Bald 9-Gang-Automatik in der E-Klasse

Mercedes E-Klasse W212

Laut einem aktuellen Bericht der Auto-Motor-Sport soll demnächst die 9-Gang-Automatik in der E-Klasse eingeführt werden. In der S-Klasse soll sie ab Mitte 2014 zu haben sein.

Beste Antwort im Thema

Schöne neue Getriebewelt

oder

Die wundersame Gangvervielfältigung

Moin bb...,
moin Forenten,

seltsam, Lehrling, zum Davonlaufen: das alles stimmt und stimmt doch wieder nicht. Letztlich ist es so, dass es anders nicht mehr geht. Ich will versuchen, den Paradigmenwechsel noch einmal klarer herauszuarbeiten.

Früher

Früher war es so, dass ein Ingenieur eine Aufgabe gestellt bekam, die er anschließend gelöst hat. Die Anforderungen waren noch nicht allzu vielschichtig. Im Falle automatischer Getriebe sahen die Lösungen jahrzehntelang vergleichsweise schlicht aus. Grob klassifiziert so:

  • Dreigangautomatiken herrschten vor. Dies war in der Zeit der Vierganggetriebe nur logisch, da der Drehmomentwandler den Anfahrgang ersetzt. Getriebeseits bestanden sie aus einem Simpson- oder Ravigneaux-Satz oder auch zwei normalen Radsätzen.
  • Mercedes leistete sich von Anfang an den Luxus von Viergang-Automatiken, wobei sie dabei den Wandler sehr viel steifer -- also mit sehr viel früherem Kaftschluss -- abstimmten: zur Föttinger-Flüssigkeitskupplung (bis 1972/1973 verwendet) merkte man kaum einen Unterschied, außer dem früher bereits erwähnten Anfahren im 2. statt im 1. Gang. Getriebeseitig wurden hier 3 Radsätze eingesetzt.

Startschuss für Veränderung: die Ölkrisen

Es bedurfte zweier Ölkrisen -- der von 1973 (mit Sonntagsfahrverbot; wer erinnert sich noch?) und 1979 (mit einem Kraftstoffpreis von 1,58 DM pro Liter Super 1981; wer erinnert sich noch? *)) -- um das Auto als Teilnehmer im Umweltgeschehen wahrzunehmen. In den 80er Jahren reagierten die Hersteller darauf mit zunehmend energiesparenden Techniken. Prominent war die Verbesserung der Aerodymanik und die Steigerung der Leistung als Abfallprodukt der verbesserten Motorwirkungsgrade. Logo, je weniger durch den Auspuff entweicht, desto mehr steht an der Kupplung zur Verfügung. Leichtbau hat sich nicht ausgewirkt, da die Ausstattungsverbesserungen sogar zu einer deutlichen Erhöhung der Leergewichte geführt haben.

Dadurch nun wurden die Autos erheblich schneller. Die 4 Gänge oder 3 bei der Automatik mussten nun über einen weiteren Bereich gestreckt werden. Das Ergebnis wurde mit zunehmender Windschlüpfrigkeit immer unbefriedigender. Gleichzeitig entdeckte man den Overdrive wieder: diesmal nicht für Komfort, sondern für die Senkung des Verbrauchs.

Die Inflation der Gänge

Im Ergebnis wurden zwei zusätzliche Gänge nötig: einer, um dem größeren Geschwindigkeitsbereich Rechnung zu tragen, einer, um mit einem Schongang den Verbrauch erfolgreich zu senken. Entsprechend haben die manuellen Getriebe heute üblicherweise 6 Gänge. Die Automatiken endeten bei 5 Gängen. Hier nun ging die Entwicklung zwischen Mercedes und ZF extrem auseinander.

  • Bei Mercedes ergänzte man die Automatik mit 3 Radsätzen um einen 4.
  • ZF schaffte sogar 6 Gänge in dem 6 HP mit nur 1 Ravigneaux-Satz und 1 normalen Radsatz (Lepelletier-Anordnung; Hinweis: hier gibt es den direkten Gang als 7. Gang umsonst dazu, also als 5. Gang, den ZF aber ganz bewusst verschenkt hat, da die umligenden beiden Gänge zu nah liegen; kleiner Vorgriff: später hat man derartig liegende Gänge nicht mehr verschenkt, sondern alle genommen)

Sackgasse

Irgendwie war klar, dass das -- zumindest bei Mercedes -- nicht so weitergehen konnte. Wenn die Fahrzeuge, selbst, wenn sie nicht leistungsfähiger werden, immer schneller werden und zugleich die Anforderungen immer größer werden, werden weitere Gänge erforderlich werden. Und wie soll das gehen? Noch einen Radsatz anfügen? Ausgeschlossen.

