Petition gegen ABS-Pflicht
Um der Beleuchtung kontroverser Themen von allen Seiten noch etwas Raum zu geben, hier ein neues Thema:
Petition gegen ABS-Pflicht bei Neumotorrädern
Ja, finde ich gut.
Nicht, dass ich ein Motorrad ohne ABS fahren würde, aber welchen Sinn macht es, alle Neumotorräder pflichtweise mit ABS auszustatten? Der Markt wird das schon so regeln, dass bei allen Motorrädern, wo es Sinn macht, auch ABS verfügbar sein wird.
Um Missverständnisse zu vermeiden die Kernaussage der Initiatoren:
---------
es gibt tatsächlich motorradfahrer, die ohne diese unterstützenden systeme motorrad fahren. möchten.
denen es dabei nicht darum geht, zu behaupten, die käuflichen abs-systeme zum beispiel seien technisch unzureichend.
& auch nicht um den vergleich der bremswege, wie sie mit oder ohne abs zu erreichen sind. nicht darum, ob unter günstigen bedingungen ein abs-frei gebremstes motorrad früher zum stehen kommt. oder darum, dass eine elektronisch tastende bremse bei bremsungen mit reibwertsprüngen, womöglich noch auf nasskalter fahrbahn, das wohl effektivere system ist.
so wie auch zugestanden wird, dass eine traktionskontrolle die motorenleistung mit hoher effizienz an das übertragungsvermögen des reifens anzupassen in der lage ist. auch hier interessiert nicht der vergleich mehr oder minder aufwendiger & systeme. ohne belang ist, dass vereinzelt fahrer auf höchstem (rennsportniveau) ohne einsatz eines solchen systems schneller aus der kurve kommen.
um all das geht es nicht.
sondern darum, selbstbestimmt auf die schnauze zu fallen zu dürfen.
dinge wie die bauart des motors, der unter einem wummert, brabbelt oder kreischt, der treff mit den kumpels, das ungepflegte benzingespräch, der wind, der einem um die nase weht – all dies ist an manchen tagen schön wichtig, aber letztendlich aufs ganze gesehen, doch nur beiwerk.
ein bestandteil des motorradfahrens ist die sportliche auseinandersetzung mit dem motorrad, seiner fahrdynamik, den physikalischen möglichkeiten, den begrenztheiten. der auseinandersetzung mit den eigenen fähigkeiten, ihrer entwicklung.
sie zu trainieren, sie ehrgeizig zu verbessern, darum geht es. ob auf der landstrasse oder dem rundkurs. wo auch immer.
den gasgriff feinfühlig zu bedienen, mit stützgas in die kurve zu gehen, noch in schräglage früh das gas aufzuziehen, den schmalen grat der reifenhaftung zu kontrollieren - das ist es doch, was einen gutteil des reizes am schnellen motorradfahren ausmacht.
in diesem sinne ist der einsatz einer traktionskontrolle zutiefst unsportlich.
& wenn es um den vergleich mit anderen geht, sogar unritterlich.
& auch das bremsen, zugegebenermassen keine immer ganz leichte übung, lässt sich durchaus trainieren.
es ist ein hoher anspruch, den man als fahrer zu erfüllen hat. um so grösser die befriedigung, wenn man es beherrscht. auch in der not.
um auch das klipp & klar zu sagen: es geht nicht um die behauptung, fähiger zu sein als ein elektronisch geregeltes system. auch nicht darum, den fahrerischen überflieger zum mimen.
sondern darum, die eigenen unzulänglichkeiten auszuhalten, sie im rahmen der persönlichen machbarkeiten zu verbessern.
(...)
--------------
Hier schließt sich ein bischen der Kreis zur Helmpflicht...😉
Beste Antwort im Thema
Um dieser dussligen Diskussion pro/kontra ABS und ich bin so ein geiles Tier auf der Bremse, das ABS brems ich locker aus den Boden zu entziehen, mal ein paar Überlegungen.
A) es steht außer Frage - die sicherste Methode, gefährliche Bremsmanöver zu umgehen ist die vorausschauende Fahrweise. Da sagt ja auch niemand was dagegen, ist einfach so.
B) Optimale Bremsmanöver ohne ABS und ohne Schnauze-Fall gelingen nur sehr geübten Bremsern unter optimalen Bedingungen. Bei suboptimalen Bedingungen oder wechselnden Bedingungen liegen selbst GP-Profis oft genug auf dem Nuschel.
