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Tue Mar 22 13:33:50 CET 2016    |    AsiRider    |    Kommentare (49)

1972
Unter Druck des iranischen Scheichs Mohammad Reza Pahlavi, des Halters von ca. 18% der Daimler-Benz-Aktien, beschließt Daimler-Benz in Kooperation mit Steyr-Daimler-Puch die Entwicklung eines Geländewagens für den Einsatz in iranischen Grenzpatrouillen und als Jagdfahrzeug.
[bild=1]

2016
Ich mache die relativ schmale, dünne und dem nichtentsprechend schwere Fahrertür auf. Den Knopf mit dem Daumen drücken, ihn gedrückt halten und am starren Griff ziehen.
Und sofort werde ich von unvorstellbarem Luxus erschlagen. Mit Kaviaröl feinstgegerbte Mammuthäute, wohin das Auge reicht. Alle Hebel aus Kängurugeweih. Alle Tasten aus Augen süßer Welpen mit passenden Irisfarben. Aber all das bescheidenerweise als Nappa, herkömmliches Plastik mit dezenten Metalleinsätzen und Carbon getarnt. Die Stelle, wo diese Tarnung besonders gut gelungen ist, ist, wie es sich später herausstellt, die Innenabdeckung der Handschuhfach-Klappe. Die kann man glatt mit der eines Dacia verwechseln. Dabei ist der Dacia Nova aus den Neunzigern gemeint. Und das Wort „glatt“ ist auch nicht zufällig gewählt.
[bild=2]... „Moment! Carbon?“ Ich gehe etwas misstrauisch zum Fahrzeugheck, um mich zu vergewissern, dass da tatsächlich ein „G500“-Schriftzug und nicht „GTs“ dran ist. Ein mit etwas Sonderausstattung über 2,6 Tonnen-schweres Wohnzimmer mit Leichtbau-Zitaten aus dem Rennsport? In diesem Augenblick wird mir schlagartig klar, mit was für Geschäftsidee ich zum Milliardär werde – Carbon-Langhantel!
[bild=3]Ich entere das Fahrzeug. Die linke Hand aufs beheizbare Lenkrad, den linken Fuß aufs Trittbrett (Achtung: Rutschgefahr bei Nässe, Ledersohlen und Schockstarre durch die Innenabdeckung der Handschuhfach-Klappe!) und mich mit einer Vierteldrehung des gesamten Körpers gegen den Uhrzeigersinn um das linke Bein herum, den Kopf leicht einziehend auf den Fahrersitz schwingen. Die Augenzeugen berichten, dass ich dabei genauso graziös wirke, wie Mikhail Baryshnikov mit seinen 67 Jahren beim Besteigen eines Wasserklosetts nach einer Flatrate-Party.
Ich begutachte den Innenraum. Er ist überwiegend gradlinig mit weichen Ecken gestaltet, einigermaßen passend zum Außendesign. Das iPad von Bildschirm des serienmäßigen Multimediasystems namens Comand Online liegt optimal im Blickfeld des mittleren Fahrgastes aus der zweiten Sitzreihe. Die Adäquatheit (das ist tatsächlich das adäquate Substantiv von „adäquat“) der gestalterischen Integration des Bildschirms konkurriert mit der der Carbon-Paneele.
[bild=4]Die Ausstattung sorgt für Luxussorgen. Beispielsweise, wieso ist nur Belüftung, aber keine Massagefunktion für die vorderen, serienmäßig beheizbaren Sitze verfügbar, wenn man diese sogar bei deutlich günstigeren Mercedes-Benz-Modellen bekommt? Technisch müsste man am Fahrzeug selbst kaum etwas dafür verändern. Oder warum ist keine 360°-Kamera, oder zumindest eine Videodrohne mit Carbongehäuse zum Erleichtern des Einparkvorgangs bestellbar, wenn... – das Argument von vorher gilt auch hier. Genauso mit fehlender Verkehrsschilder-Erkennung und vermisstem Head-up-Display.
Ich checke Ablagemöglichkeiten für Portemonnaie, Schlüssel, Handy etc. Sie sind vorhanden. Das traditionelle Fangnetz für entlaufene Kaffeebecher auf der Beifahrerseite auch. Die Abwesenheit eines Brillenfachs kompensieren die Fächer unter den Vordersitzen. Die der Flaschenhalter ebenfalls. Andererseits, wofür braucht man noch Flaschenhalter, wenn man schon eine G-Klasse hat? Falls Sie keine Logik darin sehen, wird es Sie vielleicht beruhigen, dass es mir auch nicht anders geht.
Ich schaue mich um. Zuerst ein Blick nach vorne. Ich sehe die Brooklyn Bridge, die Rückseite des Mondes und das Ende der Flüchtlingskrise. Mehr Sicht nach vorne hat man nur in einer Krankabine. Mehr Höhenangst, übrigens, auch. Viele Motorräder bieten eine schlechtere Sicht auf die Fahrzeugfront, als die G-Klasse.
[bild=5]Die Rundumsicht liegt ganz knapp unter dem durchschnittlichen Odtimer-Cabrio-Niveau. Das macht den generell überflüssigen Totwinkelassistenten noch überflüssiger, da man ein neben sich fahrendes Fahrzeug fast gleichzeitig mit dem roten Dreieck im entsprechenden Außenspiegel, der eine absolut kritikfreie Sicht ermöglicht, bemerkt. Und generell überflüssig ist er, weil er erfahrungsgemäß nur auf der Autobahn einigermaßen sinnvoll ist, aber im Stadtverkehr fast ununterbrochen leuchtet und somit jeden gewöhnlichen Spurwechsel in Frage stellt – mit solchen Freunden braucht man keine Feinde.