Parallel verlagerte sich die Konstruktion immer mehr auf den Computer, womit viel komplexere Modelle entwickelt werden konnten, die früher gar nicht alle hätten gerechnet werden können, weil es schlicht zu lange gedauert hätte. Viel zu lange. 30 Jahre für die Entwicklung eines Getriebes? Oder 60 Jahre, wenn es besonders sorgfältig gemacht werden soll? Hier kann man sich jeden Zeitraum vorstellen: jeder wäre zu lang. Das waren keine Optionen. Mit Computern verkürzten sich diese Zeiten dramatisch.

Paradigmenwechsel 1

In einem ersten Schritt -- eine Übung könnte man darin sehen -- entwickelte Mercedes das NAG. Die Veränderungen sind augenfällig: ein kompletter Radsatz gespart (und sogar einen 2. Rückwärtsgang gewonnen). Damit begannen die Lösungswege zwischen Mercedes und ZF wieder zu konvergieren. Man hat nicht mehr am grünen Tisch Übersetzungsverhältnisse festgelegt und dann ein solches Getriebe gebaut, sondern versucht, vollständig zu verstehen, welche Möglichkeiten in einer gegebenen Konstruktion stecken, um sie möglichst alle zu nutzen.

Das NAG bis hinauf zur 7G-Tronic ist noch einigermaßen schlicht konzipiert. Das ist bei der 8 HP von ZF noch mal einen ganzen Zacken komplexer. Audi hat eine Schulungsunterlage herausgebracht, die der von mir genannten für Mercedes entspricht. So auf Anhieb finde ich sie nur auf Englisch, aber es gibt sie auch auf Deutsch, die man bei entsprechend geduldiger Suche vielleicht noch finden kann.

http://admin.audionlinetraining.com/.../...%20Power%20Transmission.pdf

Als ich die Kraftflussdiagramme zu verstehen versucht habe, wurde mir klar: das ist nicht das Ergebnis linearer Konstruktion, sondern dabei wurde gänzlich anders vorgegangen. Niemand kommt von sich aus auf die dort verwirklichten Ideen. Das ist nicht durch bloßes Herumprobieren entstanden. Da muss viel grundsätzlicher und aufgrund der sich daraus ergebenden uferlosen Vielfalt viel systematischer vorgegangen worden sein, davon bin ich überzeugt.

Was bedeutet das?

Paradigmenwechsel 2

  • Ist vor dem Paradigmen-Wechsel ein einzelnes Problem -- hier also: die Übersetzung eines einzelnen Ganges -- zunächst (wenn auch bei Mercedes schlecht, sogar richtig schlecht, doch das kann hier beiseite bleiben) festgelegt und dann umgesetzt worden,
  • würde diese Vorgehensweise bei den heutigen Anforderungen zu einer Automatik mit vielleicht 6-7 Radsätzen und jeder Menge Aktoren führen. Ein solches Getriebe würde aber bis zwischen die Vordersitze reichen, vom Fertigungsaufwand (und, last, but not least vom Gewicht) ganz zu schweigen. Sprich: das geht nicht.
  • Auf den ersten Blick ein Dilemma. Es gibt jedoch einen Ausweg. Wie durch ein Wunder haben heutige Automatikgetriebe doppelt so viele Gänge wie bis vor etwa 20 Jahren, ohne aufwendiger geworden zu sein. Die wundersame Gangvervielfältigung. Schön wär's. Statt die Automatik immer aufwendiger zu machen, hat man durch mathematische Modellierung und Rechnen sämtlicher möglichen Kombinationen alle Möglichkeiten, die in einem Planetengetriebe mit 4 Radsätzen stecken, gefunden und durch hin- und herschieben der erforderlichen Aktoren das Layout gefunden, das 9 halbwegs brauchbare Gänge bietet.
  • Halbwegs brauchbar ist das Stichwort. Anders als bei den alten Getrieben oder der unrealistischen Variante mit 6 oder mehr Radsätzen können die einzelnen Gänge nun nicht mehr jeder für sich ausgelegt werden, sondern alles hängt mit allem zusammen. Man darf sich das wie ein Mobile vorstellen: tickt man eine Figur eines Mobiles an, fangen plötzlich alle Figuren an, sich zu bewegen. Konkret: ändere ich einen Gang, ändern sich tatsächlich ausgesprochen viele andere gleich mit. Und nicht etwa in dieselbe Richtung. Das geht wild durcheinander, unvorhersehbar. Also meine Abstraktionsleistung jedenfalls ist überfordert.

