Gefährliche Überholsituation PKW Fahrrad
Heute früh hatte ich ein unschönes Erlebnis.
Nach einer Tour durch den heimischen Spessart mit meinem eMTB bin ich auf dem Heimweg die letzten Kilometer auf der Straße gefahren. Die Straße ist leicht abschüssig, nach einer scharfen Linkskurve führt die Straße durch einen Wald, hat dann ein Gefälle von Ø 8-9%, ist leicht kurvig, entgegenkommender Verkehr kaum einsehbar, nach rund 500 m folgt eine 180°-Rechtskurve, nach knapp weiteren 500 m kommt ein Ortseingang. Ich fahre diese Strecke mit meinem Auto vor und nach den Kurven zumeist mit 60 km/h.
Rund 200 m nach der Linkskurve hatte ich mit meinem Bike laut GPS schon 60 km/h, insofern bremste ich leicht ein, um diese Geschwindigkeit nicht zu übertreffen. Bei einer solchen Geschwindigkeit bergab und kurvig habe ich fast die ganze mir zur Verfügung stehende Fahrspur genutzt, zum einen, weil ich bei einem leichten Schlenker nicht in der Leitplanke landen wollte, zum anderen, weil ich sicherstellen wollte, dass mich nicht irgendein Irrer trotz schlecht einsehbarem Kurvenverlauf noch überholt. Bei der Geschwindigkeit hört man aufgrund der Windgeräusche auch nichts mehr von hinten kommen. Umso schockierter war ich als mich plötzlich ein PKW mit geschätzt 80 km/h mit einem Seitenabstand von 30 cm überholte. Ich war so erschrocken, dass ich tatsächlich fast in der Leitplanke gelandet wäre.
Unten am Ortseingang war eine Baustellenampel auf rot. Ich habe den PKW-Fahrer zur Rede gestellt. Er entgegnete, dass ich in der Mitte der Straße gefahren wäre und dass die Straße nicht mir gehören würde. Stimmt nicht, ich war mittig auf der Fahrspur. Doch selbst wenn – wäre das eine Rechtfertigung mit so knappem Seitenabstand zu überholen? Er zeigte sich nicht einsichtig.
Hätte er sich einsichtig gezeigt oder hätte er erläutert, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte, wäre alles gut gewesen. So aber habe ich das nächstgelegene Polizeirevier aufgesucht, anwesend war nur ein Beamter. Dort wiegelte man zunächst ab und wollte keine Anzeige aufnehmen, es hätte keine Gefährdung vorgelegen, es würde höchstens auf eine Ordnungswidrigkeit hinauslaufen. Ich bestand jedoch darauf. Da man keine Zeit hatte, um eine qualifizierte Anzeige aufzunehmen, notierte der Beamte sich einige Details, u.a. das Kennzeichen, den Fahrzeugtyp und zum Fahrer, und versprach mich anzurufen. Kaum wieder daheim, kam schon sein Anruf. Zwischenzeitlich hätte er mit dem Fahrzeugführer telefoniert, der sich als Ortskundiger aus einem Nachbardorf herausstellte und der meine Schilderungen bestätigte. Er hätte die Situation lediglich nicht so gefährlich eingeschätzt wie ich. Anzeigentext über Telefon diktiert und Aktenzeichen erhalten. Schau’n wir mal, was die Staatsanwaltschaft daraus macht.
Ich habe schon einige schlimme Situationen auf dem MTB erlebt, selbstverschuldet im Wald oder eben durch andere Verkehrsteilnehmer auf der Straße. Die weitaus gefährlicheren Situationen waren stets auf der Straße. Das heutige Erlebnis nimmt eine Top-Position ein.
Im Rückblick habe ich mich kritisch gefragt, ob ich mich an irgendeiner Stelle eventuell falsch verhalten habe. Selbstverständlich fahre ich mit dem Bike grundsätzlich stets am rechten Rand, aber angesichts meiner eigenen Geschwindigkeit erschien mir das in dieser Situation nicht klug, so dass ich wie schon erwähnt fast die gesamte Fahrspur beansprucht habe. Dies wiederum erschien mir auch vertretbar, weil ich angesichts meiner eigenen Geschwindigkeit nicht wirklich damit gerechnet habe, dass mich jemand bei dem gegebenen Kurvenverlauf, bei dem Gegenverkehr zudem kaum einsehbar ist, noch überholen würde, Irre ausgenommen.
