Bald 9-Gang-Automatik in der E-Klasse

Mercedes E-Klasse W212

Laut einem aktuellen Bericht der Auto-Motor-Sport soll demnächst die 9-Gang-Automatik in der E-Klasse eingeführt werden. In der S-Klasse soll sie ab Mitte 2014 zu haben sein.

Beste Antwort im Thema

Schöne neue Getriebewelt

oder

Die wundersame Gangvervielfältigung

Moin bb...,
moin Forenten,

seltsam, Lehrling, zum Davonlaufen: das alles stimmt und stimmt doch wieder nicht. Letztlich ist es so, dass es anders nicht mehr geht. Ich will versuchen, den Paradigmenwechsel noch einmal klarer herauszuarbeiten.

Früher

Früher war es so, dass ein Ingenieur eine Aufgabe gestellt bekam, die er anschließend gelöst hat. Die Anforderungen waren noch nicht allzu vielschichtig. Im Falle automatischer Getriebe sahen die Lösungen jahrzehntelang vergleichsweise schlicht aus. Grob klassifiziert so:

  • Dreigangautomatiken herrschten vor. Dies war in der Zeit der Vierganggetriebe nur logisch, da der Drehmomentwandler den Anfahrgang ersetzt. Getriebeseits bestanden sie aus einem Simpson- oder Ravigneaux-Satz oder auch zwei normalen Radsätzen.
  • Mercedes leistete sich von Anfang an den Luxus von Viergang-Automatiken, wobei sie dabei den Wandler sehr viel steifer -- also mit sehr viel früherem Kaftschluss -- abstimmten: zur Föttinger-Flüssigkeitskupplung (bis 1972/1973 verwendet) merkte man kaum einen Unterschied, außer dem früher bereits erwähnten Anfahren im 2. statt im 1. Gang. Getriebeseitig wurden hier 3 Radsätze eingesetzt.

Startschuss für Veränderung: die Ölkrisen

Es bedurfte zweier Ölkrisen -- der von 1973 (mit Sonntagsfahrverbot; wer erinnert sich noch?) und 1979 (mit einem Kraftstoffpreis von 1,58 DM pro Liter Super 1981; wer erinnert sich noch? *)) -- um das Auto als Teilnehmer im Umweltgeschehen wahrzunehmen. In den 80er Jahren reagierten die Hersteller darauf mit zunehmend energiesparenden Techniken. Prominent war die Verbesserung der Aerodymanik und die Steigerung der Leistung als Abfallprodukt der verbesserten Motorwirkungsgrade. Logo, je weniger durch den Auspuff entweicht, desto mehr steht an der Kupplung zur Verfügung. Leichtbau hat sich nicht ausgewirkt, da die Ausstattungsverbesserungen sogar zu einer deutlichen Erhöhung der Leergewichte geführt haben.

Dadurch nun wurden die Autos erheblich schneller. Die 4 Gänge oder 3 bei der Automatik mussten nun über einen weiteren Bereich gestreckt werden. Das Ergebnis wurde mit zunehmender Windschlüpfrigkeit immer unbefriedigender. Gleichzeitig entdeckte man den Overdrive wieder: diesmal nicht für Komfort, sondern für die Senkung des Verbrauchs.

Die Inflation der Gänge

Im Ergebnis wurden zwei zusätzliche Gänge nötig: einer, um dem größeren Geschwindigkeitsbereich Rechnung zu tragen, einer, um mit einem Schongang den Verbrauch erfolgreich zu senken. Entsprechend haben die manuellen Getriebe heute üblicherweise 6 Gänge. Die Automatiken endeten bei 5 Gängen. Hier nun ging die Entwicklung zwischen Mercedes und ZF extrem auseinander.

  • Bei Mercedes ergänzte man die Automatik mit 3 Radsätzen um einen 4.
  • ZF schaffte sogar 6 Gänge in dem 6 HP mit nur 1 Ravigneaux-Satz und 1 normalen Radsatz (Lepelletier-Anordnung; Hinweis: hier gibt es den direkten Gang als 7. Gang umsonst dazu, also als 5. Gang, den ZF aber ganz bewusst verschenkt hat, da die umligenden beiden Gänge zu nah liegen; kleiner Vorgriff: später hat man derartig liegende Gänge nicht mehr verschenkt, sondern alle genommen)

Sackgasse

Irgendwie war klar, dass das -- zumindest bei Mercedes -- nicht so weitergehen konnte. Wenn die Fahrzeuge, selbst, wenn sie nicht leistungsfähiger werden, immer schneller werden und zugleich die Anforderungen immer größer werden, werden weitere Gänge erforderlich werden. Und wie soll das gehen? Noch einen Radsatz anfügen? Ausgeschlossen.

Parallel verlagerte sich die Konstruktion immer mehr auf den Computer, womit viel komplexere Modelle entwickelt werden konnten, die früher gar nicht alle hätten gerechnet werden können, weil es schlicht zu lange gedauert hätte. Viel zu lange. 30 Jahre für die Entwicklung eines Getriebes? Oder 60 Jahre, wenn es besonders sorgfältig gemacht werden soll? Hier kann man sich jeden Zeitraum vorstellen: jeder wäre zu lang. Das waren keine Optionen. Mit Computern verkürzten sich diese Zeiten dramatisch.

Paradigmenwechsel 1

In einem ersten Schritt -- eine Übung könnte man darin sehen -- entwickelte Mercedes das NAG. Die Veränderungen sind augenfällig: ein kompletter Radsatz gespart (und sogar einen 2. Rückwärtsgang gewonnen). Damit begannen die Lösungswege zwischen Mercedes und ZF wieder zu konvergieren. Man hat nicht mehr am grünen Tisch Übersetzungsverhältnisse festgelegt und dann ein solches Getriebe gebaut, sondern versucht, vollständig zu verstehen, welche Möglichkeiten in einer gegebenen Konstruktion stecken, um sie möglichst alle zu nutzen.

