• Online: 3.740

Pressesprecher der Vernunft

Ohne deutsche Markenbrille.

Fri Aug 25 10:29:54 CEST 2017    |    fm672    |    Kommentare (5)    |   Stichworte: Abgasskandal, Diesel, Stickoxid, VW

1. Schiffe fahren nicht durch Innenstädte

 

Immer wieder wird die aus der Boulevard-Presse bekannte Überschrift "Die 14 größten Schiffe stoßen mehr Stickoxid aus als alle Autos zusammen" verbreitet. Diese fahren allerdings nicht durch Innenstädte und sorgen somit nicht für die gefährlich hohe Konzentration in Wohngebieten - im Gegensatz zu Autos.

Außerdem ist es ein Kindergartenargument, zu sagen "aber andere machen noch viel mehr Dreck". Diejenigen, denen Umweltbewusstsein komplett egal ist, sind oft auf einmal ganz groß darin, die vermeintlich größten Umweltzerstörer zu finden; dass gegen diese aber auch nichts getan wird, ist ok für sie.

 

2. Die Hersteller haben Gesetze übertreten, nicht nur Lücken in Vorschriften ausgenutzt

 

Die Hersteller haben gegen deutsches und europäisches Recht verstoßen. Auch diejenigen, die per Thermofenster betrogen haben und das Scheinargument "Motorschutz" vorschieben. Dazu gibt es ein Rechtsgutachten, was diese Lüge in der Luft zerreißt. In einem Youtube-Video mit einem Interview eines Professors der Uni Darmstadt wird auch noch einmal erklärt, wie lächerlich es ist, dass Hersteller und Verkehrsministerium sich ernsthaft auf den Motorschutz berufen.

Komplett unstrittig ist es bei der VW-Abschalteinrichtung mit Prüfstandserkennung. Hier wagen es nichtmal Hersteller und Verkehrsministerium, darüber Lügen zu verbreiten.

 

3. Stickoxid-Grenzwerte wurden nicht gewürfelt, sondern sinnvoll gesetzt

 

Momentan wird die Gefährlichkeit von Stickoxiden oft heruntergespielt und die Grenzwerte, die seit Jahren gelten, auf einmal in Frage gestellt. Es steht jedem frei, sich mit der Entscheidungsfindung auseinandersetzen und seine Gründe darzulegen, wie hoch ein korrekter Grenzwert sein sollte. Punkt 4) sollte dabei nicht vergessen werden.

Wenn man in einer Stadt wohnt, in der man dauerhaft zu hohen Stickoxid-Werten ausgesetzt ist, kann das zu Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.

Früher wurde auch das Ruhrgebiet zugerußt ohne Ende; heute wird halt auch mal auf die Gesundheit der Menschen geachtet. Die Grenzwerte sind ja nicht einmal zu viel verlangt; siehe Punkt 6)

 

4. Unterschiede zu den Industrie-Arbeitsplatz-Grenzwerten begründen sich darin, dass die Allgemeinbevölkerung einen höheren Schutz braucht als gesunde Erwachsene

 

Asthmakranke Kinder und Schwangere arbeiten nicht als Schweißer. Hier ein ARD-Faktenfinder zu dem gerne komplett irreführend verwendeten Argument: http://faktenfinder.tagesschau.de/...-grenzwerte-arbeitsplatz-101.html

 

5. Es spielt keine Rolle, wie viele Stickoxid-Tote es genau sind - je niedriger die Emissionen, desto weniger Tote

Ständig werden Studien angezweifelt, die Zahlen von Stickoxid-Toten nennen. Das ist nur ein Ablenkungsmanöver, wie so oft in der Diesel-Debatte. Stickoxide sind giftig und wenn man sie wirkungsvoll begrenzen kann, sollte man das tun, siehe Punkt 4) und 6).

