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Flatrate statt Autokauf: Abo-Modelle von Mercedes, Sixt, Volvo und Co - Das Netflix für Autos kommt nach Deutschland

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Am Weg vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister liegt das "Auto als Service". Mercedes bietet ab Ende März die Auto-Flatrate an. Sind diese Abo-Modelle attraktiv?

Cabrio für den Wochenendausflug? Mercedes beginnt im März 2018 mit dem Pilotprojekt "Mercedes me Flexperience" Cabrio für den Wochenendausflug? Mercedes beginnt im März 2018 mit dem Pilotprojekt "Mercedes me Flexperience" Quelle: Daimler

Berlin – Autohersteller, diese Beschreibung ihres Geschäftsfelds klingt heute selbst für Autohersteller etwas angestaubt. Seit Jahren reden die Unternehmen über Umbauten am Business, die ihnen die Zukunft sichern sollen. Die Eisenbieger von einst wollen Mobilitätsdienstleister werden. Aus dem Produkt Auto wird eine ganze Markenwelt - so, wie auch das Smartphone nicht nur ein Stück Elektronik ist.

Das Auto bleibt zentraler Teil des Angebots. Aber es wird viele Autos. „Car as a Service“ heißt das. Es ist ein Schritt auf dem Weg zum Mobilitätsdienstleister. Das Schöne daran: Die Hersteller können weiter Autos bauen, anbieten und damit Geld verdienen - müssen sie dafür aber nicht verkaufen. Der Autobesitzer wird zum Autonutzer. Er zahlt eine Flatrate oder eine Abo-Gebühr und kann aus einem Pool verschiedener Autos wählen und dabei öfter mal das Modell wechseln.

 

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In den USA bieten die ersten Hersteller bereits derartige Abo-Modelle an. Porsche hat es „Passport“ genannt und testet seit 2017 in Atlanta. Bei Cadillac heißt das Modell „Book by Cadillac“, die Pilotphase läuft in New York und Umgebung. Dallas und Los Angeles sollen folgen, Europa und Deutschland ebenfalls.

Auto-Flatrate von Mercedes zunächst in NRW

Derzeit erprobt Cadillac die Auto-Flatrate in New York und Umgebung, Dallas und Los Angeles folgen in Kürze Derzeit erprobt Cadillac die Auto-Flatrate in New York und Umgebung, Dallas und Los Angeles folgen in Kürze Quelle: Cadillac Mercedes dürfte hierzulande als erster Autohersteller eine Flatrate anbieten. Die Marke hat vor Kurzem die Einführung von „Mercedes me Flexperience“ angekündigt. Betreut wird die Pilotphase von den Händlergruppen Lueg und Beresa in Nordrhein-Westfalen. Kunden aus dem Raum Münster/Osnabrück sollen ab Ende März bedient werden. Lueg startet kurz darauf im Raum Bochum/Essen.

Flexperience-Kunden können dann aus vier Kategorien auswählen, die nach den Fahrzeugklassen bei Mercedes benannt sind. Die günstigste A-Kategorie soll 750 Euro im Monat kosten, für die teuerste S-Kategorie werden 1.800 Euro fällig. Dazwischen liegen C und E. Die komplette Liste der jeweils nutzbaren Modelle veröffentlicht Mercedes noch nicht. Doch eine Sprecherin sagte zu MOTOR-TALK, dass die Autos grob mit der Mercedes-Nomenklatur übereinstimmen werden.

S-Klasse-Kunden haben demnach die Wahl aus sieben Fahrzeugen aus der Oberklasse und allen Fahrzeugen der kleineren Kategorien. Bei der E-Klasse wird es neben den naheliegenden Modellen mit dem E im Namen beispielsweise die V-Klasse geben. In die C-Klasse gehören neben der C-Klasse-Limousine oder dem Kombi das SUV GLC oder der Roadster SLC. Die A-Klasse umfasst vor allem Kompaktmodelle. Die Gesamtlaufleistung ist auf 36.000 Kilometer begrenzt.

