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Die Pure Unvernunft

Aus dem Alltag eines PS-Junkies

Tue Sep 10 12:12:40 CEST 2013    |    knolfi    |    Kommentare (18)    |   Stichworte: 42, Audi, R8

Hallo Bloggemeinde,

 

heute gibt es mal wieder ein richtiges Schmankerl für die PS- und Sportwagenfans unter euch. :D

 

Letzte Woche habe ich traditionell wie jedes Jahr eine schöne Urlaubswoche in einem 5-Sterne Resort im Allgäu verbracht, in dem Audi einen Testwagenpool unterhält. D. h. man kann dort "kostenlos" div. hochmotorisierte Audi-Modelle probefahren, lediglich den verfahrenen Sprit muss man selbst bezahlen. Diesmal standen zur Auswahl: S8, R8, S7, RS6, RS5 Cabrio, RS4 Avant, SQ5 und der Schwächste: Q3 2,0 TDI mit 177 PS.

 

Ach so, für alle Interessierten: das Mindestalter liegt bei 30 Jahren und man muss mindestens fünf Jahre in Besitz einer Fahrerlaubnis sein.

 

Diesmal habe ich mich für das "Topmodell" entschieden: einen ibisweissen R8 5,2-FSI-V10-Spyder. Diesen durfte man aber wohl wg. der km-Begrenzung "nur" zwei Stunden probefahren, statt wie die anderen Modelle, den ganzen Tag.

 

Nun für meine Testzwecke hat dies ausgereicht, da ich den Wagen eh nur auf den kurvigen Landstrassen des Allgäus testen und keine High-Speed-Fahrt auf der AB absolvieren wollte. Als "Leistungsreferenz" habe ich meinen verflossenen RS6 herangezogen.

 

Die Stecke führte von Sonthofen über Immenstadt nach Lindenberg und wieder zurück. Somit war neben Landstrasse auch etwas Stadtverkehr mit dabei.

 

Nun zum Fahrzeug an sich. Optisch wirkt der R8 auf mich mittlerweile wie eine Mischung aus flachen TT von vorne und Gallardo von hinten. Die optische Sahneseite ist meiner Meinung nach die Seitenansicht, die diesen Spagat am besten verarbeitet. Das Heck ist schön bullig und breit, während mir die Front zu zierlich vorkommt. Der grosse Motordeckel und die Finnen des geschlossenen Verdecks erinnern an italienische Sportwagen aus Maranello oder Sant'Agata Bolognese und geben dem R8 einen italienischen Touch, der ihm gut steht. Allerdings ist der R8 (speziell der Spyder) auch sehr unübersichtlich: wo das Fahrzeug vorne endet, kann man nur erahnen und das Ende des Hecks kann man eigentlich nur durch die Aussenspiegel erkennen, da die Heckscheibe sehr klein ist. Ein Park-Piepser ist daher beim R8 eigentlich Pflicht.

 

Innen hat mir der R8 weniger gut gefallen. Obwohl nahezu alles in schwarzem Leder bezogen ist, wirkt der Innenraum etwas "einfach". Das Armaturenbrett ist riesig und läuft sehr weit nach vorne, die großen Lüftungsdüsen über der Mittelkonsole erinnerten mich an den E36 von BMW. Die Gestaltung der Armaturen wiederum wurde sehr schön gelöst: ein eigenständiges Design, dass die scharfen Kanten des R8 aussen wieder aufgreift, wirkt zeitgemäss, hochwertig und schick. Allerdings hätte ich mir im Innenraum etwas mehr Pfiff erwartet, wie z. B. runde Lüftungsdüsen in Alu wie z. B. aus dem TT und mehr Alu (Kipp)Schalter, statt Grossserie.

 

Die Bedienung des R8 ist Audi-Like. Wer einen aktuellen Audi fährt oder gefahren ist, kommt auf Anhieb im R8 zurecht. Etwas antiquiert ist das Infotainment-System des R8, welches wohl noch vom alten A3 stammt. Man hat zwar einen runden Bedienknopf und Menütasten wie beim MMI, aber ein CAN-Bus ist wohl nicht vorhanden, da man ein umfangreiches Setup des Fahrzeuges nicht am Infotainment-System durchführen kann (z. B. Fahrwerkseinstellungen). Dafür gibt es eine Sporttaste unterhalb des DSG-Schalthebels, mit deren Hilfe man den R8 auf Knopfdruck noch "schärfer" machen kann...ich habe die Taste nicht ausprobiert, da der R8 schon extrem hart gefedert ist.

