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VW Golf Country (1990) und VW T-Roc (2018) im Test: Vergleich - Hoch wollen sie fahren

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1989 traute sich VW was: Der Golf Country war ein frühes SUV. Er verkaufte sich mäßig, bekam aber einen Nachfolger im Geiste. Golf Country und VW T-Roc im Vergleich.

Ihre Jahrzehnte sieht man ihnen sofort an: Der 2er trägt noch rechte Winkel, der T-Roc viele Kanten Ihre Jahrzehnte sieht man ihnen sofort an: Der 2er trägt noch rechte Winkel, der T-Roc viele Kanten Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK

Wolfsburg – Es gab eine Zeit, da wagte VW Unglaubliches. 1989 parkte auf dem Genfer Salon ein Golf, der sehr hochgebockt aussah. Er sollte Golf Montana heißen und bei guten Reaktionen gebaut werden. Der Name war schon vergeben, aber das Publikum staunte. Deshalb entschied sich VW für die Bezeichnung Country – und für eine Serienversion.

VW war also früh dran mit einem höhergelegten Golf. Als er 1990 in Serie ging, hatte in Deutschland noch niemand etwas von SUVs gehört. Viel Bodenfreiheit und Allrad bedeuteten damals noch: Talent abseits der Straße. Suzuki machte mit dem Vitara zur gleichen Zeit einen Geländewagen komfortabel. In Wolfsburg versuchte man es andersherum und baute den „Golf für alle Individualisten“.

Heute sind sie eher gewöhnlich, die höhergelegten Pkw, die irgendwie nach Gelände aussehen. Nach dem Country kam bei VW lange kein SUV in der Kompaktklasse. Jetzt gibt es eines. Der T-Roc ist so etwas wie ein ideeller Nachfolger der Country-Idee. Längst kein ernstzunehmendes Geländeauto mehr, aber ein praktischer, hoher Wagen in der Golf-Klasse.

VW Golf 2 Country und VW T-Roc: Ähnlich, aber verschieden

Natürlich ist der T-Roc schneller. Sein Motor ist schließlich fast doppelt so stark. Natürlich ist der T-Roc schneller. Sein Motor ist schließlich fast doppelt so stark. Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK VW betont heute, dass der Country mit dem T-Roc nichts zu tun hat. Er ist ein höhergelegter Golf, dieser Stil heißt bei VW heute Alltrack. Der T-Roc sei ein eigenständiges Modell. Das stimmt, aber man spürt trotzdem die Verbindung. Sie sind ähnlich lang und hoch, haben viel mit einem (normalen) Golf gemeinsam und basieren auf der jeweils aktuellen Quermotor-Architektur.

Wie sie dahin kommen, ist aber ganz unterschiedlich. Das merkt man schon beim ersten Probesitzen. Denn im T-Roc sitzt man kaum höher als in einem normalen Golf. Etwas aufrechter und umgeben von mehr Plastik, aber insgesamt sehr Pkw-mäßig. Hinter dem hohen Seitenschweller geht es beim Einsteigen wieder weit nach unten. Wer mehr Übersicht will, muss den Sitz ordentlich hochpumpen.

Der Country ist da ganz anders. VW hob einfach die gesamte Karosse um 18 Zentimeter an. Am Blech änderte sich so wenig, der Innenraum blieb identisch. Entsprechend sitzt man im Country genau wie in einem normalen Golf 2 – nur eben deutlich höher. In einer Zeit ohne SUVs auf deutschen Straßen brachte das Übersicht. Das kann der Golf 2 ohnehin sehr gut.

Die Länge des Country ist allerdings nur Show. Kuhfänger vorn, Trittbretter hinten und das Reserverad vor der Heckklappe machen das Auto unnötig groß. Der nutzbare Raum entspricht dem eines normalen Golf mit Allradantrieb – zuzüglich ein paar Kleinigkeiten, die jetzt an Stelle des Reserverades in den Kofferraum reinpassen.

Ein Motor im Golf Country, sechs im T-Roc

Der Country sieht tatsächlich nach Offroad aus. Beim T-Roc ist der Unterfahrschutz nur angedeutet Der Country sieht tatsächlich nach Offroad aus. Beim T-Roc ist der Unterfahrschutz nur angedeutet Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK Beim Antrieb ließ VW den Country-Käufern keine Wahl. Unter der Haube der meisten Country steckte ein Vierzylinder mit 98 PS. Der Motor stammt eigentlich vom Golf GTI (dort: 107 PS), wurde aber für den Einsatz in Allrad-Modellen gedrosselt. Für rasante Fahrleistungen reicht das natürlich nicht. Aber 1990 waren knapp 100 PS in einem kompakten Auto durchaus eine Ansage.

Eine kleine Sonderserie ging mit voller GTI-Kraft an VW-Mitarbeiter. Auf besonderen Wunsch steckte VW außerdem weitere Antriebe in den Country. Was es nicht gab, bauten sich Fans selbst. Manche steckten Sechszylinder ins Chassis, zum Teil sogar mit Aufladung. Der übliche Golf-Wahnsinn, nur in höher.

Als der T-Roc startete, hatte sich das Prinzip SUV längst bewährt. Also kein Grund für Vorsicht: Unter der Haube gibt es Auswahl. 115 bis 190 PS, Front- und Allradantrieb, manuelle und automatische Getriebe. Weniger Vielfalt als im Golf, aber breit gespreizt. Ein R-Modell mit rund 300 PS folgt. Wir lernen: Golf-Country-Tuner mit selbstgebauten Turbo-Motoren sind Visionäre.