 

6. Die Technologie, um die Grenzwerte einzuhalten, ist vorhanden; Alternativen ebenso

 

Die Technik, die Grenzwerte einzuhalten, ist vorhanden und wenn die zu teuer ist, gibt es noch genügend andere Alternativen zu Diesel (Benzin, Hybrid, Elektro, Wasserstoff, CNG, LPG), die allesamt viel weniger bis keine Probleme bereiten, die Grenzwerte einzuhalten (bei Direkteinspritzer-Benzinern reicht ein Filter; das ist kein Vergleich zu den Chemiefabriken, die für einen Diesel notwendig sind).

 

7. Kein Hersteller geht Pleite, wenn er adäquat nachrüstet.

 

Die Hersteller sind milliardenschwere Konzerne und keine kleinen Familienbetriebe. Natürlich könnten die eine Nachrüstung stemmen. Für die Zulieferer wäre das sogar ein Konjunkturprogramm. Die Alternative zur Nachrüstung ist nur die Rücknahme und nicht etwa das tolerieren von illegalem Verhalten.

 

8. Zigtausend Rücknahmen sind teurer als Nachrüstungen

 

9. Sammelklagen existieren und sie sind risikolos und mit minmalem Aufwand möglich

 

Es gibt in Deutschland Sammelklagen gegen VW, denen sich schon Tausende angeschlossen haben; die Aussicht auf Erfolg ist hoch und es ist risikolos. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte selbst klagen, dann muss dem Anbieter der Sammeklage keine Provision des Gewinns im Erfolgsfall gezahlt werden.

Auch Betrug per Thermofenster ist schon in Deutschland vor Gericht, allerdings noch nicht in einer großen Sammelklage. Als Betroffener sollte man sich anwaltlich oder in einer Verbraucherzentrale beraten und sich mit anderen Betroffenen zusammentun.

 

10. Die Hersteller tragen die Hauptschuld

 

Nicht die Städtebauplaner oder der Gesetzgeber oder sonstwer sind Schuld daran, dass die Grenzwerte nicht eingehalten wurden. Hier wird oft (absichtlich?) das Verursacherprinzip vergessen. Die Hersteller hatten Gesetze einzuhalten, was sie nicht getan haben (siehe Punkt 2). Und sie hätten es tun können (siehe Punkt 6). Die Politik hätte längst den NEFZ ersetzen sollen (was die Autlobby zunächst verhindert hat) durch WLTP und RDE-Messungen; die Behörden und Forscher hätten genauer hinschauen müssen und die Medien früher kritisch nachfragen müssen, aber das ändert nichts daran, dass die Hersteller die Hauptschuld an der Gesundheits- und Umweltbelastung tragen sowie daran, wenn jemand von Fahrverboten und Restwertverlust betroffen ist. Deswegen macht es keinen Sinn, einseitig auf die Politik, Justiz oder Verbraucherorganisationen zu schimpfen. Man sollte auch darüber nachdenken, ob man der Profitgier riesiger Konzerne oder der eigenen Gesundheit und Umwelt einen höheren Stellenwert einräumt.

 

 

Es gibt immer mehr Motor Talk - User, die AfD- / breitbart-News - ähnlich argumentieren und die irreführenden bis falschen Meldungen aus Verschwörungstheorie-Blogs oder der Boulevard-Presse (Focus / Auto"journalismus" / Springer-Verlag: BILD, WELT) permanent wiederholen. Ich kann da nur empfehlen, sich in seriösen Medien zu informieren. Z.B. Süddeutsche (leicht links), FAZ (leicht rechts) oder tagesschau.de (sehr neutral).

Hat Dir der Artikel gefallen? 9 von 11 fanden den Artikel lesenswert.

Fri Aug 25 20:54:57 CEST 2017    |    Blackmen

Die Luftqualität in den Innenstädten dürfte noch schlimmer wie nach den offiziellen Messungen sein…

 

Da die Entnahmerohre der Luft an den Messstationen (gewollt oder nicht?!) in drei Meter Höhe liegen und die Luftqualität in Bodennähe immer belasteter wird.

