Restwertabzug bei Unfallreparatur durch andere Werkstatt, wenn Schaden nahe am Totalschaden ist?
Meiner Nichte ist so ein Typ vom Paketdienst rückwärts in den Wagen gefahren. Jetzt wurde ein Gutachten erstellt in Höhe von 5700€ brutto und der Wiederbeschaffungswert liegt bei 5900€. Der Restwert sind 1650€. Jetzt soll der Wagen in einer Werkstatt für 1000€ ausgebeult und lackiert werden, bei Seat soll ja das ganze Seitenteil ersetzt werden. Jetzt meint die Versicherung der Gegenseite, sie könne den Restwert einfach von den 5700€ abziehen und dann noch die Mehrwertsteuer abziehen. Also würde sie nur rund 3400€ anstatt 4780€ bekommen, zuzüglich die 160€ Mehrwertsteuer für die Reparatur. Begründung der Versicherung ist wohl, dass der Wiederbeschaffungswert zu nahe am Schadenswert ist und sie nicht wollen, dass sich meine Nichte an dem Unfall irgendwie bereichert.
20 Antworten
Der TE kann natürlich reparieren lassen, das ist aber hier nicht das Thema.
Wenn er fiktiv abrechnet und nicht entsprechend Gutachten repariert, bekommt er den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert.
Wenn dein Urteil diesen Fall behandelt und etwas gegenteiliges aussagt, dann kannst du es mir bitte senden.
Der erste google-Treffer für "fiktive Abrechnung auf Reparaturkostenbasis" war dieser hier.
Zitat:
BGH, Urteil vom 23.11.2010 - VI ZR 35/10
Leitsätze
a) Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und es zu diesem Zweck - falls erforderlich - verkehrssicher (teil-)reparieren lässt.
b) Vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wieder-beschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht.
BGB § 249 Abs. 2 Satz 1 Gb, Hb
Aber einen solchen Anspruch (wenn er denn besteht) ohne Anwalt durchzusetzten könnte schwierig werden.
Danke schon mal für die Antworten! Ich werde ihr raten auf jeden Fall einen Anwalt zu kontaktieren, steht einem ja auch zu als Geschädigtem. Ich schreib dann, was der Anwalt zum Thema gesagt hat.
@Oetteken : Nun hat @hk_do mir die Arbeit schon abgenommen. Besonders interessant bei dieser BGH-Entscheidung ist der Hinweis "falls erforderlich verkehrssicher (teil-)reparieren lässt". Ein anständiger Streifschaden über drei Bauteile führt schnell zu einigen Tausend Euro Reparaturkosten, ändert aber an der Verkehrssicherheit nichts.
Eine spätere Entscheidung führt dann auch aus, dass die 6-monatige Weiternutzung keine Fälligkeitsvoraussetzung ist. Den Differenzbetrag kann die Versicherung unter Rückforderungsvorbehalt zahlen. Macht aber meist keine und angesichts der Dauer einer Klage lohnt diese nicht. Da ist abwarten einfacher.
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Leider gelingt mir die Verlinkung zum Urteilstext nicht.
So einfach und klar ist der Fall, bezogen auf diesen Thread, nicht.
Gib mal den folgenden Text bei Google ein:
neues-bgh-urteil-zur-fiktiven-abrechnung-bei-veraeusserung-des-fahrzeugs-innerhalb-der-6-monats-haltefrist-vi-zr-3510-vom-23-11-2010
Das ist doch das selbe Urteil, das ich verlinkt hatte?
Dort hatte der Anspruchsteller das Fahrzeug vor Ablauf der schon genannten 6 Monate verkauft, deswegen hatte er (wenig überraschend) keinen Erfolg mit der fiktiven Abrechnung auf Reparaturkostenbasis.
Es liegt also ein ganz anderer Fall vor, in dessen Zuge aber der grundsätzliche Anspruch bei Einhaltung der 6-monatigen Haltefrist nochmal bestätigt wird.
Zum Beispiel in diesem Absatz:
Zitat:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann ein Unfallgeschädigter fiktiv die vom Sachverständigen geschätzten (über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden) Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-) reparieren lässt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 ff.; vom 23. Mai 2006 – VI ZR 192/05, BGHZ 168, 43 ff. und vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07, VersR 2008, 839). Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensabrechnung nicht erfüllt, da der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das unfallgeschädigte Fahrzeug bereits vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist weiterverkauft hat.