Das NAG bis hinauf zur 7G-Tronic ist noch einigermaßen schlicht konzipiert. Das ist bei der 8 HP von ZF noch mal einen ganzen Zacken komplexer. Audi hat eine Schulungsunterlage herausgebracht, die der von mir genannten für Mercedes entspricht. So auf Anhieb finde ich sie nur auf Englisch, aber es gibt sie auch auf Deutsch, die man bei entsprechend geduldiger Suche vielleicht noch finden kann.

http://admin.audionlinetraining.com/.../...%20Power%20Transmission.pdf

Als ich die Kraftflussdiagramme zu verstehen versucht habe, wurde mir klar: das ist nicht das Ergebnis linearer Konstruktion, sondern dabei wurde gänzlich anders vorgegangen. Niemand kommt von sich aus auf die dort verwirklichten Ideen. Das ist nicht durch bloßes Herumprobieren entstanden. Da muss viel grundsätzlicher und aufgrund der sich daraus ergebenden uferlosen Vielfalt viel systematischer vorgegangen worden sein, davon bin ich überzeugt.

Was bedeutet das?

Paradigmenwechsel 2

  • Ist vor dem Paradigmen-Wechsel ein einzelnes Problem -- hier also: die Übersetzung eines einzelnen Ganges -- zunächst (wenn auch bei Mercedes schlecht, sogar richtig schlecht, doch das kann hier beiseite bleiben) festgelegt und dann umgesetzt worden,
  • würde diese Vorgehensweise bei den heutigen Anforderungen zu einer Automatik mit vielleicht 6-7 Radsätzen und jeder Menge Aktoren führen. Ein solches Getriebe würde aber bis zwischen die Vordersitze reichen, vom Fertigungsaufwand (und, last, but not least vom Gewicht) ganz zu schweigen. Sprich: das geht nicht.
  • Auf den ersten Blick ein Dilemma. Es gibt jedoch einen Ausweg. Wie durch ein Wunder haben heutige Automatikgetriebe doppelt so viele Gänge wie bis vor etwa 20 Jahren, ohne aufwendiger geworden zu sein. Die wundersame Gangvervielfältigung. Schön wär's. Statt die Automatik immer aufwendiger zu machen, hat man durch mathematische Modellierung und Rechnen sämtlicher möglichen Kombinationen alle Möglichkeiten, die in einem Planetengetriebe mit 4 Radsätzen stecken, gefunden und durch hin- und herschieben der erforderlichen Aktoren das Layout gefunden, das 9 halbwegs brauchbare Gänge bietet.
  • Halbwegs brauchbar ist das Stichwort. Anders als bei den alten Getrieben oder der unrealistischen Variante mit 6 oder mehr Radsätzen können die einzelnen Gänge nun nicht mehr jeder für sich ausgelegt werden, sondern alles hängt mit allem zusammen. Man darf sich das wie ein Mobile vorstellen: tickt man eine Figur eines Mobiles an, fangen plötzlich alle Figuren an, sich zu bewegen. Konkret: ändere ich einen Gang, ändern sich tatsächlich ausgesprochen viele andere gleich mit. Und nicht etwa in dieselbe Richtung. Das geht wild durcheinander, unvorhersehbar. Also meine Abstraktionsleistung jedenfalls ist überfordert.

Nicht-linearer Prozess

Ich habe das ZF-Getriebe auch in Excel nachvollzogen, aber -- anders als bei der 7G-Tronic -- bin ich krachend gescheitert. Also die bestehenden Übersetzungen kann ich alle nachrechnen, das ist nicht das Problem. Ich finde keinen Einstieg in eine gezielte Veränderung. Ich vermute, dass das daran liegt, dass es einen solchen Einstieg nicht -- nicht mehr -- gibt. Das ist der Preis dieser schönen neuen Getriebewelt und das, was ich mit nicht-linearer Vorgehensweise meine. Man kann nicht mehr hingehen und sagen: ich möchte den Sprung vom 7. zum 8. Gang verkleinern. Denn, wenn man das tut, den 8. Gang also verkürzt, verkürzt sich auch der 2. Gang. Also auf jeden Fall der, ich habe das eben nur oberflächlich probiert. Dann aber wird der Sprung vom 2. zum 3. Gang größer, was man überhaupt nicht gebrauchen kann. Und so ist das mit jeder Änderung. Also stellt das Ergebnis wirklich die "am wenigsten idiotische" Lösung dar.

Die Spreizung wird größer, die Stufung jedoch kleiner

Vor allem aber ist zu beachten, dass die Vielzahl der Gänge nicht nur zu einer Vergrößerung der Spreizung geführt hat, sondern ebenso zu einer Verkleinerung der Sprünge, also Stufen. Das heißt nicht weniger, als dass alle Sprünge viel kleiner und damit besser sind als früher.

Die nach oben hin schön kleiner werdenden Stufen sind doch nur deshalb wichtig gewesen, weil die unteren Stufen für sich genommen immer an der oberen Grenze des erträglichen angesiedelt waren und diese Grenze das ist, was nach oben hin immer kleiner wird. Wenn man nun aber mit den vielen Gängen so kleine Stufen ermöglichen kann, dass jede Stufe für sich genommen einen gehörigen Sicherheitsabstand zu der im jeweiligen Geschwindigkeitsbereich passablen Grenze einhält, wird der Verlauf der Stufungen unbedeutend. Mit kleiner werdenden Stufen zunehmend unbedeutend. Mit anderen Worten: ist ein Gangsprung erst einmal klein genug, ist es doch vollkommen wurscht, ob er schön in eine Reihe passt, die ohnehin niemanden mehr interessiert. Der gerade in diesem Moment wahrgenommene Drehzahlsprung hört sich überzeugend an und daran ändern die anderen Stufen nichts. Im Gegenteil, sind doch diese anderen Stufen nicht weniger gelungen. So hat sich das Problem von selbst erledigt, ohne dass es besonders aufgefallen wäre.

Seien wir Realist: sich mit solchen Gangdiagrammen zu beschäftigen, ist im Grunde genommen nur noch eine nostalgische Gewohnheit und hat sich überholt. Was nicht heißt, dass ich mir das nicht trotzdem weiterhin ganz genau ansehen werde. Denn mir macht das Spaß. Eben jeder, wie er mag.