Wer sieht das anders?
Zur Veranschaulichung der Örtlichkeit hänge ich mal einen Kartenausschnitt an. In der Realität sind die Kurven enger als es auf der Karte herauskommt. Die erste Linkskurve beispielsweise (Markierung A) durchfahre ich mit dem Auto mit nur 40-50 km/h, so ich sie denn nicht schneiden wollte.
167 Antworten
Eine Anmerkung zur Anzeige: Leider wird sie nichts bringen, weil nichts passiert ist.
Das Verfahren wird wie so oft eingestellt. Leider ist die Rechtsprechung in Deutschland sehr autofahrerfreundlich. Erkennt man auch schon an den Geldbußen. Die sind im Vergleich zu anderen Ländern einfach zu niedrig.
Ich kann euch folgende Seite empfehlen: https://www.keinoeffentlichesinteresse.org/
Zitat:
@Spardynamiker schrieb am 23. Juni 2025 um 07:50:48 Uhr:
Es mag ja sein, dass der überholdende hier was falsch gemacht hat - aber deswegen zur Polizei zu gehen ist so typisch deutsch, dass ich kotzen könnte.
Typisch deutsch an der Sache ist lediglich, das hier einige meinen das es typisch deutsch ist.
In D braucht niemand vor einer Anzeige wegen der Kleinigkeit Angst haben, denn erstens passiert eh nichts, und wenn doch kommt nichts bei raus.
Das ist in anderen Ländern ganz anders.
Also hör auf zu kotzen.
Eine Anmerkung zur Anzeige: Leider wird sie nichts bringen, weil nichts passiert ist ...
So ähnlich sprach der Beamte auch. Er machte auch keinen Hehl aus seiner Unwilligkeit eine Anzeige aufzunehmen (wofür ich Verständnis hatte, zu dem Zeitpunkt allein im Revier, mit einem Ohr stets am Funk, der nächste Kunde klingelte bereits an der Tür).
Da für mich aber gefühlt sehr wohl etwas passiert war und ich Unverständnis zeigte mit Verweis auf einen Vorfall vor vielen Jahren, bei dem eine Anzeige von mir sehr wohl erfolgreich war, nachzulesen hier https://www.motor-talk.de/forum/verkehrsdelikt-anzeige-erstellen-ohne-zeuge-sinnvoll-t5176192.html?highlight=schulbus&page=1#post42543052 , meinte er, natürlich würde er eine Anzeige entgegennehmen, sofern ich darauf bestehen würde. Ich bestand darauf.
Und da der Beamte mir später sagte, dass der PKW-Fahrer ihm gegenüber meine Schilderungen bestätigt, nur die Situation nicht so gefährlich wie ich eingeschätzt habe, bin ich nicht sooo pessimistisch, dass die Anzeige erfolgreich sein könnte. Und sei es nur um die Erfahrung mit der Staatsgewalt, an die er sich beim nächsten Überholvorgang erinnert.
Übrigens - als der Beamte mich bat den Vorfall zu schildern und ich erzählte, dass ich mich rollen gelassen hatte und dabei ziemlich schnell wurde und einbremste, meinte er, ortskundig wie er ist: "Na ja, da werden Sie schon 60 km/h drauf gehabt haben".
Zitat:
@matzi99 schrieb am 22. Juni 2025 um 23:25:13 Uhr:
Ich bezweifle, dass das Fahrrad bei 60 km/h beherrschbar ist und ein Anhalten jederzeit gefahrlos möglich ist.
Das kann man so pauschal nicht sagen, da es sowohl vom Fahrrad-Modell als auch vom Können des Radfahrers abhängt.
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Mit dem Fahrrad hat man auf ebener Straße, mit 60 Km/h, durchschnittlich einen Bremsweg von 70m. Hier sogar bergab. 🤔
Mal abgesehen vom Fehlverhalten des Autofahrers, sehr verantwortungsvoll war diese Fahrweise nicht gerade.
