W230 - erste Erfahrung
Ja, sie ist kein Kraftwunder, und ja, sie ist völlig überteuert. Die W230 und das Schwestermodell Meguro S1 sind nicht unumstritten, viele stören sich der geringen Leistung und am in der Tat überzogenen Preis, hier glänzt vor allem nicht nur der Chromtank der Meguro.
Jahre der Suche nach einer sinnvollen Ergänzung der vorhandenen Fahrmaschinen waren eher fruchtlos, teure Anschaffung für Maschinen, welche im Grunde nichts wirklich besser konnten als das vorhandene Material, das mittlere Preissegment driftete derweil in immer größere Höhen ab. Die W800 hat mir schon immer gefallen, aber auch hier, Preis hoch, Gewicht ebenfalls höher als gewünscht und dann noch weniger Leistung als die Stallgenossinnen? Nein. Die 230 trat auf den Plan und mit ihr der Wunsch nach einer Probefahrt. Das war rasch organisiert und der Eindruck der völligen Entspannung und Leichtigkeit stellte sich unmittelbar ein. Die Optik überzeugte weitgehend, die Kritikpunkte waren verschmerzbar. Klar ist man mit knappen 18 PS nicht mit einem Autobahnbrenner unterwegs, auf den kleinen winkeligen Straßen aber herrlich entspannt auf Tour. Gegenwind und Steigungen sind spürbar, das muss man einfach (wieder) lernen. Bei Licht betrachtet, kein Problem. Überhole ich – wenn gerade mal kein Gegenverkehr das verhindert – dann habe ich in kürzester Zeit wieder etwas vor mir. Mit der W geht’s halt mit 80er Bummeltempo dahin, somit bleibt mehr für die Landschaft übrig. In Frankreich inzwischen landesweites Tempo.
Im Grunde vermisst man nichts, die Überholer gewinnen fast nie wirklich ernsthaften Vorsprung, von der Autobahn einmal abgesehen. Im Detail ergibt sich ein Motor mit zweifellos geringer Leistung, ein agiles und Vertrauen erweckendes Fahrwerk und keine Überladung mit elektronischen Spielereien. Einzige Ablenkung könnte der Tageskilometerzähler bieten, muss aber nicht. Die Maschine ist quicklebendig, erfordert natürlich ob des Hubraums und der Einzylindrigkeit viele Schaltvorgänge. Das Getriebe hilft mit kurzen Wegen und Präzision, die Kupplung geht extrem leicht. Die Armaturen sind zwar grafisch schön aufbereitet, beim überfliegenden Blick nicht so rasch abzulesen, wie es zuerst scheint. Die W ist hier aber besser als die Meguro. Die Bremsen bremsen, da bisher keine Nachtfahrten, ist über das LED-Licht keine Aussage zu machen.
Natürlich gibt es auch Schwachpunkte, etwa der fehlende Hauptständer. Das geht für mich gar nicht, ist die Kettenpflege für einen Kardanfreund wie mich, an sich schon ein schmutziges Ärgernis. Die Ölstandsprüfung am Schauglas artet ohne Hilfsperson oder -mittel in eine skurrile Akrobatik aus, die W ist da in „guter“ Gesellschaft. Im Kurzhandbuch findet sich wenig bis nichts über kleinere Wartungsarbeiten, da wird auf ein via Internet erhältliches „normales“ Handbuch verwiesen. Dieses kann man mit Verbindung einsehen, aber nicht etwa den Inhalt auf das Smartphone laden, somit ist zur Literatur stets eine Netzverbindung erforderlich. Wer denkt sich eine unpraktische Art aus? Abgesehen von Funklöchern bei Fernreisen, leeren Akkus und Tiefgaragen ohne WLan? Ist Klein-Kawa nur als Kurzstreckenbrenner geplant? Das geht nun einmal gar nicht liebe Friedberger. Aber auch im „großen“ Handbuch findet sich kein Hinweis über die Gabelölspezifikation, die Füllmenge und das Tauschverfahren. An eine „Lebensdauerfüllung“ könnte ich mich garantiert nicht gewöhnen. Gewöhnen muss man sich ein durch die Abgasvorschriften unstetes Leerlaufverhalten, geht man vom Gas, bremst der Motor je nach Abgaszusammensetzung und Betriebsbedingungen mal mehr, mal - fast wie ein Zweitakter - weniger.