Möge es nützen

Peter

*) Ein 230 E kostete 26.724,50 DM, wie ich bei classic wiki gerade ergoogelt habe; also rund 16.914 Liter oder bei 12,5 und 10,3 l Verbrauch inner- bzw. außerstädtisch, durchschnittlich also 11,4 l, 148.370 km; ein E 200 kostet heute 40.430,25 Euro und verbraucht -- ebenso unrealistisch wie für den 230 E damals ermittelt, sodass sich die Fehler herauskürzen -- 6,5 l, verbraucht also 9.644 l für dieselbe Strecke. Würde uns also ein Kraftstoffpreis von 4,19 Euro pro Liter heute die gleiche Mobilität wie 1981 ermöglichen?)

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Hallo,

hat jemand Informationen, ob/ wann die 9-Gang-Automatik in der C-Klasse angeboten wird?

Zitat:

Original geschrieben von corsa636


Hallo,

hat jemand Informationen, ob/ wann die 9-Gang-Automatik in der C-Klasse angeboten wird?

Wenn du die 5 Beiträge über deinem gelesen hättest, wüsstest du es 😉

Ist zwar Off-Toppic aber schau bitte auch hier: http://www.jesmb.de
Laut Julian wird die kommende C Klasse mit NAG3 ausgestattet. Auf Basis der bisherigen Modellpolitik gehe ich aber davon aus, das zunächst die 4 Zylindermotoren noch mit NAG2+ kommen. Ausnahme aber wieder da der 250CDI und 4matic Modelle. Der X205 kommt dann nur noch mit NAG3

Gruß TuxOpa

Moin bb…,
moin SignumFan,
moin J.M.G.,
moin Forenten,

Zitat:

Original geschrieben von bbbbbbbbbbbb



Zitat:

Original geschrieben von Dr.Mabumsen


Das ist leider kein Insiderwissen sondern einfach logisch die Infos zusammengefügt...
Mit Insiderwissen meinte ich den großen Text (um 1:07 Uhr) über die Abstufung der Automatik und warum das so ist. Alleine mit logischem Zusammenfügen von Informationen kommt man da nicht sehr weit.

Danke, danke, aber ich bin kein Mercedes-Insider, sondern nur – in diesem Falle – leidgeprüfter Mercedes-Automatik-Mitfahrer und später dann zunehmend -Fahrer (des väterlichen Autos). Mich haben die Abstufungen genervt – ich bin ziemlich musikalisch und habe von Anfang an das untrügliche Gefühl gehabt, dass da irgendetwas nicht stimmt – und so wollte ich es genau wissen. Das Internet ist schon ein Segen und so bin ich auf die Schulungsunterlage von Mercedes USA gestoßen, die noch immer im Netz steht und auf welche ich wegen ihrer Größe von 17 MB hier nur verweise.

www.mercedestechstore.com/pdfs/286_722.9/286 HO 722.9 062504.pdf

Das betrifft die 7G-Tronic, richtig. Ich würde mich freuen, wenn das demnächst für die 9G-Tronic auch veröffentlicht wird. Ich bin mal gespannt. Gut, gut, die Zähnezahlen sind da, glaube ich, nirgends erwähnt und so schiebe ich sie hier nach. Woher ich die habe, suche ich jetzt nicht heraus.

  • Ravigneaux-Satz (vorne, Sonne/Hohl klein/Hohl groß) 42/86/110
  • Radsatz mitte (Sonne/Hohl) 42/114
  • Radsatz hinten (Sonne/Hohl) 46/114

Damit kann man das dann alles nach den bekannten Formeln für Umlauf- oder Planetengetriebe sehr schön ausrechnen.

  • den 4. Gang zum Beispiel (42+114)/114,
  • den 3. Gang (46+114)/114 x (42+114)/114

Ravigneaux ist ein bisschen komplizierter.

Na ja, damit habe ich dann mal herumgespielt und vernünftige Abstufungen würden immer eine deutliche Verkleinerung der Sonnenräder bedeuten. Mit den Radsätzen – Excel sei dank –

  • Ravigneaux-Satz (vorne, Sonne/Hohl klein/Hohl groß) 36/72/112
  • Radsatz mitte (Sonne/Hohl) 32/116
  • Radsatz hinten (Sonne/Hohl) 40/116

wäre eine charmante Abstufung

  • (4,3849 -- 2,5737 -- 1,7158 -- 1,2759 -- 1,0000 -- 0,8271 -- 0,7238 -- -4,0757 -- -2,3922)

möglich, aber in einem solchen Getriebe würden sich bei Volllast die Wellen wie nasse Handtücher aufwickeln, weil die Wellen 15% kleine ausfallen müssten. Wäre es anders, hätte Mercedes es anders gemacht. Das ist meine These, gegen die nicht allzuviel spricht (außer die bisherige, über 4 Jahrzehnte währende unglückliche Hand für solche Sachen bei Mercedes, geschenkt).

Genaueres ist ganz einfach in den Power Flows dort, rechte Hälfte, zu erkennen. Durch das 46er-Sonnenrad (dort die Nr. 11) muss neben der Abtriebswelle (dort der große Pfeil nach „B“) auch die Bremse B2 zum Bremsen des 42er-Sonnenrades (dort die Nr. 14) hindurchgeführt werden, sonst geht das alles nicht; diese Bremsdurchführung darf man sich dann als Rohr vorstellen *). Eine für eine gelungene Abstufung erforderliche Verkleinerung des hinteren Sonnenrades stößt also an sehr enge Grenzen. Wie gesagt: ich denke, die 46 Zähne sind die Grenze gewesen. Wenn nicht, hätte man es nicht gemacht. Den Rest hat man dann drum herum garniert. Das Ergebnis ist ja auch halbwegs brauchbar.

*) Überhaupt: diese Power Flow Charts muss man sich als halben Längsschnitt des Getriebes vorstellen, also als Schnitt durch den Rotationskörper. Das Bild, um die untere Achse gedreht, stellt dann das tatsächliche Getriebe dar. Ein kompletter Längsschnitt würde also unterhalb der Achse A->B nochmal dasselbe gespiegelt zeigen wie das gezeigte.

Schnee von gestern.