 

Erwachsene atmen ihre Luft aber nicht in drei Meter Höhe sondern nur zwischen 1,5 und 2 Meter. Diese Luft-„qualität“ ist aber nicht in der Messung, wird aber geatmet.

 

Noch schlimmer ist das für Babys und Kleinkinder die die ganze Luftbelastung in Bodennähe abbekommen und einatmen müssen.

Mon Sep 04 16:13:16 CEST 2017    |    158PY

Fakt ist, dass jedes Fahrzeug in der Stadt eine Belastung für die Anwohner darstellt und die Belastung so gering wie technisch möglich sein sollte. Diesel ist besonders lästig und müsste umso besser gereinigt werden und genau das ist nicht der Fall. Da kann ich den Ärger gut nachvollziehen, auch wenn ich selbst einen Diesel fahre. Die Ausreden lassen mir als Techniker nur noch die Haare zu Berge stehen.

Thu Sep 07 22:43:49 CEST 2017    |    Trackback

Kommentiert auf: Allgemeine Kaufberatung:

 

Aktuell keinen Neuwagen schlechter als Euro 6c / Euro 6d-TEMP kaufen? Auf Mazda warten?

 

[...] werden angeblich nicht überschritten und Betrug gibt es auch nicht. Zum Einen scheint der Focus hier selbst den unumstrittenen VW-Betrug "vergessen" zu haben und zum Anderen wurde sehr wohl betrogen: https://www.motor-talk.de/.../...ro-abgasbetrug-entlarvt-t6125050.html

In keiner [...]

 

Artikel lesen ...

Tue Sep 19 10:32:00 CEST 2017    |    Trackback

Kommentiert auf: Motoren & Antriebe:

 

Diesel bei PKW - Anfällig, dreckig, steuerbegünstigt

 

[...] Gibt es immer noch Leute, die das Schiff-Argument verwenden? Das ist so unglaublich dämlich... https://www.motor-talk.de/.../...ro-abgasbetrug-entlarvt-t6125050.html

 

Wenigstens weiß man immer direkt, dass es sich nicht lohnt, den Rest des Posts zu lesen.

[...]

 

Artikel lesen ...

Thu Sep 21 17:44:15 CEST 2017    |    Bahnfrei

"Die 15 größten Schiffe stoßen mehr Stickoxid aus als alle Autos zusammen" oder alternativ

"Die 15 größten Schiffe stoßen mehr CO2 aus als alle Autos zusammen".

Sollte das tatsächlich jemand behaupten, so ist das falsch oder auch von sehr vielen Medien falsch zitiert.

Gemeint ist:

 

"Die 15 größten Schiffe stoßen mehr SCHWEFELoxid aus als alle Autos zusammen".

 

Ja, das stimmt tatsächlich. Aber am verwendeten Treibstoff wird eine Änderung durchgeführt, die ohne Umrüstung auch nur eines Schiffs auf einen Schlag den Schwefeloxidausstoß sämtlicher schweröltankender Schiffe der Welt um 86% reduziert! Mach diese Verbessrung mal beim Diesel.

https://www.bmvi.de/.../171-ferlemann-imo-schwefellimit.html

Hintergrund: Derzeit darf der Treibstoff für Schiffe noch 3,5% Schwefel enthalten, zukünftig jedoch nur noch 0,5% (zum Vergleich: PKW-Diesel nur 0,001%).

 

Das geht zwar erst ab 2020 los, ist aber weit mehr als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Zugegeben, große Schiffe sind damit dennoch sehr dreckig, die Entwicklung bleibt dort aber auch nicht stehen.

Das Argument "ich ändere nichts, weil andere auch nichts ändern" ist wie du ja schreibst Unsinn, weil dann keiner mehr irgendwo eine Verbesserung durchführen würde. Noch dazu ist das im konkreten Fall auch noch falsch.

Deine Antwort auf "Die 10 dümmsten Argumente PRO-Abgasbetrug entlarvt"

Blogautor(en)

fm672 fm672


 

Banner Widget