Nicht-linearer Prozess

Ich habe das ZF-Getriebe auch in Excel nachvollzogen, aber -- anders als bei der 7G-Tronic -- bin ich krachend gescheitert. Also die bestehenden Übersetzungen kann ich alle nachrechnen, das ist nicht das Problem. Ich finde keinen Einstieg in eine gezielte Veränderung. Ich vermute, dass das daran liegt, dass es einen solchen Einstieg nicht -- nicht mehr -- gibt. Das ist der Preis dieser schönen neuen Getriebewelt und das, was ich mit nicht-linearer Vorgehensweise meine. Man kann nicht mehr hingehen und sagen: ich möchte den Sprung vom 7. zum 8. Gang verkleinern. Denn, wenn man das tut, den 8. Gang also verkürzt, verkürzt sich auch der 2. Gang. Also auf jeden Fall der, ich habe das eben nur oberflächlich probiert. Dann aber wird der Sprung vom 2. zum 3. Gang größer, was man überhaupt nicht gebrauchen kann. Und so ist das mit jeder Änderung. Also stellt das Ergebnis wirklich die "am wenigsten idiotische" Lösung dar.

Die Spreizung wird größer, die Stufung jedoch kleiner

Vor allem aber ist zu beachten, dass die Vielzahl der Gänge nicht nur zu einer Vergrößerung der Spreizung geführt hat, sondern ebenso zu einer Verkleinerung der Sprünge, also Stufen. Das heißt nicht weniger, als dass alle Sprünge viel kleiner und damit besser sind als früher.

Die nach oben hin schön kleiner werdenden Stufen sind doch nur deshalb wichtig gewesen, weil die unteren Stufen für sich genommen immer an der oberen Grenze des erträglichen angesiedelt waren und diese Grenze das ist, was nach oben hin immer kleiner wird. Wenn man nun aber mit den vielen Gängen so kleine Stufen ermöglichen kann, dass jede Stufe für sich genommen einen gehörigen Sicherheitsabstand zu der im jeweiligen Geschwindigkeitsbereich passablen Grenze einhält, wird der Verlauf der Stufungen unbedeutend. Mit kleiner werdenden Stufen zunehmend unbedeutend. Mit anderen Worten: ist ein Gangsprung erst einmal klein genug, ist es doch vollkommen wurscht, ob er schön in eine Reihe passt, die ohnehin niemanden mehr interessiert. Der gerade in diesem Moment wahrgenommene Drehzahlsprung hört sich überzeugend an und daran ändern die anderen Stufen nichts. Im Gegenteil, sind doch diese anderen Stufen nicht weniger gelungen. So hat sich das Problem von selbst erledigt, ohne dass es besonders aufgefallen wäre.

Seien wir Realist: sich mit solchen Gangdiagrammen zu beschäftigen, ist im Grunde genommen nur noch eine nostalgische Gewohnheit und hat sich überholt. Was nicht heißt, dass ich mir das nicht trotzdem weiterhin ganz genau ansehen werde. Denn mir macht das Spaß. Eben jeder, wie er mag.

Möge es nützen

Peter

*) Ein 230 E kostete 26.724,50 DM, wie ich bei classic wiki gerade ergoogelt habe; also rund 16.914 Liter oder bei 12,5 und 10,3 l Verbrauch inner- bzw. außerstädtisch, durchschnittlich also 11,4 l, 148.370 km; ein E 200 kostet heute 40.430,25 Euro und verbraucht -- ebenso unrealistisch wie für den 230 E damals ermittelt, sodass sich die Fehler herauskürzen -- 6,5 l, verbraucht also 9.644 l für dieselbe Strecke. Würde uns also ein Kraftstoffpreis von 4,19 Euro pro Liter heute die gleiche Mobilität wie 1981 ermöglichen?)

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Zitat:

Original geschrieben von lulesi


Gerade diese Modelle haben aber ein so hohen Drehmoment und Leistungsoutput dass es fast egal ist ob ein 5-Gang oder 7-Gang angeflanscht ist. Hinzu kommt, dass das 7G ursprünglich nur bis 700 Nm Drehmoment ausgelegt war. Da liegen diese Modelle natürlich locker drüber.

