Was passiert mit gebrauchten Lithium-Ionen-Akkus aus E-Autos?
Was passiert mit gebrauchten Lithium-Ionen-Akkus aus E-Autos?
Aus "Helle Tech World" vom 09.09.2021
HELLA TECH WORLD <news@campaign.hella.com>
Alte Standardbatterien für den Hausgebrauch enthalten schädliche und umweltgefährdende Stoffe, zum Beispiel Blei, Quecksilber oder Cadmium. Deshalb dürft ihr diese auch nicht einfach im Hausmüll entsorgen. Wenn ihr Batterien entsorgen wollt, habt ihr in den meisten Ländern verschiedene Möglichkeiten. In Supermärkten etwa oder auf Recyclinghöfen lassen sich die Altbatterien meist kostenlos abgeben. Ganz so einfach ist es bei Lithium-Ionen-Akkus aus E-Autos noch lange nicht. Tatsächlich werden schon heute Massen an ausgedienten Antriebsbatterien bzw. Akkus entsorgt.
Die meisten Automobilhersteller empfehlen ein Auswechseln der Antriebsbatterie von E-Autos nach 8 bis 10 Jahren, einige Hersteller sogar erst nach 15 Jahren. Nachdem die Elektromobilität lediglich in den letzten Jahren nennenswert gewachsen ist, wäre mit einer größeren Zahl zu entsorgender Batterien erst in ein paar Jahren zu rechnen gewesen. Doch schon heute werden Entsorger überrannt. „Wir hätten nie gedacht, welche Mengen schon nach so kurzer Zeit anfallen“, räumte der Geschäftsführer einer Recyclingfirma jüngst stellvertretend für seine Zunft ein. Inzwischen investieren zahlreiche Unternehmen ins Batterierecycling.
Was mit alten Lithium-Ionen-Akkus passiert? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Die Verwertung der in den Akkus / Batterien enthaltenen Rohstoffe und die Wiederverwendung der aussortierten Lithium-Ionen-Akkus.
Batterierecycling: von der Demontage bis zur Aufschmelzung
In einem rund 400 Kilogramm schweren Akku mit 50 kWh Kapazität, so rechnet es der ADAC vor, stecken etwa 6 kg Lithium, 10 kg Mangan, 11 kg Kobalt, 32 kg Nickel und 100 kg Graphit. Um die Rohstoffe zu verwerten, werden verschiedenste Methoden genutzt. Gleich ist allen die Zielsetzung, eine möglichst hohe Verwertungsquote zu erzielen. „Ein Recyclingverfahren ist dann effizient, wenn es die Zielelemente wie Graphit, Lithium oder Kobalt zu mindestens 90 Prozent zurückgewinnt“, so der Recyclingexperte Prof. Bernd Friedrich von der RWTH Aachen gegenüber dem Automobilclub.
In der Regel beginnen Recyclingprozesse meist mit der manuellen Demontage des Lithium-Ionen-Akkusystems. Es folgen weitere Schritte wie das Sortieren, Schreddern und die thermische Aufschmelzung. Nach heutigem Stand der Technik kann schon heute der überwiegende Teil der Materialien verwertet werden. Teilweise verbrauchen die Prozessschritte noch zu viel Energie und sie sind sehr teuer.
Zahlreiche Pilotanlagen habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Prozesse effizienter zu gestalten. Der Volkswagen-Konzern etwa hat sich langfristig einem ehrgeizigen Ziel verschrieben: 97 Prozent aller Rohstoffe wollen die Wolfsburger recyceln. Mit einer Pilotanlage in Salzgitter sollen es ab 2022 72 Prozent werden.
Die Anzahl gebrauchter Lithium-Ionen-Akkus nimmt zu. Nach ihrem Einsatz in E-Autos wartet auf einen Teil der Altbatterien das Recycling, um enthaltene Rohstoffe zurückzugewinnen.
Die Anzahl gebrauchter Lithium-Ionen-Akkus wächst. Nach ihrem Einsatz im E-Auto wird ein Teil der Altbatterien recycelt, um enthaltene Rohstoffe zurückzugewinnen. Quelle: Shutterstock
Second Life: Zweitnutzung von Lithium-Ionen-Akkus
Auch weil kein Recyclingverfahren 100-prozentig frei von Reststoffen sein kann, ist die Wiederverwendung von Akkus eine spannende Option, die auch als „Second Life“-Methode bezeichnet wird. Hier werden die Batterien im stationären Betrieb weiterverwendet. Eine Weiterverwendung bietet sich insbesondere auch deshalb an, weil die meisten Batterien zum Zeitpunkt der Aussortierung immer noch über einen Energiegehalt von 70 bis 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität verfügen.