Über die Sicht nach hinten gibt es durch ihre Abwesenheit nichts zu berichten. Das, was man durch die kleine und hoch platzierte Heckscheibe noch irgendwie sehen könnte, verdecken die Ersatzradabdeckung und die mittlere Kopfstütze der hinteren Sitzreihe. Letztere würde ich zwecks einfacheren Einparkens direkt demontieren, wenn man nicht immer zu Fünft unterwegs ist. Aber zum Thema „Einparken“ komme ich noch.
[bild=6]Ich suche nach einer passenden Sitzposition. Sie scheint irgendwo ganz nahe, aber doch unerreichbar zu sein. Bei meinen 173 Zentimetern des Napoleon-Komplexes habe ich relativ lange Beine (Jeanslänge 32), aber einen etwas kürzeren Oberkörper und dementsprechend kürzere (aber nicht wirklich kurze) Arme. Dabei ist es generell eine schnelle Nummer, auf dem grundsätzlich sehr bequemen und mit umfassenden Einstellungsmöglichkeiten (Sitzflächenhöhe und –Neigung, aufblasbare Schenkelauflage, Rücklehnenneigung, Lordosenhöhen- und -Tiefenverstellung, Seitenwangenverstellung, Kopfstützenhöhenregulierung) versehenen Fahrer- (ebenso wie dem Beifahrer-) -Sitz eine passende Lage zu erreichen. Aber es wäre wünschenswert, wenn ich als Fahrer noch ans Lenkrad und, was auch nicht ganz irrelevant ist, an die Pedale kommen könnte. Am Liebsten gleichzeitig. Und hier beginnen die Schwierigkeiten. [bild=7]Deren Hauptgrund liegt am Bremspedal, das ich zuerst draußen auf dem Parkplatz suche und dann ganz zufällig links von der Lenksäule finde. Also dort, wo bei vielen Autos mit Schaltgetriebe noch das Kupplungspedal ist. Die Frage „Warum wurde es bei einem elektronisch gesteuerten Bremssystem nicht etwas mehr nach rechts versetzt?“ gehört offenbar zu der selben Kategorie, wie die „Wofür braucht man den Blinddarm?“. Besonders, wenn auch die tiefste Position des Fahrersitzes Bus-hoch ist und sogar bei mir für einen Winkel zwischen dem Unterschenkel und dem Fahrzeugboden sorgt, den selbst die G-Klasse mit ihrer Steigfähigkeit von bis zu 100% nicht schaffen würde. Dabei würde allein eine stabile, etwas breitere Bremspedalauflage das Problem spürbar entschärfen, da man sich zwischen dem Brems- und dem Gaspedal ein Taxi nehmen muss. Das heißt im Endeffekt: Entweder finde ich eine Sitzposition, bei der ich bequem an die Bremse komme (den Sitz komplett nach unten, damit kein unangenehmer Kniewinkel entsteht), aber das (komplett herausgefahrene und in der untersten Position stehende) Lenkrad und das Gaspedal kaum erreiche, oder eine, bei der ich gut lenken und Gas geben kann, aber die Bremse nur im rechten Kniewinkel und mit dem unnatürlich nach links verdrehten rechten Fuß betätigen kann (den Sitz nach vorne und relativ hoch), was nicht nur unbequem und ziemlich schnell schmerzhaft, sondern auch in Sachen Fahrzeugbedienung sehr gefährlich wäre. Nach mehreren Versuchen, bei denen ich auch mit Sitzflächen- und Rücklehnenneigung sowie der Schenkelauflage experimentiere, finde ich einen Kompromiss, der aber wirklich nur als Kompromiss betrachtet werden darf, bei dem mein linker Fuß die für ihn bestimmte Ablagefläche kaum erreicht. Einen Tag später komme ich auf eine Idee, die weniger ästhetisch, aber ziemlich praktisch ist – ein kleines, zusammengefaltetes Tuch unter der Matte, an der Stelle der Ablage für den linken Fuß verbessert signifikant sowohl den Sitzkomfort, als auch die Integration ins Fahrzeug. Noch ein paar Tage später spreche ich mit zwei Bekannten, - einer von denen ist ca. 8 Zentimeter größer als ich und macht gleichzeitig mit mir eine Probefahrt einer G-Klasse; der Andere - ein Mechatroniker bei der Düsseldorfer Mercedes-Benz-Werkstatt - ist noch größer und fährt ab und zu eine G-Klasse – beide haben ähnliche Probleme mit der Sitzposition.
[bild=8]Ich klappe die mittlere Armlehne auf, schließe mein iPhone an und schalte Musik ein. Der Klang des Surround-Soundsystems Harman Kardon Logic 7 mit Dolby Digital 5.1, 12 Lautsprechern und einer Gesamtleistung von 450 Watt ist spürbar weniger schlecht, als der des gleichnamigen Systems im A45 AMG. Ob das an der einem Lautsprecher ähnelnden Form des Innenraums der G-Klasse liegt?
Ich öffne das Blech-Schiebedach, das diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Der Klang des Soundsystems leidet darunter nur unwesentlich.
Ich mache die Fahrertür mit einem PKW-ungewöhnlich lauten Knall zu, stelle die Spiegel ein, schnalle mich an, stelle den rechten Fuss auf die Bremse, löse die echte mechanische Feststellbremse, indem ich den Hebelknopf drücke, den Hebel leicht nach oben ziehe und dann komplett unten versenke.

