Wed Oct 02 21:25:01 CEST 2019 | aekwi | Kommentare (16) | Stichworte: Mercedes, W114/115, W114/W115
Servus aus dem Münchner Umland!
Mein Name ist Simon und inzwischen schraube ich schon einige Jahre an verschiedenen alten Autos. Bei Motortalk bin ich neu dabei aber bei einigen Fahrzeugforen recht aktiv. Da ich selbst gerne die Blogs hier lese und es immer schön ist alte Erlebnisse wieder Revue passieren zu lassen habe ich beschlossen meine Geschichten auch hier einmal "zu Papier" zu bringen. Ich bin kein gelernter KFZ'ler und habe auch keinen handwerklichen Beruf, deshalb war vieles dabei learning by doing, aber darauf lerne ich ( meistens ). Ausser dem schrauben zählt auch das Detailling zu meinen Hobbies, weshalb zwischendrin auch gerne mal geputzt wird.
Es war einmal.... vor inzwischen 5 Jahren hat mein Papa beschlossen, er will einen Oldtimer. Ein schöner aus den 70er Jahren soll es werden mit möglichst guter Substanz und in Originalzustand. Gesagt, getan und das Orakel (Internet) befragt... allein die Suche und Besichtigungen könnten mehrere Blogbeiträge füllen, denn es ist faszinieren, welcher Zustand als "Original" und "Rostfrei" oder gar "Restauriert" angepriesen wird. Lackdicken von weit über 1mm sind dabei noch das geringste Übel.
Aber immer der Reihe nach... Nach etlichen Besichtigungen von W123, W116 etc... haben wir uns auf den Weg nach Heilbronn gemacht um einen W114 280CE Coupe zu besichtigen. Im Internet sah es sehr gut aus und wurde lt. Aussage des Verkäufers für über 20.000€ restauriert. Es hatte 5 (!!) Vorbesitzer und einen, in der Anzeige nicht erwähnten, Unfallschaden sowie elektrische Fensterheber, die einfach mit einer Platte und ein paar Spax-Schrauben an der Mittelkonsole befestigt wurden. Zusätzlich war es in einer anderen Farbe lackiert als original und die Innenausstattung war ebenfalls komplett gewechselt. Das haben wir natürlich erst bei der Besichtigung feststellen dürfen. Als ich angefangen habe mit dem Lackschichtdickenmessgerät nachzumessen ( Dicke nahezu überall von über 1,2mm ( da hört der Testboy T72 auf zu messen )) hat der Verkäufer direkt angefangen den Wagen schlecht zu reden, dass er ja doch nicht so gut sei... ein schöner Sinneswandel innerhalb von 30 Sekunden.
Das ganze war natürlich eine herbe Enttäuschung, nachdem der Weg von München nach Heilbronn nicht gerade der Nächste ist. Aber wenn man schon einmal in der Ecke ist, kann man das ja auch ausnutzen. So hab ich mobile.de angeworfen und noch einen W114 280CE in Würzburg ausfindig gemacht, 2. Hand mit angeblich unter 200.000 km und Scheckheft. Also gleich angerufen und die Besichtigung vereinbart, der Verkäufer meinte noch ich soll einfach im Dönerladen nach ihm fragen, wenn er nicht da ist... oh oh oh dachte ich mir... aber es war eine freudige Überraschung, als wir dann das Auto gesehen haben.
Es ist ein 280CE von 1973 in der Farbe grau-blau-metallic, welche an vielen Stellen noch original ist. Die Motorhaube, das Dach und die Seitenteile hinten wurden lackiert (hinten kamen auch Reparaturbleche rein). Sonst hat er noch folgende Ausstattung: - Automatikgetriebe - funktionierende Klimaanlage - Heckscheibenheizung - Nebelschlussleuchte - automatische Antenne - Zentralverriegelung - Kopfstützen - Wärmedämmendes Glas - Zierstäbe auch Coupe-Dach - Nebelscheinwerfer vorne - Feuerlöscher
Der 1. Besitzer war selbst Baujahr 1909 und der zweite Besitzer war BJ 1944. Nachdem wir uns mit dem Verkäufer einig waren hat er nach ein paar kleineren Reparaturen auch noch TÜV und die Oldtimerabnahme gemacht.
Also sind wir gut eine Woche später mit Kurzzeitkennzeichen im Gepäck nach Würzburg gefahren um das Auto zu holen... die Fahrt auf dem Hinweg war, dank etlicher Unfälle und Dauerregen schon spannend und langwierig genug aber die Heimfahrt nachts mit defekter Tachobeleuchtung, Reifen die noch Cäsar persönlich an seinem Streitwagen hatte und echem Starkregen war dagegen deutlich abenteuerlicher.
