 U/min
  • Getriebe: Viergang-Automatik
  • 0-100 km/h: ca. 8 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h
  • Verbrauch: ca. 15 l/100 km
  • Länge: 4,935 m
  • Breite: 1,828 m
  • Höhe: 1,407 m
  • Radstand: 2,845 m
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102 Antworten

"Ich baller
in dem Coupé
mit zweihundertvierzich über die Bahn. Dat is meine Freiheit."
Spitzenfilm, Spitzenwagen, auch wenn letzterer ungleich eleganter. Das Radio ist wirklich sehr hässlich, aber das lässt sich ändern.
Die Reifen...na ja, das sind Kumhos, die sind bei MB heute an manchen Autos Werksausstattung. Dieser Logik nach wäre es ja auch unangemessen, einen alten Alfa mit Conti-Reifen oder einen W123 mit Michelin-Reifen zu fahren.

Zitat:

@thoelz schrieb am 27. Dezember 2016 um 12:51:36 Uhr:



Zitat:

@S6-V8 schrieb am 27. Dezember 2016 um 11:56:21 Uhr:


Hatte selbst einen 500 SEC. Traumwagen als Oldtimer günstig im Unterhalt. Spritverbrauch teilweise über 20 Liter / 100km war schon ein Vergnügen.
Egal wo man unterwegs war, erntete man zahlreiche Blicke und wurde in nette Gespräche verwickelt.

Wie hast Du denn da 20 Liter durchbekommen.
Meine Mutter hatte lange einen 500 SEC. Wenn man da ganz normal gefahren ist war der mit 11 - 12 Litern zufrieden.

mit 11-12Litern ? Also, beim besten Willen, kann ich mir nicht vorstellen, zumindest nicht dauerhaft und im Durchschnitt, mein alter Herr hatte selbst einen 380SE, der kam im Schnitt auf knapp unter 15Liter/100km, bitte bedenken, wie der Verbrauch bei kalten Temperaturen nach oben geht...

Zitat:

@thoelz schrieb am 27. Dezember 2016 um 12:51:36 Uhr:



Zitat:

@S6-V8 schrieb am 27. Dezember 2016 um 11:56:21 Uhr:


Hatte selbst einen 500 SEC. Traumwagen als Oldtimer günstig im Unterhalt. Spritverbrauch teilweise über 20 Liter / 100km war schon ein Vergnügen.
Egal wo man unterwegs war, erntete man zahlreiche Blicke und wurde in nette Gespräche verwickelt.

Wie hast Du denn da 20 Liter durchbekommen.
Meine Mutter hatte lange einen 500 SEC. Wenn man da ganz normal gefahren ist war der mit 11 - 12 Litern zufrieden.

Kurzstrecke + ab und zu Gas gegeben.

Einfach nur klasse das Modell. Wäre noch platz neben meinem W124 in der Garage. Der ist auch original 300e bj89

"stand dabei aber meist in der Garage."
Das mußte der 500 SEC wohl auch. Japan hat Linksverkehr.

Zitat:

@Max 0763 schrieb am 27. Dezember 2016 um 14:29:19 Uhr:



Zitat:

@thoelz schrieb am 27. Dezember 2016 um 12:51:36 Uhr:



Wie hast Du denn da 20 Liter durchbekommen.
Meine Mutter hatte lange einen 500 SEC. Wenn man da ganz normal gefahren ist war der mit 11 - 12 Litern zufrieden.

mit 11-12Litern ? Also, beim besten Willen, kann ich mir nicht vorstellen, zumindest nicht dauerhaft und im Durchschnitt, mein alter Herr hatte selbst einen 380SE, der kam im Schnitt auf knapp unter 15Liter/100km, bitte bedenken, wie der Verbrauch bei kalten Temperaturen nach oben geht...

War der 380 SE Deines alten Herren vielleicht einer vor Energiekonzept?

Bin mit dem 500 SEC meiner Mutter einige zehntausend Kilometer gefahren.

11 - 12 Liter gingen bei ruhiger Fahrweise ohne ein Verkehrshindernis zu sein. Flott gefahren ca 16 Liter.

Habe dieses Motorbaumuster seit einigen Jahren in meinem R 107, da ist das genauso.