Als ich den Motor starten möchte, bemerke ich eine ungefähr 40 Jahre junge Frau und einen ca. 5 Jahre weniger jungen Mann, dem Kennzeichen ihres Autos nach, aus Griechenland. Der Mann kommt auf mich zu und zeigt mir „Daumen hoch“. Ich bedanke mich auf Englisch. Der Mann fragt mich mit einer verbal-gestikulären Kombintation, bestehend aus „How much“ und einem Fingerschnips-ähnelnden Aneinanderreiben von dem Daumen, dem Zeige- und dem Mittelfinger der linken Hand nach dem Preis des Fahrzeugs. „One hundred thirty thousand.“ – antworte ich. Offenbar nicht verstanden schaut er seine Begleiterin fragend an. Sie übersetzt ihm das von mir Gesagte. „Euro?“ – fragt der sichtbar verunsicherte Mann. Ich nicke bestätigend mit dem Kopf. „F*ck!“ – rutscht meinem Smalltalk-Partner heraus. Ich nicke nochmals bestätigend mit dem Kopf. Während ich auf die Handschuhfach-Klappe schiele.

1993
Daimler-Benz stellt den ersten V8 als 500GE mit 241 PS (177 kW) vor und führt die offizielle Bezeichnung „G-Klasse“ ein.

