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Marathonsprint BMW 118d

Themenstarteram 19. Juni 2005 um 8:47

Ein Bericht von AutoRevue:

"Schuheputzen in Afrika

 

6000 Kilometer in fünf Tagen, denn meine Schuhe hatten wirklich dringend Pflege nötig.

In einer Test-Trilogie, worin Qualitäten und Schwächen der kleinen BMW-Modelle 118d, 120d Automatik und des kommenden Top-Benziners 130i mit 258 PS erforscht werden sollen, machen wir den Anfang mit dem kleinen Erfolgsdiesel 118d. Dabei handelt es sich um den schwächeren der beiden angebotenen Dieselmotoren, aber alleweil:

2 Liter Hubraum, 16 Ventile, Common Rail Direkteinspritzung, elektronisch verstellbarer Turbo, Intercooler, 122 PS und 280 Nm Momentenmaximum schon bei 2000 Touren. Via Sechsgang-Getriebe stemmt er sich auf 201 km/h und erreicht Tempo Hundert in 10 Sekunden.

Der Listenpreis beträgt 23.950 Euro. Realiter muss man, inklusive Xenon-Licht, HiFi-Lautsprecher-System, Tempomat und Österreich-Paket rund 30.200 Euro veranschlagen. Darin verstecken sich dann noch Klimaautomatik, CD-Radio, Skisack, Nebelscheinwerfer und Fußmatten in Velours.

So ausgestattet zum Dauertest, entschlossen wir uns, ein Surrogat zu ziehen, eine Hochverdichtung, quasi Kontinente überspannend: Wir düsen nach Afrika, in die Heimat vom Monat August. Dazu gaben wir uns fünf Tage und dazugehörige Nächte. Nicht mit jedem Auto würde man sich darauf einlassen. Zum Beispiel waren die Instant-Liegesitze ganz hilfreich.

Im Grunde geht es darum, sich auf die Geschwindigkeit zu setzen wie auf ein Laufband – einfach mitziehen lassen vom Linearen, sich dem Vakuum der Vorwegweiser aussetzen mit ihren grandiosen Verheißungen VENEZIA, MILANO, SAN REMO, MARSEILLE, BARCELONA, VALENCIA, GIBRALTAR, TANGER.

Kennst du das leichte Schwindelgefühl, wenn man vom Gas geht und der Tempomat übernimmt? Als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen. Tempo 140 ist ein guter Richtwert unter Ausnützung der Toleranzen. Im 6. Gang entspricht das ausgeruhten 2300 Touren. Anfangs steht der Verbrauchswert noch auf 6,9 Liter, am Ende der Reise wird er auf 6,4 gesunken sein.

Leider ist der Tempomathebel falsch herum eingestellt, daran habe ich mich sechstausend Kilometer lang nie gewöhnt. Beim Anziehen sollte Beschleunigen sein, stattdessen muss man ihn vordrücken, was nur intellektuell klappt. Aber Nachdenken ist nicht beliebt im Automatismus des Voranglühens.

Nächtliche Mautstationen leuchten verheißungsvoll wie Spielcasinos in

der Wüste Nevadas. Werden mich insgesamt 270 Euro kosten, ein Klacks für Reno oder Vegas. Aber das ständige Setzen ohne Gewinnchance nervt mit der Zeit.

Ich genieße dieses klaglose, körperlose Gleiten durch die Nacht, aufgehoben in einem Zwischenreich aus Lichtspiel und Tempozauber, eingebettet in die Stimme von DeNiro-Synchronsprecher Christian Brückner: „Wir werden auf die Matratzen gehen“, sagt der Pate im Hörbuch, das auf sechs CDs geblättert ist.

Tolles Xenon-Licht (ca. 1000 Euro mit Österreich-Paket). Die automatische Scheinwerferhöhenverstellung hilft wenig, wenn der Abblendstrahl zu hoch einjustiert wird, was dir keiner nachsieht. Beams der Rache verfolgen mich.

Der sechste Gang ist ab 140 brauchbar, bis dahin schwächt er bloß die Agilität des Überholens auf Bergaufpartien.

Morgenrot. Hochhäuser spiegeln sich im Meeresglanz, Südspanien ist so schön, dass man kaum vorankommt. Es zieht mich raus bei jeder Raststation. Marmorsteinbrüche, blühende duftende Kräuterwiesen. Zerklüftete Sandsteinfelsen mit eingegrabenen Wohnungen, kräftige Vegetation, weite Ebenen. Gekämmte Olivenplantagen wie Haarimplantationen bis hoch hinauf in die Hügel.