L1000403

Zitat:

@PPL-1 schrieb am 27. Dezember 2016 um 09:12:02 Uhr:


Was ein Meilenstein...Das aktuelle S Coupe gehört auch dazu, nur kostet der statt 100k DM Mal schlappe 150-200k €

Der soll erstmal wieder das Komfortniveau erreichen, welches Mercedes bereits in den 80er Jahren drauf hatte.

http://www.spiegel.de/.../...des-s-klasse-federt-weniger-a-938949.html

Wenn ich die Bilder vom Verkäufer sehe, scheint der mir genauso Scheintod zu sein, wie jene Leute welches dieses Auto noch fahren.

Zitat:

@flying_horst schrieb am 27. Dezember 2016 um 16:33:45 Uhr:


Wenn ich die Bilder vom Verkäufer sehe, scheint der mir genauso Scheintod zu sein, wie jene Leute welches dieses Auto noch fahren.

Herzlichen Glückwunsch zu diesem "geistreichen" Kommentar.

Es heißt übrigens "scheintot." Korrekt herumtrollen will gelernt sein.

In der Mobile.de Verkaufsanzeige:
"Die renommierte Fachzeitschrift AUTO BILD KLASSIK...." Das wirkt nun ehrlich unseriös!

Zitat:

@thoelz schrieb am 27. Dezember 2016 um 12:49:54 Uhr:



Zitat:

@Lewellyn schrieb am 27. Dezember 2016 um 11:10:52 Uhr:


1,6 Tonnen. Das wiegt ja heute schon Ein C 180 BlueEffizenzi.
Was wohl damals für hightech benutzt wurde, um das Gewicht so niedrig zu halten? ;)

Zum Beispiel einen Alumotor mit nur knapp über 200kg Gewicht und eine Motorhaube aus Aluminium.

Der Motor wog 225 Kilo, es war der erste Serienmotor mit weniger als 1 Kilo Gewicht pro PS.

Zitat:

@thoelz schrieb am 27. Dezember 2016 um 17:20:46 Uhr:


Es heißt übrigens "scheintot." Korrekt herumtrollen will gelernt sein.
:D

Ein Traumauto, das ich neben vielen anderen in den Achtzigern als Führerscheinanfänger (!) häufig beruflich in die Parkhäuser chauffieren musste. Beindruckend damals der Gurtbringer und die hier seltenen rahmenlosen Fenster in den Türen. Beeindruckend auch, als ich mit so einem 560 SEC mal im Winter auf einer Dehnungsfuge ein wild ausbrechendes Heck hatte. Der Benz blieb heile, sein unerfahrener Chauffeur deswegen im Dienst und der Respekt vor knapp 300 PS bei Heckantrieb hielt sich bis heute.
Ich würde des SEC mit Kusshand nehmen, auch wenn man heute ja nur noch mit Liegerad und Birkenstocksandalen gern gesehener Gast in Städten ist. Die Zeiten sind für Fahrer solcher Schönheiten früher definitiv besser gewesen.

Top!
Danke für den Artikel - das Auto - ein Superwagen.
Hatte zeitlang einen 560 SEC. In der Tat durstig, aber bei der Power ?
Erstaunlich auch das Gewichtthema: der Benz war extrem gut gedämmt, hatte dicke Bleche und war trotzdem relativ leicht. Meiner hatte bereits Airbag als Sonderausstattung. Und die Farbe: mitternachtblau. Ein Traum von Auto, das ich allerdings verkauft hatte. Den Augenblick - als der neue Besitzer den Wagen damals wegfuhr - hatte ich nicht vergessen.
Es war übrigens auch das einzige Auto, das ich ohne Probefahrt verkauft hatte. Musste nur den Motor anstarten. Der damalige Käufer hatte einen guten Riecher. Wüsste gerne, ob das Auto heute noch existiert...

Ein echtes Auto...aus einer Zeit als Formen nicht geprägt waren von Lichtkanten, Sicken und krampfhaft keilförmigen Karossen mit Schießschartenfenstern...als Motoren für die Ewigkeit gebaut wurden...und 500 PS nicht aus 2 Liter Hubraum mit vierfach-Aufladung gepresst wurden...
Geiles Auto...und jeden Cent wert. Schön dass das Vokuhila-Image vorbei ist.

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