Zitat:

Original geschrieben von SignumFan



Ich weiß nicht, wie zuverlässig die Information des mercedes-blogs sind, aber da steht u.a. geschrieben:

"(...) Verfügbar ist das System 2013 im E 350 BlueTEC (ohne 4MATIC, Übersetzungswerte 5,50/3,33/2,31/1,66/1,21/1,00/0,87/0,72/0,60 – Rückwärtsgang -4,93), andere Modelle folgen erst 2014. In der neuen C-Klasse W205 wird das Getriebe ab Marktstart verfügbar sein, die S-Klasse der Baureihe 222 erhält das Getriebe frühestens mit Modelljahr 2015. Soweit es sich abzeichnet, wird das 9G-TRONIC 2014 (interne Bezeichnung W9A 700 NAG3) auch einige Modelle des ML und des CLS produziert.(...)"

Auszug hieraus:
http://....mercedes-benz-passion.com/.../

Sehr gut, dann wissen wir – vermuten wir, um der Wahrheit die Ehre zu geben, denn auch ich weiß nicht, wie zuverlässig die Quellen sind, aber die Angaben erscheinen mir plausibel – immerhin schon, dass auch diese Automatik, wie vermutet, zu einer Familie ausgebaut werden wird. Die im Lastenheft genannten 1000 Nm sind die konstruktiven Grenzen der Getriebefamilie, also Gehäusegröße, Gehäusefestigkeit, Lagerdimensionierung, all sowas. Denn die letzte Zahl bezeichnet das maximale Drehmoment, sodass offenbar mit der mittleren Version bis 700 Nm gestartet wird. Da gibt es dann Unterschiede in den Aktoren (Bremsen und Kupplungen) und vielleicht auch in den Radsätzen und Wellen, allerdings nur in der Festigkeit, nicht in den Abmessungen, sprich Zähnezahlen, womit die Abstufungen – wie erstmals bei der 7G-Tronic praktiziert – für alle Versionen gleich ist. Ach ja, und unterschiedliche Wandler vorne weg, geschenkt. Eine kleine Automatik bis 400 Nm ist bei Mercedes üblich und kommt immer zuletzt. Daran kann man dann erahnen, wie die Markteinführung weitergehen wird.

  • 1. Schritt mit der Variante bis 700 Nm als Pilot
  • 2. Schritt mit der bis 1000 Nm als Krone der Schöpfung
  • Und dann – irgendwann, sind ja nur die Kassenpatienten (s. u.) – der Rest bis 400 Nm

In einer Sache muss ich mich korrigieren: der Bauraum des neuen Getriebes ist nicht größer als der des alten. Insofern gibt es mit dem E 500 keine spezifische Kollision, denn der V8 ist der größte Motor und wäre daher am wenigsten vor- und zurückverlegbar, falls die Automatik größer gewesen wäre. Also alles in Butter. Technisch gesehen. Was das Unternehmen dann vertrieblich daraus macht, ist politisch und steht folglich auf einem ganz anderen Blatt.

Zitat:

Original geschrieben von J.M.G.



Zitat:

Original geschrieben von musikgeniesser


sondern liegt am Umfang der technischen Änderungen, der Mercedes eine Versuchsphase beim Kunden machen lässt. Deshalb sind nicht die teuersten Autos die ersten, sondern die Klasse darunter: der S-Klasse-Kunde soll nur ausgereifte Produkte bekommen. So etwas macht Mercedes gerne.
Sicher? In der jüngsten Vergangenheit der letzten 10 Jahre war das aber anders. Der M 273 hatte sein Debüt im 221. Der M 278 hatte sein Debüt im 221. Die DistronicPlus hatte ich Debüt im 221. Usw.

Nö, keineswegs. Im Gegenteil: eine Linie, eine klare gar, vermag ich nicht zu erkennen; vermutlich, weil es keine gibt. Das ist Unternehmenspolitik, und wer einmal das Privileg hatte, in einer Großorganisation tätig sein zu dürfen, weiß, dass da praktisch alles möglich ist. Was wir hier tun, ist nur Kaffeesatzleserei, die aber auch mal erlaubt ist, finde ich. Solange man nicht aus den Augen verliert, dass es eben nur Kaffeesatzleserei ist und es immer auch ganz anders kommen kann.

Einige Tendenzen lassen sich aus allem aber dennoch recht klar herauskondensieren. Offenbar gibt es bei Mercedes mindestens 3 Klassen. Welch Ironie, ist doch Preußen für sein 3-Klassen-Wahlrecht berühmt geworden und die Schwaben haben es sich stets sehr angelegen sein lassen, sich gegen Preußen klar abzugrenzen. Halb so wild, geht es hier doch nur um Kundenklassen.

  • 1. Klasse: „Premium-Kunden“, die innerhalb des Premium-Segmentes bei Mercedes nochmal eine Sonderrolle spielen. Es sind die Privatpatienten von Mercedes, die S-Klasse- und V8-Fahrer. Sie kriegen immer das Beste *). Aber es muss unbedingt ausgereift sein, denn Testpiloten sein zu müssen, möchte man seinen Premium-Kunden natürlich nicht zumuten. Schließlich können sie nicht weiter aufsteigen, womit nur ein Umstieg als Alternative bleibt, was unbedingt verhindert werden muss. Produktzyklus: Star-Phase. Viagra Original, um einmal eine Veranschaulichung zu versuchen.
  • 2. Klasse: „Noch-Nicht-Premium-Kunden“, die in der Hierarchie noch nicht ganz oben angekommen sind. Noch nicht, das ist ganz wichtig: man hält sie für jung, Technik-Affin und vor allem für welche mit Potential. Deswegen hofiert man sie, diese künftigen Privatpatienten. Dafür dürfen sie als erste in den Genuss technischer Innovationen kommen, freilich um den Preis, dass sie ein Stück weit Versuchskaninchen sind. Probanden oder wie das heißt, nur, dass sie nicht, wie in der Pharma-Industrie üblich, Geld dafür bekommen, sondern ganz im Gegenteil ihrerseits dafür bezahlen. Man sieht: bei Mercedes funktioniert selbst das.
  • 3. Klasse: sehen wir der bitteren Wahrheit ins Auge: die Kassenpatienten. Die werden nur gebraucht, um der Star-Phase die so wichtige Cow-Phase folgen zu lassen: wenn die Entwicklungskosten erwirtschaftet sind, kann man den Preis senken und verdient immer noch eine ganze Weile daran. Also nicht noch, sondern überhaupt erstmals, denn die anderen Klassen decken ja lediglich bereits entstandene Kosten ab. Viagra als Generika eben.