Man wird auf langer Reise nachsichtig mit den anderen, wird zurückgeführt in eine Zeit, als man sie Verkehrskameraden nannte, man bekommt eine andere, großzügigere Sicht auf die Dinge, weil man in 1000-Kilometer-Sprüngen

denkt, nicht in Kolonnenhüpfereien.

Gern bremst man hinterm Lastwagen, um Drängler vorbeizulassen. Blendet mich da mein Heiligenschein im Rückspiegel?

Das Auto verschwindet, je länger man damit fährt und es sich einverleibt, ein gutes Zeichen.

Dröhnende Seitenstreifen warnen vorm Einschlafen. Ich versuche, ein wenig Unterhaltungsmusik draus zu machen. Denn es ist mühsam, in Italien, Frankreich, Spanien einen Radiosender zu behalten wie bei uns. Man muss froh sein, wenn zwei Songs hintereinander zu hören sind, ehe das Programm rauschend ausfaded.

Erfinde nebenbei die zugfreie Klimaanlage: Wenn man nur oben und unten hauchen lässt und mittig abstellt.

17,5 Grad gegen 25 Grad außen und nur manchmal niesen.

Plötzlich hat sich beim Randstreifendröhnen das Alarmlicht der Traktionskontrolle DTC eingeschaltet, aber nach dem nächsten Starten ist es erwartungsgemäß weg.

Langsam bekomme ich den elektronischen Blinker in Griff, das Ding, das nicht einrastet, aber auf Doppelklick löscht.

Spaniens Rastplätze glitzern nachts von den Splittern der eingeschlagenen Autoscheiben. Auch bei mir hebelt einer am Türgriff herum, aber ich hab mir das angeeignet, was die Beduinen „Schlaf wie ein Messer“ nennen. Spanien, das Land, wo man die Zapfhähne mangels Zapfautomatik festhalten muss. (Wahrscheinlich dass sie dir niemand klaut.)

Drei Tipps für lange Reisen: Ein richtiger Polster mit Federn, Papiertasche als Mistkübel, Leintuch zum Zudecken und Fenster-Abhängen.

Neuentdeckung: Die hinteren Seitenscheiben senken sich vollständig runter, und zwar mit Kurzdruckautomatik. (Und auch wieder rauf.)

Ein Paar wandelt auf der Autobahn. Der Seitenwind hat ihnen den Kleinanhänger umgeworfen, jetzt sammeln sie im selbstgemachten Stau ihre Sachen ein: Bilderrahmen, Kleidungsstücke, Kinderbasteleien.

In Spanien hält man sich überhaupt nicht an Tempovorschriften, in Frankreich sehr wohl.

In der Gegend der Côte d’Azur, um Nizza, Monte Carlo, bemerkt man einen generösen, entspannten Fahrstil, nicht dieses primitive Andrücken um jeden Preis.

In Italien herrscht auf drei Spuren ein zügiges Vorankommen, rechts wird genauso schnell gefahren wie links. Allerdings muss man jederzeit eines Staues gewärtig sein.

Stau ist wie gefrorene Geschwindigkeit. Wenn sie knapp vorher noch mal gasgeben im Alfa 147 und dich zusammenschneiden, um dann zwei Stunden im Schritttempo voranzuhoppeln, entsteht dann ein allgemeines Gefühl der Läuterung? Indem alle spüren: Mensch, wie blöd ist das Gerase. Wie gut, dass ich jetzt zur Besinnung gekommen bin? Nein. Auch im Stau wird um lächerlichste Positionen gekämpft – aus schierer Langeweile oder weil man den Kampf gewohnt ist. Es herrscht zudem ein europaweiter Irrglaube, nämlich dass derjenige, der auf die Autobahn auffährt, Vorrang habe.

Der Dieselmotor verliert sich in Unhörbarkeit und imponiert durch hohes Drehmoment schon vom Anfahren weg. Ich schätze die elegante Turbocharakteristik, das Durchreichen durch die Gänge geschieht mit Kraft aus vollen Händen.

Der Sitzhebel der Höhenverstellung liegt zu nahe am Irrtum, und ansatzlos versinkst du, obwohl du nur die Rückenlehne verstellen wolltest, auf Höhe Tischkante, blickst gerade noch übers Lenkrad hinweg. Dass so was erlaubt ist.

Am schlechtesten fahren die Spanier, am entspanntesten die Franzosen, am zügigsten die Italiener, auch bei Regen gibt es nicht die geringste Tempoverminderung. Mailänder Tangente im nächtlichen Wolkenbruch: Racing pur. Der Wischer kommt nicht nach.

