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Die Pure Unvernunft

Aus dem Alltag eines PS-Junkies

29.04.2025 13:02    |    knolfi    |    Kommentare (8)    |   Stichworte: 3 (9YA), Cayenne, Porsche

Liebe Bloggemeinde,

Porsche polarisiert die Stammkundschaft ja gerade sehr und das dazugehörige Forum hier bei MT ist aktuell voller Beiträge darüber. Gerade die jährlich um 5-8% steigenden Listenpreise in Verbindung mit Einsparungen in der Materialqualität erhitzen die Gemüter...mich eingeschlossen.

Es fällt mir sicherlich schwer, dabei objektiv zu bleiben, dennoch gehöre ich zu denjenigen, die einen Vergleich zwischen dem alten Modell und dem Neuen ziehen können. In meinem Fall der Cayenne E3 (dritte Generation).

Mit unseren Cayenne E3 II (II steht für Facelift) Turbo E-Hybrid haben wir nun in den letzten sechs Monaten rund 8.600 km abgespult. Überwiegend Langstrecken. Zeit für ein Zwischenfazit.

Qualitätsanmutung:
Was die Verarbeitungsqualität angeht, so ist der Cayenne abs. oberklassenkonform. Nicht klappert oder knarzt, nicht mal auf schlechten, vielfach geflickten Straßen. Okay eine Ausnahme: das Panoramadach machte bei niedrigen Temperaturen Geräusche. Das PZ hat es neu eingestellt und seit dem ist Ruhe.

Was die Materialqualität angeht, so hat diese im Vergleich zum Vorfacelift deutlich abgenommen. Der Plastikanteil in Form von harten, aber feinnarbigen Kunststoff (ich bezeichne ihn als Pfannengriffkunststoff) und Kunststoff in kratzempfindlicher Klavierlackoptik hat deutlich zugenommen und die Oberflächen mit (aufpreispflichtigen) Dekor wurden reduziert...der Preis wurde selbstverständlich beibehalten bzw. erhöht. Bsp.: die Blende um das Kombiinstrument ist nicht mehr aus dem bestellten Dekor bzw. Leder sondern Klavierlack. Dort befindet sich der Knopf für die Zündung und der Wählhebelknubbel. Beides Funktionen die man täglich nutzt, folglich hat man unvermeidbar Kratzer in der Klavierlackblende in diesem Bereich. Schade!
Die Türgriffe sind auf dem besagten Pfannengriffplastik und wenn man nicht das aufpreispflichtige Beifahrerdisplay wählt, schaut der Beifahrer auf eine große schwarze Klavierlackblende.

Im Fußraum fällt auf, dass die Fußmatten im Fond nicht mehr mittels Druckknöpfen gegen Verrutschen gesichert werden und beim Einhängen des Trennnetztes für den Kofferraum muss man aufpassen, dass man die Aufnahmen nicht beschädigt. Vom labbeligen und zu Kratzern an der Hartplastik-Verkleidung neigenden Kofferraumrollo ganz zu schweigen.

Aber auch am Blech wurde gespart. Bei ca. 160 km/h fängt das Außenblech der Motorhaube an zu zittern. Das ist alles nicht Porsche-Like und eines Fahrzeuges, was rd. 230.000€ kostet nicht würdig.

Antrieb

Der Antrieb wurde hingegen deutlich verbessert. Nicht was die Leistungsentfaltung angeht, da unterscheidet er sich nicht merklich vom 60 PS schwächeren Vorgänger, sondern vielmehr im Zusammenspiel der beiden Antriebe (E-Motor und Verbrenner), die jetzt viel besser harmonieren. Dank der größeren Batterie (die zwar wieder mehr Kofferraumvolumen als beim Vorgänger frisst) wurde die Reichweite von 40 km auf 70 km gesteigert und im Hybridmodus reicht die elektrische Reichweite nun deutlich länger als beim Vorgänger. Auf meiner Hausstrecke von rd. 550 km komme ich nun im Hybridmodus mit einer el. Restreichweite von ca. 9 -12 km an; beim Alten war der Akku spätestens nach 350 km leer. Ich vermute, dass die Software optimiert wurde (der Cayenne war im März wegen eines SW-Updates im PZ) und die Motorsteuerung in Verbindung mit den Navidaten (Strecke bis zum Ziel) den el. Verbrauch optimiert, um immer ausreichend Boost zu haben. Denn das war die große Schwäche des alten Hybrids: war der Akku leer, lieferte nur noch der Verbrenner mit 550 PS den Schub, und die Leistungsentfaltung lag dann deutlich unter der des Cayenne III Turbo (ohne E).
Leider geht das auch zu Lasten des Verbrauchs. Mit 11,2l/100km liegt der Verbrauch ca. 07,l über dem des Vorgängers. Hinzu kommt ein kleiner Tank.

