Wie wichtig ist es, Drehwinkel-Vorgaben beim Anziehen von Schrauben genau einzuhalten?

Hallo zusammen!

Wie wichtig ist es eigentlich, Drehwinkel-Vorgaben beim Anziehen von Schrauben genau einzuhalten? Wird im Werkstattalltag immer ein Drehwinkel-Messer verwendet oder wird das auch schon mal so nach Gefühl gemacht?

Konkret komme ich zu der Frage aufgrund folgender Situation: Ich habe hier einen 4-Zylinder-Benzinmotor mit 10 Zylinderkopfschrauben. Das sind ja bekanntermaßen Dehnschrauben.

Bei der Montage für das hier stehende Modell gibt es die Vorgabe: 20 Nm, dann 30 Nm, dann 90 Grad, dann nochmals 90 Grad.

Die 20 Nm und 30 Nm habe ich genau eingehalten. Bei den Drehwinkeln habe ich leider im Eifer des Gefechts nicht ordentlich gearbeitet. Die 90 Grad habe ich in beiden Durchgängen auf jeden Fall erreicht, aber ich schätze, dass es einige Grad mehr geworden sind.
Ist das wohl sehr schlimm? Muss ich jetzt sicherheitshalber die Zylinderkopfdichtung nochmals erneuern und nochmals neue Schrauben nehmen? Oder liegt das wohl im akzeptablen Toleranzbereich, wenn man bei jedem der beiden Winkelanzug-Durchgänge sagen wir mal 10, 20 Grad daneben lag?

Wenn ich mir die Broschüre von Elring für Zylinderkopfschrauben anschaue, dürfte es verkraftbar sein, es so zu lassen. Oder interpretiere ich es falsch?

Ich würde mich sehr über eure Hilfe freuen! Danke!

Viele Grüße

20 Antworten

Zitat:

@techman122 schrieb am 4. November 2024 um 10:18:33 Uhr:


Und was ratet ihr mir nun?

Nunja…mein erster Beitrag oben sollte nur klären warum es wichtig wäre sich dicht an den Vorgeschriebenen Werte zu orientieren und warum die Toleranzen zu schmal sind um sich einfach mal darauf zu verlassen.

Am Ende weißt Du vermutlich selbst nicht wie weit du die Drehwinkelangaben überschritten hast, von daher ist eine Empfehlung schwierig.

Wie ich es schon mal schrieb, wäre mein Rat die Reparatur eine Weile genau zu beobachten.
Jetzt alles neu zu machen wäre sicherlich überzogen, die Wahrscheinlichkeit das die Schraubverbindungen noch im Toleranzbereich geblieben sind stehen ja nicht schlecht.

Allerdings stehen eben auch pauschale Aussagen wie etwa „passt schon, gibt genug Toleranzen“ auf dünnem Eis.

Wenn also für eine Schraubverbindung Dehnschrauben genutzt werden müssen, dazu für die Montage dann Drehwinkelangaben vorliegen, sollte man schon Aufmerksamkeit walten lassen. Das machen Konstrukteure ja prinzipiell nur für anspruchsvolle Verbindungen die zuverlässig sein müssen.

Zitat:

@navec schrieb am 4. November 2024 um 10:15:16 Uhr:


Ob man den elastischen Bereich überschreitet, hat m.E. nicht direkt mit dem Anzugverfahren mit Drehwinkel zu tun.
Je nach Kombination von Drehmomentwert mit Drehwinkel, kann man im elastischen Bereich bleiben oder in den plastischen Bereich kommen.

Das anschließende Festziehen mit Drehwinkel, soll ja lediglich größere Toleranzen der Schrauben-Spannkraft, die durch das Drehmomentverfahren auftreten können, verringern.

Drehmoment in Verbindung mit Drehwinkel ist IMMER Drehwinkel Anzugverfahren
Das Aufbringen des Anfangsdrehmomentes ist Teil des Verfahrens

Nur reines Drehmoment ohne irgendeinen Winkel läuft unter Drehmoment-Anzugverfahren

Zitat:

@navec schrieb am 4. November 2024 um 10:43:12 Uhr:



Zitat:

@berlin-paul schrieb am 4. November 2024 um 10:39:33 Uhr:


Dehnschrauben dehnen sich zur Begrenzung des eingebrachten Drehmoments. Wenn es zuviel war, dann reissen sie nach der Überdehnung ab. Wenn nichts abgerissen ist, würde ich nicht weiter drüber nachdenken.

Wenn sie etwas zu stark angezogen wurden, können sie (durch plastische Verformung) bereits überdehnt sein, ohne gleich ab zu reißen.

Jo….ist auch mein Wissensstand , daher können Dehnschrauben ja auch nur einmalig verwendet werden.

Ohne das ich selbst soooo tief im Thema „Materialverhalten von Dehnschrauben“ drin bin, werden Dehnschrauben m.W.n. durch die Anzugsmomente kontrolliert aber gewollt über den „elastischen Bereich“ in den „plastischen Bereich“ der Verformung gebracht.

Warum?? Dazu mal ein Auszug aus einem Fachartikel der komplett aber hier wohl den Rahmen sprengt.
Zitat:

Die Vorteile von Dehnschrauben ergeben sich aus der großen Verformung, die bei der Montage eingestellt und mit Hilfe eines taillierten Schafts ermöglicht wird. Zusätzlich zu dem geringeren Schaftdurchmesser erhöht eine größere Länge die Nachgiebigkeit und damit die Längenänderung. Aufgrund dieser hohen Längenän- derung benötigen Dehnschrauben keine Schraubensicherung und sind unempfind- licher gegenüber Setzverlusten.
Die Dehnung und Längenänderung könnte durch Spannungen oberhalb der Elasti- zitätsgrenze bis in den Bereich plastischer Verformungen erhöht werden, um die positiven Eigenschaften dieses Maschinenelements weiter zu verstärken. Weiter- hin führt die im Zuge der plastischen Dehnung auftretende Kaltverfestigung des Schraubenmaterials zu einem Anstieg der Fließ- bzw. Streckgrenze und eröffnet auf diesem Wege zusätzliches Festigkeitspotential

https://epub.uni-bayreuth.de/.../KT2012_Dehnschrauben_Langfassung.pdf

Für weiteres „Klugscheißen“ 😁 zu diesem Thema fehlt mir dann doch die fachliche Expertise.

Weil man es normal halt nicht macht, steht da vermutlich "könnte"....

Zitat:

Die Dehnung und Längenänderung könnte durch Spannungen oberhalb der Elasti- zitätsgrenze bis in den Bereich plastischer Verformungen erhöht werden.....

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Es gibt Hersteller da gibt es fast keine Schraube ohne Winkelanzug. Nahezu alle Teile von Kopf, Block und Steuerung, gesamte Achse/Fahrwerk, Bremsen, Lenkung. Und? Überwiegend wird in der Praxis per Pressluft befestigt. 😁 Funktioniert.
Für den Klassiker Kopfschraube wird dann vielleicht noch ein Spezialwerkzeug genommen.
Irgendwann hat man die Winkelgrade im Augenmaß.

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