*) Ausnahmen bestätigen die Regel. Bitte keine Diskussion, dass AMG und die alten 12-Zylinder erst zum Schluss oder zum Teil gar nicht mit der 7G-Tronic ausgerüstet wurden/werden. Dieser Sonderfahrzeugmarkt ist so klein und der Leistungsüberfluss so groß und die Kunden so unkritisch, was weiß ich, dass Mercedes es einfach versucht. Scheint ja zu funktionieren. Sonst wären die Angebote längst vom Markt verschwunden. Und die beteiligten Manager gleich mit. Man sollte nicht der Versuchung erliegen, Mercedes für dumm zu halten. Zur Erinnerung: wir Enthusiasten hier sind keine Teilnehmer des Marktgeschehens, über welches wir hier so eloquent parlieren, unsere Einlassungen sind also alle für die Galerie. Man könnte auch für die Katz sagen, aber ich wollte hier niemandem auf den Schlips treten.

Zitat:

Original geschrieben von bbbbbbbbbbbb


Ich zeichne die Diagramme hobbymäßig, nicht nur welche von Mercedes, sondern alle, die ich interessant finde. Die neue 9 - Stufen - Automatik gehört sehr sicher dazu. Wie auch ZF´s 8 - Stufen - Automat, der übrigens seltsam ungleichmäßige Gangsprünge hat (füge hier das Diagramm der Übersicht halber nicht ein).

Oh Gott, ja, die 8 HP von ZF ist auch nicht ganz unproblematisch. Der große Sprung zwischen dem 7. und 8. Gang verleitet BMW offenbar dazu, Angst davor zu kriegen, diese Gänge wirklich als Overdrive einzusetzen. So wird viel Potential verschenkt, denn bei einer Spreizung von 7:1 ist es nicht weniger als grober Unfug, die Höchstgeschwindigkeit im 7. oder 8. Gang zu erreichen. Niemand (außer den Marketing-Strategen für die Beschleunigung von 0 auf 100) braucht einen derart kurzen ersten Gang mit Drehmomentwandler. Niemand fährt Wände senkrecht hoch, was damit sogar vollbeladen mühelos möglich wäre, selbst ohne Wandler.

Der kleine Sprung zwischen dem 3. und 4. Gang ist merkwürdig, aber so ist das mit allen Vielgang-Planetengetrieben von heute: das sind derart komplexe Gebilde geworden, dass sich Wunschabstufungen nicht mehr realisieren lassen. Ändert man die Übersetzung des einen Ganges, ändern sich automatisch die von vielen, wenn nicht allen anderen (außer dem direkten, klar) gleich mit. Da bleibt einem nur, so lange – Computer sei Dank – herum zu probieren, bis man, auf Deutsch gesagt, das am wenigsten idiotische gefunden hat.

Papperlapapp! Das alles ist nun wirklich klagen auf allerhöchstem Niveau. Vor 20 Jahren hätte niemand für möglich gehalten, dass ein Getriebe mehr als 6, eine Automatik wegen des den Anfahrgang ersetzenden Wandlers 5 Gänge haben könnte (und müsste). Nun sind wir bei 9 Gängen angekommen und das alles ohne zusätzlichen baulichen Aufwand.

Was hat sich begeben? Ganz einfach. Es hat ein Paradigmen-Wechsel stattgefunden. Der zweite nun schon, also bei Mercedes der zweite. Der erste dort war in den 90er Jahren, als es um die Einführung des „designed to cost“-Ansatzes ging. Man konnte sich nicht mehr erlauben, ins Blaue hinein zu konstruieren und dann musste der Fertigungsingenieur zusehen, wie er mit der neuen Konstruktion klar kam (und dann musste der Controller einfach nur zusammenzählen, was es kostet und hat das dann dem Preislisten-Macher gemeldet). Nein, der Markt ist viel rauer geworden und die Vorgaben waren nun von vorn herein ganz wesentlich mit Kosten verbunden. Konstrukteur und Fertigungsingenieur haben gemeinsam am Konstruktionstisch gesessen. Paradebeispiele:

  • NAG 1995: 3 statt 4 Planetenradsätze bei unverändert 5 Gängen
  • V6-Motoren 1997: 700 statt 2200 Einzelteile gegenüber dem Reihenmotor; der offizielle Grund, die Aufprall-Sicherheit zu erhöhen, ist nicht falsch – der Motor ist wirklich viel kürzer und dringt nicht so leicht in den Innenraum ein – aber nicht der eigentliche Grund; geniales Marketing

Jetzt ist man noch einen Schritt weiter gegangen und hat diesen Ansatz konsequent zu Ende geführt. Nun gibt es nur noch Vorgaben bezüglich des Aufwands – hier: 4 Radsätze und möglichst weniger Aktoren als bei der 7G-Tronic (dort sind es 7) – und die Herangehensweise lautet: wir müssen Energie sparen und brauchen daher so viel sinnvolle Gänge wie möglich. Es bedarf des mathematischen Beweises, dass mehr nicht möglich ist. Vorher braucht sich kein Ingenieur Hoffnungen zu machen, er könne nach hause gehen, dass das klar ist. Damit ist klar: das Getriebe ist in ein mathematisches Modell zu gießen und damit der Computer zu quälen. Ohne Computer und ohne die Klima-Diskussion hätte man sich diese Mühe nicht machen können und wollen.

Herausgekommen sind 9 halbwegs sinnvolle Gänge mit 4 Radsätzen (wie die letzte Entwicklung von ZF übrigens auch: die Automatik für Quermotoren; Hinweis: die 8-Gang-Automatik hat für 2 der 4 Radsätze noch ein gemeinsames Sonnenrad und kann vielleicht deshalb keine 9 Gänge bieten; es scheint also wirklich die mathematische Grenze in Sicht zu sein).

Es bleiben Restunebenheiten

  • die überarithmetische Stufung des 4., 5. Und 6. Ganges aufgrund der großen Differenz der Differenzen (hört, hört!) sowie umgekehrt
  • die übergeometrische Stufung der Gänge 6, 7 und 8

die man aber getrost vernachlässigen kann, da die Differenzen an sich spätestens jetzt in einem Bereich angekommen sind, in dem das alles keine Rolle mehr spielt: die Differenzen sind allesamt erfreulich klein (ja, auch der große Sprung zwischen den ersten beiden Gängen: beim Anfahren ist der Sprung nun wirklich nicht wichtig).