C) Optimale Bremsmanöver gelingen jedem Dödel mit ABS, wenn er zuvor einige Male bewusst volle Lotte in den Bremshebel gelangt hat, um den Regelbereich je kennengelernt zu haben. Dann traut er es sich nämlich auch im Gefahrenfall.
Und genau hier liegt der Vorteil des ABS. Dem eiligen Biker (und auch dem nicht eiligen, StVO-konformen und vorausschauendem Warnwesten-Träger) die Sicherheit zu geben, im Notfall ohne Gedanken an Überbremsung und Bodenkontakt blind und voll in die Eisen langen zu können und somit Bremsweg zu gewinnen. Dass konzeptbedingt das eine Bike mit ABS unter optimalen Bedingunen dem ohne ABS nur wenig überlegen ist, ist völlig normal. Ein frontlastiger SSP mit Überschlagsgefahr hat hier gegen ein Tourenschiff mit vielleicht 55% Fahrzeuggewicht auf dem Heck einfach schlechtere Karten, da weniger Anpressdruck auf dem Vorderrad. Daher sind die Bremswegunterschiede unterschiedlicher Bikes völlig irrelevant bezüglich der Effektivitätsbeurteilung des ABS.
Noch nicht überzeugt, weil ja ach so einTier auf der Bremse?
Gut, also Messwerte!
Aktuelle Ausgabe Motorrad, Alpenmasters, Top-Tester Schwers an der Bremse. Bremsmessung bergab am Stilfser Joch mit Reibwertsprüngen, Verzögerung von 75km/h auf 25 km/h. Einziges Bike ohne ABS (GSR750) benötigt 29,0 Meter. Schlechteste ABS-Maschine (Z1000SX) 27,4 Meter (Problem Stoppie-Neigung, nicht etwa Vorderrad-Überbremsung, somit leicht beherrschbare Komplikation gegenüber dem Vorderrad-Rutscher). Bestes Bike (Aprilia Dorsoduro/BMW K1600GT) 24,3 Meter.
Gut bemerkt, ich hab ja vorhin von unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten geschwätzt, also immer noch nicht überzeugt?
Besagter Toptester erreicht nach mehreren Bremsungen mit der BMW K1300 S, einem Bike für Gewaltbremsungen wie geschaffen, einen Bremsweg 100 auf 0 von 36,7 Metern - fantastisch. Dann aber Bremsung mit aktiviertem ABS aus dem Stand 36,5 Meter. Wie gesagt - Profi, optimale Bedingungen, mehrere "Tastversuche".
Übrigens, weil wir bei Messungen waren. Die BMW S1000RR schaft in allen Messungen der Motorrad einen Bremsweg von 41-42 Metern, hat die Motorad-News vielleicht im Regen getestet? Da stehen für das SSP-Bike 48,8 Meter auf der Uhr (Quelle Motorrad 22/2010).
Übrigens, meine Bikes haben KEIN ABS. Ob ich unter Optimal-Bedingungen den Wert der S1000RR aus den Regenmessungen schaffe, wage ich echt zu bezweifeln.
137 Antworten
Zitat:
Original geschrieben von Kawa_Harlekin
PS: Und bye bye sampleman, denn wenn wir schon - wie irgendwer hier im Thread weiter oben - von "charakterlicher Eignung" sprechen .... wer so derartig auf solch niedrigem "Holzhammer-Nievau" - also andere einfach abwatschen, ohne zu berücksichtigen, was sie eigentlich gesagt hatten - diskutieren will, dem fehlt mit Verlaub die charakterliche Eignung zu allem möglichen ...
Immer mit der Ruhe, guter Mann. Offensichtlich fühltest du dich durch meine Aussagen persönlich angesprochen, um nicht zu sagen: angepisst.
Das lag aber gar nicht in meiner Absicht und ich habe dich auch nicht gemeint. Es ist nur so, dass ich über das Thema ABS - und andere Aspekte der Verkehrssicherheit - ja nicht nur mit den paar Regulars von MT diskutiere, sondern auch mit allen möglichen anderen Leuten. Und was man da zum Teil für einen Quadratbullshit zu hören bekommt, rollt einem wirklich die Fußnägel auf. Und wenn dann mal wieder so ein Vollspacko greint: "Bevor ich mir eine Mühle mit Zwangs-ABS kaufe, geb' ich lieber das Motorradfahren auf", dann möchte ich ihm fröhlich hinterherrufen: Prima, mach das mal, haben wir mehr Platz zum Fahren!
Wie gesagt, du warst persönlich nicht gemeint, ich wollte dir nix böses unterstellen. Und wenn das bei dir so angekommen ist, dann hast du dich schlicht und einfach geirrt.