Da die Batterien im stationären Betrieb deutlich weniger belastet werden, können sie hier gut und gerne noch über 10 Jahre genutzt werden. Zum Einsatz kommen die aussortierten Lithium-Ionen-Akkus dann zum Beispiel in privaten Haushalten oder in Industrieanwendungen.
Doch auch für Batterien, die ein zweites Leben leben durften, steht irgendwann der letzte Gang an: zum Batterierecycling.
163 Antworten
Ich möchte nicht überdramatisieren. Klar, als Sustanz an sich im Vergleich zu anderen Substanzen in unserer Umgebung relativ harmlos, aber die beschriebenen Wirkungen treten im einstelligen Milligrammbereich täglicher Aufnahme auf. Ein gesunder Respekt denke ich, ist dennoch angebracht.
Bei der Therapie der z.B. bipolaren affektiven Störung werden Patienten auf 18-36 mmol Lithium eingestellt, das entspricht häufig 450mg Lithiumcarbonat am Tag in retardierter Form. Das wäre nicht einstellig....
Über die Jahre kann es dann bei solchen Dosierungen zur iatrogenen Nierenschädigung (Nephropathie) kommen, soweit richtig...
Gruß
Gravitar
Nur der Exaktheit wegen:
Was 124 bis 240 mg reinem Lithium entspricht 😉 Aber hast recht, einstellig ist anders.
Bisher besteht kein leistungsfähiges Recycling für Lithium Akkus. Die bestehende Kapazität müßte um den Faktor 1000 vergrößert werden. Ein Problem ist die fehlende Standardisierung (jeder Autobauer verwendet seine eigenen Akkus) und die extrem aufwändige manuelle Zerlegung. Richtig ist, dass die Autobauer gesetzlich zur Rücknahme verpflichtet wären. Bisher fehlt aber ein tragfähiges Konzept. Richtig wäre gewesen, parallel eine entsprechende Verwertungsinfrastruktur aufzubauen. Schließlich werden die AKkus schon lange (mindts. 10 Jahre) produziert.
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Wozu Faktor 1000 vergrößern wenn es noch nicht genug ausrangierte Akkus gibt - haben wir doch paar Seiten vorher alles schon durchgekaut…
Zitat:
@Vord schrieb am 8. Oktober 2021 um 19:47:13 Uhr:
Bisher besteht kein leistungsfähiges Recycling für Lithium Akkus. ...
Dann google mal nach Duesenfeld, Es mangelt an genügend Recyclingmaterial, nicht an der Kapazität, diese zu verarbeiten. Diese blöden Akkus halten einfach viel länger, als immer befürchtet wurde
Zitat:
@catcherberlin schrieb am 9. September 2021 um 16:11:37 Uhr:
Doch schon heute werden Entsorger überrannt. „Wir hätten nie gedacht, welche Mengen schon nach so kurzer Zeit anfallen“, räumte der Geschäftsführer einer Recyclingfirma jüngst stellvertretend für seine Zunft ein. Inzwischen investieren zahlreiche Unternehmen ins Batterierecycling.
Und da soll es um Batterien aus BEV gehen? Da möchte ich doch erhebliche Zweifel anmerken.
Woher sollen denn die ganzen Batterien stammen, mit denen die Entsorger heute überrannt werden?
Von inkompetenten Werkstätten und Herstellern. Da werden schon mal vorsoglich komlette Akkus getauscht statt nur gezielt die geschächten oder beschädigten Zellen. Zur Zeit ein "In Thema" in Spiegel, Focus, FaZ, Zeit, WiWo. Es fehlt auch noch das Wissen und die HowTo Erfahrung in den Werkstätten. Das treibt die Reperaturkosten von eAutos in unerwartete Höhen im Vergleich zu Verbrennern.
Es wird keine Werkstatt ohne Einwilligung des Fahrzeug Herstellers irgendwas am Akku/den Akku tauschen. Die dürfen noch nicht mal eine olle 12V Batterie ersetzen ohne den Segen vom Hersteller. (Garantiefall)
Hier sind die Hersteller gefragt und nicht die Werkstätten.
Gruß
Beide. Die Hersteller müssen Ihre Markenhändler ausbilden. Die wiederum müssen ihre Manschaft ausbilden und sensibilisieren.