All das lässt mich vermuten, dass es keine weiteren Gänge mehr geben wird: sie wären ohne nennenswerte Erhöhung des Bauaufwands nicht zu haben und der ist schlicht nicht drin. Auch steht ein Nutzen nicht mehr zu erwarten. Was soll denn noch kommen? Leelaufdrehzahl bei 160 km/h? Senkrecht die Wände hoch fahren können mit – natürlich vollem – Pferdeanhänger? Für 2 Pferde, logo: eines für die Tochter, eines für die Frau (Freundin, hüstel; nein, Freundin der Tochter. Alles nur ein riesiges Missverständnis!). Vielleicht macht noch mal einer eine grundstürzende patentfähige Erfindung und findet weitere sinnvolle Gänge ohne Erhöhung des Bauaufwands nur durch Erweiterung des mathematischen Modells, aber ich glaube tatsächlich, dass Mercedes das soweit geprüft hat und dass da nichts mehr kommen wird.

Wichtiger, weil wirksamer werden nun andere Techniken wie Hybridantriebe, in welcher Form auch immer und mal wieder Leichtbau und Verkehrslenkung und -vermeidung und derlei mehr. Die Gedanken sind frei.

Möge es nützen

Peter

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http://media.daimler.com/.../...1-11701-1549054-0-1-0-0-0-0-0.html?...

Moin EasyBlues,
moin Forenten,

na, EasyBlues, schon wach?

Danke für den Link, aber der Text ist hier bereits hinlänglich bekannt. Ein bisschen was steht auch drin, so ist es ja nun nicht. Ich denke mal, wenn die ersten Getriebe in die USA ausgeliefert sind und dort in die Wartung kommen -- Wartungsfreiheit hin, Wartungsfreiheit her -- kann man realistischerweise auf nützliche Schulungs- oder Wartungsunterlagen hoffen. Warten wir's mal ab.

Möge es nützen

Peter

Zur Info:

http://....mercedes-benz-passion.com/.../

porlis

Zitat:

Original geschrieben von porlis


Zur Info:

http://....mercedes-benz-passion.com/.../

porlis

Der Link ist schon ur-alt 😉

Zitat:

Original geschrieben von Dr.Mabumsen



Zitat:

Original geschrieben von porlis


Zur Info:

http://....mercedes-benz-passion.com/.../

porlis

Der Link ist schon ur-alt 😉

Sorry,

hätte erwähnen sollen, dass die aktuellste Info am Ende steht.

porlis

Zitat:

Original geschrieben von musikgeniesser


...wäre eine charmante Abstufung
  • (4,3849 -- 2,5737 -- 1,7158 -- 1,2759 -- 1,0000 -- 0,8271 -- 0,7238 -- -4,0757 -- -2,3922)
...

Ja, da stimme ich voll zu. Ein Handschaltgetriebe mit Schongang hätte man exakt so abgestimmt. Bilderbuchmäßige Gangsprünge, nach oben gleichmäßig kleiner werdend.

Zitat:

Oh Gott, ja, die 8 HP von ZF ist auch nicht ganz unproblematisch.

Der kleine Sprung zwischen dem 3. und 4. Gang ist merkwürdig...

Der Gangsprung ist wirklich seltsam, als hätte ihn ein Lehrling gemacht. Und nicht nur der: Von der 3. auf die 4. Stufe ein Sprung von 1.26 und danach von der 4. auf die 5. und von der 5. auf die 6. Stufe ein jeweils saftiger Sprung von 1.29, danach wieder ein kleiner von 1.19 von der 6. auf die 7. Stufe und danach wieder ein riesiger von 1.26 von der 7. auf die 8. Stufe. Normalerweise sollten die Gangsprünge je kleiner werden, desto größer der Gang ist. Zeichnet man ein Getriebediagramm mit ZF´s neuestem Flaggschiff, bekommt man eine optisch erkennbare Abstufung zum Davonlaufen (ich kann Dir ja mal per PN eines schicken). Ich dachte erst an einen Fehler bei meiner Berechnung, aber die ist wirklich so krumm.

Schöne neue Getriebewelt

oder

Die wundersame Gangvervielfältigung

Moin bb...,
moin Forenten,

seltsam, Lehrling, zum Davonlaufen: das alles stimmt und stimmt doch wieder nicht. Letztlich ist es so, dass es anders nicht mehr geht. Ich will versuchen, den Paradigmenwechsel noch einmal klarer herauszuarbeiten.

Früher

Früher war es so, dass ein Ingenieur eine Aufgabe gestellt bekam, die er anschließend gelöst hat. Die Anforderungen waren noch nicht allzu vielschichtig. Im Falle automatischer Getriebe sahen die Lösungen jahrzehntelang vergleichsweise schlicht aus. Grob klassifiziert so:

  • Dreigangautomatiken herrschten vor. Dies war in der Zeit der Vierganggetriebe nur logisch, da der Drehmomentwandler den Anfahrgang ersetzt. Getriebeseits bestanden sie aus einem Simpson- oder Ravigneaux-Satz oder auch zwei normalen Radsätzen.
  • Mercedes leistete sich von Anfang an den Luxus von Viergang-Automatiken, wobei sie dabei den Wandler sehr viel steifer -- also mit sehr viel früherem Kaftschluss -- abstimmten: zur Föttinger-Flüssigkeitskupplung (bis 1972/1973 verwendet) merkte man kaum einen Unterschied, außer dem früher bereits erwähnten Anfahren im 2. statt im 1. Gang. Getriebeseitig wurden hier 3 Radsätze eingesetzt.