Über 140 wird der Motor laut und angestrengt, es sammeln sich Windgeräusche usw. Neuerdings gibt es diesen Sprung öfter zu bemerken, zuletzt beim Toyota Prius, der wird ab 141 geradezu hysterisch.

Hinter dem Felsen Gibraltars wartet die Fähre von Algeciras nach Tanger. Das Tor zu Afrika, die Stadt der Geheimnisse und des Tui-Tourismus. Aber erst ist Zoll und Zahlen und Police und die ganze Folklore mit fehlendem papier gris und angedrohtem Auto-Konfiszieren, aber die Autorevue im Kofferraum zählt mehr als alle Stempel, und plötzlich haben sie eh alle Brüder in Vienne, Ottakring, Yppenplatz, und: Welcome to Africa!

Der Diesel hier ist schwer bekömmlich, der Motor stirbt bei der geringsten Anstrengung ab. Um einen halben Euro wird das Auto rund um die Uhr bewacht, ich erhöhe auf zwei. Dann wird es auch gewaschen. Tanger ist pittoresk, turbulent, aber relativ ruhig; scheinbares Chaos löst sich in Wohlgefallen auf. Man kennt diese Länder: Alles geht drunter und drüber, scheinbar regellos, aber kaum lässt du ein Papierl fallen, gibts riesiges Gezeter. Die Männer sehen entweder aus wie Keith Richards oder wie Prinz Abdul. Ein Gemälde in der Auslage eines Antiquitätenhändlers beschäftigt mich lange: Fünf auf den Betrachter zureitende Berber feuern ihre Flinten ab und tun dies, wie das Mündungsfeuer bezeugt, absolut gleichzeitig. Wunderbare Welt der Malerei. Ich denke an Hockney, der sagte: „In einem Foto ist der Moment geronnen, in einem Gemälde die Zeit.“

Hinter einer Tür stehen Mohammedaner beim Bier und schauen etwas betreten her. Die zugehörigen Mädchen sehen ohne Burka meist etwas unvorteilhafter aus als mit. Das ganze Sortiment wird als Mantra vorgetragen: Haschisch, Cannabis, Opium. Die Salons de Thé, worin ein schwerer süßer Thé à la Menthe ausgeschenkt wird, heißen international: Vienne, Oslo, Paris. Nur ein deutscher Bockwurstladen verdirbt alles, er heißt „Kurz und gut“.

Kommt mir nicht mit Fakiren, Schlangenbändigern und Feuerschluckern. Für mich ist schon Phänomen genug, wie man so unglaublich lästig zu Menschen sein kann, in der Hoffnung, ihnen Bongotrommeln oder was anzudrehen.

Ich aber habe einen Auftrag: Saubere Schuhe. Ich liebe Schuhputzer und bewundere ihre besonderen Fertigkeiten, besonders um die Ferse herum. Ich finde einen Meister (sagt bloß nichts meiner Tochter, sie hält mich für einen Ausbeuter), und geputzten Schuhs wende ich den Wagen Richtung Europa.

Denn heim geht’s eh immer schnell."

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7 Antworten
am 19. Juni 2005 um 16:04

Echt cooler Text.

Macht Spaß ihn zulesen :)

Woher hast du ihn?

Themenstarteram 19. Juni 2005 um 16:40

Der Text ist aus der österreichischen Zeitschrift: AutoRevue, ... diese wird auch oft in der AutoBild und vielen anderen Zeitschriften zittiert. Von ihr stammt auch folgende Aussage: "Der Z4 ist technisch so gut, daß sich BMW Chris Bangle als Designer leisten konnte :D "

EDIT: der 1er wurde von der AutoRevue seht gelobt und sie schrieben, daß mit diesem Auto BMW zurück zum Ursprung gefunden hat, nämlich dem puren Fahrspaß -> Back to the roots ;) also!

Jo, hat mir auch sehr viel Freude bereitet, ein Dank an ZettaQuattro für´s Reinstellen! :D ;)

am 19. Juni 2005 um 20:29

Zitat:

Original geschrieben von 320d-RACER

Jo, hat mir auch sehr viel Freude bereitet, ein Dank an ZettaQuattro für´s Reinstellen! :D ;)

Jo sehe ich auch so.

DANKE :)

Themenstarteram 19. Juni 2005 um 20:37

Ich muß sagen, daß auch ich viel Spaß beim Lesen hatte, so wollte ich Euch den Artikel nicht vorenthalten. ;)

Multo bene ;)

Themenstarteram 19. Juni 2005 um 20:55

hier noch ein Bild:

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