Aber mit 60km/h im Schneckentempo ging es langsam dahin und so bin ich gut in München angekommen und er wanderte in die Garage. Bei der Anmeldung kam dann eine weiter schöne Überraschung zum Vorschein: Das Auto war seit 1996 abgemeldet und wurde die Jahre davor lediglich immer für eine Woche angemeldet.
Jetzt aber mal ein paar Bilder, damit ihr euch überhaupt vorstellen könnt, wovon ich hier so langatmig erzähle.
Im nächsten Beitrag geht es dann mit der Restauration los, da der Zustand natürlich fast immer verbessert werden kann und nach so langer Standzeit auch einiges zu beheben war.
Viele Grüße Simon
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Wed Oct 09 22:26:32 CEST 2019 | aekwi | Kommentare (1) | Stichworte: Mercedes
Servus,
weiter gings mit der Technik... Fahrwerk und Bremsen sind nach so langer Standzeit nicht mehr die Besten -> Neue Dämpfer und die Bremsen müssen überholt werden.
45 Also runter mit den Reifen
Dann gings den Schrauben an den Kragen. Zum Glück lies sich alles einwandfrei lösen.
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Und ab damit nach unten...
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Dazu der Vergleich alt gegen neu
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Ein kurzer Test... so stand er eigentlich gut da, also gehts vorne weiter.
Dort gehts leider ein bisschen enger zu aber mit Geduld gings auch da problemlos.
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Und auch hier wieder alt gegen neu. Der Tausch hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn nach so langer Standzeit sind die Stoßdämpfer eigentlich immer fritte.
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Bei der ganzen Arbeit habe ich mich immer wieder über den guten Zustand gefreut, denn die Schrauben gingen gut auf und es kam kein gröberer Pfusch zum Vorschein.
Da mir bereits bei der Heimfahrt aufgefallen ist, dass die Bremse nicht gleichmäßig zieht, habe ich mich dazu entschlossen auch dort nach dem Rechten zu sehen.
Das bedeutet: Bremssättel runter und Kolben raus. Dabei handelt es sich noch um schöne Zweikolben Bremssättel und nicht, wie bei den Meisten anderen Autos, um Schwimmsättel
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Ab damit... Die Beläge sehen gut aus.
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Zum Ausdrücken habe ich Druckluft verwendet.
Wenn man das macht sollte man unbedingt eine Brille tragen, da die Bremsflüssigkeit ggf. durch die Gegend spritzt und das gehört definitiv zu den Sachen, die man nicht im Auge haben will.
Den Druck sollte man vorsichtig regeln, also bei 1 bar anfangen bzw. weniger und schauen, wie gut der Kolben aus dem Sattel kommt.
Ausserdem rate ich auch dazu ein Brett dazwischen zu legen, so dass der Kolben nicht unkontrolliert durch die Werkstatt schießt oder die Schraubzwinge bzw. den zweiten Kolben trifft und dabei beschädigt wird. Vorsicht ist die Mutter der Bremssättel.
Einige Kolben sahen noch gut aus....
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Aber die Dichtringe sind hinüber.
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Die Flächen habe ich vorsichtig mit feinem Schleifvlies angeschliffen um Dreck und Rost zu entfernen.
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Dann noch die alten Bleche ersetzt...
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Und den nächsten Kolben begutachten - der sieht nicht mehr so fresh aus. Zwei Kolben haben sich auch erst mit ca. 6 bar und längerem hin und her gelöst. Das hat auch gezeigt, dass die Überholung sicher nicht die falsche Idee war.
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Auch das Blech war... naja...
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Wieder ein schönes vorher-nacher Bild, da steh ich einfach drauf.
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Und beide wieder im guten Zustand.
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Montiert habe ich das ganze mit reichlich ATE Bremszylinderpaste und
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Jetzt kommt der Frevel... fragt mich nicht wieso, aber mein Papa wollte rote Bremssättel... aber was macht man nicht alles. Gelb hätte ich noch verstanden, doch rot passt so gar nicht.
Jetzt seht ihr aber auch, dass die Felgen nicht verkehrt sind, denn die verdecken das recht passabel.
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Währenddessen darf das Auto ein bisschen abhängen.
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Da das ganze schon eine Weile her ist sind die Texte leider nicht mehr ganz so emotional wie direkt nach einer Schraubersession. Trotz der vielen Bilder hoffe ich, es gefällt euch.
Viele Grüße
Simon