Das Gesetz der Kraftsteigerung am Rad gilt leistungsunabhängig. So zieht z.B. ein BMW 760i F01 besser durch als ein Mercedes S 600 W 221 - trotz Drehmomentnachteils von 80 Nm. Einfach nur, weil im BMW gleich drei Gänge mehr zur Verfügung stehen. Er ist untenrum durchzugsstärker und hat obenrum eine niedrigere Drehzahl.

Da das 7 - stufige Getriebe das immense Drehmoment der aufgeladenen, großvolumigen Topmodelle (wie z.B. den V 12 Biturbo) nicht aushält und das neue 9 - stufige Getriebe auf 1000 Nm ausgelegt ist, denke bzw. hoffe ich, dass diese das 9 - stufige Getriebe bekommen. Logisch wäre es so oder so, Topmodell = neuestes Getriebe.

Warum geht im G65 AMG oder im SL die 7G Tronic und im CL nicht?

Hallo,
bin auf der Suche nach Info´s über die gemopfte E-Klasse auf diesen Thread und diesen Beitrag gestoßen.
Besteht denn die Chance, dass die 4-Matic-Modelle in absehbarer Zeit, also spätestens im MJ2014 die 9-Gang-Automatik bekommen? Mich würde der E400 4-Matic besonders interessieren. Hab bisher nichts konkretes gefunden.

Zitat:

Original geschrieben von J.M.G.


Obacht: Im E34 wurden vor allem GM Hydramatic Automatikgetriebe verbaut. Anfang der 90iger kam dann im 525i eine ZF 5-Stufen-Automatik! Die anderen (4-Stufen) waren GM-Produktionen.[1] BMW verbaute übrigens bis in die 3er Reihe E90 noch GM-Getriebe.[2]

Zu den e34 nur kurz folgendes:

Es wurden vor allem ZF-Automaten im e34 verbaut. Es gab zwar bei den kleinen 2-Ventilern mit M20-Motor anfangs das GM-Getriebe, aber die größeren Motoren mit M30-Motoren aufwärts und späteren Modelle hatten die 4HP- bzw 5HP-ZF-Automatik. Die größeren Motoren wurden nicht nur häufiger mit A-Getriebe geordert, sondern eben stets auch mit ZF-Getriebe ausgeliefert.

Im Nachfolger e39 gab es dagegen häufiger GM-Getriebe.

Grüße

Zitat:

Original geschrieben von CCH320


Hallo,
bin auf der Suche nach Info´s über die gemopfte E-Klasse auf diesen Thread und diesen Beitrag gestoßen.
Besteht denn die Chance, dass die 4-Matic-Modelle in absehbarer Zeit, also spätestens im MJ2014 die 9-Gang-Automatik bekommen? Mich würde der E400 4-Matic besonders interessieren. Hab bisher nichts konkretes gefunden.

Da die 9G Tronic zum MJ2014 nur im 350CDI kommt und die 4Matic Modelle bisher immer als letzte neue Getriebe bekommen haben kannst du von ausgehen, dass es nichts wird.

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Moin Forenten,

über die 9-Gang-Automatik bin ich auf dieses Forum aufmerksam geworden und muss zugeben, dass ich mir nicht alle Beiträge merken konnte -- 14 Seiten, das ist schon ein Wort! Für etwaige Überschneidungen bitte ich daher um freundliche Nachsicht.

Diese Frage

Zitat:

Original geschrieben von Dr.Mabumsen


Warum geht im G65 AMG oder im SL die 7G Tronic und im CL nicht?

ist falsch gestellt. Gehen würde das natürlich, aber die CL-Klasse steht schon auf der Abschussliste und die typischen Käufer derartiger Luxusprodukte kaufen nicht aus technischen, sondern aus Statusgründen. Diese Kunden merken gar nicht, in welchem Gang sie gerade fahren und es interessiert sie auch gar nicht. Wenn sie erst damit beginnen würden, sich dafür zu interessieren, würden sie sich verzetteln und sie kämen nie in die Lage, sich derartige Fahrzeuge leisten zu können. Mehr noch: selbst in diesem Forum sind längst nicht alle so empfindlich wie ich.

Zitat:

Original geschrieben von der.robe


Habe ich bisher nicht vermisst.

der.robe 😎

Und wir Enthusiasten sind keine Beteiligten dieses Marktsegmentes, denn wir können uns derartige Produkte ohnehin nicht leisten. Wir können hier schreiben, soviel wir wollen, das Management von Mercedes weiß ganz genau, dass es uns getrost ignorieren kann. Seien wir Realist: und es wird klug genug sein, es auch tatsächlich zu tun.