2016
[bild=9]Ich starte den Motor. Die Welt hinter der Windschutzscheibe wackelt ein paar Mal. Ausgerechnet in diesem Moment höre ich ein altes amerikanisches Auto ganz nahe an mir vorbeifahren. Ich schaue mich um und suche nach ihm. Bis ich verstehe, dass dieser Sound unter der Motorhaube meines Fahrzeugs stattfindet.
Ich bringe den Getriebewahlhebel in die Position „D“, setze den Blinker, kontrolliere das Fahrzeugumfeld und möchte losfahren.
... „Warum geht das Innenraumlicht nicht aus?“ Der erste Gedanke, obwohl er mir in dem Moment lustig vorkommt, ist jedoch richtig: die Fahrertür ist nicht vollständig geschlossen.
Ich kontrolliere, dass keiner von links kommt, mache die Fahrertür noch mal auf und danach wieder zu. Mit ordentlich Schwung. So dass ein herkömmliches Auto danach noch ein paar Sekunden lang wackeln würde. Die Innenraumbeleuchtung geht sofort aus.
Ich kontrolliere wiederholt das Fahrzeugumfeld und fahre an. Das Gaspedal bietet einen angenehmen Widerstand – nicht zu leicht- und nicht zu schwergängig. Das Ansprechen des Motors aufs Gaspedal, ob im C-, oder im S-Modus verdient ein Lob. Das Ansprechen des Gehirns auf den Motor gleicht einer Lobotomie: Die Nervenbahnen zwischen Thalamus und Frontallappen werden durchtrennt und durch Einspritzventile ersetzt – bei jeder Betätigung des Gaspedals werden Endorphine direkt ins Gehirn eingespritzt.
[bild=10]Der 4 Liter-Motor des G500 hat nicht nur werksangegebene 310 kW / 422 PS und 610 Nm, sondern alles, was die Kinder der Siebzigerjahre (wie ich) cool fanden: sowohl einen V8, als auch zwei Turbolader. Was er selbst mit der optionalen Sportabgasanlage nicht hat, ist der nach Aufmerksamkeit schreiende Sound der aktuellen AMG-Modelle. Bei Teillast klingt er tief blubbernd, selbstbewusst, nicht durch einen Soundaktuator künstlich erzeugt, sondern so real, wie ein Traum nur sein kann. Dabei brüllt er sich beim Vollgas die Kolben aus dem Motorblock, aber ohne übertrieben theatralisch zu werden. Eine ausgesprochen gelungene Kombination aus Faszination und Alltagstauglichkeit, kein Kompromiss. Möglicherweise die Beste überhaupt.
Die Leistungsentfaltung des V8-Biturbos und seine Drehfreude sind wahrscheinlich der Traum eines jeden Motorenentwicklers: Sehr linear, keine Durchhänger und in jedem Drehzahlbereich ordentlich Drehmoment. Das Charakteristische dieses V8-Biturbos ist, dass man sich nicht zwischen Leistung oder Drehmoment entscheiden muss. Man hat Beides. Und zwar immer.
Die Erklärung für die Perfektion dieses Kraftwerks liegt in seiner einzigartigen Geschichte. Als im Jahre 2010 die Abgasbestimmungen drastisch verschärft wurden, brauchte Daimler-Benz einen großen saubereren Motor für die größeren Baureihen. Aus Kostengründen wurde es entschieden, die Entwicklung des eigenen neuen 12-Zylinders um 5 Jahre zu verschieben und stattdessen einen fremden Motor zuzukaufen. Er sollte mit leichten Anpassungen, die sich meistens auf die Motoraufhängung beschränkten, in den bestehenden Baureihen verwendet werden. Nach ausgiebigen Tests fiel die Wahl auf den 6-Liter Biturbo BMW-Motor unter der Bezeichnung M 74 aus der Siebener-Generation F 01. Aus unbekannten Gründen änderte sich die Meinung der Daimler-Benz-Chef-Etage im letzten Moment und es wurde entschieden, diesem Motor 4 Zylinder abzunehmen und ihn als einen V8-Biturbo zu verwenden. Das Problem war aber, dass der Motor nicht mehr mit dem original Biturbo verwendet werden konnte, da er von der Baulänge her nicht mehr passte. Die Lösung kam von Audi in Form des Biturbos aus dem 4-Liter Biturbo-Motor des S8 der Baureihe D4. Somit besaß dieser Frankenstein von Motor die besten Eigenschaften der besten Motoren, die es in den letzten 10 Jahren gab.
Wenn Sie das geglaubt haben, machen Sie lieber eine kurze Pause und holen Sie sich einen Kaffee / ein Bier / einen aus recycelten Früchten hergestellten Smoothie, bevor Sie weiterlesen.