Zwischen diesen Autos liegen 30 Jahre Entwicklung

Das Reserverad schwingt samt halter zur Seite auf, die Heckklappe nach oben Das Reserverad schwingt samt halter zur Seite auf, die Heckklappe nach oben Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK Fahrerisch liegt der T-Roc vorn. Klar, er läuft komfortabler, leiser, schneller und sparsamer, bietet die bessere Sitzposition und eine gute Ergonomie. Zwischen beiden Autos liegen schließlich 30 Jahre Entwicklung. Sogar der Dreizylinder im Basismodell hängt den Country ab. Der Alte überrascht trotzdem. Sein Rahmen macht die ganze Fuhre angenehm steif. Normale Golf 2 fühlen sich mittlerweile morsch an, der Country nicht.

Und er hat einen Vorteil gegenüber dem T-Roc: Er lässt sich kinderleicht bedienen. Kein Touch, nur echte Tasten, davon sehr wenige. Licht, Blinker, Wischer, Heckscheibenheizung, Lüftung, Radio – das war’s. Ein Steuergerät gibt es nur für den Motor. Alles andere regelt der Country über Zentralelektrik und Relais. Herrlich unkompliziert und ehrlich.

Die Fenster kurbelt man im Country noch. Um den Beifahrerspiegel zu verstellen, muss man sich strecken. Handys laden nur mit 12-Volt-Adapter, der Autoschlüssel funktioniert tatsächlich als ein solcher. Kopfstützen hinten, Sportsitze vorn, Wärmeschutzverglasung und ein Lederlenkrad gab es serienmäßig. Ins Top-Modell steckte VW sogar Leder und ein Faltdach. Seinerzeit eine großartige Ausstattung.

Umbau zum Country in Graz

Links: Vier Zylinder, 1,8 Liter Hubraum, 98 PS. Rechts: 2,0 Liter, ein Turbo, 190 PS Links: Vier Zylinder, 1,8 Liter Hubraum, 98 PS. Rechts: 2,0 Liter, ein Turbo, 190 PS Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK Dazu kam ein ordentlicher Aufwand in der Fertigung. VW wollte einen echten Offroad-Look mit viel Bodenfreiheit. Basis war in jedem Fall ein Golf Syncro. Der ging für den Umbau nach Graz zu Steyer-Daimler-Puch. Dort schraubte man Achsen und Antrieb ab und setzte einen zusätzlichen Rahmen an den Unterboden.

Dicke Holme verlaufen unterhalb der Schweller, an den originalen Achsaufnahmen stecken zwölf Zentimeter hohe Distanzstücke. Achsen und Technik setzte man an den Hilfsrahmen. Der Motorraum sieht deshalb ganz schön leer aus – er hängt fast auf Originalhöhe.

Ein paar zusätzliche Zentimeter holte VW über längere Federbeine und einen größeren Reifenumfang raus. Beim Thema Offroad-Fähigkeiten blieb VW realistisch: „Das ist ein Freizeitauto und kein Wüstenfuchs“, sagte VWs Marketingchef im Jahr 1989 der „Auto Bild“. Der VW-Pressetext sprach seinerzeit von „Schlechtwegequalität“. Die Bedienungsanleitung empfiehlt, ihn nicht in schwierigem Terrain zu fahren. Nach heutigen Maßstäben macht ihn das zu einem SUV.

No Country for Golf Country

Unterboden-Check: Ein Rahmen unter der selbsttragenden Karosserie des Golf 2 Unterboden-Check: Ein Rahmen unter der selbsttragenden Karosserie des Golf 2 Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK Als der Golf Country startete, gab es noch keinen Markt für solche Autos. Förster und Landschaftsgärtner sollten sich angesprochen fühlen, wollten aber nicht 31.825 („Allround“) bis 40.700 Mark („Chrom“) für einen Golf ausgeben. Das war die Preisklasse von Mitsubishi Pajero und Jeep Wrangler - jeweils echte Offroader. Lifestyle wurde erst später erfunden. Der Country lief 1991 mit der zweiten Golf-Generation aus. In 18 Monaten entstanden magere 7.735 Autos.

Vielleicht liegt es daran, dass VW sich mit SUVs viel Zeit ließ. Der erste Versuch ging in die Hose. Das wird gesessen haben. Tiguan und Touareg kamen spät, kleinere Modelle folgen erst jetzt. Ideell folgen sie dem Country. Auch, wenn sie nichts mehr mit ihm zu tun haben: Der höhergelegte Golf war seiner Zeit voraus.

Seine Ahnen sichern heute die Zukunft der Marke. Mit den Einnahmen der SUV-Modelle will VW die Elektromobilität finanzieren. Übrigens auch ein Thema, das es schon im Golf 2 gab. Wieder zu früh, jetzt wieder ganz schön spät. Aber vermutlich noch rechtzeitig.

VW Golf Country und VW T-Roc: Technische Daten

Modell VW Golf 2 Country VW T-Roc
Motor 1,8-Liter-Vierzylinder-Saugbenziner 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner
Leistung 98 PS (72 kW) bei 5.400 U/min 190 PS (140 kW) bei 4.200 – 6.000 U/min
Drehmoment 143 Nm bei bei 3.000 U/min 320 Nm bei 1.500 – 4.100 U/min
Getriebe Fünfgang-Schaltgetriebe, Allradantrieb Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb
Höchstgeschwindigkeit 164 km/h 216 km/h
0 – 100 km/h 12,3 s 7,2 s
Länge 4,255 m 4,234 m
Breite 1,705 m 1,819 m
Höhe 1,555 m 1,573 m
Radstand 2,480 m 2,593 m
Bodenfreiheit 18,0 cm 16,1 cm
Kofferraum 280 – 1.230 l 392 – 1.237 l
Leergewicht (EU-Norm) 1.320 kg 1.495 kg
Neupreis 32.275 DM (1990) 31.475 Euro (Ausstattung „Sport“)
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