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NHRA Rennen in Sonoma

Themenstarteram 13. August 2011 um 5:46

Ich hab mir gedacht ich poste mal einen Erfahrungsbericht von einem NHRA-Rennen. Einen Rennbericht gibt es auf nhra.com, deshalb moechte ich hier mal aus der Sicht eines Zuschauers berichten.

Ende Juli finden traditionell die NHRA Fram Autolite Nationals am Infineon Raceway in Sonoma statt.

Von unserem Haus zur Rennstrecke sind es etwas mehr als 80 Meilen, deshalb brachen wir gegen 7 Uhr morgens auf um dem Verkehr etwas aus dem Weg zu gehen. Die Fahrt ueber die Golden Gate Bridge im Morgennebel ist schon ein Teil des Erlebnisses, besonders im Cabrio.

An der Rennstrecke ist die Polizei schon sehr aktiv und dirigiert den Verkehr in geregelte Bahnen.

Im Fahrerlager ist um die Zeit schon die Hoelle los. Es wird gehaemmert und geschraubt, Schlagschrauber rattern und es riecht nach Oel und Nitromethan. "Every Ticket is a Pit Pass" wirbt die NHRA und genau das ist der Fall. Man kann zusehen wie Funny Cars halbzerlegt fuer die erste Runde fertig gemacht werden. Pro Stocker stehen auf Gestellen, Top Fuel Motoren sind ohne Zylinderkoepfe zu sehen, ueberall wird fieberhaft gearbeitet.

Immer wieder werden Motoren angelassen und Gasstoesse lassen die Zuschauer zusammenzucken. Selbst beim Antippen des Gaspedals sind die Motoren so laut dass man sich fast die Ohren zuhalten muss, besonders wenn man nur 3m davon entfernt ist.

Die ersten Dragster rollen durch die Zuschauermassen, gezogen von Pickups und SUVs. Meist sitzt auf dieser Fahrt ein Mechaniker am Steuer, aber gerade bei den kleinen Teams sieht man auch mal den Fahrer im Auto.

Traditionell wird das Rennen von Top Fuel eroeffnet, deshalb sind dies die ersten Dragster die sich in den Staging Lanes einfinden.

Natuerlich darf in den USA die Nationalhymne nicht fehlen und jedes Jahr denkt sich der Veranstalter etwas aus wie die Flagge gezeigt wird. Oft sind es Fallschirmspringer, die die Flagge einfliegen.

Dann wird es Zeit, die Ohrenschuetzer aufzusetzen, der Laerm von Top Fuel und Funny Car ist selbst auf der Tribuene extrem. Man fuehlt foermlich die Luft vibrieren und schon wenn die Motoren angelassen werden riecht es intensiv nach verbranntem Nitromethan.

Heute sind es nur noch gut 80% Nitromethan und 20% Alkohol, nachdem vor Jahren die Nitromethanwerte so hoch getrieben dass reihenweise die Motoren explodiert sind und riesen-Oelspuren hinterlassen haben, was oft nach jedem Lauf Reinigung der Strecke noetig gemacht hat, deshalb wurden die Nitromethanwerte limitiert.

Genaugenommen ist Leistung eh nicht das Problem, zumindest nicht bei den Topteams. Die Autos sind so abgestimmt, dass sie genau so viel Leistung abgeben wie der Crewchief der Strecke zutraut. Fuer Top Fuel und Funny Car ist die Strecke nach einigen toedlichen Unfaellen am Streckenende auf 1000 Fuss begrenzt.

Anders als bei den meisten Autorennen sieht, hoert und fuehlt der Zuschauer die ganze Action. Nicht nur alle 2 Minuten mal die Autos vorbeifahren sehen sondern alle zwei Minuten ein komplettes Rennen.

Beim Burnout wird der Gaspedalweg begrenzt um den Motor zu schonen. Schon 2000PS reichen locker aus, die Reifen von der Strecke zu reissen. Crinklewalls nennt man die Rennreifen, auf denen Top Fuel, Funny Cars und Pro Stocker unterwegs sind. Die Karkasse ist bewusst weich und der Luftdruck niedrig, damit der Reifen sich verdreht und schnell heiss wird. Die Reifen sind auf den Felgen verschraubt, weil sich die Felgen sonst einfach in den Reifen drehen wuerden.