Der Geländewagen -- seit nunmehr 36 Jahren im Programm -- ist längst als Klassiker positioniert und hat daher wohl noch eine längere Karriere vor sich und außerdem könnte in einem Geländewagen der eine oder andere zusätzliche Gang von dem einen oder anderen Fahrer tatsächlich einmal benötigt werden. So mit Bootsanhänger beim Anfahren zum Rausfahren aus der Slip-Anlage zum Beispiel. Außerdem ist der Verbrauch der G-Modelle derart hoch, dass Mercedes sich damit auch so schon extrem exponiert hat: so etwas passt schlicht nicht mehr in die Zeit und da wird man als Hersteller den Teufel tun, da auch noch Wasser auf die Mühlen zu gießen, indem man verbrauchsungünstige alte Technik verwendet.

Zurück zur 9G-Tronic.

Sie ist die erste Automatik von Mercedes, die die Chance birgt, alles gut zu können. Das Problem der 7G-Tronic ist ihr großer Sprung vom 4. zum 5. Gang und der kleine Sprung vom 6. zum 7. Gang.

Damit kommen wir zu dem Kernproblem aller bisherigen Automatiken von Mercedes, nämlich die Abstufung. Führend ist Mercedes stets nur bei der Abstimmung -- Schaltkomfort, Schaltprogramm, Schaltgeschwindigkeit, Kraftschluss im Wandler -- der Getriebe gewesen. Bezüglich der Abstufung hatte Mercedes bisher immer -- immer, angefangen von den Getrieben der Heckflosse bis hinauf zur 7G-Tronic -- eine, nun, sagen wir es höflich, unglückliche Hand. Der 3. Gang zu kurz, der 2. Gang viel zu kurz. Soviel zu kurz, dass seit der Einführung des Drehmomentwandlers anstelle der Flüssigkeitskupplung 1972 (S-Klasse) bis 1973 (Strich-Achter) der 1. Gang gar nicht mehr benutzt wurde (nur mit Kickdown oder beim Anfahren aus dem Stand bei Wählhebelstellung L) oder gleich ganz weggelassen wurde: so geschehen in den Achtzylinder-Modellen. Das ganze Elend wird sichtbar, wenn man sich ansieht, dass der 1. Gang der Dreigang-Automatik mit 2,31 sogar länger als der 2. Gang der Viergang-Automatik mit 2,39 war. Von diesem Elend hat sich Mercedes bei allen seinen nachfolgenden 4- und 5-Gang-Automatiken nie erholt. Diesem Elend des unbrauchbar kurzen 2. Ganges wird erst mit der 7G-Tronic Einhalt geboten, da nun ein Gang mehr zur Verfügung steht.

Insofern ist die 7G-Tronic schon eine erste Verbesserung, bleibt aber hinter den Möglichkeiten zurück: geblieben ist das Problem des zu kurzen 3. Ganges, bei der 7G-Tronic nun der 4. Gang. Mit 1,37 ist er deutlich zu kurz ausgefallen. Siehe die Handschaltgetriebe, bei denen er mit 1,25 bis 1,26 ganz anders gestuft ist (der 5. Gang ist hier wie dort 1,0, also direkt übersetzt).

Hier schafft erst die 9G-Tronic mit 1,21 -- nun für den 5. Gang -- nachhaltig Abhilfe. Auch alle übrigen Abstufungen geben nun erstmals keinen Anlass mehr zu Kritik (vorhandene Restunebenheiten der Abstufungen sind praktisch bedeutungslos geworden, da jeder Sprung für sich genommen klein genug ist).

Jeder, der musikalisch ist und beim Autofahren die Schaltvorgänge hört, wird den Unterschied sofort bemerken. Allen anderen ist herzlich egal, wie die Automatik beschaffen ist. Insofern brauchen sie sich auch nicht die Haare auszureißen, wenn sie ein Auto mit alter Automatik ausgeliefert bekommen.

Möge es nützen

Peter

Zitat:

Original geschrieben von musikgeniesser


Sie ist die erste Automatik von Mercedes, die die Chance birgt, alles gut zu können. Das Problem der 7G-Tronic ist ihr großer Sprung vom 4. zum 5. Gang und der kleine Sprung vom 6. zum 7. Gang.