Nochmal was zur Sache: Die Allianz-Versicherung betreibt mit erheblichem Aufwand Unfallforschung im Straßenverkehr. Man kann den Leuten dabei durchaus lautere Motive unterstellen, denn wenn jemand ein Interesse an sinkenden Verkehrsunfallzahlen hat, dann ist das ein Versicherungskonzern, schließlich sind Unfälle für die nix weiter als Kosten. Die haben ein paar hundert schwere Unfälle analysiert, in die Motorradfahrer verwickelt waren, und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine allgemeine ABS-Pflicht die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer um etwa 15% senken könnte. Gehen wir mal von 600 bis 800 Toten im Jahr aus, reden wir von 100 bis 120 Menschen im Jahr. Das ist nicht wirklich wenig, und auf ganz Europa hochgerechnet sind das schnell mehr als 1.000, zumal in anderen Ländern mehr Motorrad gefahren wird als bei uns. ABS ist speziell in Südeuropa eher weniger beliebt, deshalb ist die Motorradindustrie nicht so scharf auf eine ABS-Pflicht, aber wenn sie 2017 dann kommt, können die Motorradbauer immerhin Rationalisierungseffekte erzielen, indem sie die ABS-losen Typen einfach wegfallen lassen können. Also, ich werde eine Petition gegen eine ABS-Pflicht nicht unterschreiben.
Zitat:
Original geschrieben von Felyxorez
Ich versteht partout nicht den Nachteil an ABS, ausser das es etwas teuere ist.
Ich schicke voran, dass ich ein ABS-Fan bin und mich freue, dass mein Mopped ABS hat.
Folgende Nachteile sehe ich bei ABS-Systemen:
- Kostet Geld und wiegt (hast du ja schon gesagt)
- Stellt eine zusätzliche Fehlerquelle für technische Defekte dar. Das ist insofern blöd, weil normalerweise ein Mopped mit defektem ABS so bremsen sollte wie eins ohne. Aber man kommt mit einem defekten ABS nicht durch den Tüv, und ABS-Steuergeräte sind scheißteuer.
- Wartung und Reparatur sind bisweilen ziemlich teuer. Bei der BMW R1150GS mit dem umstrittenen Teilintegral-ABS III kostet ein Bremsflüssigkeitswechsel beim Händler über 200 Euro, und alle Kenner sagen dir, dass du das wirklich einmal pro Jahr machen lassen solltest und nicht selbst machen sollst.
- Wenn man eine Bremse mit einem glasklaren Druckpunkt haben will, der auch bei starker Beanspruchung nicht wandert, dann ist das ohne ABS weit leichter zu realisieren als mit ABS. Je nach Güte des Motorrades verfügen viele ABS-Bremsen über einen leicht matschigen, wandernden Druckpunkt. Das liegt u.a. daran, dass ABS-Bremssysteme erheblich längere Bremsleitungen haben als solche ohne ABS.
- Es gibt Mopped-Konzepte, bei denen ABS kontraproduktiv ist. Das waren bis vor kurzem Superspochtler und Crosser, inzwischen bleiben vor allem die Crosser über.
Ich finde, dass die Vorteile die Nachteile deutlich überweigen, aber es gibt Nachteile, zweifellos.
Zitat:
Original geschrieben von sampleman
- Wenn man eine Bremse mit einem glasklaren Druckpunkt haben will, der auch bei starker Beanspruchung nicht wandert, dann ist das ohne ABS weit leichter zu realisieren als mit ABS. Je nach Güte des Motorrades verfügen viele ABS-Bremsen über einen leicht matschigen, wandernden Druckpunkt. Das liegt u.a. daran, dass ABS-Bremssysteme erheblich längere Bremsleitungen haben als solche ohne ABS.
Ja, das kann ich soweit bestätigen. Erst eine DR Big gehabt ohne Druckpunkt, dann Stahlflexleitung angebaut und ahaaaaa, siehe da, das Teil hat doch einen Druckpunkt. Danach kam die KTM Adventure mit ABS und der Druckpunkt war tatsächlich nicht so gut definiert wie bei der ollen Big. Schon traurig.
Andererseits bleibt auch hier der Fortschritt nicht stehen. Ich werde auf jeden Fall mal eine aktuelle SMT probe fahren. Dieser wird nicht nur bescheinigt eines das aktuell leichteste System zu haben (1 kg) sondern sogar ein guter Druckpunkt soll vorhanden sein. Ich bin auf jeden Fall mal gespannt und irgendwie machen solche Probierfahrten ja auch Freude... 😁