Die kleineren Teams verwenden ihre Reifen fuer mehrere Laeufe, deshalb ist deren Burnout oft nur kurz. Die Superstars machen aus den Burnouts eine echte Show, mit viel Reifenqualm und manchmal fast bis half track. Beim Rueckwaertsfahren machen die Funny Car fahrer die Klappe im Dach auf, nicht wegen des Qualms sondern weil auf der Klappe ein Rueckspiegel ist, denn aus dem Funny Car sieht man nach hinten sonst gar nichts.

Dann werden die Dragster an der Startlinie aufgereiht. Ein Mechaniker rauht nochmal die Hinterreifen auf, ein anderer weist den Fahrer ein, der Crew Chief gibt letzte Anweisungen.

Staging hat begonnen wenn der erste Wagen die erste Lichtschranke durchbrochen hat. Ein gelbes Licht am Christmas tree geht an. Auch der zweite Wagen zieht nun vorwaerts. Bei den Pro Stockern sieht man manchmal Staging Duels, jeder will dass der Andere zuerst vorwaerts faehrt. Bei Top Fuel und Funny Car geht das nicht, die Motoren wuerden das nicht aushalten.

Wenn beide Autos in Position sind wird die Ampel gelb und nach 0.400 Sekunden gruen. Faehrt einer der beiden Wagen zu frueh los bekommt er ein rotes Licht und der Andere gewinnt automatisch.

Aber genug zu den Regeln, jetzt stehen die beiden ersten Top Fueler an der Startlinie. Brandon Bernstein und Doug Kalitta, beide aus Dragracer-Familien waren Nummer 8 und 9 beim Qualifying und starten zuerst. Der Laerm ist trotz Ohrenschuetzern unbeschreiblich. Wir sitzen nahe der Ziellinie und nach drei Sekunden schiessen die beiden Dragster mit fast 500km/h vorbei. Kalitta gewinnt mit 3.82s und 317mph.

Und schon stehen die naechsten Dragster an der Startlinie. Traditionell geht es mit dem 7. gegen den 10. weiter bis der 1. gegen den 16. antritt.

Danach kommen die Funny Cars. Wir sind besonders gespannt auf John Force, Robert Hight und Mike Neff von John Force Racing aus Yorba Linda, CA. John und Robert gewinnen die erste Runde, Mike Neff scheidet aus.

Kaum jemand verfolgt den gesamten Event von seinem Sitz, zu viel gibts im Fahrerlager zu sehen. Autogrammjaeger, Photographen, die Souvenir-Staende machen ein gutes Geschaeft. Natuerlich fehlen die Sponsoren nicht. Die US Army hat wie immer den groessten Stand, Fram bietet Fans die Chance, sich in einem Top Fuel Dragster fotografieren zu lassen.

Derweile laeuft auf der Strecke das Zwischenprogramm, Bracket Racer kaempfen um Tausendstel, ein Motorrad-Stuntfahrer zeigt seine Tricks und die Zuschauer essen Hot Dogs und Garlic Fries und drinken Bier. Auch klassische Dragster gibt es zu sehen, alte Slingshot-Modelle mit dem Motor zwischen den Achsen und dem Fahrer hinter der Hinterachse.

Zwischen den Runden muss mindestens eine Stunde liegen damit die Top Fueler und Funny Cars komplett auseinandergenommen werden koennen und alle defekten Teile ersetzt werden. Die Motoren sind so hoch belastet dass oft selbst nach einem scheinbar glatten Lauf Dinge nicht mehr gerade sind.

Die Fans schauen dabei den Mechanikern auf die Finger, alles laeuft direkt vor den Augen der Zuschauer ab. Derweile packen die Teams, die die erste Runde verloren haben, enttaeuscht zusammen. Auch manche Fans verlassen die Strecke wenn ihr Lieblingsteam verloren hat.