Aber obwohl die tatsächliche Entstehungsgeschichte des im aktuellen G500 verwendeten M 176 nicht so surreal geriet, war sie trotzdem ziemlich ungewöhnlich. Dieser Motor ist eigentlich ein AMG-Triebwerk, das aber nicht nach dem Prinzip „One Man – One Engine“, sondern auf Fließband hergestellt wird. Er besteht sozusagen aus zwei M 133-2 Liter Twinscroll-Turbomotoren der A W 176 / CLA C 117 / GLA X 156 45 AMG-Reihe, die zu einem „heißen V8“ mit 2 zwischen den Zylinderbänken liegenden Turboladern vereint wurden. Ähnliche Motoren (nur im „One Man – One Engine“-Verfahren zusammengesetzt) werden unter der Bezeichnung M 177 mit 476 PS beim C63 AMG und mit 510 PS beim C63 S AMG (Baureihe W/S 205) sowie als M 178 mit Trockensumpfschmierung mit 462 PS beim AMG GT und mit 510 PS beim AMG GT S der Baureihe C 190 eingesetzt.
[bild=11]Die „Hälfte“ von diesem Motor bewegt mich seit über zwei Jahren in meinem A45 AMG und zeigt sich sowohl rennstreckentauglich im Alltag, als auch alltagstauglich auf der Rennstrecke. Man muss ihn nur sorgfältig warm sowie kalt fahren. Und sich nicht wundern, wenn der Kühler nach langen Vollgasetappen nach dem Abstellen des Motors schon mal mehrere Minuten lang nachläuft.
[bild=12]Dabei leistet der "doppelte" Motor des G500 laut Werk nur ca. 30-40 PS mehr, als meiner. Auch das Drehmoment von „nur“ 610 Nm liegt bei Weitem nicht beim Doppelten von meinem mit seinen werksangegebenen 450 Nm. An der Stelle sollte aber erwähnt werden, dass die AMG-Triebwerke für ihre – je nach Modell und Serienstreuung – im Schnitt gut 20-40 PS Mehrleistung gegenüber der Werksangabe bekannt sind. Auch mein Testfahrzeug beschleunigte sowohl subjektiv, als auch laut GPS etwas schneller, als die angegebenen 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Außerdem bestätigte mir ein in der Fahrzeugentwicklung beschäftigter Mercedes-Benz-Mitarbeiter, dass die Werksangaben bei manchen 500ern absichtlich niedriger angesetzt werden, damit die Kundschaft sich nicht fragt „Wozu brauche ich dann einen teureren AMG?“. Ob das auch beim aktuellen G500 der Fall ist, weiß ich allerdings nicht.
Wie dem auch sei, aber der aktuelle G500 ist mit seiner Leistung sogar fast schon etwas übermotorisiert. Salopp formuliert: Wer sich 422 PS leisten kann, wird eine höhere Leistung beim G-Modell nicht vermissen.
Das im G500 verbaute Getriebe namens 7G-Tronic macht im Laufe meiner knapp 500 Kilometer mit dem G500 kein einziges Mal auf sich aufmerksam. Bis auf die Schaltpaddels, die sich in dieses Fahrzeug verirrt haben.
Nur eine Eigenheit ist verbesserungswürdig: Beim Kickdown braucht das Fahrzeug eine Kaffee-Pause, bis es nach vorne springt. Das ist besonders auffällig, weil die Gaspedal-Befehle ansonsten beispielhaft verzögerungsfrei ausgeführt werden.
[bild=13]Und jetzt zum Thema, das für jeden Besitzer eines 130.000 Euro-teuren Fahrzeugs am Wichtigsten ist. Bei einer gutbürgerlichen Fahrweise, zu der die G-Klasse ihren Fahrer auch zwingt, liegt der Verbrauch, sowohl in der Stadt, als auch im Durchschnitt - diese Werte liegen tatsächlich auf ungefähr dem selben Niveau, da bei ca. 120-130 km/h, also einer Geschwindigkeit, bei der die meisten Autos am Wenigsten verbrauchen, der cw-Wert des G500 von 0,54 jegliche Sparsamkeit wegbläst – bei 13-14 Litern pro 100 Kilometer. Bei einer verbrauchsorientierten Fahrweise, also der Allerbrutalsten, die man selbst auf der Rennstrecke kaum überbieten kann – Autobahn-Dauervollgas, dauerhaft Topspeed, immer Durchbeschleunigen, sobald selbst eine ganz kleine Lücke entsteht, von jeder Ampel mit Vollgas, immer so lange es geht am Gas bleiben, spät bremsen und aus jeder Kurve, so gut es geht, herausbeschleunigen etc., komme ich auf maximal 26 Liter. Das Fahrzeug hatte zum Zeitpunkt des Testes ca. 5000 Kilometer runter, war also einigermaßen eingefahren.