Auch wenn es nicht verboten ist, 60 km/h mit dem Fahrrad bergab zu fahren, hat man doch die Pflicht, vorausschauend und überlegt am Straßenverkehr teilzunehmen.
Gehört für mich also beides bestraft, das Auto und das Rad.
Interessiert der Bremsweg bei 250 mit dem Auto jemand ? Den meisten kommt doch hier auf MT der Blutdruck außer Kontrolle wenn sie nur lesen das mit einer Wahrscheinlichkeit vom 1 Promille ein allg. TL in D eingeführt werden könnte. Schnell fahren ist doch für viele die letzte Freiheit in Deutschland. Ich denke dann kann man das keinem Radler vorwerfen.
@Steven4880
Der Radfahrer ist vorausschauend gefahren und mit einem grob verkehrswidrigen Angriff von hinten musste er nicht rechnen. Leider denken in der Region Stuttgart viele wie Du: Fahrräder sind Spielzeuge oder Sportgeräte, die nicht auf der Straße fahren sollten, damit die armen PKW keine Rücksicht nehmen müssen. Übrigens bremst ein Fahrrad bei Tempo 60 keine 70 Meter lang.
Zitat:
@Steven4880 schrieb am 23. Juni 2025 um 20:56:56 Uhr:
Mit dem Fahrrad hat man auf ebener Straße, mit 60 Km/h, durchschnittlich einen Bremsweg von 70m. Hier sogar bergab. 🤔
Das Gefälle hat keinen Einfluß auf den Bremsweg.
Zitat:
@Timbow7777 schrieb am 23. Juni 2025 um 21:46:59 Uhr:
Das Gefälle hat keinen Einfluß auf den Bremsweg.
Das interessiert mich jetzt aber warum das so ist.
Das ist auch nicht so, weil das Gefälle dem Fahrzeug zusätzliche Energie verschafft die durch die Bremsen abgebaut werden muss. Dieses Erlebnis hatte ich bei meiner ersten Auslandsfahrt in der damaligen CSSR mit dem Trabbi bergab. Die Trommelbremsen waren fällig überfordert. Ich war bis dato nur Flachlandfahrten gewohnt.
Zitat:
@Clio.0815 schrieb am 23. Juni 2025 um 21:58:38 Uhr:
Das interessiert mich jetzt aber warum das so ist.
Die Bremsen wandeln die der gefahrenen Geschwindigkeit innewohnende kinetische Energie um, bis das Fahrzeug steht. Wenn das Fahrzeug steht, ist es vollkommen egal, ob es in der Ebene steht oder in einem Gefälle, denn in beiden Fällen liegt dann die kinetische Energie bei Null.
Zitat:
@Diedicke1300 schrieb am 23. Juni 2025 um 22:03:26 Uhr:
Dieses Erlebnis hatte ich bei meiner ersten Auslandsfahrt in der damaligen CSSR mit dem Trabbi bergab. Die Trommelbremsen waren fällig überfordert.
Das passiert beim Dauerbremsen anstelle vom Intervallbremsen, denn dann haben die Bremsen keine Möglichkeit zur Abkühlung und das ist dann das gefürchtete Brems-Fading.. Auch wenn das im Gefälle passiert, ist das eine vollkommen andere Baustelle.
Zitat:
@Timbow7777 schrieb am 23. Juni 2025 um 22:06:48 Uhr:
Die Bremsen wandeln die der gefahrenen Geschwindigkeit innewohnende kinetische Energie um, bis das Fahrzeug steht. Wenn das Fahrzeug steht, ist es vollkommen egal, ob es in der Ebene steht oder in einem Gefälle, denn in beiden Fällen liegt dann die kinetische Energie bei Null.
Du darfst hier nicht die Energie vergessen die durch das Gefälle hinzu kommt. Das ist genau die Energie die das Auto auf einem Gefälle ohne Motor rollen lässt. Die Energie steigt mit der Geschwindigkeit ind der Größe des Gefälles.
Du meinst also das der Bremsweg von 100 auf 0 in der Ebene genauso lang ist wie bei einem Gefälle von 45 Grad ?