 

Kommen wir zum Komfort: Der ist quasi nicht vorhanden. Der R8 ist noch härter als der RS6 (bei dem man ja div. Dämpferkennlinien einstellen kann). Auf der Landstrasse spürt man jeden Kieselstein und in der Stadt wirkt er etwas hoppelig. Man sitzt quasi mir dem Hintern auf der Strasse. Die Schaltvorgänge sind dafür relativ angenehm weich und die Gänge werden sportwagenlike ausgedreht. Das DSG wartete dabei mit einer Besonderheit auf: während neben der manuellen Sortierung der Gänge in der Hauptgasse auch durch Drücken des Hebels nach links ein Automatikmodus vorhanden ist (habe ich ausschliesslich benutzt, da das DSG hervorragend die passenden Gänge findet) und durch Drücken nach Rechts sich der Rückwärtsgang befindet, gibt es keine P-Stellung. Diese wird erst aktiviert, wenn die Zündung aus ist. Daher muss man immer zwingend die Handbremse anziehen, um ein Wegrollen des Fahrzeuges zu vermeiden, wenn die Zündung noch eingeschaltet ist.

 

Das größte Komfortmanko ist jedoch der Platz im Innenraum. Während man in der Sitzbreite ausreichend Platz vorfindet, man nicht mit dem Beifahrer kuscheln muss und die Sportsitze auch sehr komfortabel ausgelegt sind (allerdings fehlt die ausziehbare Verlängerung der Oberschenkelauflage), ist im Längsbereich und bzgl. der Kopffreiheit kaum Platz vorhanden. Ich habe eine Körpergröße von 1,85m und musste den Sitz so weit nach hinten stellen, dass die Lehne schon gegen die Motor-Schottwand drückte (und wenn Leder auf Leder reibt, gibt das unangenehme Knarzgeräusche) und trotzdem stiess mein linkes Bein immer noch gegen die Lenksäule, wenn ich es auf der Fussstütze abstellen wollte. Und obwohl ich den Sitz schon sehr tief eingestellt hatte, stiessen meine Haare immer noch gegen den Dachhimmel, was mich bei schnellen Kurven irritierte (und nein, ich habe keine Irokesenfrisur :D). Für einen geschätzten Listenpreis von 160 -170 TSD€ erkauft man sich erstaunlich wenig Platz, da waren selbst meine beiden Boxster geräumiger und bequemer. Ein Porsche 991 ist da deutlich geräumiger...auch für grössere Menschen (zu denen ich mich mit 1,85m nun wirklich nicht zähle).

 

Jetzt aber zu Hauptsache, der Motor und die Fahrleistungen: Der V10 geht wirklich brachial zu Werke, katapultiert die Flunder in kürzester Zeit auf das gewünschte Tempo und macht einen infernalischen Lärm...auch wenn er eben wie ein V10 klingt und nicht so schön wie ein V8. Das Anlassgeräusch ist laut und böse und der V10 deutet schon an, dass er gefordert werden will. Überholvorgänge werden zum Kinderspiel, andere Verkehrsteilnehmer zu Statisten. Natürlich geht der R8 einen Tick besser als der schwerere RS6 (Typ 4F mit V10-Biturbo und 580 PS), die Strassenlage ist deutlich besser, da er willig und messerscharf einlenkt und sich sehr präzise durch die Kurven lenken lässt; ein mögliches Schieben über die Vorderräder konnte ich nicht erkennen und so geht einem am Kurvenausgang nicht die Strasse aus, wie es mir fast zweimal beim 2 Tonnen schweren RS6 ergangen wäre.

 

Fazit: ja der R8 ist sicherlich der bessere Gallardo, er sieht schick aus (wenn auch nicht so spekakulär wie sein italienischer Vetter), ist sehr gut verarbeitet, bringt aber bei mir nicht die Emotionen hoch, die ich von so einem Auto erwartet hätte. Er geht gut, keine Frage, aber der etwas lieblos designte Innenraum und der an allen Ecken spürbare Perfektionismus machen den R8 auch irgendwie seelenlos. Ein Ferrari oder Lamborghini wecken bei mir mehr Emotionen.

 

Das größte Manko und für mich als pot. Käufer ein Totschlagargument ist die viel zu enge Sitzposition: für ein Auto in dem ich nicht bequem sitzen kann, würde ich keine 170k€ ausgeben.

 

Für mich pers. wäre also ein R8 nichts, ich würde mich wieder für den RS6/7 entscheiden, der ähnlich Fahrleistungen bietet dafür aber deutlich komfortabler und geräumiger ist...somit mehr Nutzwert hat.

 

 

So long

 

Euer knolfi


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