Porsche bietet in den USA mit Passport ein ähnliches System. Hier gibt es die Einstiegskategorie "Launch" für 2.000 Dollar (ca. 1.600 Euro) im Monat und "Accelerate" für 3.000 Dollar (ca. 2.430 Euro). Im recht saftigen Preis inbegriffen sind unbegrenzte Meilen, Anlieferung per Concierge-Service und so viele Fahrzeugwechsel wie gewünscht. Bei Cadillac läuft es ähnlich und kostet 1.500 Dollar (ca. 1.215 Euro).

12 Autos in 12 Monaten mit der "Flexperience"

In Atlanta testet Porsche das Flatrate-Modell Passport, es gibt zwei Pakete zur Wahl, Launch (2.000 USD) und Accelerate (3.000 USD) In Atlanta testet Porsche das Flatrate-Modell Passport, es gibt zwei Pakete zur Wahl, Launch (2.000 USD) und Accelerate (3.000 USD) Quelle: Porsche Das bietet Mercedes hierzulande nicht. Innerhalb von zwölf Monaten kann man elfmal das Auto wechseln. Das heißt jedoch nicht, dass man jedes Auto rund einen Monat fahren muss. Möglich wären auch zwölf Autos in einem Monat. Wahrscheinlicher dürfte folgendes Szenario sein: Man tauscht die E-Klasse-Limousine nach zwei Monaten Alltag gegen die V-Klasse, fährt damit zwei Wochen in den Familienurlaub und wechselt danach aus Neugier auf das SUV GLE. An den Sommerwochenenden tauscht man ab und zu auf ein Cabrio.

Bleibt die Frage: Was passiert, wenn die Nachfrage nach Cabrios an den Wochenenden das Angebot übersteigt? Oder die nach V-Klassen das Angebot in den großen Ferien? Das will Mercedes in der Pilotphase herausfinden. Die Händler greifen dabei auf ihre Vermietungsflotte zurück. Lueg und Beresa halten im Rahmen von MB Rent quasi alle Modelle von A- bis S-Klasse vor.

Wie kurzfristig sich Kunden für einen Fahrzeugwechsel entscheiden können, hängt laut Mercedes vom Händler ab. Bei Beresa geht man davon aus, dass ein Fahrzeugwechsel ohne Probleme von heute auf morgen möglich sein wird, wie uns ein Mitarbeiter mitteilte. Allerdings nur, wenn das gewünschte Modell für den entsprechenden Zeitraum verfügbar ist. Wie hoch der Aufwand dafür ist und ob man Flexperience-Kunden zu oft die Experience verderben muss, weil Autos fehlen, soll der Testlauf zeigen.

Fahrzeugwechsel per Smartphone-App

Kunden können Ford Canvas für einen Monat bis zu einem Jahr abonnieren. Ein Monatsgrundbetrag wird immer fällig, auch wenn man gerade kein Auto fährt Kunden können Ford Canvas für einen Monat bis zu einem Jahr abonnieren. Ein Monatsgrundbetrag wird immer fällig, auch wenn man gerade kein Auto fährt Quelle: Ford Der Prozess läuft komplett über eine Smartphone-App. Dort kann der Kunde sehen, welche Autos verfügbar sind. Er kann sie reservieren, buchen und die Übergabe vereinbaren. Für den Tausch muss er selbst zum Autohaus kommen. Während der Pilotphase muss das während der Geschäftszeiten passieren. Das Ziel ist, auch dies per App zu lösen. Analog zum Carsharing bei Car2go. Wie viele Kunden sich für die Flatrate entscheiden werden, dazu will Daimler noch keine Mutmaßungen anstellen. Auch das soll die einjährige Pilotphase zeigen.