Zwischen dem Halbfinale und dem Finale findet traditionell das Top The Cops Programm statt. Schueler treten mit ihren Autos gegen die Crown Vics und Dodge Chargers der Polizei an. Das Programm wurde von der Highway Patrol geschaffen um den Kids zu zeigen was wirkliches Rennfahren ist. Mittwochabends koennen die Kids den Cops zeigen wo der Hammer haengt und die erfolgreichsten Teilnehmer des Programms duerfen waehrend des NHRA-Events auf die Strecke. Die Kids kriegen natuerlich den Loewenanteil des Applauses, aber auch manche Cops kommen gut an, vor allem die K9 Units (Cop mit Hund, K9 = canine = Hund).

Dann wird es Zeit fuer das Finale. Die Raenge fuellen sich wieder, fast jeder der jetzt noch da ist will die Finallaeufe sehen. In Funny Car hat es keiner 'unserer' Fahrer ins Finale geschafft, aber im allerletzten Lauf setzt sich Antron Brown gegen Tony Schumacher durch, ein schoenes Ende eines spannenden Rennens.

Danach findet in Sonoma seit mehreren Jahren das Eric Medlen Ice Cream Social statt. Eric Medlen, der nur 100 Meilen von Sonoma geboren und aufgewachsen ist, ist 2007 in Gainesville beim Testen toedlich verunglueckt. Sein Vater hat daraufhin an Eric's Hausstrecke das Ice Cream Social ins Leben gerufen weil Eric oft gesagt hat dass man nicht ungluecklich sein kann wenn man Eis isst. Das Eis wird von einem Sponsor gestiftet und ist fuer die Zuschauer kostenlos, aber Spenden fuer Eric's Stiftung werden gerne genommen.

Wie fast immer war das Wetter perfekt, morgens kuehl, am Nachmittag sonning und etwas windig.

Wir kommen schon seit Jahren zu jedem Rennen in Sonoma und es ist jedes Mal ein Erlebnis.

Danach beginnt die after-race rush hour. Die meisten fahren nach Sueden richtung Golden Gate und verstopfen die Freeways, wir nehmen die Gelegenheit wahr und fahren noch nach Sonoma um Freunde zu besuchen. Wenn wir spaet nachts nach Hause aufbrechen ist kaum noch Verkehr.

Ich hoffe ihr habt euch beim Lesen nicht gelangweilt.

Fuer Interessierte: Top Fuel in Perspektive gesetzt

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5 Antworten

hi starfishy,

JA! das ist ja mal ein richtig guter Bericht, mir stehen immer noch die Nackenhaare hoch :)

vielen Dank!

ich habe so einen Dragster Plastik Bausatz in 1:24

und einen RC in 1:10 hier vor mir stehen (Hot Rod Dragster?)

die hast Du gerade zum Leben erweckt !

wart ich mach mal ein Bild...

ups nur mit Handy

aber evtl. kannst Du erkennen zu welcher Klasse er gehören könnte?

so gut den ganzen Hintergrund geschildert zu bekommen freut mich riesig!

viele Grüße

der-fernlenker

RC 1:10 Hot Rod Dragster

hi noch mal ich,

wo Du so gut deutsch sprichst ?;)

was bedeutet:

Cylinders run on the verge of hydraulic lock at full throttle.

CU

Themenstarteram 25. August 2011 um 6:09

Freut mich, dass dir mein Bericht gefallen hat.

Cylinders run on the verge of hydraulic lock:

Hydraulic lock ist dann gegeben wenn ein Kolben versucht eine Fluessigkeit zu komprimieren (was ja bekanntlich nicht geht).

In den Zylindern der Dragster kommt bei Vollast so viel Nitromethan-Alkohol-Gemisch an dass kaum noch Luft dabei ist und wenn der Kolben am oberen Totpunkt (Ende der Kompressionsphase) ankommt, der verbleibende Raum im Zylinder fast ganz mit Fluessigkeit (80% Nitromethan, 20% Alkohol) gefuellt ist.

Wenn technisch etwas schieflaeuft und mehr Fluessigkeit mit Brachialgewalt vom Kompressor in den Zylinder gepresst wird als in den am oberen Totpunkt verbleibenden Brennraum passt, geht der Motor hoch, da hebts Zylinderkoepfe ab, Pleuel oder Kurbelwellen brechen und im Extremfall bricht der ganze Block und das brennende Nitromethan aus anderen Zylindern sorgt fuer ein Feuerwerk.