[bild=14]Ich stehe auf dem Parkplatz eines Supermarkts. Während ich versuche, meine Einkaufstaschen im Kofferraum verrutschsicher zu befestigen, geht eine ca. 45-jährige Frau in Outdoor-Kleidung in meine Richtung. Als sie nur weniger Meter von mir entfernt ist, wirft sie mir einen vernichtenden Blick zu, sagt (Original-Grammatik): „Wegen solcher wie Sie müssen meine Kinder vergiftete Lüft atmen!“, steigt in einen neben mir stehenden, mit Aufklebern „Anna Lisa on Tour“, „Jacqueline on Board“, „Pascal inside“ und „Atomkraft? Nein, danke!“ getunten Ford Galaxy 1.9 TDI der ersten Generation (Typ WGR), startet den Motor, hinterlässt mehrere schwarze Wolken und verschwindet.

1989
Die neue Baureihe unter der Bezeichnung 463 bekommt serienmäßigen permanenten Allradantrieb.

2016
Ich untersuche sehr aufmerksam das durch die Kraftverteilung auf die Antriebsräder bestimmte Verhalten des Fahrzeugs. Zuerst auf trockenem, danach auf nassem Untergrund.
Wer es noch nicht weiß, hat die G-Klasse einen Allrad. Wer es noch nicht weiß, was ein Allrad ist: Das ist wie vier zusammengeschweißte Fahrräder – ein paar vorne und ein paar hinten – nur ohne Vorderräder, dabei können die vorderen Hinterräder gelenkt werden und man zwar in die Pedale treten, aber nicht kurbeln muss, um zu fahren. Wer es noch nicht weiß, was ein Fahrrad ist: Das ist ein Fahrzeug, bei dem man am Hinterrad kurbeln muss, damit sich das Vorderrad dreht. Und wer es noch nicht weiß, was ein Rad ist: Das sind diese Dinger, die bei einem Allrad vorne gelenkt werden können. Aber genug Theorie.
In der Praxis ist das oben angesprochene Verhalten ausgesprochen neutral. Zu viel Gas am Kurveneingang wird traditionell mit Untersteuern quittiert. Wenn man es mitten in der Kurve mit dem Gas übertreibt, schiebt der G500 über alle 4 Räder mit einer ganz leichten Übersteuertendenz nach außen, aber ohne ausgeprägte Heckschlenker. Dabei ist der Grenzbereich breiter, als der Türsteher, ob im Trockenen oder bei Nässe. Nur in ganz engen Radien sollte man es sich knicken, das Fahrzeug ab dem Scheitelpunkt PKW-mäßig unter Vollgas heraustragen zu lassen, und gefühlvoller mit dem Gas umgehen, da der Reifen des kurvenäußeren Vorderrades spürbar nach innen einknickt, was im Schlimmsten Fall zum Überschlag führen kann. Generell ist es für mich überraschend, wie ausbalanciert, idiotensicher und geschmeidig sich der G500 im Grenzbereich und auch knapp dahinter benimmt. Außerdem möchte ich mich an dieser Stelle bei in 2015 neuabgestimmtem ESP, ASR, 4ETS etc. bedanken, dass ihr da wart! Aber nicht störten. Weder beim kurzen Durchdrehen aller 4 Räder bei jedem Vollgas-Ampelstart, das bei Nässe auch schon mal mehrere Fahrzeuglängen betrug. Noch als mir ebenfalls bei Nässe in einer lang gezogenen mittelscharfen Kurve bei mittelstarker Beschleunigung mit ca. 110 km/h die Hinterasche ins Rutschen kam, was mehr amüsant, als alarmierend war. Und es war herrlich zu spüren, wie die Vorderräder beim Durchdrehen an der Lenkung zerrten. Auch gelegentliche leichte Spannungen im Allrad trugen zum unverfälscht urigen Fahrgenuss bei. Das ist ohne jeglichen Sarkasmus gemeint.
Auf einen Offroad-Test verzichte ich. Ich komme aus einem Land, wo offroad überall on the road stattfindet, außerdem habe ich die G-Klasse bei diversen Offroad-Events auf wirklich anspruchsvollen Strecken erlebt. Sie muss mir nichts mehr beweisen. Ich kann ihr kaum etwas.