Das kann ich nur bestätigen. Auf dem Getriebediagramm (hier bei einem Mercedes C 300 W 204) kann man es besonders gut erkennen. Der Sprung von Stufe 4 auf Stufe 5 ist riesig (Stufe 5 ist 1.37 mal so lang übersetzt wie Stufe 4, das ist in diesem Tempobereich eine Ansage) und dafür ist der Gangsprung von Stufe 6 auf Stufe 7 sehr minimal (1.12). Man hätte die Stufe 7 ohne große Nachteile gleich weglassen können. In der jetzigen Form ist die Automatik, wie auch schon der 5 - stufige Vorgänger (der mit gewaltigen Gangsprüngen von Stufe 2 auf 3 und von Stufe 3 auf 4 "glänzte"😉, recht ungekonnt abgestimmt.

Moin bb...,
moin Forenten,

das

Zitat:

Original geschrieben von bbbbbbbbbbbb


Man hätte die Stufe 7 ohne große Nachteile gleich weglassen können.

ist grundsätzlich richtig, aber den 7. Gang gab's geschenkt.

Der Overdrive wird in den NAG -- Neuen automatischen Getrieben, das sind die 5-Gang-Automatiken ab 1997 -- in den hinteren beiden Planetensätzen von dem für den 1. Gang zuständigen vorderen Planetensatz gesteuert (übrigens auch die beiden Rückwärtsgänge). Auf diese Weise konnte gegenüber dem ersten 5-Gang-Automatik-Getriebe, das durch bloßes dranbummeln eines weiteren Planetenradsatzes für den Overdrive -- dort 0,75 -- aus der bisherigen Automatik für den 300 E 24 und 300 CE 24 entstanden war, ein ganzer Planetenradsatz eingespart werden. Die Konstruktion war so grundlegend neu, dass man das mit dem Namen NAG kennzeichnen wollte. In den 90er Jahren standen die Fertigungskosten im Mittelpunkt sämtlicher Entwicklungen bei Mercedes.

Mit Übergang auf die 7-Gang-Automatik hat man diesen vorderen Planetensatz, der (neben der direkten Übersetzung für den 4. Gang) nur eine Übersetzung (für den 1. Gang) bereitstellte, durch einen -- aufwendigeren -- Ravigneaux-Satz ersetzt, der zwei Übersetzungen (für die ersten beiden Gänge) bereitstellt, sodass nun ein Anfahrgang mehr zur Verfügung steht. Damit ergab sich aber automatisch auch ein zweiter Overdrive, den man dann einfach genommen hat. Warum auch nicht? Die Abstufung war dann egal: einem geschenkten Barsch guckt man nicht hinter die Kiemen. Außerdem ergab sich ein 3. Rückwärtsgang, den man aber nicht realisiert hat.

Die beiden hinteren Planetensätze -- für den 2. und 3. Gang, nun also für den 3. und 4. Gang -- wurden im Prinzip beibehalten. Nur die Übersetzungverhältnisse hat man angepasst. Dabei ist man sehr zaghaft vorgegangen, denn mit dem Layout hätte sich theoretisch auch eine wirklich gelungene Abstufung realisieren lassen. Dies hätte allerdings sehr viel kleinere Sonnenräder für die hinteren beiden Radsätze bedeutet, was größere Änderungen erfordert hätte, die man sich -- so darf vermutet werden -- sparen wollte. Denn durch das hintere Sonnenrad muss der Abtrieb und das Rohr für die Bremse des Rückwärtsganges hindurchgeführt werden. Man hat sich die Sache also leicht gemacht, denke ich.

Mit der 9-Gang-Automatik ist nun alles neu, soweit ich das verstehe. Man ist nun wieder bei 4 Planetenradsätzen wie weiland bei der 5-Gang-Automatik vor Einführung der NAG gelandet, hat aber statt wie damals 5 nun 9 Gänge möglich gemacht. Und das bei nur 6 Aktoren (Kupplungen/Bremsen), von denen die 7G-Tronic noch 7, die 5G-Tronic ebenfalls 6 hat. Na ja, es wird nicht von ungefähr kommen, dass Mercedes von einem patentierten Radsatz-Konzept spricht. Näheres wird man irgendwann später mal erfahren, hoffe ich. Schulungsunterlagen wie für die 5G- und 7G-Tronicen habe ich noch nicht gefunden, was kein Wunder ist. Das wird sicher irgendwann kommen. Warten wir's mal ab.