Der Informationsgehalt dieses „Buches“ für kleinere Wartungen ist nicht vorhanden oder einfach nur äußerst spärlich. Noch ein Treppenwitz: das hauseigene Gepäckgestell sieht gut aus, darf aber sage und schreibe nur 3 kg tragen. Da es einen recht stabilen Eindruck macht, könnten dynamische Probleme Grund für eine derart aberwitzige Beschränkung sein. Am Ende bin ich mit dem Garagenzuwachs zufrieden, gleich am ersten Tag wurden trotz Zeitmangel über hundert Kilometer absolviert, jeder davon ein Genuss.
re
21 Antworten
Denke das Gefährt macht am ehesten noch als Autoersatz in der Stadt oder für kürzere Überlandfahrten ohne Autobahnanteil Sinn.
Keineswegs, plane nächste Woche,sofern das Wetter mitspielt, eine Tagestour von 700 km. Nur Bundes- und Landstraßen. Ich bin auf den Unterschied zwischen ihr und der 900er gespannt. Als Stadtfahrzeug sehe ich sie für mich nicht.
re
Interessanter Bericht 🙂
Kleiner Tip, Montageständer kaufen, der erleichtert die Ölkontrolle sowie die Kettenpflege 😉
...den nimmst du dann immer mit auf Tour. Kettenkrad ohne Haupständer ist wie Kopf ohne Hirn.
re
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Für die Tour empfehle ich das hier:
https://www.louis.de/artikel/louis-heber-liftstick/10003338
Damit lässt sich prima Kette schmieren und mit etwas Mut sogar das Hinterrad ausbauen.
Nicht alle Bikes haben einen Hauptständer. Meiner ist der Auspuffanlage zum Opfer gefallen.
Mfg
wie oft willst du Öl und Kette unterwegs kontrollieren?
Auf Reisen sozusagen immer. Zudem sollte besonders bei Regenfahrten öfter geschmiert werden und das geht nun einmal mit einem Mittelständer wesentlich einfacher. Mit einem Fahrzeugheber möchte ich nicht auf Tour gehen. Wer nur bis zur Eisdiele reist, dem kann das Fehlen dieses elementaren Bauteils in der Tat gleichgültig sein. Eine ausgesprochen dumme Mode.
re
Aus dem Grund bin ich froh um die Prismabuchsen an meiner ZRX. Ohne die Dinger hätte ich viele der Schraubereien der letzten Jahre gar nicht angehen können. Vieles lässt sich auf dem Seitenständer gar nicht ordentlich bewerkstelligen.
Genau, nur bis zur Eisdiele. Wie gut mich so mancher hier kennt ist schon erstaunlich.
Mir fällt spontan keine "Rennsemmel" ein, die einen Hauptständer hätte. Meine 12er hat zumindest mal keinen.
Langsam wird es hier bei MT "komisch".
Mfg
Meine ZZR hat tatsächlich noch einen.
Ich sag nix mehr
Zitat:
@kawastaudt schrieb am 21. April 2025 um 20:21:12 Uhr:
Genau, nur bis zur Eisdiele. Wie gut mich so mancher hier kennt ist schon erstaunlich.Mir fällt spontan keine "Rennsemmel" ein, die einen Hauptständer hätte. Meine 12er hat zumindest mal keinen.
Langsam wird es hier bei MT "komisch".
Mfg
Komisch ist tatsächlich, dass hier offenbar davon ausgegangen wird, dass jeder eine Rennsemmel fahren will. Die W fällt ziemlich sicher nicht unter diese Kategorie. Mit einer Rennsemmel fährt auch kaum jemand ernsthaft Langstrecke. Laut Handbuch ist eine Ölstandskontrolle in der Kategorie "tägliche Kontrolle" aufgeführt. Damit sind zwar bestimmt nur Fahrtage gemeint, sinnvoll ist's in jedem Fall bei einem Ölvolumen von gerade einmal 1,3 Litern ein Auge auf den Stand zu haben. Beim Flieger gehört die Ölstandsprüfung zur Vorflugkontrolle, es handelt grob fahrlässig, wer dies missachtet.
Hier geht es um eine neue Maschine und über deren vielleicht vorhandenen oder noch erhöhten Ölkonsum ist noch nichts bekannt. Meine Vierzylinder - mit Schauglas und Mittelständer - kenne ich nach 100.000 km genau, da weiß ich schon was auf 5000 km an Öl fehlen wird und sollte es mehr als ein halber Liter sein, wäre das auffällig.
Sportlichkeit kann ich aufgrund des Fehlens des Mittelständers bei der W auch keine ausmachen. Was auf der Rennstrecke sinnvoll ist, muss es nicht im Alltag sein. Wieviele Kilometer fahren die Rennerles in einem Rennen? 100, 200 Kilometer? Auf Tour absolviere ich schon mal bis 1000 km am Tag (kaum Autobahnanteil).
re
"Laut Handbuch ist eine Ölstandskontrolle in der Kategorie "tägliche Kontrolle" aufgeführt. Damit sind zwar bestimmt nur Fahrtage gemeint,"
oder doch kalendertäglich?