Akkus einem Retrofit zu unterziehen und Einbaufertig freizugeben ist sicherlich Aufgabe von spezialisierten Betrieben. Genau diese Infrastruktur ist es die sich erst noch bilden muss und so lange sind Wartungsaufwendungen älterer BEV Besonders schwierig und Kostenintensiv.
Insbesondere sollten solche Strukturen Herstellerunabhängig qualifiziert sein um auch verbindliche und vergleichbare SoH zu bekommen Hier dürfte Staatlicher Eingriff erforderlich sein
Habe an anderer Stelle schon geschrieben dass jenes eine Paradedisziplin für den ADAC wäre dies einzufordern.
Was machen dann die Werkstätten wenn die Verbrenner auslaufen? Die werden sich genauso umqualifizieren und investieren müssen wie die ganze Zulieferindustrie. Es werden nicht alle schaffen und der Rest wird irgendwann dicht machen müssen.
Es wird hier sicherlich fahrzeug- und typenspezifische Unterschiede geben, bis hin zu Software und Steuergeräte. Ich würde mich wohler fühlen, wenn eine vom Hersteller freigegebene Werkstatt an den Batteriepack fasst. Ich sehe es als Service und erwarte, dass dann alles in einem gewartet wird. Also auch Bremsen, Fehlerspeicher und Co.
Nur defekte Akkuzellen zu tauschen macht umwelt- wie auch kostentechnisch Sinn. Somit muss sich dieses Serviceangebot noch entwickeln.
Nach Gruppenfreistellungsverordnung muss ein jedes auf den Markt geworfene Fahrzeug von einer qualifizierten und entsprechen geschulten Fachkraft auch gewartet und instand gesetzt werden können. Neue Mode bei Herstellern ist aktuell, dass dieses sehr sinnvolle und marktoffene System mit Software so behindert wird, das der Kunde doch wieder an eine überteuerte Markenwerkstatt verpflichtet wird mit der Ausrede der herstellerspezifischen Software. Normalerweise würde ich von BEV ein erheblich niedrigeres Wartungsaufkommen als bei einem Verbrenner erwarten und nach Gruppenfreistellungsverordnung müsste ein Tesla oder irgendein anderes BEV auch ohne Auflagen in einer freien Werkstatt gewartet und instand gesetzt werden dürfen. Die Autodoktoren haben sich auch schon entsprechend weiter gebildet, das tatsächliche Arbeiten z.B. an einem Tesla wird ihnen aber vom Hersteller massiv erschwert.
So könnte bei weniger Reparatur- und Wartungshäufigkeit tatsächlich der eine oder andere Reparaturbetrieb überflüssig werden, als Kunde ist man aber eher an einer wohnortnahen und kompetenten Reparaturmöglichkeit, wie beispielsweise den Autodoktoren interessiert, als an einem Glaspalast in 80km Entfernung zu Stundensätzen, die nicht einmal ein Anwalt oder Arzt erzielt.
Hier sind wir dann wieder bei der Frage der gebrauchten Lithium-Ionen-Akkus. Freie Werkstätten könnten die testen, aufbereiten oder alternativ gegen modernere Einheiten ersetzen, wenn die Hersteller so "Open Source" sind, das über eine Schnittstelle zuzulassen. Schon heute ist mit individueller Software und der Notwendigkeit des Zugriffs auf Firmenserver, über EURO-DFT als Zugang möglich, vieles an Reparatur und Wartung zu Ungunsten des Verbrauchers verkompliziert. Man müsste von Gesetzgeberseite dafür sorgen, dass nur Fahrzeuge eine Betriebserlaubnis erhalten, deren Zugang zu Hard- und Software bestimmten Standards und freien Reparaturmöglichkeiten folgt.....
Gruß
Gravitar
Wie wahr. Drum schau sich ein Käufer mit langfristigen Halteinteresse das Fahrzeug/den Hersteller genau an. Mit Audi Verbrennern hab ich da schon "tolles" erlebt bei einer beruflichen Versetzung nach Schweden.
Zitat:
@Weis2020 schrieb am 14. Oktober 2021 um 07:30:42 Uhr:
Was machen dann die Werkstätten wenn die Verbrenner auslaufen?
Weiter reparieren vielleicht.
Wenn ich mal auf meine Reparaturen der letzten 20 Jahre schaue, dann haben 70-80% der Reparaturen nichts mit dem Antriebskonzept zu tun. Und die verbleibenden 20-30% gehen sicher auch nicht auf Null zurück.