Zu Deinem, bb...., Drehzahl-Geschwindigkeits-Diagramm. Mit der 9G-Tronic wird Mercedes vermutlich die nächstlängere Achsübersetzung -- 2,82 -- kombinieren und bei den Übersetzungen

5,50
3,33
2,31
1,67
1,21
1,0
0,865
0,72
0,6

hast Du vielleicht ja mal die Möglichkeit, ein Vergleichsdiagramm zu erstellen. Das wäre dann mal

Zitat:

Original geschrieben von bbbbbbbbbbbb


eine Ansage

Ach ja:

Zitat:

Original geschrieben von bbbbbbbbbbbb


(der mit gewaltigen Gangsprüngen von Stufe 2 auf 3 und von Stufe 3 auf 4 "glänzte"😉, recht ungekonnt abgestimmt.

abgestuft, nicht abgestimmt. Die Abstimmung mit dem vergleichsweise steifen Wandler -- also frühen Kraftschluss -- fand ich immer gelungener als bei den butterweichen GM- oder Borg-Warner-Automaten. Aber das waren auch Modelle aus den späten 70er Jahren.

Schon irgendwie schrill, dass Mercedes 22 Mio. Automatiken bauen musste, bis es nun endlich mal geklappt hat.

Möge es nützen

Peter

Gibt es Jemanden, der weiß wann die nächsten Motorisierungen mit der 9 Gang zum bestellen ist?

Zitat:

Original geschrieben von amstetten78


Gibt es Jemanden, der weiß wann die nächsten Motorisierungen mit der 9 Gang zum bestellen ist?

Ergänzend dazu: Gibt es jemanden, der weiß, welche Motorisierung das dann sein wird?

Moin amstetten78,
moin EuropeanDude,
moin Forenten,

da die gerade vorgestellte S-Klasse nicht in den Genuss der neuen Schaltung kommt, hat es nicht (nur) Kapazitätsgründe, sondern liegt am Umfang der technischen Änderungen, der Mercedes eine Versuchsphase beim Kunden machen lässt. Deshalb sind nicht die teuersten Autos die ersten, sondern die Klasse darunter: der S-Klasse-Kunde soll nur ausgereifte Produkte bekommen. So etwas macht Mercedes gerne.

Schuss aus der Hüfte: das nächste halbe Jahr ändert sich nix, es bleibt nur das eine Auto, also die beiden, Limousine und Kombi. Vielleicht bleibt das sogar ein ganzes Jahr so, je nach Problemaufkommen.

Auslaufende Serien, Restlaufzeit bis 2 Jahre, sowieso nicht mehr. Alle übrigen: die Automatik wird es wohl in unterschiedlichen Drehmoment-Versionen geben. Weiß da jemand mehr? Ich weiß nicht, welches diese erste Auflage verträgt. Falls, sagen wir, 700 Nm, erstmal nur die übrigen 6-Zylinder. Falls doch 1000 Nm, auch die 8-Zylinder. Aber da müssen erst die Einbauverhältnisse geprüft werden. Also bei Autos, die vor Beginn der Entwicklung der Automatik schon auf dem Markt waren. Könnte also für den jetzigen E 500 eng werden.

Kurz: ich halte das für vollkommen unvorhersehbar.

Möge es nützen

Peter

Höchstinteressantes (Insider?)wissen. Dafür ein dickes Danke. 🙂

Zitat:

Original geschrieben von musikgeniesser


...hast Du vielleicht ja mal die Möglichkeit, ein Vergleichsdiagramm zu erstellen. Das wäre dann mal eine Ansage

Ich zeichne die Diagramme hobbymäßig, nicht nur welche von Mercedes, sondern alle, die ich interessant finde. Die neue 9 - Stufen - Automatik gehört sehr sicher dazu. Wie auch ZF´s 8 - Stufen - Automat, der übrigens seltsam ungleichmäßige Gangsprünge hat (füge hier das Diagramm der Übersicht halber nicht ein).

Zitat:

...abgestuft, nicht abgestimmt.

Du legst viel Wert auf Korrektheit. Gefällt mir! Danke für den Hinweis.

Das ist leider kein Insiderwissen sondern einfach logisch die Infos zusammengefügt und das aber sehr gut. Die 9G-Automatik wird auch den V8 im E500 vertragen, dieser hat 20 Nm weniger Drehmoment als der OM642 im E 350 BT.
Ich denken ohne es zu wissen, das die 9G-Tronic in der 2014 kommenden C-Klasse verfügbar sein wird und peu a peu mehr Modelle damit ausgerüstet werden. Das die 9G-Tronic erst im E350 BT kam wird wohl dem deutschen, sehr techniklastigen Markt geschuldet sein. In den USA werden nicht so extrem die Spezifikationen verglichen, dort zählen andere Werte eines Fahrzeugs. In Deutschland geiern die Kunden geradezu nach mehr Gängen, mehr Literleistung und besseren Nordschleifenzeiten, auch wenn sie es nie nutzen oder es gar kontraproduktiv ist.