Der Fischgrätmuster-Parkplatz (eine einspurige Fahrbahn, die Parkplätze liegen diagonal auf deren beiden Seiten) eines McDonald´s-Restaurants um die Mittagszeit. Alle Parklücken bis auf eine sind besetzt. Diese ist knapp über 2 Meter breit, genauso wie alle Anderen lang und liegt zwar in einer Reihe mit den Anderen, ist aber im Bürgersteig „eingestanzt“ und mit etwas überdurchschnittlich hohen Bordsteinen umschlossen (kein Behinderten-Parkplatz, obwohl er möglicherweise so geplant war). Ich parke auf diesem Parkplatz und gehe zum Restauranteingang.
Als ich zurückkomme, steht auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn, also hinter meinem Fahrzeug ein 7er BMW der E 38-Generation in der langen iL-Ausführung und dann noch gut 50 Zentimeter von dem Bordstein im Frontbereich entfernt, so dass sein Heck ordentlich aus der Parklücke herausragt und somit die ohnehin nicht allzu breite Fahrbahn noch enger macht. Mir ist klar, dass ich selbst nach einem langen Rangieren nicht herauskomme.
Aber zwei Parkplätze rechts von mir sind frei geworden, mich trennt von denen ein ca. 50 Zentimeter breiter Bürgersteig. Ich rangiere das Fahrzeug im Rahmen meiner Parklücke, so dass ich so dicht wie möglich am linken Rand stehe, damit ich die Vorderräder nach rechts bis zum Einschlag stellen kann. Danach fahre ich vorsichtig über den Bürgersteig heraus, komme auf die mittlere Fahrbahn und bleibe kurz stehen, da ein Auto vor mir ausparkt. In dem Moment schaue ich zufällig in den Spiegel und bemerke, wie ein Porsche Cayenne der ersten Generation (Typ 9PA nach dem Facelift im Jahre 2007) versucht, die von mir gerade befreite Parklücke zu besetzen, und über den Bürgersteig klettert. Mein Vordermann fährt vor, ich folge ihm und höre in dem Moment hinter mir Plastik knirschen und platzen.

Liebe Leser,

meine Eindrücke von der Bremsanlage, dem Fahrwerk, der Lenkung und den Alltagseigenschaften des G500 sind im 2. Teil von „Sachlich. Testbericht des G500 V8-Biturbo, W 463 MoPf 2015“ zu finden. Weiterhin feel Spass beim Lesen!

Außen - ein Zuckerwürfel
Außen - ein Zuckerwürfel
Hat Dir der Artikel gefallen? 61 von 62 fanden den Artikel lesenswert.

Tue Mar 29 22:13:55 CEST 2016    |    AsiRider

@flat_D
Du meinst wahrscheinlich den M 157 V8-Biturbo mit 400 kW / 544 PS. Das Vergnügen hatte ich (noch) nicht. Aber die nächste (aktuelle) Ausbautuffe mit 420 kW / 571 PS konnte ich (sehr) kurz erleben. Wobei ich vermute, dass es leistungstechnisch kein wirklich spürbarer Unterschied ist. Aber meine Fahrt war so kurz, dass ich kaum etwas zum Fahrzeug sagen kann. Lediglich, und das ist, natürlich, nur meine persönliche Meinung, fand ich die Klangkulisse des G500 unterhaltsamer, da er mehr Töne beherrscht.