Mercedes geht mit Flexperience ein gutes Stück über das hinaus, was bislang in Deutschland angeboten wird. Oder wurde. Audi etwa hat erst im vergangenen Sommer Audi Select eingestellt. Hier konnte man in einem Jahr drei verschiedene Audi-Pkw nacheinander fahren. Allerdings mit festgelegtem Wechsel nach vier Monaten. Im Grunde eine Langzeitmiete.

Primär für viele Kurzzeitmieten und als Alternative zu Firmenwagen gibt es Angebote wie Sixt Unlimited. Der Fahrzeugvermieter bietet gegen eine monatliche Flatrate unbegrenzt viele Fahrzeugmieten an. Die Preise starten bei gut 900 Euro für die Kompaktklasse. Für Autos wie die S-Klasse oder den 7er von BMW zahlt man gut 2.200 Euro. Der Fokus liegt auf Flexibilität für vielreisende Geschäftsleute, die so ihr Auto in Frankfurt am Flughafen abgeben und in Barcelona ein neues abholen können.

Von Volvo gibt es das Angebot „Care by Volvo“, ein erweitertes All-inclusive-Leasing. Ein XC40 kostet ab 699 Euro im Monat, ein V60 ab 849 Euro. Inklusive sind Versicherung, Pannenhilfe, Kfz-Steuer, Wartung und ein Ersatzfahrzeug. Außerdem können Kunden innerhalb der zwölf Monate Laufzeit für eine Woche kostenlos einen anderen Volvo fahren.

Autos per Flatrate und Abo: Die USA sind weiter

In Atlanta testet Porsche das Flatrate-Modell Passport, es gibt zwei Pakete zur Wahl, Launch (2.000 USD) und Accelerate (3.000 USD) In Atlanta testet Porsche das Flatrate-Modell Passport, es gibt zwei Pakete zur Wahl, Launch (2.000 USD) und Accelerate (3.000 USD) Quelle: Porsche In den USA ist man schon deutlich weiter. Neben Porsche und Cadillac bietet auch Ford mit Canvas in Los Angeles und San Francisco ein Abo-Modell an. Dabei erhalten Kunden gegen eine monatliche Grundgebühr Zugriff auf die Flotte von Canvas. Dazu kommt eine monatliche Gebühr, die je nach gewähltem Auto variiert sowie die Kosten für ein Kilometerpaket.

Nach einem ähnlichen System arbeiten herstellerübergreifende Anbieter wie Flexdrive (Atlanta, Austin, Philadelphia) oder Fair, die aktuell mit 283 Händlern zusammenarbeiten. Hinzu kommen zahlreiche lokale Angebote von Händlern. Die übrigens dieselbe Software der Firma Clutch aus Atlanta benutzen wie Porsche Passport.

Deutschland ist in der Hinsicht noch Entwicklungsland. In Zukunft werden mehr Autohersteller Flatrates und Abo-Modelle anbieten. Porsche etwa denkt darüber nach, Passport an weiteren Standorten anzubieten. In Atlanta wurden 64 Verträge abgeschlossen. Den Zuffenhausenern gefällt, dass rund 80 Prozent der Kunden zuvor keinen Porsche fuhren, außerdem seien sie mit rund 45 Jahren deutlich jünger als der durchschnittliche Porsche-Käufer. Wie genau es mit Passport weitergehen soll, verrät Porsche noch nicht. Auch BMW erzählt noch nichts über konkrete Pläne. Ein Pilotprojekt in Nordamerika scheint aber realistisch.

Auch markenunabhängige Anbieter dürfte der Markt reizen. Denn auf die Erkenntnis, dass man sich nicht auf ein bestimmtes Modell festlegen muss, folgt die Frage: Warum soll ich mich auf einen Hersteller festlegen? Die Loyalität der Kunden zur Marke zu stärken, gehört schon jetzt zu den großen Herausforderungen der Autobauer. Und diese Herausforderung wird mit steigender Flexibilität der Kunden nicht kleiner.

 

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