Zitat:

Original geschrieben von Dr.Mabumsen


Das ist leider kein Insiderwissen sondern einfach logisch die Infos zusammengefügt...

Mit Insiderwissen meinte ich den großen Text (um 1:07 Uhr) über die Abstufung der Automatik und warum das so ist. Alleine mit logischem Zusammenfügen von Informationen kommt man da nicht sehr weit.

Zitat:

Original geschrieben von Dr.Mabumsen


Das ist leider kein Insiderwissen sondern einfach logisch die Infos zusammengefügt und das aber sehr gut. Die 9G-Automatik wird auch den V8 im E500 vertragen, dieser hat 20 Nm weniger Drehmoment als der OM642 im E 350 BT.
Ich denken ohne es zu wissen, das die 9G-Tronic in der 2014 kommenden C-Klasse verfügbar sein wird und peu a peu mehr Modelle damit ausgerüstet werden. Das die 9G-Tronic erst im E350 BT kam wird wohl dem deutschen, sehr techniklastigen Markt geschuldet sein. In den USA werden nicht so extrem die Spezifikationen verglichen, dort zählen andere Werte eines Fahrzeugs. In Deutschland geiern die Kunden geradezu nach mehr Gängen, mehr Literleistung und besseren Nordschleifenzeiten, auch wenn sie es nie nutzen oder es gar kontraproduktiv ist.

Ich weiß nicht, wie zuverlässig die Information des mercedes-blogs sind, aber da steht u.a. geschrieben:

"(...) Verfügbar ist das System 2013 im E 350 BlueTEC (ohne 4MATIC, Übersetzungswerte 5,50/3,33/2,31/1,66/1,21/1,00/0,87/0,72/0,60 – Rückwärtsgang -4,93), andere Modelle folgen erst 2014. In der neuen C-Klasse W205 wird das Getriebe ab Marktstart verfügbar sein, die S-Klasse der Baureihe 222 erhält das Getriebe frühestens mit Modelljahr 2015. Soweit es sich abzeichnet, wird das 9G-TRONIC 2014 (interne Bezeichnung W9A 700 NAG3) auch einige Modelle des ML und des CLS produziert.(...)"

Auszug hieraus:
http://....mercedes-benz-passion.com/.../

Im Moment liebäugle ich eher mit dem Insiginia Facelift (195 PS Biturbo), das gebe ich zu, bzw. meine Wahl ist eigentlich auch schon in diese Richtung entschieden. Reizen würde mich aber eine 9 Gang Automatik auf jeden Fall. Allerdings hadere ich immer noch damit, ob mir wirklich das neue Innenraumdesign des W205 gefallen wird. Ich habe diese Woche den A und CLA gefahren, nicht schlecht, aber irgendwie nicht so mein Ding mit dem Innenraum-Design (und auch zu beengt). Beinahe schwach geworden wäre ich beim MB Händler, als er mir einen C350 CDI zeigte..... (Mopf Baujahr Ende 2012, schöner Wagen). Wobei das jetzt unfug wäre, der sinkt im Preis  durch das neue Modell....

Zitat:

Original geschrieben von musikgeniesser


sondern liegt am Umfang der technischen Änderungen, der Mercedes eine Versuchsphase beim Kunden machen lässt. Deshalb sind nicht die teuersten Autos die ersten, sondern die Klasse darunter: der S-Klasse-Kunde soll nur ausgereifte Produkte bekommen. So etwas macht Mercedes gerne.

Sicher? In der jüngsten Vergangenheit der letzten 10 Jahre war das aber anders. Der M 273 hatte sein Debüt im 221. Der M 278 hatte sein Debüt im 221. Die DistronicPlus hatte ich Debüt im 221. Usw.

@Signumfan: Puh, der 265PSer 350 CDI ist schon eine Hausnummer. Gegen den tut sich selbst ein Insignia OPC bis 180 schwer. Was den Wertverlust angeht: Täusche Dich da mal nicht. Mein 211er hatte vor einigen Monaten einen Schaden. Wollte ihn eigentlich durch einen anderen 211er ersetzen. Nur waren die aufgerufenen 211er Preise für die letzten Modelljahre derart unverschämt hoch - auf Niveau der 212er-Preise der ersten Modelljahre.

Ich bin mir daher nicht so sicher wie Du, dass das neue Modell einen signifikanten Einfluss auf die Wertverlustkurve haben werden.

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