Thu Mar 31 08:23:40 CEST 2016    |    mfk0964

Habe jetzt mal den Artikel genauer gelesen. Leider muss ich sagen, dass die Beschreibung dem Wagen so nicht gerecht wird. Du gehst mit den Augen eines PKW Fahrers an den G ran. Etwa mit den Augen eines Innenarchitekten an einen Brückenbau.
Den G muss man ganz anders bewerten. Z.B. Wie ist der Böschungswinkel in der Praxis? Wann setzt der Wagen auf? Was bringen die Differenzialsperren? Gibts Verspannungen im Antriebsstrang , die den Wendekreise belasten? Wie ist die Reichweite im Gelände? (Wie) kann ich ein 3.5t Boot an der Slipanlage aus dem Wasser ziehen? Wie viel Gepäck und Ski kann ich laden? Wie ist die Wattiefe? Wie hoch sind die Achsen frei? Wie ist die Seitenwindanfälligkeit mit/ohne Trailer? Kann man mit Bordmitteln das Rad im Gelände wechseln oder muss man auf die Bühne? Kupplung an der Stoßstange? Seilwinde mal probiert? So sagt dein Bericht wenig bis gar nichts über den G. 95% kann man zusammenstreichen.

Thu Mar 31 08:38:27 CEST 2016    |    Reifenfüller52219

Das hat rein gar nichts mit falscher Bewertung zu tun, sondern mit dem Nutzungsprofil. Was für den einen wichtig ist, ist für den anderen unwichtig. Wie willst Du da einen G63 AMG bewerten mit seinen 22" Straßenschlappen? Nach Böschungswinkel und Waattiefe? Das G-Modell wird von DB nicht nur für Förster gebaut, sodern auch für City-Haie. Und jeder muß ihn für sich so bewerten, wie er ihn nutzt. Und für andere Leser ist es vielleicht auch wichtiger, wie er in der Kurve liegt. Nämlich bescheiden. Das gehört heute ebenso oder sogar vorwiegend zur wichtigen Eigenschaft eines G, wie Böschungswinkel und Waattiefe.

Thu Mar 31 09:11:48 CEST 2016    |    mfk0964

@flatD. Das sind nur Ausreden für einen verfehlten Ansatz. Thema verfehlt. Als ich den G in den 80ern bekam fuhr die Polizei noch Opel Kadett mit Sommerreifen. Wir konnten also mit der Wasserskileine und Alpinskiern hinten dran im Winter quer durch die Stadt fahren während der Rest am Straßenrand mit Warnblinkern im Schnee steckte. Förster fahren übrigens Suzuki glaube ich. Einen Bericht über City Parkplatz Haie kann man doch direkt in die Tonne treten. Nichts für ungut.

Thu Mar 31 09:53:00 CEST 2016    |    Reifenfüller52219

OK, für wen meinst Du, ist der G denn dann gedacht? Speziell der G500 mit Biturbo V8, um den es hier gerade geht? Wer kauft ihn und wofür? Was meinst Du?

Thu Mar 31 11:13:28 CEST 2016    |    mfk0964

Jeder verkaufter G ist ein guter G. Ich will auch niemand vorschreiben, wie er den G nutzt. Ich habe nur etwas dagegen, wenn man mit dem "Prüfschema" für ein S Klasse über den G geht. Klar kann man auch mit der S Klasse ins Gelände gehen und sich beschweren , wenn die Karre aufsetzt. Jedem das seine. Hoffe, das macht meine Sicht klar. Wir reden hier über ein Fzg. , mit dem man durch Afrika fahren könnte, wenn man wollte. Ich habe ihn gerne im Allgäu oder den Alpen eingesetzt, aber auch mal zum Italiener ... Gruß aus F.

Thu Mar 31 11:25:54 CEST 2016    |    AsiRider

@mfk0964
Vielen Dank für Deine Kritik! Denn jede Kritik dient meiner persönlichen Entwicklung. Ich werde mir noch mehr Mühe geben, um das Thema meines Blogs "Egotrips" nicht zu verfehlen.

Thu Mar 31 11:57:16 CEST 2016    |    mfk0964

Gerne

Mon Apr 11 16:27:12 CEST 2016    |    JAPPS

Daumen hoch! Danke!

Mon Apr 11 19:40:21 CEST 2016    |    AsiRider

@JAPPS
Ich habe zu danken für Deine netten Worte!

Deine Antwort auf "Sachlich. Testbericht des G500 V8-Biturbo, W 463 MoPf 2015. Teil 1"

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Diesmal etwas Neues. Etwas ganz Neues. Etwas, was so neu ist, dass es so etwas noch gar nicht gibt. Noch nicht. Noch.

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Bei einem erhöhten Lesebedarf siehe auch:
https://www.motor-talk.de/.../...test-privater-natur-t5016345.html?...

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