Startschuss für Veränderung: die Ölkrisen

Es bedurfte zweier Ölkrisen -- der von 1973 (mit Sonntagsfahrverbot; wer erinnert sich noch?) und 1979 (mit einem Kraftstoffpreis von 1,58 DM pro Liter Super 1981; wer erinnert sich noch? *)) -- um das Auto als Teilnehmer im Umweltgeschehen wahrzunehmen. In den 80er Jahren reagierten die Hersteller darauf mit zunehmend energiesparenden Techniken. Prominent war die Verbesserung der Aerodymanik und die Steigerung der Leistung als Abfallprodukt der verbesserten Motorwirkungsgrade. Logo, je weniger durch den Auspuff entweicht, desto mehr steht an der Kupplung zur Verfügung. Leichtbau hat sich nicht ausgewirkt, da die Ausstattungsverbesserungen sogar zu einer deutlichen Erhöhung der Leergewichte geführt haben.

Dadurch nun wurden die Autos erheblich schneller. Die 4 Gänge oder 3 bei der Automatik mussten nun über einen weiteren Bereich gestreckt werden. Das Ergebnis wurde mit zunehmender Windschlüpfrigkeit immer unbefriedigender. Gleichzeitig entdeckte man den Overdrive wieder: diesmal nicht für Komfort, sondern für die Senkung des Verbrauchs.

Die Inflation der Gänge

Im Ergebnis wurden zwei zusätzliche Gänge nötig: einer, um dem größeren Geschwindigkeitsbereich Rechnung zu tragen, einer, um mit einem Schongang den Verbrauch erfolgreich zu senken. Entsprechend haben die manuellen Getriebe heute üblicherweise 6 Gänge. Die Automatiken endeten bei 5 Gängen. Hier nun ging die Entwicklung zwischen Mercedes und ZF extrem auseinander.

  • Bei Mercedes ergänzte man die Automatik mit 3 Radsätzen um einen 4.
  • ZF schaffte sogar 6 Gänge in dem 6 HP mit nur 1 Ravigneaux-Satz und 1 normalen Radsatz (Lepelletier-Anordnung; Hinweis: hier gibt es den direkten Gang als 7. Gang umsonst dazu, also als 5. Gang, den ZF aber ganz bewusst verschenkt hat, da die umligenden beiden Gänge zu nah liegen; kleiner Vorgriff: später hat man derartig liegende Gänge nicht mehr verschenkt, sondern alle genommen)

Sackgasse

Irgendwie war klar, dass das -- zumindest bei Mercedes -- nicht so weitergehen konnte. Wenn die Fahrzeuge, selbst, wenn sie nicht leistungsfähiger werden, immer schneller werden und zugleich die Anforderungen immer größer werden, werden weitere Gänge erforderlich werden. Und wie soll das gehen? Noch einen Radsatz anfügen? Ausgeschlossen.

Parallel verlagerte sich die Konstruktion immer mehr auf den Computer, womit viel komplexere Modelle entwickelt werden konnten, die früher gar nicht alle hätten gerechnet werden können, weil es schlicht zu lange gedauert hätte. Viel zu lange. 30 Jahre für die Entwicklung eines Getriebes? Oder 60 Jahre, wenn es besonders sorgfältig gemacht werden soll? Hier kann man sich jeden Zeitraum vorstellen: jeder wäre zu lang. Das waren keine Optionen. Mit Computern verkürzten sich diese Zeiten dramatisch.

Paradigmenwechsel 1

In einem ersten Schritt -- eine Übung könnte man darin sehen -- entwickelte Mercedes das NAG. Die Veränderungen sind augenfällig: ein kompletter Radsatz gespart (und sogar einen 2. Rückwärtsgang gewonnen). Damit begannen die Lösungswege zwischen Mercedes und ZF wieder zu konvergieren. Man hat nicht mehr am grünen Tisch Übersetzungsverhältnisse festgelegt und dann ein solches Getriebe gebaut, sondern versucht, vollständig zu verstehen, welche Möglichkeiten in einer gegebenen Konstruktion stecken, um sie möglichst alle zu nutzen.

Das NAG bis hinauf zur 7G-Tronic ist noch einigermaßen schlicht konzipiert. Das ist bei der 8 HP von ZF noch mal einen ganzen Zacken komplexer. Audi hat eine Schulungsunterlage herausgebracht, die der von mir genannten für Mercedes entspricht. So auf Anhieb finde ich sie nur auf Englisch, aber es gibt sie auch auf Deutsch, die man bei entsprechend geduldiger Suche vielleicht noch finden kann.

http://admin.audionlinetraining.com/.../...%20Power%20Transmission.pdf

Als ich die Kraftflussdiagramme zu verstehen versucht habe, wurde mir klar: das ist nicht das Ergebnis linearer Konstruktion, sondern dabei wurde gänzlich anders vorgegangen. Niemand kommt von sich aus auf die dort verwirklichten Ideen. Das ist nicht durch bloßes Herumprobieren entstanden. Da muss viel grundsätzlicher und aufgrund der sich daraus ergebenden uferlosen Vielfalt viel systematischer vorgegangen worden sein, davon bin ich überzeugt.

Was bedeutet das?

Paradigmenwechsel 2

  • Ist vor dem Paradigmen-Wechsel ein einzelnes Problem -- hier also: die Übersetzung eines einzelnen Ganges -- zunächst (wenn auch bei Mercedes schlecht, sogar richtig schlecht, doch das kann hier beiseite bleiben) festgelegt und dann umgesetzt worden,
  • würde diese Vorgehensweise bei den heutigen Anforderungen zu einer Automatik mit vielleicht 6-7 Radsätzen und jeder Menge Aktoren führen. Ein solches Getriebe würde aber bis zwischen die Vordersitze reichen, vom Fertigungsaufwand (und, last, but not least vom Gewicht) ganz zu schweigen. Sprich: das geht nicht.
  • Auf den ersten Blick ein Dilemma. Es gibt jedoch einen Ausweg. Wie durch ein Wunder haben heutige Automatikgetriebe doppelt so viele Gänge wie bis vor etwa 20 Jahren, ohne aufwendiger geworden zu sein. Die wundersame Gangvervielfältigung. Schön wär's. Statt die Automatik immer aufwendiger zu machen, hat man durch mathematische Modellierung und Rechnen sämtlicher möglichen Kombinationen alle Möglichkeiten, die in einem Planetengetriebe mit 4 Radsätzen stecken, gefunden und durch hin- und herschieben der erforderlichen Aktoren das Layout gefunden, das 9 halbwegs brauchbare Gänge bietet.
  • Halbwegs brauchbar ist das Stichwort. Anders als bei den alten Getrieben oder der unrealistischen Variante mit 6 oder mehr Radsätzen können die einzelnen Gänge nun nicht mehr jeder für sich ausgelegt werden, sondern alles hängt mit allem zusammen. Man darf sich das wie ein Mobile vorstellen: tickt man eine Figur eines Mobiles an, fangen plötzlich alle Figuren an, sich zu bewegen. Konkret: ändere ich einen Gang, ändern sich tatsächlich ausgesprochen viele andere gleich mit. Und nicht etwa in dieselbe Richtung. Das geht wild durcheinander, unvorhersehbar. Also meine Abstraktionsleistung jedenfalls ist überfordert.