Fahrwerk

Das von der PR-Abteilung viel gepriesene zwei Kammer-Luftfahrwerk (der alte hatte ein drei-Kammer-Luftfahrwerk 😉) ist nicht wirklich besser als das des Vorgängers. Im Gegenteil: rein subjektiv ist der Cayenne damit schwerfälliger und nicht so agil unterwegs wie der Alte. Lediglich vom Komfort hat der Cayenne (speziell der Turbo) gewonnen, dieser ist etwas besser geworden, wenn auch nur minimal. Aber die Kurvenagilität hat deutlich nachgelassen, wie ich letztes Wochenende im wahrsten Sinne des Wortes erfahren durfte. Die neue A49, die ab Kreuz Homberg/Ohm für ca. 20 km sehr kurvig ist, konnte ich sicher bei hohen Geschwindigkeiten nur im Sport Plus Modus durchfahren, wenn die Dämpfung straff und das Fahrwerk komplett abgesenkt ist.

Neu ist auch, dass man das Fahrwerk nicht mehr dauerhaft absenken kann. Denn es stellt sich immer wieder auf den Normalzustand zurück, wodurch der Cayenne immer etwas hochbeinig aussieht. Bei höheren Geschwindigkeiten (ab 100 km/h) senkt sich das Fahrwerk dann automatisch ab. Schade, denn das abgesenkte Fahrwerk hatte beim Ein- und Aussteigen (gerade auch für meine betagten Schwiegereltern) deutlich Vorteile. Nun muss man dies immer vorab manuell durchführen, was umständlich ist.

Deutlich direkter ist die optionale Hinterachslenkung geworden. Gerade beim Rangieren oder in engen Parkhäusern/Tiefgaragen ein Gewinn.

Allgemein

Nun dieses Zwischenfazit ist rein subjektiv. Vieles gefällt mir am Facelift sehr gut (gerade das Zusammenspiel E-Motor/Verbrenner im Hybridmodus), vieles finde ich aber auch nachteilig (viel Plastik im Innenraum, entfernte Features wie die Fixierung der Fußmatten im Fond, schwerfälligeres Fahrverhalten). Dennoch bleibt das Gesamtkonzept grundsätzlich überzeugend, wenn es meines Erachtens den hohen Preis nicht rechtfertigt.

Zwischenfazit

Der Cayenne bleibt ein Porsche und sicherlich ist der fahrdynamisch der direkten Konkurrenz überlegen, aber der Alte konnte vieles besser, was wiederum schade ist, da man einen hohen Preis für das Fahrzeug zahlen muss.

Aktuell bleibe ich dabei, dass diese Cayenne vorerst mein letzter ist. Ich werde mich in gut zwei Jahren wohl nach einem Modell einer anderen Marke umsehen. Und ob es nach dann fast 20 Jahren wieder ein SUV wird, ist aktuell auch noch völlig offen.

Bis dahin

euer knolfi

Der Dicke vor dem StallDer Dicke vor dem Stall
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29.04.2025 18:10    |    eisenwalter

... danke für deinen erneuten Erfahrungsbericht, immer wieder toll deine ehrlichen Berichte zu lesen. Ich bin gespannt, hole meinen jetzt am 15.05.25 in Leipzig ab.

Ich hoffe, dass das mit den Absenken des Fahrwerks beim Coupe durch das GT Paket anders gelöst wurde.

LG
Gernot

29.04.2025 19:24    |    MasteratDesaster

Toller Bericht. Ehrlich, objektiv ohne die übliche Fanbrille.
Ich arbeite selbst für die Marke und finde einige der eingeschlagenen Wege nicht gut. Ich setz da große Hoffnung in die Neuprojekte.

@eisenwalter Willkommen in Leipzig und unbedingt die Chance nutzen und Experiencecenter und Montagelinie besuchen.

30.04.2025 08:12    |    knolfi

Zitat:

@eisenwalter schrieb am 29. April 2025 um 18:10:47 Uhr:


Ich hoffe, dass das mit den Absenken des Fahrwerks beim Coupe durch das GT Paket anders gelöst wurde.

LG
Gernot

Ich habe da wenig Hoffnung. Es kann natürlich sein, dass das Coupé mit GT-Paket grundsätzlich tiefergelegt ist. Das müsste aber aus der Serienausstattung bzw. aus den einzelnen Komponenten des Pakets hervorgehen.

30.04.2025 11:23    |    eisenwalter

Zitat:

@MasteratDesaster schrieb am 29. April 2025 um 19:24:37 Uhr:


Toller Bericht. Ehrlich, objektiv ohne die übliche Fanbrille.
Ich arbeite selbst für die Marke und finde einige der eingeschlagenen Wege nicht gut. Ich setz da große Hoffnung in die Neuprojekte.

@eisenwalter Willkommen in Leipzig und unbedingt die Chance nutzen und Experiencecenter und Montagelinie besuchen.