Bei den Top Fuelern sitzen die Fahrer vor dem Motor (dank Don Garlits, der es satt hatte, bei jeder Motorexplosion das heisse Oel ins Gesicht zu kriegen und deshalb auf Mittelmotor umgestiegen ist und die Anderen nachgezogen hat), beim Funny car ist der Motor immer noch vor dem Fahrer. Bei einer richtigen Explosion fliegt da oft die leichtgewichtige Karosserie komplett vom Rahmen. Aber meist schaut die Explosion schlimmer aus als sie ist, Schutzkleidung und die Safety Safari (Rettungsteam) helfen in Sekunden.

Viele Gruesse aus Kalifornien

Chris

hi starfishy,

Oh JA! Dein Bericht ist ober klasse!

So Rennen gibt es hier in germany nicht

- scheint Kalifornien ist ein Reise wert!?

(gibt es dort auch NASCAR Rennen?)

vom Wetter hier in Norddeutschland ganz zu schweigen...

Ich bin ja Deinem Link gefolgt und hab die englisch sprachige Seite

"studiert" ;)

Aber, das man versucht sich in die Luft zu sprengen um zu gewinnen!

Ich dachte mein englisch ist nicht gut genug - konnte / wollte es nicht glauben :)

Das man dann nicht am Motor etwas ändert, sondern an der Sitzposition!

cool - der ist schlau, der Don Garlits !

...auch, das man die Zündkerzen einfach verbrennt um dann mit glühenden Auslassventilen weiter zu zünden - schön zu sehen, was alles so

geht in Amerika !=)

Hier traut sich keiner mehr was & nix geht voran...

(Roling Stones: hang fire ;) )

Wir haben ja jetzt auch eine Freiwilligen Army - ABER keiner geht hin,

von denen die mal geguckt haben wie es da so ist,

sind schon 440 (alle?)

wieder nach hause: "So hätten die sich das nicht vorgestellt!"

*roflol*

Hier bei uns im Norden (Schleswig Holstein, über Hamburg) gibt es eh

nur noch Sanitäts-Kram, naja die bauen (bauten) wohl auch schnell mal eine Chirurgiestation aus Kontainern - aber nun gibt es in diesem Land wohl bald keine Safety Safari mehr - keiner wird uns mehr retten in good old germany :))

Well, echt klasse dann so einen Bericht zu lesen

- von mutigen & ein bisschen wahnsinnigen Männern!

Sag, ich weiß nicht ob Du meine Grafik sehen konntest,

(soll ich mal ein besseres Foto machen?)

es ist so ein Hot Rod Dragster in 1:10, V8 Motor, Lader,

Modell T Karrosse?

Welche Dragster Klasse kann das sein? PS? (in echt ;)

viele Grüße aus dem Norden

Stefan

Themenstarteram 25. August 2011 um 21:41

Wir haben NASCAR-Rennen in Infineon, ich war aber noch nie bei einem. Das ist allerdings ein Strassenkurs, kein Oval, wenn du dich fuer Ovale interessierst, waere wahrscheinlich Daytona oder Talladega erste Wahl.

Das mit dem Hydraulic Lock ist ein kalkuliertes Risiko, genau wie in jeder anderen Sportart. Bei diesem Rennen hatten wir drei relativ harmlose Motorplatzer (wenn ich richtig gezahehlt hab, keiner davon verursacht durch hydraulic lock. Die haeufigste Ursache fuer Motorschaeden ist Ausfall der Zuendung fuer einen oder mehrere Zylinder, nicht deren Ueberfuelllung.

Dein Dragster gefaellt mir, ich hab was uebrig fuer die fruehen 30er. Wir haben jede Woche eine US-Car-Show nahe meinem Haus, da sieht man auch immer wieder aehnliche Modelle, meist allerdings ohne Roots-Supercharger. In welcher Klasse der faehrt weiss ich leider nicht, bei den Amateuren gibt's so viele Klassen dass es nicht einfach ist, den Ueberblick zu behalten. Mein Tip waere Comp, da gibts die meisten Variationen. Mit dem Roots-Kompressor, den dein Dragster hat, und recht relaxten Regeln leisten die Motoren oft ueber 1000PS.

Christian

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