Nicht-linearer Prozess

Ich habe das ZF-Getriebe auch in Excel nachvollzogen, aber -- anders als bei der 7G-Tronic -- bin ich krachend gescheitert. Also die bestehenden Übersetzungen kann ich alle nachrechnen, das ist nicht das Problem. Ich finde keinen Einstieg in eine gezielte Veränderung. Ich vermute, dass das daran liegt, dass es einen solchen Einstieg nicht -- nicht mehr -- gibt. Das ist der Preis dieser schönen neuen Getriebewelt und das, was ich mit nicht-linearer Vorgehensweise meine. Man kann nicht mehr hingehen und sagen: ich möchte den Sprung vom 7. zum 8. Gang verkleinern. Denn, wenn man das tut, den 8. Gang also verkürzt, verkürzt sich auch der 2. Gang. Also auf jeden Fall der, ich habe das eben nur oberflächlich probiert. Dann aber wird der Sprung vom 2. zum 3. Gang größer, was man überhaupt nicht gebrauchen kann. Und so ist das mit jeder Änderung. Also stellt das Ergebnis wirklich die "am wenigsten idiotische" Lösung dar.

Die Spreizung wird größer, die Stufung jedoch kleiner

Vor allem aber ist zu beachten, dass die Vielzahl der Gänge nicht nur zu einer Vergrößerung der Spreizung geführt hat, sondern ebenso zu einer Verkleinerung der Sprünge, also Stufen. Das heißt nicht weniger, als dass alle Sprünge viel kleiner und damit besser sind als früher.

Die nach oben hin schön kleiner werdenden Stufen sind doch nur deshalb wichtig gewesen, weil die unteren Stufen für sich genommen immer an der oberen Grenze des erträglichen angesiedelt waren und diese Grenze das ist, was nach oben hin immer kleiner wird. Wenn man nun aber mit den vielen Gängen so kleine Stufen ermöglichen kann, dass jede Stufe für sich genommen einen gehörigen Sicherheitsabstand zu der im jeweiligen Geschwindigkeitsbereich passablen Grenze einhält, wird der Verlauf der Stufungen unbedeutend. Mit kleiner werdenden Stufen zunehmend unbedeutend. Mit anderen Worten: ist ein Gangsprung erst einmal klein genug, ist es doch vollkommen wurscht, ob er schön in eine Reihe passt, die ohnehin niemanden mehr interessiert. Der gerade in diesem Moment wahrgenommene Drehzahlsprung hört sich überzeugend an und daran ändern die anderen Stufen nichts. Im Gegenteil, sind doch diese anderen Stufen nicht weniger gelungen. So hat sich das Problem von selbst erledigt, ohne dass es besonders aufgefallen wäre.

Seien wir Realist: sich mit solchen Gangdiagrammen zu beschäftigen, ist im Grunde genommen nur noch eine nostalgische Gewohnheit und hat sich überholt. Was nicht heißt, dass ich mir das nicht trotzdem weiterhin ganz genau ansehen werde. Denn mir macht das Spaß. Eben jeder, wie er mag.

Möge es nützen

Peter

*) Ein 230 E kostete 26.724,50 DM, wie ich bei classic wiki gerade ergoogelt habe; also rund 16.914 Liter oder bei 12,5 und 10,3 l Verbrauch inner- bzw. außerstädtisch, durchschnittlich also 11,4 l, 148.370 km; ein E 200 kostet heute 40.430,25 Euro und verbraucht -- ebenso unrealistisch wie für den 230 E damals ermittelt, sodass sich die Fehler herauskürzen -- 6,5 l, verbraucht also 9.644 l für dieselbe Strecke. Würde uns also ein Kraftstoffpreis von 4,19 Euro pro Liter heute die gleiche Mobilität wie 1981 ermöglichen?)

Wow. Also echt, es gibt nur ganz wenige Mitglieder hier auf MT, die sich dermaßen penibel und mit so unglaublich viel Faszination, Fachwissen und Intelligenz in die Materie hineinfressen. Auch wenn ich den Text stellenweise mehrfach lesen musste, war es höchstinteressant. Die Grundproblematik beim Planetengetriebe war mir schon bekannt, aber derartige Ausführungen und Materiebeleuchtungsperspektiven wie z.B. die, dass man früher nicht alle möglichen Gangstufen genutzt hat, habe ich noch nie zu Augen bekommen. Schade jedenfalls, dass man nur 1 x Grün klicken kann.

Hallo zusammen, wollte nur kurz erwähnen, das ich bei meiner nächsten E-Klasse laut Folgebestellung auch die 9 Gang Automatik haben werde (April 2014) E350 CDI. Wie ich noch mit bekommen habe, wird diese 9 Gang Automatik auch vorerst nur bei der E-Klasse im 350ér Motor verbaut. Selbst die neue S-Klass und auch die kommende neue C-Klasse sind von der 9 Gang Automatik noch nicht betroffen. Bin mal sehr gespannt, auf die 9 Gang Automatik.

Gruß Pascal

Moin Pascal,
moin Forenten,

Vorfreude ist die schönste Freude: herzlichen Glückwunsch zur Wahl.

Klar ist, dass dann ein Fahrbericht oder Erfahrungsbericht mit dem neuen Getriebe Pflicht ist. Pflicht, dass ich nicht lache: wohl eher Ehrensache. Da bin sicherlich nicht nur ich sehr gespannt.

Möge es nützen

Peter

Ich werde aufjedenfall davon Berichten, aber bis dahin ist es noch eine Weile :-/

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