Danke für die Info ... ich werde versuchen den ganzen Tag zu füllen mit allem was geht 😁

30.04.2025 13:42    |    Porsche1111

Danke für diesen Einblick in die ersten 6 Monate. Ich bin wirklich sehr gespannt auf meinen Cayenne Turbo E-Hybrid den ich in rund drei Wochen abholen werde. Da es mein erster Cayenne ist, habe ich keinen Vergleich, vor allem was die Materialqualität und den Anteil Plastik anbelangt. Beim Konfigurieren habe ich einfach mal alle Optionen der „Belederung“ (Handgriffe, Sitzkonsole usw.) bestellt. Mal schauen….. Ich habe noch einen 992.1, den werde ich mal als Massstab nehmen.

01.05.2025 07:33    |    25plus

Fährst du hauptsächlich im Hybridmodus oder wenn möglich auch rein elektrisch? Dass der Anteil der verbrauchten elektrischen Energie im Hybridmodus nun scheinbar geringer ist, kann den höheren Verbrauch nicht erklären. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die größere Batterie auch eine höhere Rekuperationsleistung erlaubt und damit der Ladezustand besser gehalten werden kann. Auch würde man es bei der zur Verfügung stehenden Motorleistung des Verbrenners überhaupt nicht merken, wenn bei geringer Lastanforderung einfach die Batterie mit einer minimalen Lasterhöhung nachgeladen würde. Am Ende wäre dann der Einsatz elektrischer Energie nochmals deutlich größer als vorher. Können die 0,7 l/100 km nicht einfach von den Winterreifen und der Einfahrphase kommen? Wobei bei Autos dieser Leistungsklasse eher seltener absolute Spritsparreifen mit gleicher Größe im Sommer aufgezogen werden, sondern eher breitere Räder mit größerem Felgendurchmesser, was den Verbrauch eher konstant halten dürfte.

02.05.2025 08:24    |    knolfi

@25plus im Kurzstreckenbereich fahre ich ausschließlich im Elektromodus, sonst im Hybrid Modus. Um den Verbrenner bei Langstrecken schnell warm zu fahren (und damit den Verbrauch zu reduzieren) fahre ich anfänglich auch im Ladungserhaltungsmodus, bis die Öltemperatur 95°C erreicht hat, dann schalte ich auf reinen Hybrid um.

Tatsächlich wurde beim Facelift die Rad/Reifenkombination geändert, denn die alten Winterräder hatten keine Zulassung mehr für den Neuen, weshalb ich Neue kaufen musste.

Der höhere Verbrauch kommt wohl eher aus einem geänderten Nutzungsverhalten. Der Cayenne wird eigentlich fast nur noch auf Langstrecken eingesetzt, wo das Potential des Fahrzeugs bei entsprechenden Verkehrsverhältnissen auch voll ausgeschöpft wird. Der Alte wurde auch im Alltag auf Kurzstreckenbetrieb vielfach eingesetzt, aber bei drei Fahrzeugen nutzt man doch eher die kleineren Fahrzeuge im Stadtbetrieb, diese sind einfach praktischer.

06.05.2025 00:04    |    xkman

Zuerst einmal finde ich es toll, wie viel Mühe Du Dir beim Schreiben Deiner Artikel machst. Danke.

Korrekt, bei € 230 k und mehreren zuvor gefahrenen Cayenne ist die Erwartungshaltung hoch. Zurecht. Nur, für das gleiche Geld bekommt man zwar einen DBX in Grundausstattung, aber ohne Hybrid-Modul. Ganz abgesehen von der Technik, die derjenigen des Porsche unterlegen ist, speziell dann, wenn man am Cayenne alle Fahrwerks-Features angekreuzt hat. Ein Urus-Hybrid ist im Prinzip das identische Auto für noch mehr Geld. Mir persönlich ist der einfach zu prollig. Ein Bentayga kommt ebenfalls teurer, ist innen mindestens eine Klasse hochwertiger, passt eher zu betagteren Herrschaften wie mir. Bleiben der Ferrari (doppelt so teuer) und der RS Q8. Letzterer ohne Hybrid-Modul, dafür sehr viel preiswerter, speziell im Leasing. Das Interieur ist auf ähnlichem Niveau wie dasjenige des Cayenne, wäre also eine Alternative. Speziell für preissensitive Menschen wie mich.

Was die Wahl so schwierig macht: Wer einmal einen Porsche gefahren ist, der hat sich, unabhängig von der Leistung, an die perfekte Abstimmung gewöhnt. Das bekommen die Wettbewerber, aus welchen Gründen auch immer, einfach nicht hin. So wichtig ein großer Kofferraum und eine solide Verarbeitung sind: Wenn es um Fahrleistungen und Fahreigenschaften geht, ist ein Cayenne im Vergleich zum Wettbewerb jeden Cent wert. Ob es denn gleich € 230 k sein müssen? Wenn mein Budget das hergeben würde, würde ich nicht zögern. Höllisch viel Geld für ein höllisch gutes Auto.

Deine Antwort auf "6 Monate im V8-Stromer oder ist Neu nun wirklich schlechter?"

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